Johannes 6, 30-35
Liebe Gemeinde,
Jesus sagt von sich: Ich bin das Brot des Lebens. Das ist wohl das klarste und
anschaulichste Bild, das Jesus von sich selber entwirft. Brot als
Zeichen, als Symbol für das, was wir zum Leben brauchen. Dabei
wissen wir: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von
einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht (Matthäus 4, 4). Das Brot
des Lebens ist Gottes Wort. Jesus Christus ist Gottes Wort – "das
eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben
zu vertrauen und zu gehorchen haben", wie es die Theologische
Erklärung von Barmen bekannt hat – zur Zeit der Nazis, angesichts
der Deutschen Christen, die lieber auf andere Worte hören wollten,
die meinten, Gottes Wort in Jesus Christus sei nicht genug zum Leben
und Sterben.
Nein, es ist
anders: Das tägliche Brot, Essen und Trinken, aber auch all das
andere, was wir zum guten Leben brauchen, wie Kleidung und Wohnung,
Gut und Geld, Stabilität und Wohlstand, Frieden und Gesundheit,
Nachbarn und Freunde, das alles ist nicht genug zum Leben und
Sterben. Was wir brauchen, ist immer noch mehr. Wir brauchen einen
ganz großes Ja über unserem Leben. Wir brauchen einen ganz großen
Sinn in unserem Leben. Wir brauchen etwas, das uns trägt und hält,
selbst dann, wenn uns der Boden unter den Füßen weggezogen wird.
Darum diese Formulierung: "im Leben und im Sterben". Darum geht
es: Was hält uns? Was trägt uns durch, selbst durch Todesangst und
-einsamkeit? Selbst durch Schuld und Scheitern? Selbst durch
Verzweiflung und Sinnlosigkeit? – Das ist mehr als Brot. Das ist Brot
des Lebens im biblischen Sinne. Das ist Gottes Wort, das uns
erreicht, das uns errettet, das uns trägt und hält, wie es die
ganze Schöpfung trägt und hält.
Jesus Christus, das
Brot des Lebens: Es wird ganz anschaulich im Heiligen Abendmahl. Wir
essen Brot und trinken Wein, aber wir empfangen viel mehr als Brot
und Wein. Wir empfangen Gottes Wort.
Wenn ich mit meinen
Konfirmanden das Heilige Abendmahl behandelt habe, habe ich sie immer
gebeten zu überlegen, was zum Abendmahl alles dazugehört: Ja,
natürlich: Brot bzw. Oblaten und Wein oder auch Saft, die Gefäße
dazu; dann kamen sie meistens auf den Pfarrer und die Gemeinde,
schließlich fielen ihnen Gebete und Gesänge ein. Das Wichtigste
aber, das Wichtigste, was aus dem allen erst das Heilige Abendmahl
macht, das ist ihnen oft gar nicht eingefallen: Es ist Gottes Wort.
Wir sprechen die biblischen Worte von der Einsetzung des Abendmahls,
wir zitieren die Worte Jesu: Das ist mein Leib, der für euch
gegeben wird. Das ist mein Blut des neuen Bundes bzw. das
Neue Testament in meinem Blut, das für euch vergossen wird zur
Vergebung der Sünden. Und wir sprechen das jedem einzelnen
persönlich zu, wenn wir die Gaben verteilen: Christi Leib, für
dich gegeben, Christi Blut, für dich vergossen.
Ich habe vor
ein paar Tagen erst wieder Luthers Schrift von der "Babylonischen
Gefangenschaft der Kirche" gelesen. Darin kämpft er um das
richtige Verständnis der Sakramente, und sein Hauptaugenmerk liegt
auf dem Sakrament des Abendmahls, der Messe, wie er mit der damaligen
kirchlichen Ausdrucksweise sagt. – Heute sagt man lieber "Eucharistie", in der katholischen und auch in der anglikanischen
Kirche, auch manche in der lutherischen Kirche. Im Sinne von Luther
ist das nicht richtig. "Eucharistie" ist ein griechisches Wort
und bedeutet 'Danksagung'. Und selbstverständlich gehört die
Danksagung, das Dankgebet zur Abendmahlsfeier dazu – aber sie ist
nicht das Wichtigste, nicht die Hauptsache. Sie ist erst unsere
Antwort auf Gottes Gabe. Das Eigentliche, das Wichtige, die
Hauptsache am Heiligen Abendmahl ist das, was Gott uns durch Jesus
schenkt, und nicht das, was wir für ihn tun. – Darum hat sich
Luther so vehement dagegen gewendet, dass man die Messe als ein Opfer
betrachtet hat, als ein Werk der Kirche, mit dem man vor Gott
Verdienste erwerben könnte.
Das Heilige Abendmahl ist Gottes Wort,
Gottes Zuspruch und Verheißung, versehen mit einem sichtbaren,
leiblichen Zeichen. Das nennen wir Sakrament: Gottes Wort, versehen
mit einem sichtbaren Zeichen: bei der Taufe ist es das Wasser, beim
Abendmahl sind es – manche würden sagen: Brot und Wein, Luther sagt:
Leib und Blut Christi unter Brot und Wein. Man kann auch sagen:
Sakramente sind sichtbar gewordenes Wort Gottes. Das Entscheidende
ist das Wort, und was dieses Wort uns sagt, lese ich einfach einmal
in den guten alten Worten Luthers, wie er sie dem Herrn Jesus Christus in den Mund legt:
Siehe, du sündiger und verdammter Mensch, aus lauter und unverdienter Liebe, mit der ich dich liebe - der Vater aller Barmherzigkeit will es so haben - verheiße ich dir mit diesen Worten, ehe du irgend etwas verdient und verlangt hast, Vergebung aller deiner Sünden und das ewige Leben. Und auf dass du gewiss seiest, will ich meinen Leib dahingeben und mein Blut vergießen und diese Verheißung hinterlassen. Sooft du davon Gebrauch machst, sollst du mein gedenken und diese meine Liebe und Güte gegen dich preisen, loben und danksagen.
Vielleicht
kommt uns diese Anrede als "sündige und verdammte Menschen" überzogen und unzeitgemäß vor. Sie sagen aber letztlich nur das
aus, dass wir ohne Gott verloren sind, ohne Halt und ohne Sinn, dass
wir uns selber nicht das geben können, worauf wir im Leben und im
Sterben bedingungslos vertrauen können. – Aber Gott sagt Ja. Er sagt
Ja zu dir, und das sollst du auch ganz persönlich annehmen, wenn es
dir beim Heiligen Abendmahl gesagt ist: Für dich. Für dich
ist Jesus gekommen, für dich hat er gelebt, für dich ist er
gestorben. Er ist das eigentliche Sakrament und Zeichen für Gottes
Liebe zu dir. So gewiss, wie du isst und trinkst, so gewiss wie er
gestorben ist, so gewiss steht Gottes Ja über deinem Leben. – Gott
fordert nichts von dir, als diesem seinem Wort zu vertrauen.
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