Donnerstag, 28. Februar 2013

Ich trauere um Zettel. Ein Nachruf


Zettel war das Pseudonym, unter dem er seit ca. sieben Jahren sein Blog Zettels Raum betrieb. Wie er mit bürgerlichem Namen hieß, wie er aussah, das wusste keiner. Und doch kannten wir ihn. Wir, das waren seine „Zimmerleute“, die in seinem Forum mit dem Namen Zettels Kleines Zimmer über seine Blogbeiträge und vieles mehr diskutierten.

Zettel war ein umfassend informierter, unheimlich belesener, wahnsinnig fleißiger und unglaublich luzide denkender Mensch, der außerdem die Gabe besaß, komplizierte Zusammenhänge verständlich zu erklären. Was Qualitätsjournalismus ist, konnte man bei ihm fast täglich bewundern, oft im Gegensatz zu den sich selbst gerne so nennenden deutschen „Qualitätsmedien“.

Und obwohl ihn (fast) keiner persönlich kannte und trotz seines journalistischen Fleißes ist er vielen in seinen Artikeln und seinen Forenbeiträgen ein Gesprächspartner mit Gesicht und Charakter gewesen. Wir kannten ihn als einen, der irgendwo im Hessischen mit Frau und Hund, umgeben von Unmengen von Büchern und Stapeln von Zeitungen und Zeitschriften täglich und nächtlich viele Stunden hinter seinem Netbook verbrachte. Wir wussten, dass er emeritierter Hochschullehrer in einem naturwissenschaftlichen Fach war. Wir haben uns gefragt, wie er es gemacht hat, selten länger als ein paar Stunden nicht im Netz anwesend zu sein. Aber offensichtlich hatte er dabei immer noch die Zeit für kulinarische und andere kulturelle Genüsse und Zeit für den Menschen an seiner Seite. Seine Frau schrieb mir heute, sie hätten täglich zwei bis drei Stunden im Gespräch miteinander verbracht. Das hat mich tief beeindruckt.

Kennengelernt haben wir uns im Herbst 2009. Ich weiß nicht mehr, aus welchem Grund ich auf einen Beitrag in Zettels Raum aufmerksam geworden bin. Irgendwann hat mich die Diskussion in seinem Kleinen Zimmer animiert, mich selber dort anzumelden. Nachdem ich auf einen eigenen Blogeintrag zum Ausgang der Bundestagswahl verlinkt hatte, sind wir schnell ins Gespräch gekommen. Zettel war hoch erfreut, einen evangelischen Pfarrer kennenzulernen, der nicht links war. Wir kamen schnell ins Gespräch über theologische und philosophische Fragen oder über die Beurteilung der DDR-Geschichte. Schon nach wenigen Wochen lud mich Zettel ein, Gastbeiträge für sein Blog zu schreiben. Später machte er mich unter meinem Pseudonym (bzw. der Abkürzung) Herr zu einem der Mitautoren des Blogs. Wobei ich das immer als zu viel der Ehre empfand, habe ich doch letztlich nicht mehr als zwei Hand voll Artikel für Zettels Raum beigesteuert.

Allerdings hatte die Erweiterung des Autorenkreises Anfang 2011 schon das Wissen zum Hintergrund, dass Zettel selber nicht mehr lange die Kraft haben würde, das Blog so fortzusetzen.

Der mediale und politische Umgang mit dem japanischen Erdbeben und Tsunami, der sich bis heute für die meisten nur mit dem Namen eines Atomkraftwerks verbindet, hat ihm zugesetzt. Offenbar war er ohnehin schon herzkrank und hat das gespürt. Nachdem er in einer unglaublichen Recherche-Arbeit fortlaufend Informationen über die tatsächliche Lage in und um Fukushima aufgearbeitet und veröffentlicht hatte, wie sie es sonst nirgendwo in der deutschen Medienlandschaft zu lesen gab, kündigte er Anfang April seinen Rückzug vom politischen Bloggen an und schockierte seine Lesergemeinde mit einem Artikel über den Tod. Und in einer privaten Nachricht ließ er mich, nein, meine Frau Andrea, mit der er damals einen öffentlichen Briefwechsel in Zettels Raum führte, wissen, der Sensemann stünde schon neben ihm.

Aus dieser Zeit gibt es die meisten Artikel des von ihm gewonnenen Autorenteams. Es wäre jedenfalls in seinem Sinne, hier weiter zu machen.

Was Zettel auszeichnete war sein Glaube an die Vernunft in Politik und Wissenschaft. Er war ein Aufklärer im besten Sinne. Emotional wurde er, wenn er sah, wie Vernunft und Freiheit auf der Strecke blieben. Hierhin gehört sein Mantra von der „kollektiven Besoffenheit“ der Deutschen, die sich in der überstürzten und völlig irrationalen „Energiewende“ manifestierte. Wogegen er kämpfte, war die fortschreitende Entmündigung, zum Teil ja auch Selbstentmündigung der Deutschen im Namen von Gesundheit, Ökologie und sozialer Fürsorge. Eindrücklich war zum Beispiel auch seine wirklich sachliche an der Überprüfung der Fakten ausgerichteten Beschäftigung mit Thilo Sarrazin und seine gleichzeitige Entrüstung, wie unfair, unsachlich und persönlich diffamierend die Debatte über dessen Buch geführt wurde.

Das sind nur wenige Beispiele. Zettel schrieb tendenziell über alles: Über den „arabischen Frühling“, den er als einer der ganz wenigen eben nicht so nannte und von Anfang an kritisch und, wie man heute weiß, realistisch sah. Immer wieder über Frankreich, was ich sehr erhellend fand, weil mir Frankreich ganz fern liegt und ihm ganz nahe lag. Über die USA und Barak Obama. Die besten Informationen über den letzten Präsidentschaftswahlkampf habe ich in Zettels Raum gelesen. Er schrieb aber auch, wenn er Zeit und Muße fand, über Regietheater oder über Arno Schmidt. Und er war ein vorzüglicher Wissenschaftsjournalist. Zuletzt hat er über die fast zeitgleiche Asteroiden-Passage und den Meteoriteneinschlag im Ural geschrieben, Zusammenhänge erläutert und über die Möglichkeiten einer Gefahrenabwehr gegen Asteroiden-Einschläge nachgedacht. Sein letzter Blogeintrag galt der Wahl in Italien ...

Zettel war ein bekennender Agnostiker. Als Kind mit schlimmen Kriegserfahrungen konfrontiert, gleichzeitig gesegnet mit hoher Intelligenz und einem, wie er mir schrieb, „ungläubigen Pfarrer“ als gutem Onkel und Welterklärer für den wissbegierigen Jungen, war ihm der Weg zu einem naiven Gottvertrauen aber dann auch zu einem kritisch-reflektierten Glauben verstellt. Menschliches Erkenntnisvermögen war ihm mit Kant auf die empirische Wirklichkeit beschränkt. Darüber, dass Kant gerade mit dieser Beschränkung in der „Kritik der reinen Vernunft“ Platz machen wollte für einen moralisch begründeten Gottesglauben, konnten wir uns nie einig werden. Er bewunderte, wie ich christlichen Glauben und kritisch-rationales Denken unter einen Hut brachte; und, wenn ich ehrlich bin: Darüber wundere ich mich manchmal selber. Er konnte es nicht.

