Sonntag, 26. Januar 2014

Predigt am 26. Januar 2014 (3. Sonntag nach Epiphanias)

Liebe Schwestern und Brüder,
der Satz einer jungen Frau, den ich vorgestern in einem Zeitungsartikel gelesen habe, hat bei mir ziemlich eingeschlagen: „Ich will eh in die Hölle. Da wäre ich wenigstens unter meinen Freunden.“
Dieser Satz macht einiges deutlich. Als erstes macht er deutlich, dass unsere traditionellen Konzepte von Himmel und Hölle so nicht mehr ernst genommen werden. Die Drohung mit Hölle und ewiger Verdammnis zieht nicht mehr. Und umgekehrt darf man vermuten: Der Himmel ist für die Vorstellung junger Menschen von heute auch nicht gerade ein attraktiver Ort, wo man unbedingt hin muss.
Etwas anderes aber fasziniert mich noch mehr an diesem Ausspruch: Unter meinen Freunden sein, mit meinen Freunden zusammen sein – das ist für mich das allerwichtigste, sagt diese junge Frau. Dazugehören – das zählt. Was nützt es mir, wenn ich einsam im Himmel bin? Dann lieber mit meinen Freunden in der Hölle!
Eigentlich gar nicht so neu: „Ich geh mit dir durch die Hölle“ hieß es ja schon lange im Schlagertext. Das ist genau dasselbe: Wenn ich nur mit dir zusammensein kann, dann gehe ich mit dir überall hin – selbst in die Hölle! Zusammengehören, Dazugehören – das ist das Entscheidende!
Wenn wir es uns recht überlegen: Was tun wir nicht alles um dazuzugehören? Mode, Meinungen, Marotten – wie viel davon kommt von uns selbst, wie viel ist dem Gemeinschaftsdruck geschuldet? Tun wir, sagen wir, ja denken wir nicht eine ganze Menge genau deshalb, weil andere es auch tun, sagen, denken, zu denen wir dazugehören wollen?
Ja, und wahrscheinlich ist es sogar mit unserem Glauben, mit unserem Christsein so. Das Dazugehören ist wichtiger als die Glaubensinhalte. Ich bin Teil einer Gemeinschaft, in der ich mich wohlfühle – auch wenn ich nicht in allem übereinstimme mit den christlichen Glaubenslehren. Aber ich passe mich an. – Ist es nicht so, bei vielen von euch?
Ja, ist es nicht so: Ihr kommt zu uns, weil ihr zu unserer Gemeinschaft gehören wollt; nicht weil ihr Angst habt, sonst in die Hölle zu kommen? Vielleicht ist gerade der Satz von der „Gemeinschaft der Heiligen“ für euch der wichtigste im Glaubensbekenntnis, und ihr denkt dabei an die Gemeinschaft, die wir jetzt und hier schon haben, nicht erst im Himmel!
Dazugehören – das ist es, was wir wollen. Es ist ein menschliches Grundbedürfnis. Man könnte noch viel darüber nachdenken, wie gut das sein kann: die Geborgenheit einer Gemeinschaft; oder aber auch wie gefährlich: einfach mitmachen, was alle machen, was die Mehrheit macht. Selbst das Anderssein, das Nichtmitmachen ist einfacher, wenn man es in Gemeinschaft tut.
Wenn wir aber schon Teil einer Gemeinschaft sind, dann möchten wir vielleicht nicht, dass jeder – jeder X-Beliebige – zu uns gehören kann. Wir grenzen uns auch gerne ab. Wir lieben unseren eingespielten Klüngel. Wir machen es Außenstehenden schwer, bei uns Fuß zu fassen.
Ja, manchmal ist das so: Da kommen Leute zu uns, wollen dazugehören, und sie treffen auf eine anscheinend geschlossene Gesellschaft. Keiner setzt sich zu ihnen, keiner spricht mit ihnen ...

