Wisst ihr nicht, dass die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden? Lasst euch nicht irreführen! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder, Diebe, Geizige, Trunkenbolde, Lästerer oder Räuber werden das Reich Gottes ererben. Und solche sind einige von euch gewesen. Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes. Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangen nehmen. Die Speise dem Bauch und der Bauch der Speise; aber Gott wird das eine wie das andere zunichte machen. Der Leib aber nicht der Hurerei, sondern dem Herrn, und der Herr dem Leibe. Gott aber hat den Herrn auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Kraft. [...] Flieht die Hurerei! Alle Sünden, die der Mensch tut, bleiben außerhalb des Leibes; wer aber Hurerei treibt, der sündigt am eigenen Leibe. Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe.
1. Korinther 6, 9-14. 18-20
Liebe Schwestern und Brüder,
seid vorgestern,
genau genommen erst seit gestern, feiert die Welt wieder das große
Fest der Leiblichkeit. Natürlich sind die Olympischen Spiele vieles
mehr. Vor allem, wenn man etwas von der großen Idee spürt, die
dahintersteht: die Welt im friedlichen Wettkampf vereint. Trotzdem,
sie sind vor allem ein Fest der Leiblichkeit, denn im Mittelpunkt
steht der Sport, stehen die Höchstleistungen menschlicher Körper.
Wir staunen, was sie vollbringen. Und wir bewundern auch die Kraft
und Schönheit eines athletischen Körpers. Viele Sportler
präsentieren genau das, ihren fantastischen Körper, unterstrichen
und verschönert vielleicht auch durch eindrucksvolle Tattoos …
Die Olympischen
Spiele fügen sich ein in eine Zeit, in der der menschliche Körper
wiederentdeckt worden ist. Ein Kennzeichen der Moderne, und damit
meine ich das 19. und vor allem das 20. Jahrhundert, ist die
Wiederentdeckung der Leiblichkeit. Der Mensch hat nicht nur einen
Körper, der sich irgendwie dem Geist unterzuordnen hat, sondern der
Mensch ist Körper. Wie wichtig das ist, das kann man daran
ablesen, welche Bedeutung die Themen des Körpers, der Leiblichkeit
gewonnen haben.
Der Sport ist wiederentdeckt worden. Der menschliche
Körper ist eben nicht nur ein Arbeitstier, sondern etwas, das Freude
bringt, wenn man es in Bewegung setzt.
Das Thema
Gesundheit ist immens wichtig geworden. Denken wir an die Entwicklung
der Medizin in den letzten 200 Jahren. War man davor den meisten
Krankheiten ziemlich hilflos ausgeliefert, so können wir heute
unheimlich viel für die Gesundheit tun. So viel, dass wir Krankheit
schon fast als etwas wahrnehmen, das eigentlich gar nicht sein soll,
woran wir oftmals selber schuld sind und das mit der richtigen
Behandlung und mit der richtigen Einstellung überwunden werden kann.
– „Ich habe den Krebs besiegt“ - ein Satz, auf den vor 200
Jahren kein Mensch gekommen wäre.
Der ganze Bereich
der Sexualität, der körperlichen Liebe, ist aus seiner dunklen
Tabuzone – das ist peinlich, darüber spricht man nicht –
herausgetreten. Sexualität wird offen – mancher empfindet es
allerdings auch schamlos – thematisiert und praktiziert.
Und denken wir
einfach auch an die Freizügigkeit, mit der heute der menschliche
Körper, auch und gerade der weibliche Körper der Öffentlichkeit
präsentiert, manchmal muss man auch sagen: zugemutet wird (Da müssen
wir ja nur vor die Tür gehen.).
Wir müssen
zugeben: Als Christen und als Kirchen standen wir bei all diesen
Entwicklungen hin zu mehr Leiblichkeit und Körperbewusstsein nie an
der Spitze der Bewegung. Uns umgibt immer ein Hauch von
Leibfeindlichkeit, von Prüderie und Schamhaftigkeit. Dazu kommt,
dass in den Kirchen weltweit immer noch die heftigsten Schlachten um
die Sexualmoral geschlagen werden.