Zettel war sich nicht sicher, aber letztlich doch davon überzeugt, dass man mit dem Tod aufhöre zu existieren und dass es deshalb völlig unvernünftig sei, den Tod zu fürchten. Ich nehme an, er konnte in dieser Furchtlosigkeit sterben.

In der christlichen Liturgie gibt es den Satz: „Möge er schauen, was er geglaubt hat.“ Für Zettel bitte ich: Möge er schauen, was er nicht glauben konnte.

Sonntag, 24. Februar 2013

Predigt am 24. Februar 2013 (Sonntag Reminiszere)

Jesus wandte sich an seine Zuhörer: »Ich werde fortgehen«, sagte er. »Ihr werdet mich suchen, aber da, wo ich hingehe, könnt ihr nicht hinkommen; ihr werdet in eurer Sünde sterben.«
»Will er sich etwa das Leben nehmen?«, fragten sich die Juden. »Vielleicht sagt er deshalb: ›Da, wo ich hingehe, könnt ihr nicht hinkommen.‹« Doch Jesus fuhr fort: »Ihr seid von unten, ich bin von oben. Ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt. Darum habe ich zu euch gesagt, dass ihr in euren Sünden sterben werdet. Glaubt an mich als den, der ich bin; wenn nicht, werdet ihr in euren Sünden sterben.« – »Wer bist du denn?«, fragten sie. Jesus antwortete: »Darüber habe ich doch von Anfang an zu euch gesprochen. Was euch betrifft, hätte ich noch viel zu sagen, und es gäbe noch vieles, worin ich über euch zu urteilen hätte. Aber ich sage der Welt nur das, was ich von dem gehört habe, der mich gesandt hat; und was er sagt, ist wahr.«
Sie begriffen nicht, dass Jesus über den Vater sprach. Deshalb sagte er zu ihnen: »Dann, wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, werdet ihr mich als den erkennen, der ich bin, und werdet erkennen, dass ich nichts von mir selbst aus tue, sondern das sage, was mich der Vater gelehrt hat. Und er, der mich gesandt hat, ist bei mir. Er lässt mich nie allein, denn ich tue immer, was ihm gefällt.«
Als Jesus das sagte, glaubten viele an ihn.


Johannes 8, 21-30


Liebe Schwestern und Brüder,


die christlichen Kirchen haben es zur Zeit nicht ganz leicht. An vielen Orten der Welt nicht, weil Christen in einem nie dagewesenen Ausmaß verfolgt und bedrängt werden. Und bei uns in Europa nicht, weil wir eine Krise des Misstrauens erleben gegenüber der Kirche, ihren Institutionen und ihren Glaubenslehren.
Die katholische Kirche erfährt diese Krise intensiver als die evangelische. Es ist zur Zeit einfach wohlfeil, auf die katholische Kirche mit ihren „verknöcherten Strukturen“, ihrer „Frauenfeindlichkeit“ und ihren „mittelalterlichen Dogmen“ zu schimpfen.


Nicht nur einmal habe ich mich in den letzten Wochen in der Rolle gefunden, diese katholische Kirche zu verteidigen und gegen Unkenntnis und Vorurteile zu argumentieren.


Natürlich kann man eine kirchliche Struktur, die im Wesentlichen über tausend Jahre alt ist, als verknöchert bezeichnen. Man könnte aber auch über ihre Beständigkeit und ihr inneres Erneuerungspotential in all den Jahrhunderten ins Staunen geraten.


Natürlich kann man sich darüber aufregen, dass Frauen in katholischen Krankenhäusern die „Pille danach“ verweigert wird. Man könnte aber auch Respekt haben für die ethisch konsequente Haltung, dass nämlich ein bereits gezeugtes und somit ganz und gar einmaliges menschliches Wesen eben nicht mehr einfach weggemacht, sprich: getötet werden darf – unabhängig davon, wie es entstanden ist. Lebensschutz ist nicht frauenfeindlich.


Natürlich kann man auch die kirchlichen Lehren nicht mehr zeitgemäß finden. Nur, das waren sie noch nie. Und problematisch für mich als evangelischen Christen sind auch gar nicht so sehr die mittelalterlichen Dogmen, sondern die neuzeitlichen: von der Unfehlbarkeit des Papstes zum Beispiel oder von der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel. Da kann ich nicht mit, weil diese Lehren keine biblischen Grundlagen haben. Vieles andere, was heute als „mittelalterlich“ erscheint, steht auch in den evangelischen Bekenntnisschriften: zum Beispiel die Jungfrauengeburt oder die Erbsünde und die ewigen Höllenstrafen; wir kommen noch drauf zu sprechen.  – Die Kirche ist, was sie ist, eben nicht durch ihre Anpassungen an den Zeitgeist, sondern durch das, was sie seit bald zweitausend Jahren lebt und glaubt. Und das lässt sich nicht so einfach modernisieren.


Die evangelische Kirche erlebt eine andere Krise als die katholische. Sie ist vielleicht weniger offensichtlich, aber viel gefährlicher. Die evangelische Kirche ist dabei, sich überflüssig zu machen. Jedenfalls da, wo sie nichts anderes mehr zu sagen hat, als was der Zeitgeist sagt. Das ist nämlich die wahre Gefahr für die Kirche, dass sie ihre Substanz und ihre Botschaft vergisst, weil sie modern und zeitgemäß sein möchte.


Ich meine damit nicht die äußere Modernität. Ich habe nichts gegen neue Lieder und zeitgemäße Sprache. Es stört mich nicht, wenn im Gottesdienst geklatscht wird. Und ich finde es selbstverständlich, dass wir darüber reden müssen, wie es uns heute mit Gott geht. Aber wir dürfen dabei unsere möglicherweise ganz unzeitgemäßen Inhalte nicht über Bord werfen.


Die Menschen werden über kurz oder lang nicht zu uns kommen, um einen spirituell verbrämten Verschnitt roter und grüner Parteiprogramme zu hören. Sie kommen auch eher nicht, um in der Kirche auch noch die Talkshow-Themen von Amazon bis Pferdefleisch behandelt zu finden. Vielleicht ist das für den einen oder andern eine Zeitlang ganz nett: „Ach, die sind ja ganz auf der Höhe der Zeit!“ Aber lange hält das sicher nicht an. Denn das sind letztlich nicht unsere Themen. Wir sollen das sagen, was anderswo nicht gesagt wird. Und warum sollte sich eigentlich ein überzeugter Konservativer oder Liberaler das antun, sich jede Woche Ökologisch-Soziales in geschlechtergerechter Sprache von der Kanzel anzuhören!


