Sonntag, 31. Mai 2015

Predigt am 31. Mai 2015 (Trinitatis)

Es war ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, einer von den Oberen der Juden. Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: „Meister, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.“
Jesus antwortete und sprach zu ihm: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“
Nikodemus spricht zu ihm: „Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er denn wieder in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden?“
Jesus antwortete: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren ist, das ist Geist. Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von neuem geboren werden. Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.“
Johannes 3, 1-8


Der Wind bläst.
Ich stehe auf dem schwankenden Oberdeck der Fähre und stemme mich gegen den warmen Wind, der doch kalt ist, weil er so stark weht und weil er mich mit der Salzgischt des Ozeans besprüht.
Durchgepustet beginnt unser Urlaub.
Und dann stehen wir am Strand.
Wieder im Wind
Die Waden sandgestrahlt.
Die Sonne wärmt, der Wind kühlt.
Windsurfer hängen in ihren Segeln.
Hart am Wind sausen sie übers Wasser.
Und in mir kommen die Erinnerungen hoch, wie ich, ganz jung noch, 
auch ein paar mal auf so einem Brett stand, und wie das war, als es Fahrt aufnahm, übers Wasser zischte und unter den Füßen zu vibrieren begann.
Die Macht des Windes.
Und der Mensch setzt sich ihr aus, hält ihr stand, lässt sich von ihr bewegen:
Hält sein Segel in den Wind und kommt voran.
Nicht einfach vor dem Wind, der ihn hintreibt, wo er will; sondern dran am Wind, fast schon ihm entgegen in selbst gewählter Richtung.
Windeskraft und Menschenkraft vereint geben ihm seine Richtung.
Die erste Woche auf Fuerteventura war Windwoche.
Tag und Nacht pfiff es durch die Ritzen und rüttelte es an Türen und Fenstern.
Unausweichlicher, mächtiger Wind.
Dann wurde es etwas ruhiger.
Ein milder Luftzug, der die Sonne erträglicher macht und sich nach Sommer anfühlt.
Ich stehe am Strand, im Wind und fühle Leichtigkeit, Glück.
Urlaub: wie neu geboren.
*
Der Wind bläst.
Er bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt.
Wunder Wind.
Luft in Bewegung.
Manchmal weißt du, woher er kommt:
Vom Meer: Und er bringt Wolken und Regen mit.
Oder aus der Wüste: Und er bringt Staub und Hitze mit.
Aber du kannst nicht sagen: Genau dort hat er angefangen, und genau da hört er auf.
Wunder Wind.
Damals wussten sie noch nicht, warum er weht.
War es der Atem eines Gottes?
Der Geisthauch des Ewigen?
Heute kennen wir die Antwort, auf die Frage, wer den Wind macht:
Die Sonne.
Wenn sie die Luft erwärmt, dann steigt der Luftdruck, die Luft will sich ausdehnen, und so weht sie weg vom Hochdruckgebiet, dorthin, wo es kühler ist, wo sich die Luft zusammengezogen hat, wo Tiefdruck herrscht.
Wüsten und Ozeane, Tag und Nacht, Sommer und Winter, die Bewegung der Erde um sich selbst und um die Sonne, das alles hat Einfluss auf die Wege der Winde.
Aber die eigentliche Ursache des Windes ist die Sonne.
Von ihr hat er seine Kraft, seine Energie.
Wo der Wind weht, da wirkt die Sonne.
Sonne und Wind – wie Gott und Geist:
Wo der Geist weht, da wirkt Gott.
Menschen halten ihre Segel in den Geistwind des Ewigen und nehmen Fahrt auf.
Nicht dass sie sich einfach treiben lassen; sie sind frei die Richtung zu wählen:
manchmal hart am Wind, fast schon ihm entgegen und doch von Gottes Geist bewegt.
*
So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.
Geboren.
Als wir geboren wurden, da haben wir ihn zum ersten Mal gespürt, den Wind, den Luftzug auf der nackten Haut.
Aus dem Mutter-warmen Wasser in den kühlen Wind des eigenen Lebens.
Er hat uns erschreckt, und im Erschrecken schon war er in uns gefahren, der Windhauch, Luftgeist, Gottesatem.
Und dann haben wir ihn wieder herausgeschrien und konnten doch nicht anders, als ihn immer und immer wieder in uns hineinzuatmen.
Und wieder auszuatmen:
auszuschreien,
auszulachen,
auszusprechen,
auszusingen.
Ersticken würden wir ohne den Lebensatem.
Neu geboren.
In den Wind gehalten.
Ins Leben geworfen.
In den Atem des Ewigen.
*
Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.
Von neuem geboren bist du:
Wenn du nicht nur den Wind spürst, sondern Gottes Geist.
Wenn dir nicht nur die Sonne ins Gesicht scheint, sondern Gottes Liebe.
Wenn du ahnst, dass es mehr gibt als nur Sonne und Wind und Wasser und Sand.
Sondern auch Gott und Geist und Schwester und Bruder.
Nicht nur Materie und Energie.
Sondern Geist und Leben.
Wenn du nicht nur die Erde siehst.
Sondern den Himmel – das Reich Gottes.
Von neuem geboren bist du:
Aus dem Fruchtwasser der Taufe in den Geistwind Gottes gehoben.
Damit du in jedem Atemzug Gottes Nähe spürst.
Damit du in jedem Sonnenstrahl seine Liebe siehst.
Damit der Gottesgeistwind deine Segel füllt und dein Leben Fahrt aufnimmt.
*

