Sonntag, 29. Juli 2012

Predigt am 29. Juli 2012 (8. Sonntag nach Trinitatis)


Wisst ihr nicht, dass die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden? Lasst euch nicht irreführen! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder, Diebe, Geizige, Trunkenbolde, Lästerer oder Räuber werden das Reich Gottes ererben. Und solche sind einige von euch gewesen. Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes. Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangen nehmen. Die Speise dem Bauch und der Bauch der Speise; aber Gott wird das eine wie das andere zunichte machen. Der Leib aber nicht der Hurerei, sondern dem Herrn, und der Herr dem Leibe. Gott aber hat den Herrn auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Kraft. [...] Flieht die Hurerei! Alle Sünden, die der Mensch tut, bleiben außerhalb des Leibes; wer aber Hurerei treibt, der sündigt am eigenen Leibe. Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe.
1. Korinther 6, 9-14. 18-20

Liebe Schwestern und Brüder,

seid vorgestern, genau genommen erst seit gestern, feiert die Welt wieder das große Fest der Leiblichkeit. Natürlich sind die Olympischen Spiele vieles mehr. Vor allem, wenn man etwas von der großen Idee spürt, die dahintersteht: die Welt im friedlichen Wettkampf vereint. Trotzdem, sie sind vor allem ein Fest der Leiblichkeit, denn im Mittelpunkt steht der Sport, stehen die Höchstleistungen menschlicher Körper. Wir staunen, was sie vollbringen. Und wir bewundern auch die Kraft und Schönheit eines athletischen Körpers. Viele Sportler präsentieren genau das, ihren fantastischen Körper, unterstrichen und verschönert vielleicht auch durch eindrucksvolle Tattoos …

Die Olympischen Spiele fügen sich ein in eine Zeit, in der der menschliche Körper wiederentdeckt worden ist. Ein Kennzeichen der Moderne, und damit meine ich das 19. und vor allem das 20. Jahrhundert, ist die Wiederentdeckung der Leiblichkeit. Der Mensch hat nicht nur einen Körper, der sich irgendwie dem Geist unterzuordnen hat, sondern der Mensch ist Körper. Wie wichtig das ist, das kann man daran ablesen, welche Bedeutung die Themen des Körpers, der Leiblichkeit gewonnen haben.

Der Sport ist wiederentdeckt worden. Der menschliche Körper ist eben nicht nur ein Arbeitstier, sondern etwas, das Freude bringt, wenn man es in Bewegung setzt.

Das Thema Gesundheit ist immens wichtig geworden. Denken wir an die Entwicklung der Medizin in den letzten 200 Jahren. War man davor den meisten Krankheiten ziemlich hilflos ausgeliefert, so können wir heute unheimlich viel für die Gesundheit tun. So viel, dass wir Krankheit schon fast als etwas wahrnehmen, das eigentlich gar nicht sein soll, woran wir oftmals selber schuld sind und das mit der richtigen Behandlung und mit der richtigen Einstellung überwunden werden kann. – „Ich habe den Krebs besiegt“ - ein Satz, auf den vor 200 Jahren kein Mensch gekommen wäre.

Der ganze Bereich der Sexualität, der körperlichen Liebe, ist aus seiner dunklen Tabuzone – das ist peinlich, darüber spricht man nicht – herausgetreten. Sexualität wird offen – mancher empfindet es allerdings auch schamlos – thematisiert und praktiziert.

Und denken wir einfach auch an die Freizügigkeit, mit der heute der menschliche Körper, auch und gerade der weibliche Körper der Öffentlichkeit präsentiert, manchmal muss man auch sagen: zugemutet wird (Da müssen wir ja nur vor die Tür gehen.).


Wir müssen zugeben: Als Christen und als Kirchen standen wir bei all diesen Entwicklungen hin zu mehr Leiblichkeit und Körperbewusstsein nie an der Spitze der Bewegung. Uns umgibt immer ein Hauch von Leibfeindlichkeit, von Prüderie und Schamhaftigkeit. Dazu kommt, dass in den Kirchen weltweit immer noch die heftigsten Schlachten um die Sexualmoral geschlagen werden.

Irgendwie ist es nicht ganz aus der Luft gegriffen, dass der Kirche Lust- und Leibfeindlichkeit nachgesagt wird. Man kann das sicherlich geschichtlich aufdröseln. Ein wichtiger Punkt dabei wird sein, dass der christliche Glaube sich sehr früh mit der Philosophie des alten Platon und seiner Nachfolger angefreundet hat, die das Gute, Wahre und Schöne in einem Reich der Ideen erblickte, zu dem man sich hinwendete, indem man sich von den vergänglichen körperlichen Dingen abwendete. Abtötung des Leibes wurde zum Ideal des platonisch beeinflussten Mönchtums. Das hat die Christenheit geprägt.

Dabei steht am Anfang der christlichen Botschaft etwas ganz anderes: die Bejahung des Leibes, des Körpers, des ganzen Menschen.

Jesus hat Menschen körperlich geheilt. Er hat sie berührt und gesund gemacht. Hat ihnen nicht gesagt: Dein Leib ist unwichtig, Hauptsache deine Seele wird gerettet. Er hat ihnen ausdrücklich das Heil für Seele und Leib gebracht.

Und Jesus selbst – er war ja Mensch, ganz und gar: mit einem Leib, einem Körper, der Hunger und Durst hatte, der Schmerz und Lust kannte, der wusste, was Mühe und Entspannung bedeutete. Das Wort ward Fleisch, heißt es. Gott wurde Mensch, sagt das Glaubensbekenntnis. Warum? – Weil es Gott eben nicht nur um unsere Seele geht, sondern auch um den Leib, um den ganzen Menschen. Christus hat leiblich gelitten am Kreuz – das war in der frühen Christenheit ein ganz wichtiges Thema: Indem er ganz wie wir war, auch in seinem leiblichen Leben und Sterben, konnte er uns auch ganz erlösen, mit Seele und Leib.

Ja, und Erlösung mit Seele und Leib, das heißt dann eben auch leibliche Auferstehung. Auferstehung des Fleisches, habe ich als Kind noch gelernt, bevor dann die neue ökumenische Fassung des Glaubensbekenntnisses eingeführt wurde. Auferstehung, wie Christen sie glauben, ist eben nicht nur ein Weiterleben der unsterblichen Seele nach dem Tod, sondern eine neue leibliche Existenz. Weil eine Seele ohne Leib unvollständig ist. Weil Gott uns leiblich geschaffen hat und wir in Ewigkeit zur Leiblichkeit bestimmt sind.

„Leiblichkeit ist das Ende der Werke Gottes“ , so der Württemberger Theologe Friedrich Christoph Oetinger bereits im 18. Jahrhundert.

Richtig verstanden ist also unser Leib, unser menschlicher Körper immens wichtig. Gott hat uns zu einem leiblichen, körperlichen Leben geschaffen. Wir erfahren und gestalten unsere Welt durch unseren Leib. Wir geben und empfangen mit unserem Leib. Wir kommunizieren mit unserem Leib. Wir sind unser Leib. Und ohne Leib sind wir nicht. Gott liebt nicht nur unsere Seele, sondern auch unseren Leib. Und deshalb sollen wir selber unseren Leib, unseren Körper auch wichtig nehmen, ihn nicht verachten oder vernachlässigen, sondern ihn pflegen, ihm Gutes tun und Gutes mit ihm tun.


So ist auch unser Predigttext gemeint. Vielleicht hat er beim ersten Hören etwas von dieser alten prüden Leibfeindlichkeit anklingen lassen, wenn da von sexuellen Lastern und Hurerei die Rede ist. Aber die Pointe ist ja eine ganz andere: Unser Leib ist kostbar, ist wertvoll, ist wunderbar. Euer Leib ist ein Tempel des Heiligen Geistes. – Was für eine Ehre, was für eine Auszeichnung! Gottes Geist wohnt in unserem Leib. Gott selber wird leiblich in unserem Leib. – Wie anders sollen Menschen Gott begegnen, als durch uns, durch unsere leibliche Existenz!

