Sonntag, 23. Februar 2014

Predigt am 23. Februar 2014 (Sonntag Sexagesimä)


Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: „Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!“ Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen. Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt.
Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen. Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, sodass sie darauf Acht hatte, was von Paulus geredet wurde. Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: „Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da.“ Und sie nötigte uns.
Apostelgeschichte 16, 9-15



Liebe Schwestern und Brüder,
Menschen erzählen die Ehre Gottes*, das Reich Gottes wächst, und immer wieder aufs Neue entdecken Menschen das Glück, Gott nahe zu sein – so wie es die Jahreslosung sagt: Gott nahe zu sein ist mein Glück.
Lukas, der nach dem Evangelium auch die Apostelgeschichte geschrieben hat, erzählt die Ehre Gottes, indem er große Geschichte erzählt: die Geschichte, wie das Wort Gottes von Jerusalem aus in die weite Welt hinaus läuft, bis es in der Welthauptstadt – der damaligen Welthauptstadt – Rom angekommen ist. Er erzählt große Geschichte in kleinen Geschichten. Geschichten von Petrus und Paulus, von Philippus und Stephanus, von Silas und Timotheus, und Geschichten von Menschen, die das Wort Gottes erreicht und verändert: so wie Kornelius, von dem wir neulich gehört haben, oder Lydia, von der wir heute hören. Lukas erzählt Geschichten von Menschen, die selber Geschichten erzählen: Petrus erzählt von Jesus, der tot war und auferstanden ist, der ihm begegnet ist, ihm vergeben hat und ihn beauftragt hat, das Wort Gottes weiter zu sagen. Paulus erzählt von Jesus, der ihm begegnet ist auf dem Weg nach Damaskus und sein Leben umgekrempelt hat: aus dem Christenverfolger Saulus den Christusverkündiger Paulus gemacht hat. So erzählen sie die Ehre Gottes Gottes: in Geschichten, die Geschichte gemacht haben.
Ich behaupte: Auch wir sind ein Teil der großen Geschichte Gottes. Denn Gottes große Geschichte ereignet sich in den kleinen Geschichten unseres Lebens.
Und so zeigt sich in den Geschichten von Petrus und Paulus, von Lydia und Kornelius, was typisch sein könnte an Gottes Geschichten, auch wenn ihre Protagonisten Peter oder Paul heißen, Ludwig oder Kornelia.
In der Geschichte, die wir heute gehört haben, von der Überfahrt von Kleinasien nach Mazedonien und von der Begegnung mit Lydia am Fluss bei Philippi, da wird zum Beispiel sehr deutlich sichtbar, wie Gott Menschen führt. Das ist typisch.
Paulus und seine Begleiter sind in der Hafenstadt Troas angekommen. Sie wollten da wohl gar nicht so richtig hin, aber in alle anderen Richtungen war es nicht weiter gegangen – aus irgendwelchen Gründen. Lukas schreibt: Der Geist Gottes hinderte sie. Eigentlich bleibt hier nur eine Richtung, um weiter zu reisen: übers Meer. Vielleicht haben sie noch gezögert. Aber da ist dann diese nächtliche Vision: Ein mazedonischer Mann, der Paulus bittet, auf die griechische Seite überzusetzen und ihnen dort zu helfen. Und dann ist alles klar, und alles geht ganz schnell – sie setzen über, und ein neuer Abschnitt der Geschichte beginnt.
Gott verschließt Türen und sperrt Wege ab, und dann öffnet er eine andere Tür und zeigt einen neuen Weg. Das ist typisch. So ist es vielen von uns oft schon gegangen. So erlebe ich auch meinen eigenen Lebens- und Glaubensweg.
Manchmal schickt Gott sogar Träume und Visionen – oder deutliche Worte. Als die Entscheidung anstand, ob wir nach Teneriffa gehen, da hatte ich zwar keine Vision oder dergleichen, aber in einem besonderen Gottesdienst wurde ich sehr persönlich – jeder zog sich eine Bibelstelle – auf das Wort Gottes an Abraham gestoßen: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. … Und ich will dich segnen …, und du sollst ein Segen sein … (1. Mose/Genesis 12) – Das war für mich eine große Bestätigung, dass das Vorhaben so richtig war.
Ja, ich glaube, dass Gott mich führt und dass auch meine Geschichte ein Teil von Gottes großer Geschichte ist.
Manchmal auch anders als erwartet und manchmal auch mit Humor: Da träumt Paulus von einem Mann aus Mazedonien, der ihn um Hilfe ruft. Und dann sind sie da drüben angekommen und der erste Mensch, dem sie wirklich helfen können, ist kein Mann, sondern eine Frau; und sie kommt auch gar nicht aus Mazedonien, sondern aus Lydien, wie ihr Name schon sagt, also von der anderen Seite der Ägäis, wo Paulus gerade herkommt.