Der Wind bläst.
Ich stehe auf dem Deck der Fähre und blicke zurück.
Unsere Urlaubsinsel entschwindet in der Ferne.
Ein Stück Erinnerung mehr.
Ein kleiner Abschnitt auf der großen Lebensreise.
Und ich denke daran, dass der Wind der mich durchs Leben treibt, der Gottesgeist ist.

Sonntag, 24. Mai 2015

Zündfunke (Rundfunkandacht) am 24. Mai 2015

Guten Morgen, liebe Hörer,
eines der schönsten deutschen Wörter ist Trösten. Sofort ist dieses Gefühl wieder da: In kindlichem Schmerz und Verzweiflung laufe ich zu meiner Mutter, sie nimmt mich auf den Arm, wischt mir die Tränen ab und tröstet mich. Sie ist da, versteht mich, beschützt mich, lindert den Schmerz, sagt mir: Alles wird gut. – Ich kenne es auch anders: Mein Schmerz wird nicht ernst genommen, die Eltern lachen mich aus, weil ich wegen einer Kleinigkeit so viel Theater mache, und ich habe das Gefühl: keiner versteht mich; ich bin der elendste und verzweifeltste Mensch der Welt. Trostlos!
Kindliche Gefühle, die wir mitnehmen und die immer wieder in uns hochkommen: Der verzweifelte Schmerz, den keiner versteht. Aber auch der Trost, wenn uns jemand zeigt: Ich verstehe dich. Und: Alles wird gut.
Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet, sagt Gott in der Bibel. Ein mütterlicher, tröstlicher Gott, der seine Menschen in den Arm nimmt und ihnen sagt: Alles wird gut.
Heute feiern wir Pfingsten. Das Fest des Heiligen Geistes. Jesus nennt den Heiligen Geist Tröster. Jedenfalls hat Martin Luther ein schwieriges griechisches Wort so einfach übersetzt: Tröster. Jesus sagt: Wenn ich nicht mehr da bin, dann braucht ihr jemand, der euch tröstet, euch versteht, euch in den Arm nimmt, die Tränen trocknet und euch sagt: Alles wird gut. Dieser Jemand, das ist der Heilige Geist.

Der Heilige Geist ist kein Gespenst. Auch keine abstrakte Kraft oder Energie. Der Heilige Geist ist eure Trösterin, eure Mutter, der mütterliche Gott. Zu dem ihr hingehen könnt in eurem Schmerz und in eurer Verzweiflung. Damit ihr nicht trostlos und verloren seid in dieser Welt. Damit ihr wieder fröhlich werdet und daran glauben könnt, dass alles gut wird.

Samstag, 23. Mai 2015

Zündfunke (Rundfunkandacht) am 23. Mai 2015

Guten Morgen, liebe Hörer,
da sitzt einer im Gefängnis und schreibt einen Brief. Und in dem Brief immer wieder die Worte: „Ich freue mich.“ Und an die Briefempfänger dasselbe: „Freut euch!“
Wie das? Steht seine Entlassung aus der Gefangenschaft bevor? Nein, davon kann keine Rede sein. Es ist ja erst die Untersuchungshaft, und ob das Verfahren gut für ihn ausgehen wird, ist noch lange nicht ausgemacht. Gesundheitlich angeschlagen ist er außerdem. Er weiß nicht mal, ob er die Haft überleben wird. Und trotzdem: „Ich freue mich!“ Und: „Ihr sollt euch mit mir freuen!“ – Ein bisschen verrückt!
Dieser verrückte fröhliche Gefangene heißt Paulus. Bekannt als Apostel von Jesus. Jahre-, jahrzehntelang ist er durch die halbe Welt gezogen und hat den Menschen von Jesus erzählt. Hat alle möglichen Strapazen auf sich genommen. Sie haben ihn aus der Stadt gejagt, ausgespeitscht, gesteinigt, was er nur knapp überlebte, und im Gefängnis sitzt er auch nicht zum ersten Mal. Immerhin hat er einige beeindruckt, zum Glauben an Jesus bekehrt und an einigen Orten christliche Gemeinden gegründet. Man könnte meinen, er ist erleichtert, dass er jetzt im Gefängnis ein wenig Ruhe gefunden hat von den Strapazen, Zeit zum Nachdenken und Zeit zum Briefeschreiben.
„Ich freue mich!“, sagt er, weil er zurückblickt auf das, was er erreicht hat, bzw. – so will er das lieber verstehen – was Gottes Gnade durch ihn erreicht hat.
„Ich freue mich!“, sagt er auch, weil er sich auf den Himmel freut. Ja, er ist ein bisschen lebensmüde. Aber fröhlich lebensmüde, weil er weiß: Vieles war gut, und das Beste kommt noch.
„Freut euch!“, schreibt er an seine Freunde. Denn mit Jesus Christus kann eigentlich immer nur alles gut werden, egal, wie schlimm es jetzt auch aussieht.