Und deshalb geht es hier überhaupt nicht darum, den Leib mit seinen Bedürfnissen zu verachten, sondern es geht darum, ihn zu ehren – als Gottes Werk und Gottes Wohnung.

Geht achtsam um mit eurem Leib!, sagt der Apostel. Überlegt, was ihr tut mit eurem Leib!

Dabei geht es gar nicht um Verbote und Tabus, sondern darum, was mir nützt und was mir schadet. Alles ist mir erlaubt, schreibt Paulus, aber nicht alles dient mir zum Guten.

Christliches Leben, Leben mit Christus ist Freiheit, nicht Zwang. Leben mit Christus heißt, nicht immer erst fragen zu müssen, was ich darf, und darauf zu achten, was vielleicht verboten ist. Nein, darum geht es nicht. Es geht darum, was für mich und für die anderen gut ist, und was nicht, und darüber soll ich in Freiheit entscheiden. In Freiheit entscheiden, heißt Verantwortung übernehmen. Ich bin verantwortlich für das Leben, das ich führe. Ich bin verantwortlich dafür, was ich mit meinem Körper anstelle.

Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangennehmen. – Pass auf, heißt das, dass du deiner Freiheit nicht neue Fesseln anlegst! Pass auf, dass du nicht zum Sklaven deines Leibes wirst! Es geht um die Freiheit.

Wir kennen doch die Beispiele von Unfreiheit, gerade im Blick auf unseren Körper. Da werden aus Trieben Süchte. Da wird aus Essen, das uns guttut, Völlerei, die uns fett und krank macht. Da wird aus dem Genuss von belebenden Getränken der zwanghafte Griff zur Flasche, der uns hässlich und am Ende auch krank macht. Da wird aus dem Bedürfnis nach Bewegung und Sport ein suchtartiges Nicht-Aufhören-Können. Da wird aus dem Wunsch nach einem schönen Körper krankhafte Magersucht oder der Zwang, immer neue chrirurgische Verschlimmbesserungen am eigenen Körper vornehmen zu lassen, bis überhaupt nichts mehr echt daran ist. Und da wird aus dem Bedürfnis nach körperlicher Nähe und sexueller Befriedigung bindungsloses Umherschweifen, die Gefährdung und Zerstörung von Beziehungen oder gar Missbrauch und Gewalt. Um diese Gefahren der Unfreiheit, des Zwanges, der Sucht und der Zerstörung geht es Paulus, wenn er vor Hurerei und anderen Lastern warnt.


Gott hat uns einen großartigen, wunderbaren Körper geschenkt. Wir können herrliche Dinge mit ihm erleben und tun. Wir können ihn schmücken und ehren und ihm wohltun. Wir können ihn in den Dienst unserer Mitmenschen und der menschlichen Gemeinschaft stellen. Wir können ihn als Tempel von Gottes Geist bewohnen lassen, so dass wir Gott damit Ehre machen.

Es ist gut, dass der menschliche Körper in den letzten Jahrhunderten wieder zu Ehren gekommen ist. Dass wir ihn wahrnehmen können. Dass wir seine Schönheit und Leistungsfähigkeit bewundern können, so wie jetzt wieder bei den Olympischen Spielen.

Wir können heute vielleicht sogar wieder etwas besser verstehen, was leibliche Auferstehung bedeutet. Wir sollen einmal den Himmel genießen.

Es ist gut, dass uns unser menschlicher Körper, unser Leib wichtig ist. Weil er Gott wichtig ist. Und darum auch wollen wir mit unserem Leib wie mit unserer Seele, mit unserem ganzen Leben Gott die Ehre geben.

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Sonntag, dem 29. Juli 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

wir nennen Gott Vater, Schöpfer, König, Richter, Hirte, Quelle, Burg und vieles mehr. – Aber wie heißt Gott wirklich? Hat er keinen richtigen Namen? – Gott ist ja eigentlich nur eine Gattungsbezeichnung: Hier der Mensch, dort der Gott. Menschen haben verschiedene Götter angebetet in vergangenen Zeiten und auch noch heute. Hat unser Gott, der Gott den Christen und Juden verehren, nicht auch einen Namen?


Vielleicht haben Sie sich mal mit Mitgliedern der Gemeinschaft der “Zeugen Jehovas” unterhalten. Die werden Ihnen erklären, Gottes richtiger Name sei Jehova. – Wie kommen sie darauf?


Nun sie haben damit nicht ganz Unrecht. Denn in der hebräischen Bibel, der Originalfassung unseres Alten Testaments, steht tatsächlich immer wieder dieser Name. In unseren Bibelübersetzungen wird der meistens mit dem groß gedruckten Wort HERR wiedergegeben. Das hat damit zu tun, dass die Juden schon in alter Zeit aus Ehrfurcht den Namen Gottes nicht ausgesprochen haben, sondern ihn z.B. durch dasWort für Herr ersetzt haben. Wie der Gottesname ursprünglich ausgesprochen wurde, wissen wir deshalb gar nicht mehr ganz genau: wahrscheinlich Jachwe oder Jahwe. Die falsche Aussprache Jehova ist dadurch entstanden, dass man schon in den hebräischen Handschriften des Alten Testaments als Lesehilfe die Vokale für das Wort HERR ergänzt hatte. Leute, die das nicht mehr wussten, haben dann JEHOVA gelesen. Aber so heißt Gott nicht.


Der alte Gottesname JAHWE wird in der Bibel hergeleitet aus Gottes Worten: Ich bin, der ich sein werde, oder einfach: Ich bin da. Sein Name sagt, wer er für uns ist. Er ist für uns da. Gott gibt sich zu erkennen. Er kümmert sich um uns. Er ist für uns da. Das ist sein Wesen. Das ist sein Name.


Ja, und warum nennen wir Gott dann nicht bei diesem seinen Namen? – Nun, weil wir wie die Juden den Namen Gottes mit Ehrfurcht behandeln und so die Anrede HERR übernommen haben. Und weil wir wissen, wenn wir Gott sagen, dass es ja nur den einen gibt, der in Wahrheit Gott ist: der Gott, der für uns da ist.

Samstag, 28. Juli 2012

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Samstag, dem 28. Juli 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Dieser Psalm ist eines der bekanntesten Bibelworte und eines der am  häufigsten gesprochenen Gebete überhaupt. Der Herr ist mein Hirte – Psalm 23: Das ist christliches Grundwissen, das bis heute noch die meisten Konfirmanden zu lernen haben.


Dabei ist das ja ein sehr altes und gar nicht undbedingt mehr so lebensnahes Bild: der Hirte mit seinen Schafen. Und doch spricht es viele von uns immer noch an, spricht uns aus der Seele.


Wir wollen ja gerne behütet sein. Wir wollen den Weg zur grünen Aue und zum frischen Wasser finden. Wir wollen den richtigen Lebensweg gehen und nicht am Ende dastehen und sagen müssen: Ich habe alles falsch gemacht. Wir wollen auch in Gefahr, in Leid und Unglück bewahrt, hindurchgeführt und getröstet werden. Und wir wollen, das einer mit uns geht, dem wir vertrauen können und der immer das beste für uns will. – Und so finden wir uns wieder in den Bildern dieses Psalmes.


Was wir freilich nicht sein wollen, das sind arme, dumme Schafe, die ohne zu überlegen in der großen Herde mittraben.


Aber vielleicht ist es ja so: Wir halten viel von Freiheit und selbstbestimmtem Leben, und entscheiden uns dann in unserer Freiheit doch oft genug dafür, so zu leben, wie die meisten leben – also in der Herde. Oder wir suchen uns selber unseren Weg und merken dabei gar nicht, wie Gott, der gute Hirte uns trotzdem führt.


Das Bild von Gott als dem Hirten hat Jesus ausdrücklich aufgenommen. Er hat zum Beispiel diese schöne Gleichnisgeschichte erzählt von dem Schaf, das verlorengegangen ist, weil es seine eigenen Wege gehen wollte. Und der gute Hirte sucht dieses eine Schaf, findet es und bringt es nach Hause.