Oder – das habe ich schon erlebt, nicht hier aber anderswo –, dass jemand neu im Gottesdienst ist, und einer, der sonst immer kommt, beschwert sich, dass der Neue auf seinem Stammplatz sitzt. So stelle ich mir das nicht vor!
Da beschäftigt uns die Frage: Wer darf denn eigentlich bei uns am Abendmahl teilnehmen. – Auch Katholiken? – Von uns aus – ja: Es ist ja unser einer Herr, der alle einlädt, die zu ihm gehören wollen. – Auch Ungetaufte? – Da wird’s schwieriger: Sollte nicht erst die Taufe kommen, um Teil der Gemeinschaft zu werden, die da feiert am Tisch des Herrn? Oder hat der Herr nicht selber Menschen an seinen Tisch geladen, die erst dann zu seinen Nachfolgern geworden sind – oder vielleicht nicht mal das? Ja und seine Apostel beim ersten Abendmahl – waren die denn getauft? – Ich weiß von Menschen, die tief bewegt und angerührt waren, als sie am Heiligen Abendmahl teilgenommen haben – Ungetaufte, die doch der Kirche noch fernstanden. Und nun durften sie dazugehören zu unserer Gemeinschaft und waren voll angenommen …
Ums Dazugehören geht es im heutigen Predigttext aus der Apostelgeschichte, Kapitel 10. Es ist eine lange Geschichte; ich werde sie erzählen und dabei nur einiges wörtlich aus der Bibel zitieren.
Da ist ein Mensch, namens Kornelius. Er ist Römer, und er ist Militärangehöriger, stationiert im Heiligen Land, in Caesarea. Und er will dazugehören. Zu den Juden unter denen er lebt. Zu ihrer Gemeinschaft. Und zu ihrem Gott. Wahrscheinlich ist es das: Die Faszination ihres Glaubens – an einen Gott – und die klaren Regeln und Konsequenzen, die aus diesem Glauben folgen. Das hat es damals häufig gegeben: Anhänger des Judentums, die selber keine Juden werden konnten. Weil die Hürden so hoch waren. Bis heute ist es nicht einfach, Jude zu werden. Man ist als Jude geboren, oder man ist es nicht. Man kann wie ein Jude glauben, man kann wie ein Jude leben – man ist doch keiner. So geht es Kornelius.
Da ist ein anderer Mensch, namens Petrus. Er ist Jude, und er ist Anhänger von Jesus Christus. Messianischer Jude, würde man heute sagen, oder Judenchrist. Nur: damals gab es nichts anderes: nur Judenchristen. Die Urgemeinde – das waren Juden, die in Jesus von Nazareth den jüdischen Messias gefunden hatten. Sie lebten weiter als Juden unter Juden, nur dass sie an Jesus glaubten und erwarteten, dass er bald wiederkommen und das Reich Gottes in Israel errichten würde. – Und dabei natürlich dieses andere, weltliche Reich, Rom vernichten würde – zu dem so einer wie Kornelius gehörte.
Eigentlich konnten sie überhaupt nicht zueinander kommen: Juden und Römer, Petrus und Kornelius. – Und dann ist genau das eben doch geschehen.
Kornelius hatte eine Erscheinung: Ein Engel Gottes erschien ihm und sagte: Gott hat deine Gebete und deine Wohltaten für die Armen gesehen. Darum schicke deine Leute nach Japho zu einem gewissen Simon Petrus.
Petrus hatte auch eine Erscheinung: Ein Tuch voller Tiere und Gewürm, die für Juden unrein sind, wurde ihm gezeigt und dazu sagte eine Stimme: Schlachte und iss! – Petrus entgegnete: Auf keinen Fall, Herr! Ich habe noch nie etwas Unreines gegessen! Aber die Stimme wiederholte die Aufforderung und fügte hinzu: Was Gott für rein erklärt hat, das nenne du nicht unrein.
Kurz darauf klingelt es an der Tür – Verzeihung: es klopft –, und die Männer von Kornelius stehen draußen. Und Petrus lässt sie ein, hört sich ihr Anliegen an, bewirtet sie, beherbergt sie, und am nächsten Morgen marschiert er mit ihnen los nach Cäsarea. Immerhin zwei Tagesmärsche, 50 km, immer an der Küste entlang. Schließlich kommen sie bei Kornelius an; der hat schon seine Verwandten und Freunde zusammengerufen: Jetzt passiert gleich etwas ganz Besonderes. Auch wenn keiner so richtig weiß, was.