So eine fröhliche Gelassenheit wünsche ich mir manchmal. Wir Christen müssten das eigentlich wissen: Egal, wie schlimm es auch sein mag, mit Jesus Christus an der Seite wird alles gut werden.

Freitag, 22. Mai 2015

Zündfunke (Rundfunkandacht) am 22. Mai 2015

Guten Morgen, liebe Hörer,
ich wollte gern berühmt werden. Ein Star sein. Die Leute sollten mich kennen, und sich auf der Straße nach mir umdrehen. Ich wollte gern eine Band haben, tolle Musik machen, auf der Bühne stehen, gefeiert werden und berühmt sein. So was habe ich mir als Kind erträumt. Nein, noch nicht mit Fünf oder Sechs. Aber ein paar Jahre später, so mit 13, 14.
Heute kann ja jeder ein Star werden. Deutschland sucht den Superstar, das Supertalent, das Topmodel. Damals gab es diese einfachen Wege zur Berühmtheit noch nicht. Nun ja, einfach sind sie trotzdem nicht. Zehntausende bewerben sich. Ein paar wenige haben für wenige Wochen ein bisschen Aufmerksamkeit, einer gewinnt. Und dann ist es auch bald wieder vorbei mit dem Ruhm.
Ich bin nicht berühmt geworden. Kein Star. Immerhin habe ich wirklich ein paar Jahre in einer Band gespielt: In der Kirche und so. Vorne gestanden, und die anderen haben geklatscht. War schon nicht schlecht. Aber nun auch nicht so toll. Wir waren ja auch nicht wirklich gut.
Später bin ich Pfarrer geworden. Da durfte ich jede Woche vorn stehen, auf der Bühne, auf der Kanzel. Da haben mich dann auch schon mal Leute auf der Straße gegrüßt, die ich gar nicht kannte; aber sie kannten mich. Da war ich fast schon ein bisschen berühmt – im Rahmen unseres Städtchens. Oder jetzt auf der Insel; da darf ich sogar im Radio sprechen.
Ich frage mich, was das ist in uns, dieses Streben nach Ruhm. Brauchen wir das für unser Selbstbewusstsein, dass wir uns wichtig vorkommen können? Als Bestätigung, dass wir was Besonderes sind, was Besonderes können, was Besonderes darstellen? Und dann frage ich mich: Was habe ich am Ende davon?

Am Ende habe ich nichts davon, dass mich viele Leute kennen; ich habe was davon, dass Gott mich kennt. Das ist entscheidend: so berühmt sein, dass sogar Gott mich kennt. Aber das Komische daran ist: Er kennt mich ja sowieso schon. Ich muss gar nichts dafür tun. Und er mag mich. Und er weiß, dass ich was Besonderes bin.

Donnerstag, 21. Mai 2015

Zündfunke (Rundfunkandacht) am 21. Mai 2015

Guten Morgen, liebe Hörer,
einmal kam Jesus in ein Dorf, und eine Frau, Marta, lud ihn zu sich zum Essen ein. Sie lebte zusammen mit ihrer Schwester Maria. Und während Marta geschäftig hin- und herrannte, Jesus und seinen Jüngern etwas zu trinken hinstellte, die Vorspeisen servierte und den Hauptgang vorbereitete, saß Maria bei den Gästen und hörte Jesus zu. Marta wendete sich ärgerlich an Jesus: „Findest du das ok, dass mich meine Schwester die ganze Arbeit allein machen lässt? Sag ihr, dass sie mir helfen soll!“ Jesus antwortete: „Marta, Marta, du machst dir echt viel Arbeit. Wirklich wichtig ist was anderes. Maria hat sich für das Bessere entschieden. Nimm ihr das nicht weg!“
Maria und Jesus stellen hier ziemlich viel in Frage von dem, was selbstverständlich war und ist: Nicht nur dass die Frau an den Herd gehört. Sie stellen auch die Gastfreundschaft in Frage, die es gebietet, sich Mühe und Arbeit zu machen für seine Gäste, um ihnen was Gutes vorzusetzen. Und sie stellen die Solidarität und Hilfe in Frage, die zwischen den beiden Schwestern selbstverständlich sein sollte. Die eine genießt die Gespräche mit Jesus, den sie anhimmelt, während die andere die ganze Arbeit allein macht und sich dann noch die Sprüche von Jesus anhören muss, dass Maria die bessere Entscheidung getroffen hat.
Aber die Frage ist berechtigt: Was ist wirklich wichtig? Sich viel Arbeit machen, wenn Gäste kommen, perfekt kochen und servieren Oder Zeit füreinander haben, miteinander reden, zuhören, was der andere sagt? Oder ist es wirklich so toll, wenn die Frau des Hauses die ganze Zeit in der Küche steht? Manchmal ist weniger mehr.