Die evangelische Kirche wollte meistens moderner sein als die katholische und hat sich dabei oft ein Stück zu weit auf den Zeitgeist eingelassen: Als es modern war national zu sein, da wollten Evangelische die besten Deutschen sein. Die Katholiken waren unmodern, weil für sie die Zugehörigkeit zu einer weltweiten, grenzübergreifenden Kirche wichtiger war als ihr Deutschsein. Heute sehen wir, dass diese Haltung wohl die richtigere war. Als es modern war, braun zu sein, wollten viele Evangelische die besten Nazis sein. Die Katholiken waren da wesentlich zurückhaltender. Und als der Zeitgeist rot war, da haben auch wieder mehr Evangelische versucht, dem Kommunismus noch gute Seiten abzugewinnen. Und selbst manche Kritiker der DDR-Verhältnisse wollten noch die besseren Marxisten sein. Ich denke da an traurige Gestalten, die heute mit ihren einstigen Verfolgern in der Linkspartei gemeinsame Sache machen.


Man könnte sich manchmal fragen, ob der evangelische Glaube nicht genug eigene Substanz hat, dass er sich die vom Zeitgeist borgen muss. – Die hat er aber, diese Substanz, wenn wir uns auf das besinnen, was unsere Stärke ist: der Umgang mit der Heiligen Schrift, der persönliche Christusglaube, das Vertrauen auf Gottes grundlose Gnade.


Wir müssen den Mut haben oder ihn wiederfinden, unzeitgemäß zu sein und unmodern. Weil das, was Kirche lebt und glaubt, von Anfang an unzeitgemäß war.


Denkt ihr, Jesus ist deshalb gekreuzigt worden, weil er das gesagt hat, was alle sowieso schon dachten?
In unserem heutigen Predigtabschnitt sagt er lauter Sachen, die die Leute damals geärgert haben, und die sie heute auch noch ärgern:


Ihr werdet in eurer Sünde sterben, sagt er. Und noch mal deutlicher: Wenn ihr nicht an mich glaubt, werdet ihr in euren Sünden sterben. – Dass es Sünde gibt, dass Sünde Trennung von Gott bedeutet und zum Tod führt, und das heißt: die Trennung von Gott auf ewige Dauer stellt, das haben die Leute wahrscheinlich damals genau so als Unverschämtheit aufgefasst, wie wir es heute unverschämt finden, wenn jemand über Sünde und ewige Verdammnis predigt.


Und dann spricht Jesus von sich selber als dem einzigen Ausweg aus Sünde und Tod: Glaubt an mich als den, der ich bin! – Genau dafür ist Jesus damals gekreuzigt worden: weil er sich mit Gott selber identifizierte. Denn der Ich bin, das ist der, der sich im Alten Testament unter diesem Namen vorgestellt hat (2. Mose/Exodus 3, 14). Und der immer wieder gesagt hat: Ich bin. Ich bin der HERR, dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben … (2. Mose/Exodus 20, 2f) Ich, ich bin der HERR, und außer mir ist kein Heiland (Jesaja 43, 11). Jesus sagt: Glaubt an mich als den Ich bin.


Wer bist du denn?, fragen sie zurück. – Ja, wer ist er denn, dass er sich selber an Gottes Stelle setzen darf? – Auch das ist gegen den Zeitgeist: Jesus für Gott zu halten. Prophet, göttlicher Lehrer, alles ok. Da haben wir ihn dann in eine Reihe mit Buddha und Mohammed gestellt. Wir sind doch so tolerant! Wie könnten wir denn behaupten, dass Gott nur durch ihn zu uns kommt, und dass wir nur durch ihn zu Gott kämen!


Nein, wir sind nicht wirklich tolerant. Echte Toleranz tut weh, weil Toleranz bedeutet, das auszuhalten, was wir nicht für gut heißen. Toleranz heißt: Meinungen zuzulassen, die nicht unsere sind. Toleranz heißt: Mit friedlichen und fairen Mitteln um die Wahrheit streiten. Aber wir sind nicht tolerant, wir sind gleichgültig. Es ist uns alles egal. Soll doch jeder glauben, was er will. Wir sind ja erwachsene Menschen. Und am Ende kommen wir alle in den Himmel. Oder auch nicht, denn ob es den überhaupt gibt, kann man ja nicht wissen. Und: Wenn es keine Hölle gibt, wozu brauchen wir dann einen Himmel? – Wo alles gleich gültig ist, da ist am Ende nichts mehr gültig. Es ist alles egal. Es gibt kein Wahr und Falsch mehr, kein Gut und Böse, kein Oben und Unten. Wir drehen uns um uns selber. Und der Ausdruck Gott ist nur noch die Projektion unserer eigenen Wünsche.


Irrtum, sagt Jesus: Ich stehe für den Unterschied zwischen Wahr und Falsch, zwischen Gut und Böse, zwischen Oben und Unten. Ich bin von oben, ihr seid von unten. Ich bin die Wahrheit, ihr seid im Irrtum. Ich komme von Gott, ihr seid des Teufels. Ich werde erhöht, und ihr werdet in euren Sünden sterben.
Das ist die völlig unzeitgemäße evangelische Botschaft, die Botschaft des Evangeliums. Genau dieselbe, die auch die völlig unzeitgemäße katholische Kirche lehrt.


Aber das ist nicht alles. Die ganze Wahrheit ist, dass Gott die Welt geliebt hat. Dass Jesus Christus von ganz da oben runter gekommen ist, um uns zu ihm rauf zu bringen. Dass er für unsere Sünden gestorben ist, damit wir nicht in unseren Sünden sterben. Und dass die, die an ihn glauben, gerettet werden.


Das ist unsere Botschaft. Sie ist nicht von dieser Welt. Sie ist unmodern und unzeitgemäß. Aber mir ist es lieber, die Kirche ist weltfremd und unzeitgemäß, ein Fremdkörper in dieser Welt und ein Stachel wider den Zeitgeist, als dass sie sich im postmodernen Einerlei verlöre, weil sie den verloren hätte, der sie zur christlichen Kirche macht, zur Kirche Jesu Christi.

Sonntag, 17. Februar 2013

Predigt am 17. Februar 2013 (Sonntag Invokavit)

Jesus sprach zu Petrus: „Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.“ Er aber sprach zu ihm: „Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.“ Er aber sprach: „Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.“
Lukas 22, 31-34


Liebe Schwestern und Brüder,

manchmal finde ich es direkt etwas schade, dass ich nicht katholisch bin – jedenfalls nicht römisch-katholisch. Wenn wir römisch-katholisch wären, dann würde der heutige Predigtabschnitt nämlich vom Papst handeln: Dann wäre Petrus der erste Papst gewesen. Und der zurückgetretene Papst sein Nachfolger. Und der neu zu wählende auch. Der Predigttext wäre ganz aktuell, und wir könnten fragen: Wie wird einer Papst? Wie findet man heraus, wer dafür geeignet ist? Wie wird gesiebt, bis der eine richtige Kandidat übriggeblieben ist, nachdem alle anderen durchs Raster gefallen sind?