Petrus weiß es auch nicht. Gott hat hier offenbar zwei Menschen zueinander geführt, die erst mal gar nicht zusammengehören und auch nicht so recht wissen, was sie miteinander anfangen sollen. Kornelius fällt vor Petrus nieder, als wollte er ihn anbeten. Und Petrus sagt: Steh auf, ich bin auch nur ein Mensch. Dann betritt er das Haus des Kornelius und erklärt als erstes, dass er das eigentlich gar nicht darf: Ihr wisst ja, dass es einem Juden nicht erlaubt ist, engeren Kontakt zu Fremden zu haben oder sie gar in ihrem Haus zu besuchen. – Sehr freundlich, wenn man sich so was erst mal anhören muss: Also, eigentlich darf ich ja mit euch gar nichts zu tun haben! Aber … und jetzt zeigt sich, dass Petrus etwas verstanden hat von der seltsamen Vision, die er zwei Tage zuvor hatte: Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen unheilig oder unrein nennen soll. Darum bin ich auch mit hierhergekommen. – Und nun? – Pause. Verlegenheit. Kornelius erzählt noch mal seine Geschichte von vorn, die Petrus eigentlich schon von seinen Abgesandten gehört haben sollte. Worüber haben die sich eigentlich zwei Tage lang unterhalten? – Wie auch immer, Kornelius endet mit einem Satz, der Petrus offenbar beeindruckt: Nun sind wir alle hier in Gottes Gegenwart versammelt, um zu hören, was du uns im Auftrag des Herrn zu sagen hast.
Und nun ist bei Petrus endgültig der Groschen gefallen: Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott keine Unterschiede zwischen den Menschen macht! Egal aus welchem Volk einer kommt: wer Gott respektiert und gerecht handelt, der darf zu ihm gehören.
Und dann weiß er auch, was er weiter zu reden hat. Er erzählt von Jesus. Und wo von Jesus erzählt wird und Menschen etwas von Gott erwarten, da wirkt auch Gottes Heiliger Geist. Wie zu Pfingsten beginnen die Anwesenden Gott laut zu loben und in Zungen zu reden, und wie zu Pfingsten lässt Petrus sie taufen.
Jetzt gehören sie dazu. Richtig. Sie sind zwar keine Juden geworden, aber sie sind Christen geworden. Sie gehören zu denen, die an den einen, wahren Gott glauben. Sie gehören zur heiligen, christlichen Kirche, zur Gemeinschaft der Heiligen.
Für die junge christliche, bis dahin juden-christliche Gemeinde war das nicht einfach zu akzeptieren. Petrus musste sich rechtfertigen: Wie konntest du mit diesen Heiden Gemeinschaft haben?, fragen sie ihn. Petrus erzählt noch mal die ganze Geschichte, und endet mit der rhetorischen Frage: Wer bin ich, dass ich mich Gott hätte in den Weg stellen dürfen?
Eine Frage, die mich nachdenklich macht. Und weitherzig: Wer bin ich, dass ich mich Gott in den Weg stellen dürfte, wenn er Menschen in unsere Kirche und Gemeinde führt, die zu uns gehören wollen? Wer sind wir, dass wir Menschen wegschicken dürften, die mit uns spielen, singen, feiern, leben – und vielleicht sogar glauben wollen?
Leider gibt es auch die anderen – viel zu viele –, die gar nicht mehr zu uns gehören wollen, die lieber mit ihren Freunden zur Hölle gehen als mit uns in den Himmel. Aber vielleicht hat das auch mit uns zu tun. Damit dass sie sich bei uns ohnehin ausgeschlossen fühlen und abgestoßen. Damit dass wir sie schon für verloren erklärt haben.
Die ganz junge christliche Kirche hat es eindrucksvoll gelernt: Wir sind offen für alle, weil Gott offen ist für alle. Wer zu uns gehören will, der soll zu uns gehören dürfen.
Und so hoffe ich, dass das für uns nicht anders ist: dass wir Kirche sind, zu der man einfach dazugehören darf!