Und manchmal ist es gut, die Arbeit Arbeit sein zu lassen und einander zuzuhören. Und dabei vielleicht sogar Augenblicke zu erleben, in denen Gott nahe ist. Maria hat das wohl gespürt, und das war ihr wichtig.

Mittwoch, 20. Mai 2015

Zündfunke (Rundfunkandacht) am 20. Mai 2015

Guten Morgen, liebe Hörer,
„Ich bin voller Hoffnung und vertraue auf meinen Herrn, was er mit mir vorhat“. So schrieb uns vor wenigen Tagen ein Freund aus unserer Kirchengemeinde, der jetzt in Deutschland ist und eine schwere Krebsoperation vor sich hat. Die letzten Befunde waren schlecht, und nun muss gehandelt werden.
Wir bangen und beten natürlich mit ihm. Aber wir merken auch, wie schwer das mit der Hoffnung ist, weil die Erfahrung sagt: die Chancen sind nicht so groß.
Hoffen und Harren hält manchen zum Narren, sagt der Volksmund. Wir klammern uns an Hoffnungsstrohhalme, die dann doch reißen. Wir tun so, als wäre alles gut, aber es ist nicht gut. Wir werden zu Narren, weil wir uns was vormachen, die realistische Sicht verlieren.
Andererseit sagen wir auch: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir können gar nicht anders, als immer noch und immer wieder das Beste zu hoffen, auch wenn das nicht realistisch ist.
Die Bibel sagt: Hoffnung lässt nicht zuschanden werden. Anders ausgedrückt: Wer hofft, scheitert nicht. Wer hofft, wird am Ende nicht als der Dumme dastehen.
„Ich bin voller Hoffnung und vertraue auf meinen Herrn, was er mit mir vorhat.“ Unser Freund hofft nicht einfach nur darauf, dass alles doch irgendwie gut gehen wird, sondern er hofft, dass Gott alles so macht, wie es gut ist. Er weiß, dass er auch sterben kann. Aber er weiß auch, dass er dann erst recht bei seinem Herrn ist.

Auch wenn wir sterben müssen – und das müssen wir alle, früher oder später – die Hoffnung stirbt damit noch lange nicht.

Dienstag, 19. Mai 2015

Zündfunke (Rundfunkandacht) am 19. Mai 2015

Guten Morgen, liebe Hörer,
wenn nach fünf Stunden der Flieger auf die Landebahn aufsetzt, alles ist gut gegangen, dann klatschen die Passagiere. Für den Piloten? – Warum eigentlich? Der hat seinen Job gemacht, der kann das, und dafür wird er bezahlt. Wahrscheinlich ist da noch viel mehr: Erleichterung. Die Anspannung fällt ab. Du schwebst nicht mehr zwischen Himmel und Erde, zwischen Leben und Tod. Du hast wieder festen Boden unter den Füßen, kannst nicht mehr ins Bodenlose stürzen. Es ist mehr darin, in diesem Klatschen: Nicht nur der Dank an den Piloten, sondern auch der Dank an den ganz da oben. Dem du vielleicht vor dem Start schon im Stillen gesagt hast: „Bring mich gut wieder runter!“ Und nun bist du wieder unten: Gott sei Dank!
Gott sei Dank, gibt es nicht nur das Gebet der Angst, sondern auch das Gebet aus Dankbarkeit.
Gott sei Dank, sagen wir, und denken dabei nicht mal immer daran, dass das ja ein Gebet ist.
Wir sagen: wir sind dankbar, dass es uns gut geht, dass wir gesund sind, dass wir hier sein dürfen auf dieser wunderbaren Insel (ob nun für kurz oder für länger). Wem sind wir dankbar? Gott natürlich, auch wenn wir es nicht immer so deutlich aussprechen: Gott sei Dank!
In mir kommt immer mal wieder so ein Gott sei Dank hoch:
Wenn ich am Meer stehe und Wind und Wärme spüre.
Wenn ich die Blütenpracht in den Bergen sehe.
Wenn ich daran denke, welche Krankheiten ich überstanden habe und dass der Arzt mir jetzt sagt: Alles ist gut!
Wenn meine Frau mich in den Arm nimmt und sagt: Ich liebe dich! – Und das nach so vielen Jahren immer noch!
Manchmal kommt mir ein einfaches Lied wieder in den Sinn, das vor über 50 Jahren populär wurde:
Danke für diesen guten Morgen, danke für jeden neuen Tag. Danke, dass ich all meine Sorgen auf dich werfen mag.