Wie tröstlich doch zu wissen, dass Petrus ein sehr schwacher und menschlicher Mensch war! Wie tröstlich, dass er alles andere als unfehlbar war! Und wie tröstlich, dass Jesus trotzdem und gerade mit ihm seine Kirche gründen und bauen konnte!

Für uns Evangelische gilt, was die BILD-Zeitung damals sehr richtig geschrieben hat: „Wir sind Papst!“ Oder, um Martin Luther zu zitieren: „Was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, dass es schon zum Priester, Bischof und Papst geweihet sei.“ – Also: „Wir sind Papst!“ Wir sind Menschen in der Nachfolge von Petrus, weil wir – wie er – Menschen in der Nachfolge von Jesus sind. Auf Menschen wie Petrus, auf Menschen wie Joseph Ratzinger, auf Menschen wie dich und mich baut der Herr seine Kirche.

Nur: Kann der Herr auf dich und mich bauen? Auf Petrus und Papst Benedikt?

Benedikt hat offenbar gesagt: „Auf mich nicht mehr, jedenfalls nicht mehr in diesem Amt, ich bin zu schwach.“ – Das ehrt ihn.

Petrus hat gesagt: „Auf mich kannst du bauen. Ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.“ – Das ehrt ihn.

Was sagst du? Kann der Herr auf dich bauen?
Was sage ich? Kann der Herr auf mich bauen?

Vor 34 Jahren bin ich gefragt worden, ob ich unter Jesus Christus meinem Herrn leben, im Glauben an ihn wachsen und in seiner Gemeinde bleiben wolle – und ich habe Ja gesagt. – Das war mir sehr ernst, damals bei meiner Konfirmation. Es war mir so ernst, dass dieses Versprechen für mich ein Bekenntnis zum sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat, wie es in der Jugendweihe gefordert wurde, ausschloss. Auch wenn das Nachteile und Risiken bringen würde. Es waren nur wenige in meinem Jahrgang, die sich für diesen eindeutigen Weg entschieden. Die meisten, die mit mir den Konfirmandenunterricht besucht hatten, gingen zur Jugendweihe und dann erst ein Jahr später zur Konfirmation. – Ich war stolz wie Petrus: Herr, ich bin bereit … – und habe ein bisschen auf die anderen herabgesehen. – Dabei war es doch nur ein Kompromiss. Ich bin ja schließlich im selben Jahr in die FDJ, die Jugendorganisation der SED eingetreten, in der fast alle waren – FDJ, die Kampfreserve der Partei. Ich wollte schließlich auf die Erweiterte Oberschule.

Wie schwer eine Entscheidung gegen die Jugendweihe sein konnte, habe ich erst kürzlich wieder im Gespräch gehört: Wenn es nicht nur um die Konsequenzen für die eigene Zukunft ging, sondern um die Position von Eltern und Verwandten oder um den Studienplatz von Geschwistern: Wen durfte, konnte, sollte man da mit hineinziehen in so eine Entscheidung? – Ich hatte es im Grunde genommen leicht. Für meine Eltern und meine Schwester stand nichts auf dem Spiel.

Wie weit war ich, wie weit bin ich bereit, für meinen Glauben zu gehen? Ins Gefängnis, in den Tod? – Ich habe damals den Wehrdienst verweigert – aus meiner christlichen Überzeugung heraus. Nein, ich habe ihn eben nicht verweigert: Ich habe Ersatzdienst als Bausoldat geleistet. Statt mit der Knarre das Schießen zu üben, habe ich ohne Knarre, aber auch in Uniform mit an dem Übungsplatz gebaut, wo dann die anderen mit der Knarre geschossen haben. War das so viel besser? War das eine Heldentat? – War es nicht. Ich hatte einfach Angst, ins Gefängnis gehen zu müssen. Könnte, würde ich das durchstehen?, habe ich mich gefragt und dann lieber den Kompromiss gewählt. Einmal mehr.

Wo ich das Gefühl hatte, Jesus erwartet von mir ein klares Bekenntnis, einen unerschütterlichen Glauben, einen geraden Weg, da habe ich Kompromisse gemacht, habe hier Nein gesagt, um dort wieder Ja zu sagen, um irgendwie unbeschadet durchzukommen.

1989 als viele den Mut fanden, aus den Häusern in die Kirchen und aus den Kirchen auf die Straßen zu gehen, da war mein Glaube so klein, dass ich mich in meiner Studierstube verkrochen habe. Ich hätte nach Leipzig fahren sollen, aber ich hatte einfach Angst vor den Gewehrmündungen und den gepanzerten Fahrzeugen hinter den Straßenecken, von denen gemunkelt wurde. Von wegen: bereit ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. – Ich nicht! – Erst nach dem 9. Oktober, dem Wunder von Leipzig, erst als die Situation gekippt war, da habe ich dann auch mitgemacht …

„Auf mich kannst du bauen“ – wer kann das schon so sicher für sich sagen?

Petrus meint es ganz ernst. Petrus geht weit für seinen Glauben, geht weit mit seinem Herrn. Weiter als die anderen, die schon vorher das Weite suchen. Aber nicht weit genug, nicht so weit, wie er wollte und dachte. Nicht ins Gefängnis, nicht in den Tod. Noch nicht. – Ich lerne gerade spanische Redewendungen: Está como un flan. – Er ist wie ein Pudding. Er kriegt weiche Knie. – Petrus, der Fels, auf den Jesus bauen möchte, ist nur ein Wackelpudding.

Durchgefallen ist er – beim Test für glaubensstarke Felsenmänner. Durchgefallen wie ich, wie so viele, die im entscheidenden Moment der Mut verließ, die Kompromisse gemacht haben, die nicht konsequent waren in ihrem Bekenntnis zu Jesus Christus.

„Auf mich kannst du bauen“ – Wer kann das schon für sich sagen? Wer das sagt, kennt sich nicht gut genug.

Aber es ist ja, Gott sei Dank, anders herum. Jesus sagt zu Petrus: „Ich will auf dich bauen.“ Und: Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Nicht unsere Stärke qualifiziert uns, sondern Jesu Einsatz für unseren Glauben.

Mit dem Pudding-Mann Petrus hat Jesus begonnen, seine Kirche zu bauen. Und mit solchen Leuten wie ihm hat er sie durch die Jahrhunderte hin gebaut, bis heute.

Immer wieder hat es die Versuchung gegeben, die Schwachen, die Versager und Kompromissler auszusortieren aus der Kirche. Nach den ersten Christenverfolgungen kam die Frage auf, ob diejenigen noch Christen sein könnten, die unter Folter und Todesdrohung ihren Glauben verleugnet hatten. Es gab ja die anderen, die wirklich Gefängnis und Tod auf sich genommen hatten. Aber es gab eben auch sie, die schwach geworden waren. Sollten sie zurückkommen dürfen in die Gemeinde? Sollten sie gar kirchliche Ämter bekleiden dürfen? – Die Kirche in der Nachfolge von Petrus hat sich dafür entschieden, ihnen einen neuen Anfang mit Christus zu ermöglichen. So wie ihm, Petrus der neue Anfang geschenkt worden war. Sogar schon bevor er versagt hatte, hat Jesus ihm den Neuanfang verheißen.