So ist Gott zu uns: Er hält uns nicht fest. Er lässt uns unsere eigenen Wege gehen. Aber er lässt uns trotzdem nicht verloren gehen. Diese Hoffnung, dieses Gottvertrauen ist es wohl, das so viele in diesem Gebet finden: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

Freitag, 27. Juli 2012

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Freitag, dem 27. Juli 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren. Das ist eines der bekanntesten Kirchenlieder. Es erinnert von seiner Sprache und seinem Inhalt her an alte Kirchenlieder aus der Bibel; die heißen dort Psalmen. Auch da wird Gott ganz oft König genannt.


Wahrscheinlich liegt uns das heute nicht mehr so nahe, Gott als König zu bezeichnen. Ich würde ihn wahrscheinlich von mir aus auch nicht so anreden. Die Zeiten einer Königsherrschaft, einer absoluten Monarchie sind vorbei. Wir leben in der Demokratie. Und weder mit heutigen Bundeskanzlern oder Präsidenten noch mit den Königen der wenigen konstitutionellen Monarchien, die es noch gibt, so wie hier in Spanien, würden wir Gott vergleichen.


Als man in biblischen Zeiten begann, Gott König zu nennen, lag das auch nicht daran, dass man die eigenen Könige und Herrscher so toll fand. Im Gegenteil: Die Könige waren, wie sie waren. Die meisten verfolgten ihre eigenen Machtinteressen und fühlten sich weder ihrem  Volk noch ihrem Gott gegenüber besonders verantwortlich. Wenn das Volk nun aber Gott als König bezeichnete, dann drückte es damit aus, dass es Gott als einen echten, guten, gerechten und mächtigen König verehrten, der noch über ihre schlechten, ungerechten und selbstsüchtigen Könige regierte. Gott als König anzubeten, das war geradezu subversiv. Es beinhaltete die Kritik an jeder Herrschaft, die sich nicht nach Gottes Willen ausrichtete. In einem Gebet aus dieser Zeit heißt es: HERR, unser Gott, es herrschen wohl andere Herren über uns als du, aber wir gedenken doch allein deiner und deines Namens (Jesaja 26, 13).


Selbst heute in unübersichtlichen Zeiten, wo wir das Gefühl haben, wir sind zwar nicht unbedingt Königen, aber doch irgendwelchen mächtigen Regierenden, Strippenziehern oder Finanzmärkten ausgeliefert, ist es ganz tröstlich zu wissen, dass über allen ein Größerer ist, der alles so herrlich regieret: Gott, der Herr, der mächtige König der Ehren.

Donnerstag, 26. Juli 2012

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Donnerstag, dem 26. Juli 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. – Am Anfang des christlichen Glaubensbekenntnisses sagen wir, wer Gott für uns ist: kein namenloses, abstraktes höheres Wesen, sondern der, den wir als Vater ansprechen, weil er uns liebt, aber auch der Allmächtige und der Schöpfer der ganzen Welt.


Wenn wir an Gott den Schöpfer denken, dann kommen möglicherweise die alten und befremdlichen Bilder der biblischen Schöpfungsgeschichte in uns hoch: In sieben Tagen soll Gott die ganze Welt geschaffen haben, und den Menschen aus Erde geformt und die Menschenfrau aus der Rippe des Mannes geschaffen haben. – Wer soll so was heute noch glauben?


Aber andererseits ist es für uns doch immer noch selbstverständlich von der Schöpfung zu reden, davon wie schön sie ist und wie gefährdet: Bewahrung der Schöpfung ist eine feststehende Formulierung geworden, die besser klingt als 'ökologische Verantwortung'.


Wenn wir über die Schönheit und Perfektion der Natur staunen, wenn wir die Vielfalt der Lebewesen sehen, uns vielleicht einfach nur wundern, wie perfekt die kleine unscheinbare Stubenfliege fliegt und landet und wie flink sie reagiert, wenn wir nach ihr schlagen, wenn wir bedenken, wie alles in der Natur aufeinander abgestimmt ist und zueinander passt, dann können wir es uns nur schwer vorstellen, dass dahinter nicht ein perfekter Plan steht, ein umfassender Sinn, ein mächtiger Schöpfergott.


Martin Luther beginnt die Erklärung dieses ersten Satzes aus dem Glaubensbekenntnis so: “Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat, samt allen Kreaturen”. – Ich selber muss doch staunen, dass ich da bin, ich, dieser ganz besondere, einmalige Mensch unter Milliarden anderen ganz besonderen, einmaligen Menschen und unter all den anderen Mitgeschöpfen. Offenbar habe ich einen Platz im großen Weltenplan. Gott hat mich geschaffen. Durch ihn hat mein Leben seinen Sinn. Das alles drücken wir aus, wenn wir Gott unseren Schöpfer nennen.

Mittwoch, 25. Juli 2012

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Mittwoch, dem 25. Juli 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

Vater unser im Himmel – so beginnt das bekannteste christliche Gebet. Jesus selbst hat es seine Jünger gelehrt.


Ihm war es ganz wichtig, dass wir Gott als Vater ansprechen können und dürfen. Er hat sogar die kindliche Form Abba, wir würden sagen Papa, für Gott gebraucht: Gott, der Vater, zu dem wir kindliches Vertrauen haben können.


Heutzutage, wo alles kritisch hinterfragt wird, sagen manche, Gott könnte doch ebensogut als Mutter bezeichnet werden. Andere machen sich Gedanken, wie die Bezeichnung Gottes als Vater denn für jemanden sei, der mit seinem Vater schlimme Erfahrungen verbinde oder der seinen eigenen Vater nicht kennt. – Ich glaube, in uns allen ist, unabhängig davon, wie unser menschlicher Vater zu uns gewesen sein mag, doch ein Urbild des gütigen, liebevollen, gerechten und uns akzeptierenden Vaters. Auch wenn keiner von uns den perfekten Vater hatte, wir haben doch eine Vorstellung, ein Ideal, wie der perfekte Vater sein sollte. Und wenn wir von Gott reden, dann ist genau dieses gute, positive Urbild eines Vaters angesprochen.


Jesus malt dieses Bild des guten Vaters aus, wenn er zum Beispiel das berühmte Gleichnis vom verlorenen Sohn erzählt, das viel besser Gleichnis vom gütigen Vater heißen könnte. Dieser Vater gibt seinem Kind die Freiheit und die Mittel, um in die weite Welt hinauszuziehen und ein Leben zu führen, wie es ihm passt. Und als dieses sein Kind zurückkommt, heruntergekommen und halb verhungert, da schließt er es wieder in seine Arme und feiert mit ihm ein Fest. Er macht ihm keinen Vorwurf, er sagt nicht mal “Siehst du!” Denn dieser Vater hat sein Kind einfach nur lieb, bedingungslos lieb. – So ist Gott zu uns, will Jesus damit sagen: der gute, liebevolle Vater, zu dem wir jederzeit zurückkehren können, egal, was wir gemacht haben.

Vater unser im Himmel, so sollen wir ihn anreden. Vor ihm, vor Gott sind wir wie die Kinder: umsorgt und geliebt.

Dienstag, 24. Juli 2012

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Dienstag, dem 24. Juli 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

“Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm!” – Vielleicht haben Sie als kleines Kind ja auch dieses Gebet aufsagen müssen. Und vielleicht war das auch in Ihrer Kinderzeit die normale Form von Gott zu reden: der liebe Gott.


Aber wie lieb ist der liebe Gott eigentlich? – Wenn Erwachsene vom lieben Gott sprechen, dann schwingt doch immer ein ironischer Unterton mit. Der liebe Gott, das klingt ein bisschen wie Weihnachtsmann und Nikolaus oder Petrus, der für das Wetter verantwortlich sein soll. Genau so viel oder wenig wie von Petrus scheinen sich viele Erwachsene noch vom lieben Gott zu erwarten.