Und das Ende vom Lied:
Danke, ach Herr, ich will dir danken, dass ich danken kann.

Montag, 18. Mai 2015

Zündfunke (Rundfunkandacht) am 18. Mai 2015

Guten Morgen, liebe Hörer,
Angst lehrt beten, heißt es.
Wenn der Flieger auf die Startbahn rollt, dann kommt es, dieses komische Gefühl: es kann ja doch was passieren; ein wahnsinniger Pilot zum Beispiel, und was werden diese Menschen erst in den letzten Sekunden gebetet haben im Angesicht des Todes – , wenn der Flieger auf die Startbahn rollt, kurz vorm Abheben, wenn du es nicht mehr in der Hand hast, dein Leben, dann sprichst du im Stillen ein Gebet, legst dich und deine Angst in Gottes Hand.
Wenn der Freund totkrank ist, du suchst Hoffnungsstrohhalme, ein Wunder, oder wenigstens die Kraft, das Unvermeidliche durchzustehen; wünschst ihm gute Worte und Gedanken, wenig Schmerzen, kleine Lichtblicke, und dass es das doch geben möge und er es glauben könne: das Danach und Besser und Ewig in Gottes Hand; ja, da betest du.
Angst lehrt beten. Wir wünschen Gott herbei. Weil er so weit weg ist. Menschen leiden, sterben, schreien, verzweifeln. Und haben Angst. Todesangst. Lebensangst. Darum beten sie Gott herbei - gegen die Angst. Angst lehrt beten.
Jesus hat einen merkwürdigen Satz gesagt zu seinen Jüngern: In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.
Er hat nicht gesagt: Ihr müsst keine Angst haben.
Er hat nicht gesagt: Es kann nichts Schlimmes mehr passieren.
Er hat nicht gesagt: Ich habe die Angst überwunden.
Er hatte ja selber Angst: Am Abend kurz vor seiner Verhaftung, da stand ihm der Angstschweiß im Gesicht, und er betete an gegen die Angst: Vater, lass diesen Kelch an mir vorübergehen; aber nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe.
Ein Angstgebet.

In der Welt habt ihr Angst; ich auch, sagt Jesus.
Aber auch: Ich habe die Welt überwunden.
Und er ist in die Angst hinein und durch die Angst hindurch gegangen.
Zu Gott.
Er sagt uns: Diese Welt, die euch Angst macht, ist nicht alles, was es gibt. Es gibt einen Himmel. 
Und es gibt einen Gott, der euch die Angst nicht nimmt, aber der bei euch ist in eurer Angst.

Sonntag, 10. Mai 2015

Predigt am 10. Mai 2015 (Rogate)

Jesus sprach zu seinen Jüngern:
„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er’s euch geben. Bisher habt ihr um nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei.“
Das habe ich euch in Bildern gesagt. Es kommt die Zeit, dass ich nicht mehr in Bildern mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater. An jenem Tage werdet ihr bitten in meinem Namen. Und ich sage euch nicht, dass ich den Vater für euch bitten will; denn er selbst, der Vater, hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin. Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater.“
Sprechen zu ihm seine Jünger: „Siehe, nun redest du frei heraus und nicht mehr in Bildern. Nun wissen wir, dass du alle Dinge weißt und bedarfst dessen nicht, dass dich jemand fragt. Darum glauben wir, dass du von Gott ausgegangen bist.“
Jesus antwortete ihnen: „Jetzt glaubt ihr? Siehe, es kommt die Stunde und ist schon gekommen, dass ihr zerstreut werdet, ein jeder in das Seine, und mich allein lasst. Aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir.
Das habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“
Johannes 16, 23b-33