Dienstag, 21. Januar 2014

Kurzpredigt am 20. Januar 2013 (Ökumenischer Gottesdienst zur Gebetswoche für die Einheit der Christen)

Paulus, berufen zum Apostel Christi Jesu durch den Willen Gottes, und Sosthenes, unser Bruder, an die Gemeinde Gottes in Korinth, an die Geheiligten in Christus Jesus, die berufenen Heiligen samt allen, die den Namen unsres Herrn Jesus Christus anrufen an jedem Ort, bei ihnen und bei uns: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus!
Ich danke meinem Gott allezeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch gegeben ist in Christus Jesus, dass ihr durch ihn in allen Stücken reich gemacht seid, in aller Lehre und in aller Erkenntnis. Denn die Predigt von Christus ist in euch kräftig geworden, sodass ihr keinen Mangel habt an irgendeiner Gabe und wartet nur auf die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus. Der wird euch auch fest erhalten bis ans Ende, dass ihr untadelig seid am Tag unseres Herrn Jesus Christus. Denn Gott ist treu, durch den ihr berufen seid zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn.
Ich ermahne euch aber, liebe Brüder, im Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr alle mit einer Stimme redet und lasst keine Spaltungen unter euch sein, sondern haltet aneinander fest in "einem" Sinn und in "einer" Meinung. Denn es ist mir bekannt geworden über euch, liebe Brüder, durch die Leute der Chloë, dass Streit unter euch ist. Ich meine aber dies, dass unter euch der eine sagt: Ich gehöre zu Paulus, der andere: Ich zu Apollos, der Dritte: Ich zu Kephas, der Vierte: Ich zu Christus. Wie? Ist Christus etwa zerteilt? Ist denn Paulus für euch gekreuzigt? Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft? Ich danke Gott, dass ich niemanden unter euch getauft habe außer Krispus und Gajus, damit nicht jemand sagen kann, ihr wäret auf meinen Namen getauft. Ich habe aber auch Stephanas und sein Haus getauft; sonst weiß ich nicht, ob ich noch jemanden getauft habe. Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu predigen - nicht mit klugen Worten, damit nicht das Kreuz Christi zunichte werde.
1. Korinther 1, 1-17


Liebe Schwestern und Brüder,

als ich den Anfang des 1. Briefs an die Korinther gelesen habe, habt ihr da gemerkt, wie oft der Name Jesus Christus genannt wurde? – 14-mal. Ich denke, auch unsere Schwestern und Brüder hier, die kein Deutsch verstehen, haben das verstanden: Es geht um Jesus Christus.

Der Apostel Paulus kämpft in seinem ersten Brief an die Korinther um die Einheit der christlichen Gemeinde dort. Und er weiß eines ganz genau: Eins ist die Gemeinde, weil sie zu einem Herrn gehört. Weil sie – so unterschiedlich die einzelnen Gemeinde-Glieder sind – doch alle Jesus Christus angehören – durch die Taufe – und in Jesus Christus verbunden sind: verbunden zu einem Leib, wie Paulus später im selben Brief schreibt.
So, liebe Schwestern und Brüder, ist Kirche im Kleinen und auch im Großen: ein vielfältiger Organismus, ein Leib mit vielen Gliedern, aber eins in Christus.

So können, so sollen auch wir uns verstehen als Christen und Kirchen unterschiedlicher Konfessionen und Nationen: Christus ist unser einer Herr. Er ist nicht zerteilt, auch wenn wir verschieden sind.

Je enger wir, jede einzelne Kirche und Gemeinde, jeder einzelne Gläubige mit Jesus Christus verbunden ist, um so enger sind wir auch beieinander. Wie der Apostel schreibt: Gott ist treu, durch den ihr berufen seid zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus unseres Herrn. Gut, dass wir diese Gemeinschaft feiern und leben! Amen.

Sonntag, 5. Januar 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Sonntag, dem 5. Janaur 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

wie oft haben Sie jetzt schon die falsche Jahreszahl geschrieben? Am Anfang eines neuen Jahres ist die alte Zahl oft noch so fest eingespeichert, dass wir automatisch 2013 statt 2014 schreiben. Als ich unseren Gemeindebrief für Dezember und Januar druckfertig gemacht habe, stand am Ende gleich dreimal eine falsche Jahreszahl drin: einmal 2012 statt 2013 und zweimal 2013 statt 2014. Und die Jahre wechseln immer schneller. Manchmal bin ich so verwirrt, dass ich gar nicht mehr weiß, ob nicht doch schon 2015 begonnen hat. Und mit meinen Lebensjahren ist es genau so: ich muss immer erst nachdenken, wie alt ich denn nun gerade wirklich bin. Ältere Leute nennen oft nur noch ihr Geburtsjahr, wenn sie nach ihrem Alter gefragt werden. Sie kommen nicht mehr hinterher mit der Zeit, und ihr Gedächtnis kommt auch nicht mehr hinterher.