Gibt es ihn überhaupt diesen lieben Gott? – In der Bibel wird er nicht so genannt. Und wenn wir gleich auf den ersten Seiten davon lesen, dass Gott die Menschheit durch eine Flut vernichtet, wenn wir weiter lesen, wie er mit den Feinden seines Volkes umgeht – er lässt gleich mal eine ganze Armee im Roten Meer ersaufen – und wie er sein Volk mit seinen Feinden umgehen heißt – wir lesen von widerlichen Gemetzeln und Gräueltaten an Frauen und Kindern im Namen Gottes, dann müssen wir allen denen Recht geben, die sagen: Dieser Gott ist gewiss nicht lieb.


Aber das ist ja der Gott des Alten Testaments, sagen manche, der Gott des Neuen Testaments, der Gott von Jesus, der ist da ganz anders, der ist wirklich lieb! – Aber auch das stimmt nicht. Auch das Neue Testament droht den Feinden Gottes Höllenstrafen an, auch Jesus droht mit Heulen und Zähneklappern, und vor allem: Gott lässt seinen eigenen Sohn am Kreuz sterben. Ist das lieb?


Das Neue Testament gibt eine kühne Antwort auf diese Frage: Das ist nicht lieb, sondern das ist Liebe! – Es klingt vielleicht absurd: Aber dass einer sein Leben hingibt für andere, dass er lieber selber leidet als andere leiden zu lassen, das ist Liebe. So hat Jesus gelebt. Und darum ist er gestorben. Aus Liebe an der Lieblosigkeit der Menschen zugrunde gegangen. – Nein, es ist ja nicht so, dass Gott ihn dazu gezwungen hat. Gott steht nicht außerhalb und fordert ein brutales Opfer von seinem Sohn. Sondern Gott ist in seinem Sohn als die Macht der Liebe, der leidenschaftlichen Liebe, die sich aufopfert.


Und so heißt es im Neuen Testament auch: Gott ist die Liebe. Also: Gott ist nicht der Liebe, sonder er ist die Liebe. Er ist nicht immer lieb, und schon gar nicht nett und kuschlig, aber er ist die Liebe, er liebt seine Menschen mit ganzer Hingabe.

Montag, 23. Juli 2012

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Montag, dem 23. Juli 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnnen und Hörer,

sprechen Sie manchmal mit Gott? Ich meine: Beten Sie?



Es gibt Umfragen, nach denen die meisten Menschen beten – zumindest manchmal –, auch wenn sie sonst gar nicht so religiös sind, jedenfalls nicht regelmäßig in die Kirche gehen.


Klar, da gibt es diese Stoßgebete: “Oh Gott, lass es jetzt gut gehen!” “Hilf mir!” oder auch das mal eben ausgesprochene: “Gott sei Dank!” – Beten, mit Gott reden, das kann einfach so, ganz schnell geschehen, das braucht keinen feierlichen Rahmen und keine vorgestanzten Formulierungen.

Wenn Sie manchmal mit Gott sprechen, wie sprechen Sie dann eigentlich mit ihm? Ich meine: Wie reden Sie ihn an? – Einfach nur mit “Gott”? Oder sagen Sie zu ihm “Lieber Gott”? Oder “Herr”? oder nennen Sie ihn “Vater”?


Gott hat viele Namen, bei denen wir ihn rufen können. In der Bibel und auch in unseren christlichen Liedern gibt es ganz verschiedene Bezeichnungen für Gott: “Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren” – Wir nennen Gott Herr und König. “Der Herr ist mein Hirte” beginnt der bekannteste aller Psalmen – Gott ist der “gute Hirte.” “Ein feste Burg ist unser Gott” – auch so können wir Gott nennen: unsere Burg! In manchen Bibelversen aus dem Alten Testament und auch in manchen älteren Liedversen trägt Gott den Beinamen Zebaoth – wer weiß eigentlich, was damit gemeint ist? Und die Anhänger einer christlichen Sondergemeinschaft, die wir alle mehr oder weniger kennen, bestehen darauf, Gottes richtiger Name wäre Jehova – was hat es damit auf sich? Juden vermeiden es, Gott beim Namen zu nennen. Sie umschreiben ihn mit Ausdrücken wie der Allmächtige oder der Ewige. Und natürlich wird Gott auch in christlichen Gebeten und Bekenntnissen so genannt.


Was hat es mit diesen vielen Namen und Benennungen Gottes auf sich? – Ich möchte in den nächsten Tagen mit Ihnen über verschiedene Gottesnamen nachdenken.


Und heute möchte ich Ihnen einen ersten Antwortversuch geben: Ich denke, die Vielfalt seiner Namen hat damit zu tun, dass Gott den Menschen auf so viele und unterschiedliche Weise begegnet. Jeder Gottesname drückt etwas davon aus, wie Gott zu uns ist.



Vielleicht überlegen Sie ja gerade jetzt mal ganz kurz: Wie würde ich Gott heute, in diesem Moment ansprechen?

Sonntag, 22. Juli 2012

Predigt am 22. Juli 2012 (7. Sonntag nach Trinitatis)


Es gibt doch bei euch Ermutigung im Namen von Christus, es gibt doch liebevollen Zuspruch, es gibt doch geistliche Gemeinschaft, und es gibt doch Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft. Macht mir doch die größte Freude, indem ihr einmütig gesinnt seid, allen die gleiche Liebe erweist und miteinander dasselbe Ziel verfolgt. Nicht Eigennutz und Selbstgefälligkeit sollen euch bestimmen, sondern die Haltung der Demut, die den anderen wichtiger nimmt als sich selbst. Achtet also nicht auf euren eigenen Vorteil, sondern auch darauf, was dem anderen nützt. Seid so gesinnt, wie es auch Jesus Christus entspricht.
Philipper 2, 1-5 (eig. Übersetzung)


Liebe Schwestern und Brüder,

stell dir vor, du willst dir ein neues Auto kaufen, oder einen neuen Computer, oder neue Schuhe. Wirst du in das erstbeste Autohaus, den nächsten Computerladen oder irgendein Schuhgeschäft gehen und einfach etwas kaufen? Oder wirst du dir nicht vorher einigermaßen klar werden, was du genau willst und brauchst, und dann schauen, wo du es am günstigsten bekommst, vielleicht mit Rabatt oder noch ein paar Extras zusätzlich. Ok, beim Schuhekaufen kann das auch anders sein. Aber normalerweise bist du beim Einkaufen oder überhaupt im geschäftlichen Leben auf deinen eigenen Vorteil bedacht. Du willst das Beste rausholen zum günstigsten Preis. – Und ich finde das in Ordnung so.

Umgekehrt wird auch der Verkäufer versuchen sein Produkt so günstig wie möglich abzusetzen, zum eigenen Vorteil. Er wird dir keinen Rabatt gewähren, wenn er sein Produkt auch so los wird – weil es gute Qualität hat oder anderswo schwer zu kriegen ist.

Es gibt dieses klassische Zitat von Adam Smith: „Es ist nicht die Wohltätigkeit des Metzgers, des Brauers oder des Bäckers, die uns unser Abendessen erwarten lässt, sondern dass sie nach ihrem eigenen Vorteil trachten.“ – So funktioniert die Wirtschaft, die Marktwirtschaft: Jeder sucht seinen eigenen Vorteil, und allen ist damit gedient. „Der Wohlstand der Nationen“ beruht nach Smith' Überzeugung – und das ist auch meine Überzeugung –, auf einer funktionierenden kapitalistischen Marktwirtschaft, in der jeder seinen eigenen Vorteil sucht.

Ich teile überhaupt nicht die Ansicht, dass die gegenwärtige Krise auf ein Versagen des Marktes zurückzuführen ist, sie beruht eher darauf, dass man Regeln des Marktes außer Kraft gesetzt hat und immer wieder außer Kraft setzt – wenn nämlich z.B. der Staat zahlungsunfähige Marktteilnehmer „rettet“ und das unternehmerische Risiko sozialisiert. Wenn der Handlungs- und Handelsmaßstab die Wohltätigkeit wird, statt die wirtschaftliche Vernunft und der eigene Vorteil.