Liebe Schwestern und Brüder,
Not lehrt beten, sagt man.
Oder: Angst lehrt beten.
In der Welt habt ihr Angst – darum betet ihr.
Wenn der Flieger auf die Startbahn rollt – und es kann ja doch was passieren; ein wahnsinniger Pilot, und was werden diese Menschen erst in den letzten Sekunden gebetet haben im Angesicht des Todes? – , wenn der Flieger auf die Startbahn rollt, kurz vorm Abheben, wenn ihr es nicht mehr in der Hand habt, euer Leben, dann betet ihr, legt euch und eure Angst in Gottes Hand.
Wenn der Freund totkrank ist, ihr sucht Hoffnungsstrohhalme, das Wunder, oder wenigstens die Kraft, das Unvermeidliche durchzustehen; und gute Worte und Gedanken, wenig Schmerzen, kleine Lichtblicke, und dass es das doch geben möge und er es doch glauben könne: das Danach und Besser und Ewig in Gottes Hand; ja, dann betet ihr.
Wenn einer sich aufmacht auf den ungewissen Weg in den Norden, durch die Wüste, übers Meer, ins unbekannte gelobte Land, wo es den Ärmsten besser geht als den Wohlhabenden bei ihnen; wenn sie ihr Erspartes zusammengelegt haben, um ihm diese Reise zu ermöglichen, dann beten sie alle für ihn, segnen ihn und geben ihn und ihre Angst in Gottes Hand.
Wenn der Tod vor der Tür steht mit Turban und Maschinenpistole, die Fluchtwege abgeschnitten; sprich: „Allah ist Gott und Mohammed sein Prophet“ – dann lassen wir dich leben, deine Frau und dein Kinder; ich glaube, da ist ein Mensch nur noch Angst – und Gebet.
Wenn euch die Not und die Angst dieser Menschen erreicht, dann lehrt sie euch auch das Beten.
In der Welt habt ihr Angst – darum betet ihr.
*
Manchmal träumen wir von einer Welt ohne Tod, ohne Krankheit, ohne Schmerz, ohne Hunger, ohne Armut, ohne Wahnsinn. Eine Welt ohne Angst.
Wahrscheinlich wäre das auch eine Welt ohne Gebet. Keine Angst, keine Not, kein Mangel würde die Menschen das Beten lehren. Gott würden sie nicht mehr brauchen, weil sie schon alles haben.
*
Vor 70 Jahren war der Krieg zu Ende. Damals ist viel gebetet worden. Vor und nach dem 8. Mai. In den Schützengräben. In den Luftschutzkellern. In den Todeslagern. In den Flüchtlingstrecks. Und auch in den Orten, wo die Sieger einmarschierten und konfiszierten, verhafteten, vergewaltigten.
Auch das gehört zur Geschichte vom Kriegsende. Es war nicht nur Befreiung, wie man uns im Osten beigebracht hatte.
Für viele war es die Katastrophe. In Wahrheit wohl aber doch der Anfang vom Ende einer Katastrophe. Einer Katastrophe, die schon lange vorher – nicht nur sechs oder zwölf Jahre - begonnen hatte. Aber nun war die Katastrophe zu denen zurückgekehrt, von denen sie ausgegangen war. Damals ist viel gebetet worden, denn die Not war groß, und die Angst.

In den 70 Jahren danach ist es besser geworden. Fast stetig. Die materielle Not war bald überwunden. Die Zukunft würde besser sein als die Vergangenheit; und so war es auch bis heute. Nur in den Nächten, da waren sie immer noch da, die Dämonen der Angst aus jener inzwischen so fernen Zeit. Ich kenne sie nur noch von ferne, indirekt von denen, über die sie immer noch Macht hatten. Die selten darüber sprachen und doch von ihnen geprägt waren. Die schiere Existenzangst, die Angst ums nackte Überleben; sie ist mir, sie ist unserer Generation und den Jüngeren fremd; Gott sei Dank! Nur in Augenblicken begrenzter Katastrophen, wenn einer ein Flugzeug zum Absturz bringt, wenn einer durchdreht und um sich schießt, oder wenn plötzlich die Diagnose Krebs im Raum steht, dann ist sie wieder da, für kurze Zeit, um sich bald wieder zurückzuziehen. Ja, dann beten wir verstärkt. Aber mit der Zeit lässt das wieder nach: die Angst und das Beten. Vielleicht beten wir deshalb nur noch so wenig, weil es uns so gut geht. Weil uns die große Lehrmeisterin des Betens abhanden gekommen ist. Gott sei Dank! – sollten wir sagen.