Die Jahre vergehen und das fühlt sich immer schneller an, wir kommen kaum noch nach.

Oder wir steigen einfach mal aus aus diesem Karussell, schauen uns das an und merken: Es war schon immer so: Die Jahre kommen und vergehen. Mit ihnen kommen und gehen die Menschen. Und genau das ist es, was bleibt: Der Fluss der Zeit. Oder wie es so schön heißt: Nichts ist beständiger als die Veränderung.

Wenn wir der beständigen Veränderung zusehen, das Karussell sich drehen lassen, den Fluss an uns vorbeifließen lassen, dann haben wir ein Stückchen von der Ewigkeit erhascht. Ewigkeit: Wir sind herausgenommen aus der Zeit. Wir sind bei Gott.

Ich kenne diese Momente, wo die Zeit an mir vorbeizieht und ich ihr zusehe. Die Wellen schlagen an den Strand, immer und immer wieder. Die Sterne stehen über mir, Nacht für Nacht und Jahr für Jahr dieselben. Darin ist eine Ahnung von Ewigkeit, eine Ahnung von Gott.

In solchen Augenblicken wird es völlig gleichgültig, welche Jahreszahl wir schreiben.

Ein Lied von Jochen Klepper, das auch in unserem Gesangbuch steht, heißt: Der du die Zeit in Händen hast (EG 64). Zwei Strophen daraus möchte ich lesen:

Wer ist hier, der vor dir besteht?

Der Mensch, sein Tag, sein Werk vergeht:
nur du allein wirst bleiben.
Nur Gottes Jahr währt für und für,
drum kehre jeden Tag zu dir, weil wir im Winde treiben.

Der du allein der Ewge heißt
und Anfang, Ziel und Mitte weißt
im Fluge unsrer Zeiten:
bleib du uns gnädig zugewandt
und führe uns an deiner Hand, 
damit wir sicher schreiten.

Das sei auch mein Gebet: Gott möge uns gnädig zugewandt bleiben im Fluge unsrer Zeiten.

Samstag, 4. Januar 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Samstag, dem 4. Januar 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

unsere guten Vorsätzen zum neuen Jahr reichen meistens nicht sehr weit, habe ich gestern an dieser Stelle festgestellt.

Heute möchte ich deshalb lieber über Gottes gute Vorsätze sprechen.

Auch Gott hat sich etwas vorgenommen fürs Neue Jahr. Und wenn Gott sich etwas vornimmt, dann hat er keine Probleme damit, seine guten Vorsätze auch auszuführen. Das ist einer der vielen kleinen Unterschiede zwischen Gott und Mensch.

Gottes Vorsatz fürs neue Jahr heißt: Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen.

Ok, ich habe ein bisschen gemogelt. Gott hat diesen Satz schon vor längerer Zeit gesagt, und auch zu jemand anderem als zu dir oder mir. Nämlich zu Josua (Josua 1, 5b). Der stand nicht am Anfang eines neuen Jahres, sondern am Anfang einer großen Aufgabe und an der Grenze eines unbekannten Landes. Als Mose gestorben war, der die Israeliten aus Ägypten geführt hatte, wurde Josua zum Anführer des Volkes, und er hatte die Aufgabe mit ihnen das Land Kanaan zu besiedeln. Vor der Größe dieser Aufgabe war er doch etwas erschrocken. Und genau da hat Gott zu ihm gesagt: Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen.

Natürlich, es ist immer so eine Sache alte Bibelworte aus ihrem Zusammenhang zu reißen und einfach auf uns zu beziehen. Aber oft ist es doch richtig. Denn sie sagen uns etwas darüber, wie Gott grundsätzlich so ist. 

Und, ja, er ist grundsätzlich so, wie er es dem Josua sagt. Er will uns nicht verlassen, noch von uns weichen. Das ist geradezu seine Wesensart und sein Name. Denn so kann man auch den alten hebräischen Gottesnamen übersetzen: Ich bin für dich da. Das sagt Gott nicht nur einem einzelnen Menschen, sondern Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten.