Ich habe vor ein paar Tagen ein schönes Zitat gelesen – sinngemäß: Früher hieß Sparen, Geld, das man hat, nicht auszugeben. Heute heißt Sparen, von dem Geld, das man nicht hat, etwas weniger auszugeben. – Es mag zwar wohltätig sein, Geld, das man nicht hat, auszugeben, aber am Ende fehlt es einem selber und man ist selber auf die Wohltätigkeit anderer angewiesen. Wer bezahlt am Ende das, was fehlt? – Das ist die große Frage, um die es bei der derzeitigen Krise geht. Über kurz oder lang werden wir wohl beim Leben über unsere Verhältnisse alle ärmer werden.


Aber gut, ich möchte eigentlich keinen ökonomischen Vortrag halten, sondern eine christliche Predigt. – Und, ja, unser Predigttext ist nun gerade das Gegenteil von dem, was ich gesagt habe: keine Anleitung zur volkswirtschaftlichen Vernunft, keine Mahnung, doch bitte den eigenen Vorteil zu suchen, sondern die eindringliche Bitte, den eigenen Vorteil zurückzustellen, das Wohl des anderen zu sehen und höher zu achten als das eigene. Usw. usf., das alles, was wir unter christlicher Nächstenliebe verbuchen können. Da geht es nicht um ökonomische Vernunft im Großen, sondern um ein vernünftiges Zusammenleben im Kleinen.

Die Regeln, die ich bewusst oder unbewusst befolge, wenn ich mir ein Auto oder Schuhe kaufe, sind andere Regeln als die, die zum Beispiel in einer Ehe oder Familie gelten.

Da mag es zwar auch so was wie geschäftliche Beziehungen geben: etwa gute Noten in der Schule gegen gutes Taschengeld. Aber das ist nicht das Wesentliche, und man darf auch fragen, ob das überhaupt so gut ist. In der Familie geht es nicht um Leistung und Gegenleistung, um die Maximierung des eigenen Vorteils, sondern in der Familie werden alle, vor allem die Eltern und Ehepartner das Wohl der anderen, der Kinder, des Partners, im Blick haben und nicht nur das eigene.

Jedenfalls kann ich mir das schlecht vorstellen, dass ein eheliches, partnerschaftliches, familiäres Miteinander funktioniert, wenn jeder nur den eigenen Vorteil sucht.

Manche meinen zwar, die Ehe wäre auch nur eine Art Geschäftsmodell: geregelter Sex gegen geregelte Versorgung, und dass die Ehe heute häufig nicht mehr so gut funktioniert, das läge daran, dass die Frau für die Versorgung nicht mehr auf die Ehe angewiesen ist, während umgekehrt für den Mann Sex auch außerhalb der Ehe leichter verfügbar geworden ist.

Ich muss gestehen, in mir sträubt sich alles gegen ein solches Verständnis von Ehe und Partnerschaft. Und merkwürdig: So viele Paare ich getraut habe, so viele Traugespräche ich geführt habe, so oft ich auch Eheleute zu Silbernen oder Goldenen Hochzeiten eingesegnet habe, so hat keiner von ihnen je seine Ehe beschrieben. Was da zwei Menschen zusammengeführt und beieinander gehalten hat, das war regelmäßig etwas anderes – nämlich Liebe, kein Geschäft.

Häufig schon habe ich den zweiten Teil unseres Predigttextes im Traugottesdienst gelesen, in der traditionelleren Lutherübersetzung. Und immer habe ich Zustimmung gefunden, dass das eine zutreffende Beschreibung, ein gutes Ideal für das gemeinsame Leben sei: Einmütigkeit, Liebe, Demut. Und meistens ist das auch ein Thema in den Traugesprächen gewesen, wie Einmütigkeit aussieht und sich herstellt, was eigentlich Liebe ist – über die Verliebtheit und das erotische Begehren hinaus, und was Demut bedeutet: nämlich nicht den eigenen Vorteil suchen, jedenfalls nicht nur, sondern immer auch den Vorteil, das Wohlergehen des anderen im Blick haben.

Jemand hat mal zugespitzt gesagt: „Wer glücklich werden will, soll nicht heiraten, sondern wer glücklich machen will.“ – Liebe heißt, das Glück des anderen suchen. – Ja, das ist zugespitzt. Natürlich heiraten Menschen, weil sie miteinander glücklich werden wollen. Meistens sind sie schon miteinander glücklich, wenn sie den Hafen der Ehe ansteuern. Sie wollen nun dieses Glück auf Dauer stellen. – Aber dazu ist dann eben doch der zweite Teil entscheidend wichtig. Menschen können nur miteinander glücklich werden, wenn sie einander glücklich machen. Woher soll das Glück denn sonst kommen? Man muss etwas dafür tun, und das versuche ich den jungen Eheleuten regelmäßig mit auf den Weg zu geben.

Und wenn ich mit anderen auf 25, 50 oder 60 Ehejahre zurückblicke, dann stellen wir meistens fest, dass sie genau das gemacht haben: etwas dafür getan, um einander immer wieder glücklich zu machen und so miteinander glücklich zu bleiben.

Es ist komisch, wenn von Glück und von Liebe die Rede ist, dann lande ich immer wieder bei dem Modell der Ehe …


Unser Predigttext ist nicht speziell für Eheleute geschrieben, auch wenn er für Eheleute sehr geeignet ist. Er ist für eine christliche Gemeinde geschrieben.

Eine christliche Gemeinde ist im Grunde genommen auch eine Liebesgemeinschaft. Dass ich zur christlichen Kirche gehöre, ist keine Geschäftsbeziehung.

Wenn das so wäre, würden die meisten ein ziemlich schlechtes Geschäft machen. Wie viel Tausende oder Zehntausende an Kirchensteuern, Kollekten und Spenden geben wir im Leben für die Kirche aus, und dafür bekommen wir dann Taufe, Trauung und Bestattung umsonst, vielleicht mal ein Gespräch mit dem Pfarrer oder einen Blumenstrauß zum Achzigsten. Lohnt sich das?

Nun ja, man könnte es auch anders sehen: Im christlichen Glauben geht es schließlich um etwas mehr. Also: Bezahle ich und mache ich mit, damit ich einen guten Platz im Himmel bekomme? – Wenn ich das glaube, dann wäre die Kirchenmitgliedschaft vielleicht gar kein so ein schlechtes Geschäft!

Aber das alles ist es ja nicht! Vielleicht erinnert sich der eine oder andere daran, dass das Wort gratis aus der christlichen Lehre kommt, genau genommen sogar aus der Bibel. Wir kommen gratis in den Himmel. Gott nimmt uns an, ohne dass wir dafür etwas tun oder bezahlen müssen, ohne dass erst das Geld im Kasten klingen muss. – Es könnte sogar sein, es kommt jemand in den Himmel, der in seinem Leben keine Kirchensteuer bezahlt hat. Denn: Glaube ist kein Geschäft. Die christliche Kirche ist keine Versicherungsanstalt für geistliche Betreuungssleistungen oder fürs ewige Leben. Sondern sie ist eine Gemeinschaft, die auf Liebe beruht – so ähnlich wie eine Ehe oder Familie.

Ich glaube, daran werden wir als christliche Kirche im Großen und als christliche Gemeinde im Kleinen immer noch zu lernen haben. Denn wer von uns sucht ihn denn nicht, den eigenen Vorteil, auch bei uns in der Kirche?

Der eigene Vorteil, das kann auch heißen: Anerkennung suchen und finden, sehen und gesehen werden, etwas gegen die eigene Langeweile tun oder im besten Falle etwas Erbauliches für die eigene Seele hören und erleben.