Jetzt kommen die Einschläge wieder näher. Im Osten Europas bangen und beten wieder Mütter um ihre Söhne. Im Süden kämpfen Flüchtlinge ums Durchkommen auf überfüllten Seelenverkäufern. Und nach Syrien sind es von Deutschland aus weniger Flugstunden als nach Teneriffa; aber da wollen wie nicht hin, denn da ist Krieg, Terror, Tod und Angst.
Was wir Woche für Woche in unsere Fürbittgebete packen, das sind genau diese Angstmacher. Wir beten für die Welt und gegen unsere Angst. Wir beten um eine Welt, die unser Gebet nicht mehr braucht. Das wäre ein Traum – der Himmel. Eine Welt, die Gott nicht mehr braucht, weil sie ihn hat. Weil er da ist und alles gut macht.
*
Gott ist ja schon in die Welt gekommen. Nur dass sie ihn nicht erkannt hat. Nur ein paar wenige. Und die meinen gleich, nun wäre schon alles gut: Wie im Himmel so auf Erden. Keine Krankheit und kein Schmerz mehr; denn er heilte die Kranken. Kein Hunger und keine Armut mehr; denn er gab den Hungrigen zu essen. Kein Wahnsinn mehr; denn er vertrieb die Dämonen. Und kein Tod mehr; denn er weckte sogar Tote auf. Jetzt glauben wir, sagen sie. Alles ist gut, denn du bist da.
Jetzt glaubt ihr?, fragt er. Und was ist, wenn ich wieder weggehe? Dann seid ihr allein wie eh und je: In einer wahnsinnigen Welt voller Tod und Terror, Krieg und Krankheit, Not und Angst. Schon morgen.
Ja, was ist, seitdem Jesus wieder gegangen ist? Ans Kreuz? Und dann in den Himmel? Die Welt ist immer noch wahnsinnig. Um uns herum wird gestorben. Und wir Deutschen fühlen uns als moralische Sieger, weil wir schon ein Menschenalter lang keinen Krieg und keinen Holocaust angezettelt haben.
Leute, kommt auf den Boden zurück, sagt Jesus. Das ist noch nicht der Himmel. Das ist die Erde. Die Welt, die mich nicht haben will, und die euch Angst macht. Schon morgen, wenn ich am Kreuz hänge. Und übermorgen, wenn sie euch dafür hassen und töten, dass ihr mein Kreuz als Siegeszeichen tragt. In der Welt habt ihr Angst. Das ist normal!
*
Ja, ich habe Angst. Vor allem habe ich Angst vor denen, die keine Angst mehr haben. Angst vor denen, die das Beten verlernt haben. Angst vor denen, die aus ihrer moralischen Überlegenheit heraus selber den Himmel auf Erden schaffen wollen und andere zu ihrem Glück zwingen, bzw. was sie dafür halten.

*
Jesus sagt nicht: Ihr braucht keine Angst mehr zu haben.
Er sagt: Ihr HABT Angst! – Ist so. Aber seid getrost. Seid getröstet. Das, was euch Angst macht, das ist nicht alles. Diese Welt ist nicht die ganze Wahrheit. Es gibt mehr als dies: Einen Vater, der über allem ist. Einen Bruder, der für euch da ist. Einen Geist, der in euch träumt. Einen Himmel, in dem Tod und Leid, Geschrei und Schmerz vergangen sein werden. Das ist nicht die Welt, die Gott nicht mehr braucht, weil sie schon alles hat. Das ist die Welt, die alles hat, weil Gott in ihr wohnt. Da lehrt nicht die Angst das Beten, sondern der Dank.
Bis dahin beten wir: Dein Reich komme.
Amen.

Sonntag, 3. Mai 2015

Predigt am 3. Mai 2015 (Sonntag Kantate)

Zu der Zeit fing Jesus an und sprach:
„Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart.
Ja, Vater, denn so hat es dir wohlgefallen.
Alles ist mir übergeben von meinem Vater;
und niemand kennt den Sohn als nur der Vater;
und niemand kennt den Vater als nur der Sohn
und wem es der Sohn offenbaren will.
Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid;
ich will euch erquicken.
Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir;
denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig;
so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“
Matthäus 11, 25-30