Irgendwie ist es
nicht ganz aus der Luft gegriffen, dass der Kirche Lust- und
Leibfeindlichkeit nachgesagt wird. Man kann das sicherlich
geschichtlich aufdröseln. Ein wichtiger Punkt dabei wird sein, dass
der christliche Glaube sich sehr früh mit der Philosophie des alten
Platon und seiner Nachfolger angefreundet hat, die das Gute, Wahre
und Schöne in einem Reich der Ideen erblickte, zu dem man sich
hinwendete, indem man sich von den vergänglichen körperlichen
Dingen abwendete. Abtötung des Leibes wurde zum Ideal des platonisch
beeinflussten Mönchtums. Das hat die Christenheit geprägt.
Dabei steht am
Anfang der christlichen Botschaft etwas ganz anderes: die Bejahung
des Leibes, des Körpers, des ganzen Menschen.
Jesus hat Menschen
körperlich geheilt. Er hat sie berührt und gesund gemacht. Hat
ihnen nicht gesagt: Dein Leib ist unwichtig, Hauptsache deine Seele
wird gerettet. Er hat ihnen ausdrücklich das Heil für Seele und
Leib gebracht.
Und
Jesus selbst – er war ja Mensch, ganz und gar: mit einem Leib,
einem Körper, der Hunger und Durst hatte, der Schmerz und Lust
kannte, der wusste, was Mühe und Entspannung bedeutete. Das Wort
ward Fleisch, heißt es. Gott wurde Mensch, sagt das
Glaubensbekenntnis. Warum? – Weil es Gott eben nicht nur um unsere
Seele geht, sondern auch um den Leib, um den ganzen Menschen.
Christus hat leiblich gelitten am Kreuz – das war in der frühen
Christenheit ein ganz wichtiges Thema: Indem er ganz wie wir war,
auch in seinem leiblichen Leben und Sterben, konnte er uns auch ganz
erlösen, mit Seele und Leib.
Ja,
und Erlösung mit Seele und Leib, das heißt dann eben auch leibliche
Auferstehung. Auferstehung des Fleisches, habe ich als Kind
noch gelernt, bevor dann die neue ökumenische Fassung des
Glaubensbekenntnisses eingeführt wurde. Auferstehung, wie Christen
sie glauben, ist eben nicht nur ein Weiterleben der unsterblichen
Seele nach dem Tod, sondern eine neue leibliche Existenz. Weil
eine Seele ohne Leib unvollständig ist. Weil Gott uns leiblich
geschaffen hat und wir in Ewigkeit zur Leiblichkeit bestimmt sind.
„Leiblichkeit ist das Ende der Werke Gottes“ , so der
Württemberger Theologe Friedrich Christoph Oetinger bereits im 18.
Jahrhundert.
Richtig
verstanden ist also unser Leib, unser menschlicher Körper immens
wichtig. Gott hat uns zu einem leiblichen, körperlichen Leben
geschaffen. Wir erfahren und gestalten unsere Welt durch unseren
Leib. Wir geben und empfangen mit unserem Leib. Wir kommunizieren mit
unserem Leib. Wir sind unser Leib. Und ohne Leib sind wir nicht. Gott
liebt nicht nur unsere Seele, sondern auch unseren Leib. Und deshalb
sollen wir selber unseren Leib, unseren Körper auch wichtig nehmen,
ihn nicht verachten oder vernachlässigen, sondern ihn pflegen, ihm
Gutes tun und Gutes mit ihm tun.
So
ist auch unser Predigttext gemeint. Vielleicht hat er beim ersten
Hören etwas von dieser alten prüden Leibfeindlichkeit anklingen
lassen, wenn da von sexuellen Lastern und Hurerei die Rede ist. Aber
die Pointe ist ja eine ganz andere: Unser Leib ist kostbar, ist
wertvoll, ist wunderbar. Euer Leib ist ein Tempel des Heiligen
Geistes. – Was für eine Ehre, was für eine Auszeichnung!
Gottes Geist wohnt in unserem Leib. Gott selber wird leiblich in
unserem Leib. – Wie anders sollen Menschen Gott begegnen, als durch
uns, durch unsere leibliche Existenz!
Und
deshalb geht es hier überhaupt nicht darum, den Leib mit seinen
Bedürfnissen zu verachten, sondern es geht darum, ihn zu ehren –
als Gottes Werk und Gottes Wohnung.
Geht
achtsam um mit eurem Leib!, sagt der Apostel. Überlegt, was ihr tut
mit eurem Leib!
Dabei geht es gar nicht um Verbote und Tabus, sondern darum, was mir
nützt und was mir schadet. Alles ist mir erlaubt, schreibt
Paulus, aber nicht alles dient mir zum Guten.