Ich glaube, wir kommen da gar nicht heraus, aus dem Blick auf den eigenen Vorteil, auf das eigene Wohl. Und ich glaube, das ist auch nicht wirklich schlimm. Achtet auch darauf, was dem andern nützt, hat Paulus geschrieben. Nein, reine Selbstlosigkeit gibt es nicht und braucht es auch nicht zu geben. Aber was es geben soll, wenn die christliche Gemeinde dem nahe kommen soll, wie Gott sie gedacht hat, das ist der Blick auch auf den andern. Am besten auch mit den Augen des andern. Wie geht es ihm (oder ihr)? Was könnte dem andern guttun und nützen – unabhängig davon, wie ich selber dabei wegkomme? …

Das Schöne ist: Wir sollten diesen Blick auf den andern und mit den Augen des andern ja schon kenne, schon gelernt und geübt haben: in unseren Ehen, Familien und engen menschlichen Gemeinschaften.

Wenn nicht, dann lernen und üben wir ihn in der christlichen Gemeinde.

Denn wir lernen ihn von Jesus Christus. Wenn einer um der Liebe willen den Vorteil der anderen und nicht den eigenen gesucht hat, dann nämlich war er es, Jesus. Von ihm und mit ihm können wir christliche Liebe lernen. Denn er war, er ist auf unseren Vorteil, auf unser Wohl, auf unser Heil bedacht. Und darum, weil wir ja von ihm schon alles haben, darum können wir auch auf das Wohl und das Heil unseres Bruders, unserer Schwester bedacht sein.


Ja, in der großen weiten Welt, in der Gesellschaft im Geschäftsleben, da muss ich selber auf meinen Vorteil bedacht sein. In der kleinen Gemeinschaft von Mensch zu Mensch, und gerade bei uns in der christlichen Gemeinde, da lasst uns darauf achten, was unserem Mitmenschen nützt!

Sonntag, 15. Juli 2012

Predigt am 15. Juli 2012 (6. Sonntag nach Trinitatis)

Der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: "Steh auf und geh nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist." Und er stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, welcher ihren ganzen Schatz verwaltete, der war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten. Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja.
Der Geist aber sprach zu Philippus: "Geh hin und halte dich zu diesem Wagen!" Da lief Philippus hin und hörte, dass er den Propheten Jesaja las, und fragte: "Verstehst du auch, was du liest?" Er aber sprach: "Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet?" Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen. Der Inhalt aber der Schrift, die er las, war dieser (Jesaja 53, 7-8): "Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen." Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: "Ich bitte dich, von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand anderem?" Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Wort der Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesus.
Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer: "Siehe, da ist Wasser; was hindert's, dass ich mich taufen lasse?" Und er ließ den Wagen halten und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn. Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich.
Apostelgeschichte 8, 26-39





Liebe Schwestern und Brüder,

Gemeinsam unterwegs für kurze Zeit – das könnte ein Slogan sein für Kirche im Ausland, besonders für Tourismus-Kirche, wie wir sie hier bei uns erleben.

Wir waren vorletzte Woche zur Auslandspfarrerkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland. Fünf Tage gemeinsam unterwegs auf den Straßen von Wittenberg und auf den Spuren Martin Luthers und der Reformation. Ein Geschenk für uns: Schwestern und Brüdern aus der ganzen Welt treffen, miteinander reden, miteinander hören, singen und beten. Und zum Abschluss miteinander Abendmahl feiern. Dann sind wir wieder auseinander gegangen auf unterschiedlichen Straßen, aber fröhlich, gestärkt, bewegt, verändert.

Wir haben voneinander gehört, wie unterschiedliche Kirche im Ausland aussehen kann. Doch was die meisten Auslandsgemeinden verbindet, ist dieses Gemeinsam unterwegs für kurze Zeit. An vielen Orten, auch da, wo nicht der Tourismus dominiert, ist ständiges Kommen und Gehen. Ich habe erst vor kurzem das Wort Expat gelernt: das ist der Expatriate, der für meist nur zwei, drei Jahre für eine Firma oder eine Organisation im Ausland tätig ist. Solche deutschen Expat-Gemeinden, wie es sie in vielen Hauptstädten gibt, zum Beispiel in Addis Abeba, in Äthiopien, haben nach spätestens vier Jahren eine völlig neue Zusammensetzung. – Christen im Ausland sind gemeinsam unterwegs für kurze Zeit.

Und wir Pfarrer sind ein Teil dieses Kommens und Gehens. Sechs Jahre sind normal, manchmal werden es neun. Dann kommt wieder ein anderer.

Gemeinsam unterwegs für kurze Zeit, das sind auch wir hier. Manchmal ist es nur diese eine Stunde Gottesdienst, wo wir einander begegnen: Kirche im Urlaub, und dann wieder auf anderen Wegen unterwegs. Aber hoffentlich fröhlich, gestärkt, bewegt, verändert.


Ich finde es wunderbar, dass die Geschichte, die wir gehört haben, genau von diesem Gemeindemodell erzählt: Der Bildungsreisende aus dem fernen Land und der Tourismusseelsorger Philippus sind für ein paar Stunden gemeinsam unterwegs, und es ist erfüllte Zeit, die die beiden bewegt und verändert und sie auf ihren unterschiedlichen Straßen fröhlich weiter ziehen lässt.

Zwei Menschen begegnen sich, und sie begegnen Gott, sie begegnen dem Herrn Jesus Christus. Und ihre Begegnung ist kein Zufall – das kriegt man sofort mit –, sie ist organisiert vom Heiligen Geist. Er hat die beiden vorbereitet. Der Heilige Geist zieht im Hintergrund die Strippen.

Da ist Philippus, Diakon und Evangelist im Reisedienst. Er hört die Stimme eines Engels, der schickt ihn los in Richtung Süden, Richtung Gaza, Richtung Wüste. Er weiß noch nicht genau, warum. Vielleicht ist er sich nicht mal sicher, ob das wirklich ein Engel war oder bloß eine verrückte Idee. Auf jeden Fall geht er los, und irgendwann sieht er von ferne diesen exotischen Reisewagen, und er spürt den Impuls des Heiligen Geistes: Geh hin, halte dich zu diesem Wagen. – Philippus ist vorbereitet für das, was dann kommt, auch wenn er noch nicht weiß, was ihn erwartet.

Ihn erwartet ein äthiopischer Hofbeamter, der als Bildungsreisender und Pilger unterwegs ist. Ziemlich außergewöhnlich: Da hat sich einer aus dem oberen Niltal, aus Schwarzafrika, auf den Weg gemacht nach Jerusalem. Er hat erfahren von dem einen wahren Gott, der in Jerusalem verehrt wird. Er will ihn besser kennen lernen. Will die jüdische Religion studieren, obwohl er ihr niemals wird angehören können, denn er ist ein Eunuch, ein Kastrat – anders konnte man kein Hofbeamter der äthiopischen Königin werden – und Eunuchen durften nach dem Gesetz des Alten Testaments nicht zu Gottes Volk gehören.

Wir dürfen uns diese Begegnung nicht ganz so klein und einsam vorstellen. Als Minister wird er keinen Kleinwagen gefahren haben, sondern ein großes eindrückliches Gespann. Er wird auch nicht selber gefahren sein, sondern hatte einen Fahrer, der wahrscheinlich neben den Pferden herging. Und dazu hatte er sicherlich noch Personal dabei und ausreichend Garderobe und vieles mehr. Wir müssen uns also eher eine recht eindrückliche kleine Karawane vorstellen mit einer Staatskarosse in der Mitte. – Und dann brauchen wir uns auch nicht zu wundern, dass Philippus erst noch einen besonderen Impuls des Heiligen Geistes braucht, um sich diesem Wagen wirklich zu nähern.

Der Minister hat es geschafft, sich eine handgeschriebene Schriftrolle mit Originalbibeltext zu beschaffen. Die gibt es nicht am Andenkenkiosk, sie kostet ein Vermögen und wird normalerweise gar nicht an Nichtjuden verkauft. Wie auch immer, er hat sie irgendwoher bekommen, er möchte die Geheimnisse des jüdischen Gottesglaubens verstehen, und so liest er auf der langen Fahrt darin. – Es bringt ja auch nichts, eine wer weiß wie teure Bibelausgabe sein eigen zu nennen und dann nicht reinzugucken.