Ja, es stimmt: Wir sind Papst. Wir sind Petrus: Schwach, fehlbar, unvollkommen. Aber von Jesus geliebt und beauftragt. In dieser Kirche, wo schwache, fehlbare und kleingläubige Menschen angenommen sind und gebraucht werden, da bin ich gerne zu Hause.

Und das wünsche ich mir auch für unsere katholischen Geschwister, wenn sie sich einen neuen Papst erwählen. Es sollte ihnen tröstlich sein, dass der Nachfolger von Petrus nicht besser sein muss, als es Petrus selber war. Auch er darf Schwäche zeigen, auch er darf Fehler machen. Das wird Jesus Christus nicht hindern, auch mit ihm seine Kirche zu bauen.

Jesus hat von einem Sieb gesprochen, durch das uns der Teufel durchschütteln möchte. Ein Sieb, das unseren Glauben prüfen soll. Mir scheint, wenn der Teufel nur lange genug rüttelt, fallen wir sicher alle durch dieses Sieb. Aber das Wunderbare an diesem Bild ist, dass beim Weizen, der gesiebt wird, es gerade die guten Körner sind, die durchfallen. Gerade die, die durchfallen, sind der Same für das Reich Gottes.

Sonntag, 10. Februar 2013

Predigt am 10. Februar 2013 (Sonntag Estomihi)

Jesus nahm zu sich die Zwölf und sprach zu ihnen: „Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn. Denn er wird überantwortet werden den Heiden, und er wird verspottet und misshandelt und angespien werden, und sie werden ihn geißeln und töten; und am dritten Tage wird er auferstehen.“ Sie aber begriffen nichts davon, und der Sinn der Rede war ihnen verborgen, und sie verstanden nicht, was damit gesagt war.
Es begab sich aber, als er in die Nähe von Jericho kam, dass ein Blinder am Wege saß und bettelte. Als er aber die Menge hörte, die vorbeiging, forschte er, was das wäre. Da berichteten sie ihm, Jesus von Nazareth gehe vorbei. Und er rief: „Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ Die aber vornean gingen, fuhren ihn an, er solle schweigen. Er aber schrie noch viel mehr: „Du Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ Jesus aber blieb stehen und ließ ihn zu sich führen. Als er aber näher kam, fragte er ihn: „Was willst du, dass ich für dich tun soll?“ Er sprach: „Herr, dass ich sehen kann.“ Und Jesus sprach zu ihm: „Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen.“ Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach und pries Gott. Und alles Volk, das es sah, lobte Gott.
Lukas 18, 31-43


Liebe Schwestern und Brüder,

ihr kennt alle Die Reise nach Jerusalem. Oder? – Ein Spiel, bei dem immer einer zu viel ist. Einer fliegt raus.


Jesus und seine Jünger sind auf der Reise nach Jerusalem. Und wenn sie angekommen sind, fliegt einer raus. – Jesus kennt die Spielregeln. Aber es ist kein Spiel, es ist Ernst. Es geht um Leben und Tod. Einer wird verspottet, misshandelt und angespien, ausgepeitscht und getötet. Die härteste Form zu verlieren …


Auch wir sind auf der Reise nach Jerusalem. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir (Hebräer 13, 14). – Das ist die Jahreslosung 2013. Die zukünftige Stadt, Gottes Stadt, ja das ist Jerusalem. Das neue, das himmlische Jerusalem, von dem die letzten Kapitel der Bibel sprechen.


Unsere Reise nach Jerusalem ist die Reise mit Jesus Christus. Wer kommt mit?


Manche wollen gar nicht. Die haben lieber ihre bleibende Stadt irgendwo anders: In Nazareth. Da sagen sie: „Der Jesus spinnt doch, soll er nach Jerusalem gehen, wo sie die Propheten töten. Wir bleiben hier.“ In Jericho. Von wegen keine bleibende Stadt. Jericho ist die älteste Stadt der Welt. „Schön, dass Jesus uns beehrt. Aber er geht weiter, und wir bleiben da.“ –
Irrtum: Auch die Leute von Jericho können nicht für immer bleiben. Wir auch nicht. Wir haben hier keine bleibende Stadt. – Also: wollt ihr nicht lieber mit nach Jerusalem?

Die Jünger Jesu kriegen kalte Füße. Jesus sagt, dass Jerusalem Leid und Tod bedeutet. Ja, auch Auferstehung. Aber wieso dann erst Folter und Tod? – Führt Jesus uns ins Verderben oder führt er uns in Gottes Reich? – Wer ist drin und wer fliegt raus bei dieser Reise nach Jerusalem? – Sie begriffen nichts davon, und er Sinn der Rede war ihnen verborgen.

Zögernd, zagend, zweifelnd gehen sie mit. Sehen, wie Jesus weint über Jerusalem. Hören, wie er die Zerstörung ankündigt für Jerusalem. Erleben, wie Jesus sich anlegt mit allen, die das Sagen haben in Jerusalem. Verstehen nur, dass er sich selber ins Abseits manövriert. Er kämpft nicht um seinen Platz als König der Gerechtigkeit, als wahrer Hoherpriester, als Statthalter Gottes auf Erden. Er überlässt anderen die Plätze, und für ihn bleibt keiner mehr.


Einer will das verhindern und Jesus zum Handeln zwingen. Führt die Konfrontation herbei, indem er Jesus an seine Feinde verrät. Aber sein Plan geht nicht auf. Jesus lässt sich ohne Gegenwehr festnehmen und abführen. – Und auch Judas hat verloren. Seine Reise nach Jerusalem ist gescheitert.


Ein anderer will Jesus beistehen, was immer auch geschieht. Aber er steht nicht, er wankt, er weicht, er weint. Sein Glaube ist gescheitert. Petrus.


Einer nach dem andern ist raus aus dem Spiel. Am Ende ist Jesus allein: nicht als Sieger, sondern als Verlierer, der nichts und niemanden mehr hat. Keinen Platz in Jerusalem, sondern nur noch draußen vor dem Tor. Auf dem Hügel, wo die Mörder, Räuber und Terroristen hingerichtet werden. Am Kreuz – bei den Übeltätern.


Wer kommt mit bei dieser Reise nach Jerusalem? – Seine unverständigen Jünger und ein blinder Passagier.


Der will mit. Er ist es nämlich leid, seine bleibende Statt am Straßenrand von Jericho zu haben. Tagein, tagaus sitzt er da und bettelt. Tagaus, tagein bekommt er die nötigen Almosen zusammen. Aber wie gerne würde er mal was anderes sehen. Überhaupt was sehen. Wie gerne würde er mal nach Jerusalem reisen, zum Beispiel. 25 km, das ist ja nicht die Welt.


Und dann ist da Jesus, von dem manche sagen, er wäre der Messias, der gottgesandte Retter; der von sich selber sagt, er sei der Menschensohn, der Mensch, der von Gott her zu den Menschen kommt und die Menschen mitnimmt zu Gott. – Und da will auch er gerettet werden. Da will auch er mitgenommen werden, dorthin, wo das Reich Gottes beginnt – nach Jerusalem.


Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!


Reise nach Jerusalem: Bei dem Spiel gibt es ein Gedränge um die freien Plätze, und der Schwächste fliegt raus. Der Blinde ist natürlich der Schwächste. Die andern wollen ihn zum Schweigen bringen. So wie sie kurz vorher im selben Kapitel die andere Schwache, die Kinder nämlich, daran hindern wollten, zu Jesus zu kommen. Aber Jesus hatte sich gerade ihnen zugewendet: Solchen gehört das Reich Gottes: den Kindern, den Schwachen. Und jetzt ist es wieder so: Solchen gehört das Reich Gottes: dem blinden Bettler. Er bettelt ja nicht nur um seine Almosen, sondern er bettelt um Gottes Hilfe und Erbarmen. Das erwartet er von Jesus: Herr, erbarme dich! Kyrie eleison!

Und Jesus ist ganz für ihn da, lässt ihn zu sich führen. Der, dem sie keinen Platz gönnen wollten in ihrer Gemeinschaft, dem gibt Jesus den exklusiven Platz in seiner Nähe. Er spricht ihn an. Hört ihm zu. Antwortet ihm:


Was willst du, dass ich für dich tun soll? Herr, dass ich sehen kann. – Dann sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen, hat dich gerettet.


So persönlich, so knapp, so konkret. Und dann sieht er. Und geht mit ihm. Und lobt Gott.


Sein Glaube hat ihm geholfen. Der, dem er geglaubt hat, hat ihm geholfen. Und jetzt geht er mit ihm – nach Jerusalem. Ohne Zögern, ohne Zagen, ohne Zweifel.


Reise nach Jerusalem mit Jesus Christus – wer kommt mit?


Der Jesus blind vertraut, alles von ihm erwartet und alles von ihm empfängt. Der weiß, dass er hier keine bleibende Stadt hat, der mit Jesus die zukünftige sucht – und finden wird. Denn dafür sind ihm ja die Augen geöffnet.


Und auch die anderen kommen mit. Die nicht blind vertrauen können, weil sie zu viel sehen – und das alles nicht verstehen; weil sie manches hören – und nichts begreifen. – So ist Jesus: Er fordert kein blindes Vertrauen. Er nimmt die zögerlichen Zager und Zweifler mit.


Und sie alle, die Blinden und die Sehenden, die Kleingläubigen und die Großgläubigen, sie gehen mit ihm, machen mit ihm die Reise von den Städten dieser Welt, wo es kein Bleiben gibt, hin zur Stadt Gottes.


Und dann, dort wird es ein Verstehen geben. Der Evangelist Lukas erzählt auch davon: Wie zwei von den unverständigen Zweiflern am dritten Tag nach Jesu Tod miteinander auf dem Weg sind – von Jerusalem in ein Nest namens Emmaus. Und da, auf dem Weg begegnet ihnen der auferstandene Jesus. Und sie sind blind, wie damals der Bettler von Jericho: Sie erkennen ihn nicht. Aber er erklärt ihnen die Schrift: alles, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn: Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen? (Lukas 24, 26) Musste es nicht so kommen? – Und dann sitzen sie gemeinsam bei Brot und Wein, und ihnen gehen die Augen auf und die Herzen. Sie sehen und begreifen und erkennen: IHN. Und dann wissen sie: Wir haben hier keine bleibende Stadt. Sie brechen auf zu später Stunde und eilen zurück nach Jerusalem. Und sie finden Platz in der Gemeinschaft der Glaubenden, der Geretteten.


Jesus Christus lädt euch ein: Kommt mit, nach Jerusalem! Kommt mit in Gottes Stadt! Denn wir haben hier keine bleibende Stadt. Kommt mit, ihr Zweifler! Kommt mit, ihr Gläubigen! Auch wenn es durch Leiden und Tod geht: das ist nicht das Ende. Es ist der Anfang des Lebens. Des ewigen Lebens.

Sonntag, 3. Februar 2013

Predigt am 3. Februar 2013 (Sonntag Sexagesimä)

Suchet den HERRN, solange er zu finden ist; ruft ihn an, solange er nahe ist. Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter von seinen Gedanken und bekehre sich zum HERRN, so wird er sich seiner erbarmen, und zu unsrem Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung.
Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.
Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.
Jesaja 55, 6-11


Liebe Schwestern und Brüder,

„Sucht mich!“, sagt Gott. „Sucht mich! Ich bin ganz in der Nähe. Es ist ganz leicht mich zu finden.“


Ja, spielen wir denn Verstecken? Spielt Gott mit uns Verstecken? Ist ganz in der Nähe und will von uns doch gesucht werden? Kann er sich nicht einfach zeigen, so wie er ist? Braucht er, brauchen wir das Versteckspiel? Und könnte er es uns nicht überhaupt einfacher machen, ihn zu finden?


Warum glauben denn so viele von uns nicht an ihn? Und es werden immer mehr, die nicht glauben. Die haben das Versteckspiel satt: Warum sollen wir denn nach einem Gott suchen, der sich vor uns versteckt? Vielleicht ist das doch nur ein großer Bluff, ein Betrug, eine Täuschung: Da ist gar keiner. Da steckt gar nichts, gar niemand dahinter, wo wir suchen.

Aber wie soll sich Gott denn bitteschön zeigen, so dass wir ihn wirklich und eindeutig erkennen? Habt ihr euch das mal überlegt?


Ich glaube, Gott hat ein echtes Problem mit uns. Zeigt er sich als Rauch- und Feuersäule, dann sagen die Menschen: „Oh ein Vulkanausbruch oder ein Großbrand!“ Kommt er mit seinem geflügelten Thronwagen, wie der Prophet Hesekiel ihn gesehen hat, dann sagen die Menschen: „Oh ein Raumschiff von Außerirdischen!“ Zeigt er sich als alter Mann mit Rauschebart, so wie wir ihn uns vielleicht als Kinder vorgestellt haben, dann sagen wir: „Oh, der Weihnachtsmann!“ Zeigt sich Gott in einer Vision, dann erklären wir die zur Halluzination und schicken den Betreffenden zum Psycho-Doktor. Und zeigt sich Gott so, wie er an sich selber ist, dann kommen wir um, weil wir das nicht ertragen können. – Gott hat also wirklich ein Problem damit, sich uns so zu zeigen, dass wir ihn erkennen.


Darum geht er einen Umweg. Darum macht er eben dieses Versteckspiel mit uns. Er ist ganz nahe, aber er ist immer irgendwo dahinter versteckt. Hinter den Dingen, hinter den Worten, hinter den Menschen.


Manchmal merken wir es: Da steckt doch was dahinter! Und manchmal ist es Gott, der dahintersteckt.