Christliches
Leben, Leben mit Christus ist Freiheit, nicht Zwang. Leben mit
Christus heißt, nicht immer erst fragen zu müssen, was ich darf,
und darauf zu achten, was vielleicht verboten ist. Nein, darum geht
es nicht. Es geht darum, was für mich und für die anderen gut ist,
und was nicht, und darüber soll ich in Freiheit entscheiden. In
Freiheit entscheiden, heißt Verantwortung übernehmen. Ich bin
verantwortlich für das Leben, das ich führe. Ich bin verantwortlich
dafür, was ich mit meinem Körper anstelle.
Alles
ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangennehmen. –
Pass auf, heißt das, dass du deiner Freiheit nicht neue Fesseln
anlegst! Pass
auf, dass du nicht zum Sklaven deines Leibes wirst! Es geht um die
Freiheit.
Wir
kennen doch die Beispiele von Unfreiheit, gerade im Blick auf unseren
Körper. Da werden aus Trieben Süchte. Da wird aus Essen, das uns
guttut, Völlerei, die uns fett und krank macht. Da wird aus dem
Genuss von belebenden Getränken der zwanghafte Griff zur Flasche,
der uns hässlich und am Ende auch krank macht. Da wird aus dem
Bedürfnis nach Bewegung und Sport ein suchtartiges
Nicht-Aufhören-Können. Da wird aus dem Wunsch nach einem schönen
Körper krankhafte Magersucht oder der Zwang, immer neue
chrirurgische Verschlimmbesserungen am eigenen Körper vornehmen zu
lassen, bis überhaupt nichts mehr echt daran ist. Und da wird aus
dem Bedürfnis nach körperlicher Nähe und sexueller Befriedigung
bindungsloses Umherschweifen, die Gefährdung und Zerstörung von
Beziehungen oder gar Missbrauch und Gewalt. Um diese Gefahren der
Unfreiheit, des Zwanges, der Sucht und der Zerstörung geht es
Paulus, wenn er vor Hurerei und anderen Lastern warnt.
Gott
hat uns einen großartigen, wunderbaren Körper geschenkt. Wir können
herrliche Dinge mit ihm erleben und tun. Wir können ihn schmücken
und ehren und ihm wohltun. Wir können ihn in den Dienst unserer
Mitmenschen und der menschlichen Gemeinschaft stellen. Wir können
ihn als Tempel von Gottes Geist bewohnen lassen, so dass wir Gott
damit Ehre machen.
Es
ist gut, dass der menschliche Körper in den letzten Jahrhunderten
wieder zu Ehren gekommen ist. Dass wir ihn wahrnehmen können. Dass
wir seine Schönheit und Leistungsfähigkeit bewundern können, so
wie jetzt wieder bei den Olympischen Spielen.
Wir
können heute vielleicht sogar wieder etwas besser verstehen, was
leibliche Auferstehung bedeutet. Wir sollen einmal den Himmel
genießen.
Es
ist gut, dass uns unser menschlicher Körper, unser Leib wichtig ist.
Weil er Gott wichtig ist. Und darum auch wollen wir mit unserem Leib
wie mit unserer Seele, mit unserem ganzen Leben Gott die Ehre geben.
Ausgezeichnet, dieses thema der predigt!
AntwortenLöschenNun brauchen wir nur noch in der bibel nachschlagen, was denn unserem körper gut tut. Angefangen von der nahrungszufuhr bis über die dosis der bewegung. Wenn wir das in der bibel gefunden haben und uns daran halten, dann bereiten wir Gott einen gesunden tempel.
Lieber Roland,
AntwortenLöschenrichtig gespannt war ich, wie Du an diesen angesichts mancher Diskussionen in unserer Landeskirche brisanten Text herangehst. Ich freue mich, dass Du zunächst allerhand wissenswertes zum Thema Leiblichkeit, vor allem aber eine wirkliche "Frohbotschaft", ein Evangelium weitergibst, wie es in den letzten Absätzen sehr klar formuliert ist: Der Leib eine großartige Gabe Gottes!
Ich wünsche Dir weiterhin so gute Gedanken und viele aufgeschlossene Predigthörer!
Beste Grüße
Michael
Hier noch ein Artikel, der den Einstieg illustriert: http://www.faz.net/aktuell/sport/olympia-2012/olympische-menschen-so-viele-schoene-koerper-11838400.html
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