Zu Weihnachten haben wir es besonders deutlich gesehen. Gott verlässt uns nicht, sondern – im Gegenteil – er kommt zu uns, er möchte bei uns sein.

Und dieses Versprechen, diesen seinen Vorsatz wird er auch dieses Jahr halten. Ganz gewiss.

Freitag, 3. Januar 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Freitag, dem 3. Januar 2014

Einen guten Morgen am dritten Tag des Jahres, wünsche ich Ihnen, liebe Hörer.

Was machen eigentlich Ihre guten Vorsätze aus der Neujahrsnacht? – Haben Sie die Zigaretten liegen lassen? Sind Sie joggen gewesen? Oder was war es doch gleich, was Sie an Ihrem Leben ändern wollten?

Wissen Sie, ich mache das schon lange nicht mehr. Am dritten oder vierten Tag des Jahres – oder wann auch immer – ist man dann enttäuscht von sich selber, dass man es wieder nicht geschafft hat, was man sich Gutes vorgenommen hat. Das Rauchen habe ich mal irgendwann im Oktober aufgegeben, nicht am Neujahrstag. Mich mehr zu bewegen, das nehme ich mir aller paar Wochen neu vor. Und freundlich zu sein, bestimmte Menschen anzurufen oder unangenehme Aufgaben wahrzunehmen, dazu muss ich mir sowieso immer wieder mal einen Stoß geben. Nicht nur am Neujahrstag.

Das Problem mit den guten Vorsätzen ist schon in der Bibel bekannt. Der Apostel Paulus schreibt in einem seiner Briefe: Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich (Römer 7, 18.19).

Denn das ist ein typisches Problem von uns Menschen: Wir schaffen es nicht, unseren eigenen guten Vorsätzen zu folgen, unseren inneren Schweinehund zu überwinden und bessere Menschen zu werden.

Gott sei Dank, der Apostel Paulus zieht aus dieser Tatsache die Schlussfolgerung, dass es gar keinen Sinn hat, sich selber besser machen zu wollen, als man ist. Und er sagt, dass wir das auch gar nicht nötig haben.

Ich glaube, gerade das ist ein ganz entscheidender Unterschied zwischen dem Christentum und allen anderen alten und neuen Religionen und Heilslehren: Sie geben uns Anleitungen, wie wir uns selber und die Welt verbessern können; wir müssen etwas dafür tun. Das Christentum lehrt uns, dass wir eigentlich nichts tun können, sondern dass Gott alles tut, um unser Leben entscheidend zu verbessern, ja es von Grund auf gut zu machen.

Der beste Vorsatz fürs neue Jahr kann eigentlich nur heißen: Gott nicht zu vergessen und ihm in allen Dingen zu vertrauen.

Donnerstag, 2. Januar 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Donnerstag, dem 2. Januar 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

am Anfang eines neuen Jahres wünschen wir uns Gesundheit – und Glück. Auch zum Anfang eines neuen Lebensjahres. Oder überhaupt. Herzlichen Glück-Wunsch! – Wir wünschen einander Glück.

Das ist schön. Denn stellen Sie sich vor, wir würden einander Unglück wünschen, Pech, Misserfolge und Krankheit! Was für eine grausame Welt! In einer freundlichen Welt wünschen wir uns Glück.

Die Kirchen im deutschsprachigen Raum haben für jedes Jahr ein besonderes Bibelwort als Jahreslosung. Und in der Jahreslosung für 2014 geht es auch um Glück. Gott nahe zu sein, ist mein Glück, heißt sie.

Das ist eine moderne, zeitgemäße und überraschende Übersetzung. Denn in unserer altgedienten Lutherübersetzung kommt das Wort Glück eher selten vor. Da ist von Freude die Rede oder von Seligkeit.
Aber nun eben so: Gott nahe zu sein, ist mein Glück.

Religion, christlicher Glaube wird mit allem möglichen in Verbindung gebracht, aber nur selten mit Glück. Glück – das ist ein Lottogewinn. Glück – das ist, wenn man eine schwere Krankheit überlebt hat, dem Tod von der Schippe gehüpft ist, wie man so sagt. Eben Schwein gehabt! Glück ist wohl auch, wenn man frisch verliebt ist. Glück empfinde ich vielleicht, wenn die Sonne aufs Meer scheint oder wenn ich eine Bergwanderung geschafft habe. Glück ist für manche nur Körperchemie: Wenn ich genug Endorphine im Blut habe, bin ich glücklich.