Wir staunen über die Welt, in der wir leben: Wie schön sie ist, wie sinnvoll eingerichtet sie ist: Regen und Schnee fallen. Pflanzen wachsen. Tiere und Menschen haben Nahrung. Sie leben. Sie haben das Leben von anderen empfangen, die vor ihnen waren. Sie geben das Leben weiter an andere, die nach ihnen kommen. Woher ist es gekommen, das Leben? Welchen Sinn hat es? Wie kommt es, dass wir es erkennen und bestaunen können, aber doch nicht seinen Sinn begreifen? – Da steckt doch was dahinter! Gott? – Gott! Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet (Psalm 104,24). So steht’s geschrieben.


Wir staunen über die Worte, mit denen wir kommunizieren: Wie erstaunlich, dass wir uns Zeichen geben können, die wir verstehen. Dass wir uns differenziert ausdrücken können, nicht nur Gegenstände benennen, sondern Gefühle, Beziehungen, abstrakte Zusammenhänge. Dass wir auch die Sprache der Natur entschlüsseln können und der Natur das Sprechen beibringen: Wir lesen den genetischen Code und wir lassen Maschinen in Computersprache miteinander kommunizieren. Und dann hat da unsere menschliche Sprache dieses erstaunliche Wort: Gott. Woher kommt der Geist, der Sinn hinter den Worten, die Fähigkeit, Sinn und Bedeutung zu verschlüsseln und zu entschlüsseln, und die Möglichkeit, von Gott zu denken und zu sprechen? Von ihm selber, von Gott? – Von Gott! Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort (Joh 1,1). So steht’s geschrieben.


Wir staunen über uns Menschen. Wir sind ein Teil der Welt und der Natur, und doch stehen wir der Natur und der Welt gegenüber als geistige Wesen. Wir greifen ein in den Lauf der Natur, zu unserem Nutzen, manchmal auch zu unserem Schaden. Wir gestalten uns eine künstliche Welt, in der wir doch viel mehr zu Hause sind als in der natürlichen Welt der Steppe oder des Urwalds, der Berge oder der Wüste. Wir geben unserem Leben einen Sinn. Wir gestalten unsere Gemeinschaft. Wir sind fähig, Kunst und Musik zu schaffen und zu genießen und dazu unendlich viele wunderbare, nützliche und schöne Dinge. Und wir sind umgekehrt in der Lage, brutaler und kulturloser als jedes andere Lebewesen das alles zu zerstören, unsere menschliche Gemeinschaft und uns selber. Wir haben uns ein Leben geschaffen, das weit über den biologischen Sinn der Fortpflanzung hinausgeht. Und dann wissen wir oft genug mit diesem unserem Leben gar nichts Sinnvolles mehr anzufangen. – Was sind wir für wundersame Wesen? Woher kommen wir? Wozu sind wir auf der Welt? Was steckt dahinter? – Gott? – Gott! Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn (Gen 1,27). So steht’s geschrieben.


Gott, der so himmelweit größer ist als wir Menschen und alles, was wir kennen, der ist doch nicht fern. Er lässt sich finden. Immer gleich ganz kurz dahinter, hinter dem, was wir kennen. Wir müssen nur einen Gedanken weiter denken. Nur ein klein wenig genauer hinschauen und einen kleinen Schritt auf ihn zu gehen.
„Sucht mich!“, sagt er.


Und dann kommt er uns so nahe, wie er nur kann. Wenn wir Menschen von uns aus den Schritt zum Himmel, zu Gottes Himmel, nicht gehen können, dann macht er den Schritt vom Himmel auf die Erde.


Er zeigt sich in dieser Welt. Hinter den Wundern der Schöpfung, hinter dem Unerklärlichen, hinter den Zufällen und Führungen deines Lebens, da steckt er dahinter.


Und er kommt als das Wort in diese Welt. Er spricht hörbar und verständlich zu den Menschen, in ihrer, in unserer Sprache. Vor allem in den Worten dieses Buches, der Bibel, hat er sich ausgesprochen, spricht er bis heute Menschen an. Leider ist es nicht mehr populär, Gott in der Heiligen Schrift zu suchen. Viele gehen lieber in den Wald, in die Berge oder ans Meer, um Gott zu finden. Gewiss, auch in seiner Schöpfung ist er zu finden. Aber deutlicher spricht er sich aus in klaren Worten. Und wenn diese Worte Menschen erreichen und ihr Leben verändern, zum Guten verändern, da steckt er dahinter.


Aber weil das alles noch nicht klar und deutlich genug ist, kommt Gott schließlich als Mensch in diese Welt. Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit (Joh 1,14). Gott wird wie wir. Gott wird Mensch: Wie wir und doch ganz anders. – Das ist Jesus Christus: Wie wir, unser Menschenbruder. Und doch ganz anders: Der vollkommene Mensch, nach Gottes Bild.


Wer den entscheidenden Schritt auf ihn zu macht, wer sich auf ihn einlässt, der findet Gott. Für den ist klar: Hinter diesem Menschenleben von der ärmlichen Geburt über seine unerhörten Worte und Taten bis hin zu seinem schmachvollen Tod und seiner glorreichen Auferstehung, dahinter steckt Gott. Das ist Gottes Geschichte mit dem Menschen.

Und wer ihn findet, in seinen Taten, in seinen Worten, in seinem Sohn Jesus Christus, der weiß, was dahintersteckt. Der hat den Sinn gefunden, den Schlüssel zum Leben. Der ist verändert und begeistert.


„Sucht mich!“, sagt Gott, und das sagt er, weil er wirklich ganz nahe ist. Ganz nahe in seinem Wort, ganz nahe in seinem Sakrament, ganz nahe in seiner Kirche. Sucht ihn! Es ist ganz heiß.



Predigtlied:

Sucht Gott, denn er ist euch ganz nah,
er lässt sich finden, wenn ihr euch zu ihm kehrt,
weil er euch liebt und euer Rufen erhört,
darum ist er für euch da.

So viel der Himmel höher ist
als diese Erde und was wir von ihr sehn,
so wenig wir Gottes Gedanken verstehn,
so gut ist, was er beschließt.

So wie der Schnee vom Himmel fällt,
so wie der Regen trocknen Boden durchtränkt,
so wie die Erde Brot und Leben uns schenkt,
so segnet Gott unsre Welt.

Sein Wort geht aus in alle Welt,
wo Jesus Christus spricht, da ist es ganz nah,
wo wir es hörn und tun, da ist sein Geist da,
da tut Gott, was ihm gefällt.


(c) Roland Herrig 2013

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Sonntag, dem 3. Februar 2013

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

wenn Sie auf der Suche sind nach Gebeten, mit denen Sie Ihr Anliegen, Ihre Gedanken und Ihr Danken vor Gott ausdrücken wollen, dann empfehle ich Ihnen ausdrücklich das Gesangbuch. Sowohl das katholische Gotteslob als auch das Evangelische Gesangbuch enthalten eine große Zahl von Gebeten für alle möglichen Lebenssituationen. Im Evangelischen Gesangbuch finden sich solche Gebete gesammelt im hinteren Teil des Buches.