Als religiös offener und suchender Mensch und jetzt auch als Bibelleser ist er gut vorbereitet für eine geistliche Begegnung, für eine Begegnung mit dem lebendigen Gott.

Selbst bei der Auswahl des biblischen Buches und der Bibelstelle, die er gerade liest, hat wohl der Heilige Geist im Hintergrund die Fäden gezogen: Jesaja 53 – das rätselhafte Lied vom leidenden Gottesknecht. Was für Uneingeweihte rätselhaft ist, ist für die Christen einer der klarsten Hinweise auf Jesus Christus im ganzen Alten Testament: Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. – Klar, das ist Christus, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt! – Aber wenn einer Christus noch nicht kennt, dann ist das einfach ein Rätselwort.

Verstehst du auch, was du liest?, fragt Philippus. Genau die richtige Frage.

Verstehst du auch, was du liest, wenn du in der Bibel liest, falls du in der Bibel liest? – Vielleicht hast du sie ja schon wieder weggelegt, weil du nichts verstehst …

Nein, die Bibel ist nicht selbst-verständlich.

Ja, es gibt Worte in der Bibel, die sprechen ganz für sich selbst. Sie sind groß und klar.
Und dann gibt es noch viel mehr Worte in der Bibel, die machen Mühe, die müssen erklärt, interpretiert, verständlich gemacht werden.

Glauben weitergeben, das geht nicht, wenn wir den Leuten Bibeln in die Hand drücken und sagen: Nimm und lies! Glauben geben wir weiter, wenn wir miteinander die Bibel lesen und auslegen. So kommt der Glaube aus der Predigt, heißt es zu Recht (Römer 10, 17). Nicht aus dem Lesen, sondern aus dem Hören.

Verstehst du auch, was du liest? – Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und der Bibelleser bittet den Bibelausleger zu sich auf den Wagen.

In diesem Moment ist sie da: die Gemeinde unterwegs. Dort, hoch auf dem äthiopischen Wagen sitzen zwei und reden über die Bibel. Einer fragt, einer erklärt … und es öffnen sich neue Horizonte.

Man spricht heute so gerne von der gleichen Augenhöhe. Ich finde es beeindruckend, dass die beiden, der reiche Finanzminister und der arme Wanderprediger, der ahnungslose Heide und der gebildete Theologe sich auf gleicher Augenhöhe begegnen. Philippus darf auf dem Wagen mitfahren. – Das gehört für mich dazu zum Gemeindesein: dass wir kein Oben und Unten haben. Dass soziale Stellung und Bildung unwichtig werden, wenn wir von Gottes Geist bewegt, einander begegnen.

Wisst ihr, warum es in der Kirche überhaupt erhöhte Kanzeln gibt? – Nicht etwa weil der Pfarrer über dem Rest der Gemeinde steht. Es sind zwei andere Gründe: Der eine Grund ist schlicht und einfach die Akustik. Die Kanzel wurde ja erfunden, als es noch keine Lautsprecheranlage gab. Der andere Grund ist die Symbolik: Gottes Wort soll über allem stehen. Nein, nicht der Pfarrer als Person, sondern Gottes Wort, das er sagt. – Ich soll euch nämlich nicht von oben herab abkanzeln, sondern euch Gottes Wort nahe bringen, indem ich wie Philippus dem Minister die Bibel erkläre und euch Jesus Christus verkündige, und das möglichst verständlich und auf Augenhöhe mit euch.

Es ist für mich hoch interessant, wie Philippus mit der Bibel umgeht, wie er die Schrift auslegt, wie er das Wort Gottes sagt. Es heißt: Philippus tat seinen Mund auf und fing mit diesem Wort der Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesus.

Das Entscheidende ist: Philippus predigt das Evangelium von Jesus. Er fängt mit einem Schriftwort an, aber er bleibt nicht bei dem Schriftwort stehen. An keiner Stelle in der Bibel finden wir das, was manche fromme Hardliner behaupten, dass die Bibel selber das Wort Gottes sei. Die Bibel ist der Ausgangspunkt für die Verkündigung des Wortes Gottes. Das Wort Gottes selber ist Jesus Christus – so steht es in der Bibel! – Ich finde diese Erkenntnis unheimlich wichtig, wenn sich Leute in frommer Absicht auf Bibelworte berufen, die sie aus dem Zusammenhang gerissen haben, und dann behaupten, das wäre Gottes Wort. Nein, Gottes Wort ist das Wort, das einen Menschen erreicht und anspricht, das ihm das Evangelium, die Gute Nachricht von Jesus Christus zuspricht und den Glauben in ihm weckt.

Genau das geschieht hier: Der Glaube ist geweckt bei diesem äthiopischen Finanzminister. Das muss er gar nicht weiter erklären. Er will sich sofort taufen lassen.

Denn Glaube und Taufe gehören zusammen. Wer glaubt und getauft wird, wird selig werden, hat Jesus versprochen. Glaube und Taufe gehören zusammen. Wenn bei einem Menschen der Glaube geweckt ist, dann soll er getauft werden. Und umgekehrt, wenn ein Mensch getauft ist, so wie bei uns meistens schon als Kind, dann soll in ihm auch der Glaube geweckt werden.

Siehe, da ist Wasser; was hindert's, dass ich mich taufen lasse? – Nichts. Und so steigen sie beide hinab vom hohen Wagen, Philippus und der Minister. Gleiche Augenhöhe auch in der Taufe. War Philippus erst zu dem hohen Beamten hinaufgestiegen, so steigt der jetzt mit Philippus hinunter in einen einfachen Wasserlauf, um sich taufen zu lassen.

Ja, Glaube und Taufe, das ist auch ein Herabsteigen, ein Kleinwerden, ein Abtauchen. Ich werde klein vor Gott, ich erkenne ihn an als Herrn über mein Leben. Ich vertraue mich ihm an und tauche in ihn ein. Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir. So hat es der Apostel Paulus ausgedrückt (Galater 2, 20).

Der äthiopische Eunuch, der nach den Ansprüchen des alttestamentlichen Gesetzes nie wirklich zu Gottes Volk gehören durfte, kommt durch das Evangelium von Jesus Christus nun doch zu Gott, darf zum neuen Gottesvolk gehören.

Die Begegnung der beiden ist an ihr Ziel gekommen. Gottes Geist hat neue Aufgaben und neue Wege für jeden der beiden bereit. Ihre Wege trennen sich. Aber sie gehen anders weiter, als sie gekommen sind: fröhlich, gestärkt, bewegt, verändert.

Bewegt durch den Heiligen Geist. Gestärkt durch Wort und Sakrament. Verändert durch das Evangelium, die Gute Nachricht von Jesus Christus. Fröhlich, weil sie auch auf getrennten Wegen nicht allein sind, sondern mit Jesus Christus gehen.


Gemeinsam unterwegs für kurze Zeit – das ist nicht wenig. Das kann etwas ganz Großes sein. Die kurze Weggemeinschaft vielleicht nur heute hier im Gottesdienst kann uns berühren und kann uns neu mit Gott in Berührung bringen. Und dann ziehen wir unsere Straße fröhlich.

Sonntag, 8. Juli 2012

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Sonntag, dem 8. Juli 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

über die Zeit habe ich in den letzten Tagen mit Ihnen gesprochen. In der Bibel gibt es ein ganz großes und wunderbares Gedicht über die Zeit, das sogar bis in die Popmusik hinein gewirkt hat. Es steht im Buch des Predigers (Prediger 3):

Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit; weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit …
Und so geht es noch ein ganzes Stück weiter.


Ich finde, das ist noch mal eine ganz andere Sicht auf die Zeit. Zeit ist nicht einfach nur ein Nacheinander, sondern ein geordnetes Nacheinander. Es gibt gute und schlechte Zeiten, passende und unpassende Zeiten. Es kommt drauf an, was gerade dran ist.