Alle diese Arten von Glück sind Gefühlszustände, die wieder vergehen. Sei es, dass der Endorphinspiegel sinkt, sei es, dass wir uns an den Partner gewöhnt haben, in den wir mal verliebt waren, sei es dass wir die Sonne jeden Tag aufs Meer scheinen sehen – so wie es vielen auf unserer Insel geht: man gewöhnt sich halt dran. – Unser Glück ist flüchtig.

Gott nahe zu sein, das ist kein dauernder Glückszustand. Der Glaube bewahrt uns auch nicht vor Verlusten, Niederlagen, Krankheiten und anderem Unglück. Das Glück, Gott zu kennen, Gott nahe zu sein, ist tiefer. Es ist immer mit dabei, es hält und trägt mein Leben im Glück und im Unglück.

Aber manchmal wird es mir wieder ganz stark bewusst: Gott ist mir nahe, und ich bin glücklich. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in diesem neuen Jahr etwas von diesem großen Glück spüren können.

Mittwoch, 1. Januar 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Mittwoch, dem 1. Januar 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

schön, dass Sie schon ausgeschlafen haben an diesem Neujahrsmorgen!

So ein Jahreswechsel ist eigentlich etwas Verrücktes. Wir tun so, als wäre das sonst was, dass wir jetzt eine neue Jahreszahl schreiben: zweitausendvierzehn, dos mil catorce.

Eigentlich ist das pure Willkür. Irgendwann hat mal irgendjemand irgendwo festgelegt, dass an diesem Tag das neue Jahr beginnt; es hätte auch jeder andere Tag sein können. Wir kennen das ja auch von ferne: das jüdische Neujahrsfest oder das chinesische Neujahrsfest sind an anderen Terminen im Jahr. Und das christliche Neujahrsfest war bis ins 16. Jahrhundert der Weihnachtstag. Das macht ja auch Sinn, wenn wir die Jahre ab Christi Geburt zählen. Martin Luthers bekanntestes Weihnachtslied Vom Himmel hoch, da komm ich her endet deshalb auch mit dem Vers: Des freuet sich der Engel Schar und singet uns solch neues Jahr.

Neujahr ist also reiner Zufall. Die Erde dreht sich weiter um die Sonne. Der Punkt, den sie am Jahreswechsel durchläuft, ist nicht irgendwie rot markiert. Nur unsere Kalender sind es. Und so organisieren wir einiges neu ab diesem Tag, ohne dass sich etwas Wesentliches ändert.

Darum feiert die Kirche am Neujahrstag eigentlich auch etwas ganz Anderes als den Jahresbeginn, nämlich die Beschneidung und Namensgebung von Jesus. Im Lukasevangelium, gleich nach der bekannten Weihnachtsgeschichte (Lukas 2, 21) heißt es: Und als acht Tage um waren und man das Kind beschneiden musste, gab man ihm den Namen Jesus, wie er genannt war von dem Engel, ehe er im Mutterleib empfangen war.

Jesus, das war damals ein ganz normaler Name. Viele Kinder hießen so. Und doch hat er eine besondere Bedeutung: Jesus, hebräisch Jeschua, bedeutet Heil, Hilfe, Rettung. Er drückt genau das aus, wozu Jesus in die Welt gekommen ist: um zu heilen, zu helfen und zu retten. Jesus ist unser Heiland, wie es das alte deutsche Wort sagt.

Ein Lied (EG 62), das nach der Verschiebung des Neujahrsfestes auf diesen Tag entstanden ist, verbindet beide Anlässe:
Jesus soll die Losung sein,da ein neues Jahr erschienen;Jesu Name soll alleindenen heut zum Zeichen dienen,die in seinem Bunde stehnund auf seinen Wegen gehn.

Ja, das finde ich gut. Jesus will mit uns durch das neue Jahr gehen. Er möge uns begleiten, und wir ihn nicht vergessen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein gutes und gesegnetes neues Jahr!