Sie können aber auch im vorderen Teil, bei den Liedern nachschlagen. Wenn Sie die oft alten, manchmal auch neueren Texte lesen, dann werden Sie feststellen, dass sehr viele Gebete darunter sind. Weit über die Hälfte der Lieder sind ganz oder teilweise direkt an Gott gerichtet: Von Großer Gott, wir loben dich über Jesu, meine Freude bis O komm, du Geist der Wahrheit … Vom Morgenlied wie Morgenglanz der Ewigkeit über gesungene Mittagsgebete wie Aller Augen warten auf dich, Herre bis zum Abendsegen: Müde bin ich, geh zur Ruh … Immer und überall haben Menschen Worte gefunden, um sich an Gott zu wenden. Und wir können in diese bewährten Worte einstimmen.


Ja, solche Worte mit Versmaß und Musik prägen sich leicht ein.


Reich sind Menschen, die über einen solchen Schatz an auswendig gelernten Liedern und Gebeten verfügen. Wenn sie einmal nicht mehr lesen können, vielleicht auch keinen klaren Gedanken mehr fassen können, dann sind oft noch diese Lieder da. Das habe ich immer wieder erlebt in Pflegeheimen und an Krankenbetten.

Mir sind sie jedenfalls kostbar, unsere altvertrauten gesungenen Gebete.


Mit einem, das Sie vielleicht auch kennen, möchte ich Sie heute grüßen:

Ach, bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ, dass uns hinfort nicht schade des bösen Feindes List.

Ach, bleib mit deinem Worte bei uns, Erlöser wert, dass uns sei hier und dorte dein Güt und Heil beschert.

Ach, bleib mit deinem Glanze bei uns, du wertes Licht; dein Wahrheit uns umschanze, damit wir irren nicht.

Ach, bleib mit deinem Segen bei uns, du reicher Herr; dein Gnad und alls Vermögen in uns reichlich vermehr.

Ach, bleib mit deinem Schutze bei uns, du starker Held, dass uns der Feind nicht trutze noch fäll die böse Welt.

Ach, bleibt mit deiner Treue bei uns, mein Herr und Gott; Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not.

Amen.

Samstag, 2. Februar 2013

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Samstag, dem 2. Februar 2013

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

wir beten nicht nur für uns selbst. Wenn andere Gottes Hilfe brauchen, vor allem, wenn wir merken, dass unsere Hilfe als Mitmensch nicht reicht, dann bitten wir Gott um seine Hilfe.


Am häufigsten geschieht das wohl, wenn jemand unter uns krank wird, ernsthaft krank wird. „Ich denke an dich“, oder noch deutlicher: „Ich bete für dich.“ Wie oft habe ich diesen Satz gehört oder auch selber gesagt!


Das Gebet für Kranke ist ein Ausdruck der Anteilnahme und der Verbundenheit mit Menschen, denen es nicht so gut geht. Aber es ist noch mehr: Es ist Verbundenheit in Gott. Und es ist ein Ausdruck des Vertrauens, dass Gott es mit dem Kranken gut machen kann und will.


Gott kann und will Kranke heilen. Nicht immer und in jedem Fall. Aber oft.

Dazu benutzt er die Möglichkeiten der Medizin. Wenn sich jemand einer Operation unterziehen muss, dann beten wir auch für die Ärzte um Geschick und Gelingen.

Dazu benutzt er die Möglichkeiten der menschlichen Zuwendung. Wenn der Kranke nicht allein ist und Nähe und Begleitung erfährt, dann tut ihm das gut, dann wird es ihm besser gehen.

Und dazu benutzt Gott auch seine ganz eigenen Möglichkeiten des Heilens und des Segnens.

Jesus hat immer wieder Kranke geheilt. Und seinen Jüngern hat er aufgetragen, für Kranke zu beten. Auf Kranke werden sie die Hände legen, so wird’s besser mit ihnen werden, hat er denen versprochen, die an ihn glauben (Markus 16,18).


Und deshalb können und sollen wir auch das tun: Kranke persönlich segnen, ihnen die Hände auflegen, für sie beten oder auch sie mit Öl salben (Jakobus 5,14). Das hat nichts mit esoterischem Hokuspokus zu tun. Es hat mit Glauben und Gottvertrauen zu tun. Nicht immer wird das ein sichtbares Wunder bewirken. Aber immer wird es dem Kranken besser gehen, als wenn wir ihn nicht im Gebet der heilenden Macht Gottes anvertraut hätten

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Ich möchte Ihnen Mut machen, für Ihre Kranken zu beten. Und ich möchte Ihnen Mut machen, für Ihre Kranken beten zu lassen. Dazu sind auch wir als evangelische und katholische Seelsorger bereit.

Freitag, 1. Februar 2013

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Freitag, dem 1. Februar 2013

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

was sollen wir beten? Wie sollen wir beten?


Die Bibel enthält ein ganzes Buch voller Gebete. Ich meine die Psalmen. Psalmen sind Lieder, Gebete und Glaubensgedichte des Gottesvolkes Israel. Ein unglaublicher Schatz an geistlicher Erfahrung tut sich da auf.

Der bekannteste Psalm ist Psalm 23. Den müssen sogar unsere Konfirmanden noch auswendig lernen.


Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. So beginnt dieser Psalm.


Eine merkwürdige Bildwelt ist das: Gott, der gute Hirte, und ich, das Schäflein, das darauf angewiesen ist, dass es zur grünen Weide und zum frischen Wasser geführt wird. Das sich sicher und geborgen fühlen kann, selbst in finsteren Schluchten und Todesgefahr, wenn nur der gute Hirte bei ihm ist.

Überraschenderweise spricht das die meisten Menschen an. Denn es ist Ausdruck dafür, dass wir im letzten Grunde von Gott abhängig sind. Wir können uns nicht selber verschaffen, was wirklich für unsere Seelen lebensnotwendig ist. Wir können uns nicht selber vor Gefahren behüten. Und auch wenn wir vor Menschen gerne stark aussehen, vielleicht auch gerne den Leithammel geben, vor Gott sind wir eben doch nur schwache Schäfchen.


Der HERR ist mein Hirte. – Das klingt zuerst gar nicht wie ein Gebet, sondern wie eine Aussage, eine Feststellung. Doch wird aus diesen Aussagen über Gott sehr bald eine Anrede an Gott. Wenn Gott so gut zu mir ist, dann kann ich auch DU sagen, dann kann ich vertrauensvoll zu ihm beten: Denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.


Und dann wechselt auch die Bildwelt: Gott deckt mir seinen Tisch – Er behandelt mich menschlich, ich bin sein Gast. Gott salbt mein Haupt mit Öl – Er ehrt mich und zeichnet mich aus. Er schenkt mir voll ein – Er gibt mir mehr, als ich brauche. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar. – Bei Gott bin ich nicht nur zu Gast, sondern bei ihm bin ich zu Hause, bei ihm habe ich Heimat. Für immer.


Es ist Gottvertrauen, wenn jemand diese Sätze von Herzen mitsprechen kann. Und ich bin froh, dass ich sie mitsprechen kann.