Das hat mit Lebensweisheit zu tun: Es erkennen und annehmen können, dass nicht nur Lachen, nicht nur Aufbauen und nicht nur Lieben seine Zeit hat, sondern auch Hassen, Einreißen und Weinen. Ja, auch Sterben hat seine Zeit. Es gehört zur menschlichen Größe, das annehmen zu können. Ja, es annehmen zu können, dass unsere Zeit begrenzt ist.

Vor ein paar Tagen habe ich hier ein Bibelwort aus den Psalmen zitiert: Meine Zeit steht in deinen Händen (Psalm 31, 16). Damit ist vor allem eines gemeint: Meine begrenzte Zeit und die Grenze meiner Lebenszeit steht in Gottes Händen.


Wenn die Zeit in Gottes Händen ist, dann ist Gott größer als die Zeit. Gott ist nicht zeitlich, sondern ewig. Gott hat keinen Anfang und kein Ende. Er hält die Zeit und uns in unserer Zeit in seinen Händen. Und wenn unsere Zeit zu Ende ist, ist da immer noch Gottes Ewigkeit.


Wenn wir über die Zeit nachdenken, bekommen wir eine Ahnung davon, was mehr ist als die Zeit. Nach dem schönen Gedicht über die Zeit lesen wir noch einen tiefen Gedanken: Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er dem Menschen die Ewigkeit ins Herz gelegt.


Wie schön: Wir tragen im Herzen etwas, was mehr und größer ist als alle Zeit der Welt – Gottes Ewigkeit.







Der Zündfunke ist täglich ca. 8.40 Uhr (WEZ) auf Radio Megawelle (88,3 / 103,7 / 104,7 MHz oder unter http://radionetz.de:8000/megawelle.mp3) zu hören.

Samstag, 7. Juli 2012

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Samstag, dem 7. Juli 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

die merkwürdigste und geheimnisvollste Zeitform ist die Zukunft. Etwas kommt auf uns zu, aber wir wissen nicht, was.


Dabei ist die Zukunft ja nicht zufällig. Sie hängt von Ereignissen und Entscheidungen der Vergangenheit und der Gegenwart ab. Wir können für die Zukunft planen. Wir können auch einiges voraussehen, was die Zukunft bringen mag; je näher die Zukunft liegt, um so mehr.


Und trotzdem ist die Zukunft offen. Sie kann jeden Tag völlig unerwartete Ereignisse bringen. Unerwartete Ideen, unerwartete Entwicklungen, unerwartete Entscheidungen. Deshalb müssen wir letzendlich eingestehen: Wir kennen die Zukunft nicht. Es wird etwas sein in der Zukunft, aber wir wissen nicht was.


Manchmal drängt sich dann die philosophische Frage in den Hinterkopf: Ist die Zukunft wirklich ganz und gar offen? Oder steht es insgeheim doch schon fest, was sein wird? Vielleicht gibt es ja einen großen Plan, in dem jedes Ereignis, jeder Gedanke, jede Bewegung, jeder Quantensprung (das ist physikalisch gesehen eine ganz kleine und keine ganz große Veränderung), wo also alles und jedes schon vorhergesehen oder vorherbestimmt ist.


Wenn das so wäre, könnte man dann in die Zukunft schauen? Propheten, Wahrsager, Astrologen und Futurologen versuchen das mit unterschiedlichen Mitteln. Und sie werden immer interessierte Kunden finden, weil es allzu verlockend ist, vielleicht ja doch ein ganz klein wenig von der Zukunft zu erhaschen.


Aber wenn wir etwas von unserer Zukunft wüssten, wie würde das unser Tun beeinflussen? Würden wir versuchen, das Vorhergesehene zu vermeiden, oder es gerade herbeizuführen? Wie ginge es mir, wenn mir jemand mein Sterbedatum voraussagen würde? – Ich habe kein gutes Gefühl dabei.


Die Bibel geht mit Aussagen über die Zukunft sehr vorsichtig um. Ja, es gibt Prophezeiungen; aber die hängen meistens an bestimmten Bedingungen: Wenn ihr euer Leben nicht ändert, dann wird dieses oder jenes Unheil geschehen, z. B. Und die großen apokalyptischen Zukunftsvisionen reden in Bildern, die kaum verlässlich zu entschlüsseln sind. So bleibt am Ende nur eine verlässliche Zukunftsaussage übrig: Die Zukunft liegt bei Gott. Die Welt und wir Menschen gehen auf Gott zu. Wir sollen in Ewigkeit bei ihm sein.


Aber die Ewigkeit – das ist dann noch mal ein neues Thema …







Der Zündfunke ist täglich ca. 8.40 Uhr (WEZ) auf Radio Megawelle (88,3 / 103,7 / 104,7 MHz oder unter http://radionetz.de:8000/megawelle.mp3) zu hören.

Freitag, 6. Juli 2012

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Freitag, dem 6. Juli 2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

die wichtigste Zeit ist unsere Gegenwart, habe ich gestern gesagt. Wir leben im Jetzt und Heute. Trotzdem möchte ich heute über die Zeitform der Vergangenheit sprechen. Denn wir kommen ja aus der Vergangenheit. Die Vergangenheit hat uns geprägt, hat uns zu denen werden lassen, die wir heute sind. Wir können unsere Vergangenheit nicht einfach abschütteln und loswerden.


Wie schlimm das eigentlich ist, wenn Menschen ihre Vergangenheit verlieren, das sehen wir an Demenzkranken: Menschen verlieren mit ihren Erinnerungen auch ihre Persönlichkeit.


Freilich, mancher möchte auch gerne seine Vergangenheit hinter sich lassen. Da sind Dinge schief gelaufen. Da hat einer Fehler gemacht. Vielleicht ist er schuldig geworden. Vielleicht kriminell. Und dann merkt er, er wird diese Vergangenheit nicht los: "Das ist doch der … usw." Da hat einer irgendwann die Weichen falsch gestellt und sagt: Wenn ich mein Leben noch mal leben könnte, dann würde ich alles anders machen. – Aber diese Chance bekommt er nicht.


Für mich ist es beeindruckend, wie Gott mit der Vergangenheit von Menschen umgeht: Aus dem Christenverfolger Saulus wird der Christusverkündiger Paulus. Aus einem Feigling, der Jesus im entscheidenden Moment verleugnet hat, Petrus, wird einer, der mutig sein Leben einsetzt für den Glauben an Jesus. Aus betrügerischen Zöllnern werden Nachfolger Jesu. In den ersten christlichen Gemeinden wimmelte es von ehemaligen Gotteslästern, Alkoholikern, Kleinkriminellen und Prostituierten (1. Korinther 6,9ff). Und auch heute finden frühere Kirchenverächter und Leute mit nicht ganz weißer Weste den Weg in unsere christlichen Gemeinden.


Der Grund dafür ist, dass Menschen bei Gott tatsächlich ihre Vergangenheit hinter sich lassen können. Weil Gott ihnen vergibt.


Vergebung bedeutet: Die Vergangenheit zählt nicht mehr. Du wirst nicht mehr bei dem behaftet, was früher mal gewesen ist. Es ist vergeben.


Können wir das auch: so vergeben, wie Gott uns vergibt? – Das würde heißen: Wir geben anderen eine Chance, ihre dunkle Vergangenheit hinter sich zu lassen und tatsächlich neu anzufangen.


Gott jedenfalls gibt uns diese Chance. In der Bibel heißt es: Wenn jemand mit Jesus Christus lebt, dann ist er ein neuer Mensch. Das Alte ist vergangen. Etwas Neues hat begonnen (2. Korinther 5, 17).





Der Zündfunke ist täglich ca. 8.40 Uhr (WEZ) auf Radio Megawelle (88,3 / 103,7 / 104,7 MHz oder unter http://radionetz.de:8000/megawelle.mp3) zu hören.