Jesus singt.
Am Abend, nach der Mahlzeit, da sitzen sie beieinander.
Es ist dunkel geworden.
Aber das Feuer gibt Licht und Wärme.
Die Grillen zirpen.
Und Philippus beginnt auf seinem Saiteninstrument zu klimpern.
Thaddäus holt sein Flöte raus.
Simon schlägt die Trommel.
Maria hat einen Schellenkranz.
Und Jesus singt:
„Ich will dich preisen, Herr“.
So muss es gewesen sein.
Nirgends steht es geschrieben, dass Jesus gesungen habe.
Aber es kann nicht anders gewesen sein.
Jesus und seine Freunde, die haben doch nicht Tag und Nacht schwere theologische Diskussionen geführt.
Die haben sich doch nicht ständig den Kopf zergrübelt über Gottes Pläne und Gebote.
Die haben zusammengesessen und geschwatzt und gelacht und Wein getrunken und – gesungen!
Volkslieder, Schlager, Liebeslieder.
„Ich bin eine Blume in Scharon, eine Lilie im Tal“, begann Susanna.
Und Andreas antwortete: „Wie eine Lilie unter den Dornen, so ist meine Liebste unter den Mädchen.“
Und so weiter im Wechsel. (Hohelied 2)
Philippus griff in die Saiten.
Thaddäus blies in die Flöte.
Simon schlug den Takt.
Und Maria ließ die Schellen klingen.
Und dann begannen sie dazu zu tanzen.
Später stimmte Jesus an:
„Ich will dich preisen, Herr“.
Ein Lobpreislied. Ein Psalm. So oder so ähnlich muss es gewesen sein.
Die Weisen und Klugen, die Schriftgelehrten und Pharisäer, saßen in ihren Häusern und grübelten, oder diskutierten Gottes Pläne und Gebote.
Sprachen darüber, was es heißt, Gottes Joch auf sich zu nehmen und nach seinem Gesetz zu leben.
Von ferne tönte Trommelschlag und Gesang.
Und Jesus sang.
Sie verachteten ihn – diesen Fresser und Weinsäufer, der sich mit ungebildetem und gottlosem Pack umgab.
Der Gottes Gebote nicht ernst nahm.
Der meinte, man könnte singend beschwingt ins Himmelreich tänzeln.
So nicht!, sagten sie.
Als das Lied verklungen war, war es einen Moment still, und Jesus sagte:
Ja, ich preise dich, mein Vater; die Weisen und Klugen verpassen gerade, was die schlichten Gemüter hier erleben.
Du bist uns so nahe, Vater.
Wir singen, spielen und erzählen, und du bist da.
Ja, kommt her zu mir.
Hier könnt ihr aufatmen, feiern, singen.
Für heute vergessen, was euch belastet.
Und Kraft schöpfen für morgen.
*
Eine gute Freundin, Pfarrerin, teilt Bilder in Facebook von ihrer ökumenischen Maiwanderung.
Viele Jahre schon tun sie das gemeinsam, evangelische und katholische Christen, wandern gemeinsam unter blühenden Bäumen und durch frisch-grüne Felder, reden miteinander, hören miteinander die Worte einer Andacht, essen und trinken miteinander, beten miteinander und singen.
In diesem Jahr sind zum ersten Mal auch dunkelhäutige Gesichter unter den Teilnehmern; manche nur etwas dunkler, manche fast schwarz.
Seit einiger Zeit kümmern sich die Kirchengemeinden um die Flüchtlinge und Asylbewerber, die in ihrem Städtchen Unterkunft gefunden haben.
Reden mit ihnen, essen und trinken mit ihnen, spielen und reden mit ihnen – und nehmen sie mit zu ihrer Maiwanderung.
Ins frische mitteleuropäische Blütengrün.
Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, hat Jesus gesagt.
Kommt her zu uns, die ihr mühselig und beladen seid, sagen diese Christen in Mitteldeutschland.
Bei uns könnt ihr aufatmen, feiern, singen.
Für heute vergessen, was euch belastet.
Oder es mit uns teilen, damit die Last leichter wird.
Und Kraft schöpfen für das Morgen, hier in der Fremde.
*
Christen singen.
Dort in Eckartsberga.
Oder hier in Las Américas.
Die Kirchentür steht weit offen.
Leute bleiben stehen und schauen neugierig herein. Manche zaghaft.
Andere treten beherzt ein,
schlagen ein Kreuz,
setzen sich in die Bank.
Ihr seht das meistens gar nicht.
Manche gehen wieder nach einer Zeit.
Andere bleiben.
Sprechen mich nach dem Gottesdienst an und freuen sich, dass sie uns gefunden haben.
Sind dankbar, dass sie einen Moment hören oder mitsingen oder einfach nur dabeisein durften.
Loslassen.
Kraft schöpfen.
*
Christen singen.
Es gab eine Zeit, da haben sie nur zugehört – in der Kirche.
Andere singen lassen:
den Priester, den Diakon, einen kleinen Chor.
Oder Profiensembles.
Bis heute gibt es diese großartige Kirchenmusik zum Zuhören: Messen, Requiems, Oratorien.
Alles wunderbar!
Aber seit der Reformation gibt es auch wieder die großartige Kirchenmusik zum Mitmachen.
Zum Mitsingen.
Martin Luther hat damals damit angefangen, die Gemeinde mitsingen zu lassen.
Hat für die alten Gesänge neue deutsche Texte gemacht und viele, viele eigene Lieder beigesteuert.
Und dann haben sie gesungen.
Und der Gesang breitete sich aus.
Und sie kamen wieder gern in die Kirche.
Nun freut euch, lieben Christen g’mein,
und lasst uns fröhlich springen,
dass wir getrost und all in ein
mit Lust und Liebe singen… So hat Luther gesungen.
*
Mit Lust und Liebe singen – das tun wir.
Und dazu noch fröhlich springen – das könnten wir auch.
Vielleicht würden die Weisen und Klugen darüber immer noch den Kopf schütteln und die Nase rümpfen.
Aber wir wären Jesus und seinen Jüngern ganz nahe.
Wir Christen singen.
Und springen.
Und erzählen.
Und sind fröhlich miteinander.
Atmen auf.
Finden Ruhe.
Finden Trost.
Was uns belastet und bedrückt, wird leichter.
Und wir schöpfen Kraft für morgen.
So sei es.
Heute hier.
Und immer wieder.
Überall.
Amen.