Diese Begegnung aber wird entscheidend wichtig für Paulus: denn jetzt hat er einen Menschen, einen Ort, ein Haus, ein Basislager, von wo aus er weiter wirken kann. Und es folgen dann ja auch weitere Geschichten, wunderbare Geschichten, wie Menschen frei werden und zum Glauben kommen. Es entsteht eine christliche Gemeinde, die dem Paulus bald die allerliebste von allen war – wir lesen davon in seinem Brief an die Philipper, den er viele Jahre später geschrieben hat.
Gott macht Geschichte, indem er Menschen führt. Das ist typisch.
Typisch auch, aber eigentlich noch viel grundlegender ist, dass Gott Menschen das Herz öffnet. Wir fanden schon am Mittwoch im Bibelgespräch, dass das eigentlich der wichtigste Satz im ganzen Abschnitt ist: der Herr tat ihr das Herz auf. Das ist gewissermaßen die Innenseite der Geschichte Gottes mit den Menschen: dass er Herzen öffnet.
Wir erfahren ja gar nicht, was Paulus da eigentlich mit den Frauen am Fluss gesprochen hat. Und vielleicht kommt es am Ende auch gar nicht so sehr auf die einzelnen Worte an, sondern darauf, dass sie in offene Herzen hineinfallen. – Wir haben das Gleichnis Jesu gehört (Evangelium des Sonntags: Lukas 8, 4-15), wie der Same des Wortes Gottes in Herzen fällt, wo er nicht aufgehen kann, weil sie hart und verschlossen sind – oder aber eben doch in offene Herzen, wo das Wort Wurzeln schlägt und Frucht bringt. – Entscheidend ist, dass Gott schon vorgearbeitet hat: den Boden bereitet für den Samen des Wortes, Herzen geöffnet. Da kann etwas wachsen, da spüren Menschen das Glück, Gott nahe zu sein.
Eigentlich ist es schade, dass wir nichts weiter erfahren von der Lebensgeschichte der Lydia. Wie sie als Frau eine erfolgreiche Unternehmerin werden konnte, wie sie zur „Gottesfürchtigen“ wurde, also zu einer Anhängerin des Judentums, ohne Jüdin zu sein. Wie es ihr erging in einer Stadt, die ihr fremd sein musste, weil sie eine römische Ansiedlung war mit vielen Menschen, die aus Italien stammten, wo wahrscheinlich auch nicht ihre Muttersprache Griechisch, sondern Lateinisch gesprochen wurde. Wir wissen nicht, wie alt sie war, ob sie Mann und Kinder hatte und wer dazu gehörte zu „ihrem Haus“. Aber eines ist sicher: Mit ihrer ganzen Lebensgeschichte war sie vorbereitet für diesen Moment, wo Gottes Wort in ihr offenes Herz fiel. Es war da etwas, nach dem sie sich wohl schon unbewusst gesehnt hatte, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie genau dieses Glück gefunden hat: Ja, ich kann Gott wirklich nahe sein! Auch als Nichtjüdin, auch als Geschäftsfrau, die mit beiden Beinen im Leben steht.
Etwas drittes Typisches wird sichtbar: Wo sich Herzen öffnen, da öffnen sich auch Türen zwischen Menschen: Es entsteht und wächst Gemeinde. Und Gottes Geschichte geht weiter: von Mensch zu Mensch.
Lydia und die mit ihr leben werden binnen kurzem getauft. – Wenn Gottes Wort in ihren Herzen angekommen ist und Glauben weckt, dann sollen sie auch hineingetauft werden in die Gemeinschaft der Glaubenden, in den Leib Christi. Es geschieht unverzüglich – ohne monatelangen Taufunterricht oder andere Vorbereitungen: Die Taufe steht normalerweise am Anfang, nicht am Ende eines Weges. Sie werden getauft; und auf einmal ist da Gemeinde, Kirche: Wort und Sakrament.
Und ihr Haus wird Gemeindehaus – ein Haus der Begegnung, mit offenen Türen für den Apostel und seine Mitarbeiter. Und dann auch für alle, die dazukommen in den nächsten Wochen und Monaten, wenn Gottes Geschichte weiter geht und Menschen mit ihrer Geschichte Teil seiner großen Geschichte werden.
Ja, das alles ist typisch für Gottes Geschichte und Gottes Geschichten mit den Menschen: dass er uns führt auf den Wegen unseres Lebens; dass er uns die Herzen öffnet für sein Wort, für seinen Geist und füreinander, und dass er uns zueinander führt und uns Gemeinde sein lässt.
Mögen wir das auch in unserem Leben und in unserer Kirche entdecken: dass unsere kleinen Geschichten zu Gottes großer Geschichte gehören. Und mögen wir sie erzählen unsere Gottesgeschichten – zu seiner Ehre.
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* Der Chor hatte zum Eingang gesungen: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“.

Sonntag, 16. Februar 2014

Predigt am 16. Februar 2014 (Sonntag Septuagesimä)

Was sollen wir nun hierzu sagen? Ist denn Gott ungerecht? Das sei ferne!
Denn er spricht zu Mose (2.Mose 33,19): »Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.«
 So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.
 Denn die Schrift sagt zum Pharao (2.Mose 9,16): »Eben dazu habe ich dich erweckt, damit ich an dir meine Macht erweise und damit mein Name auf der ganzen Erde verkündigt werde.« 
So erbarmt er sich nun, wessen er will, und verstockt, wen er will. 
Nun sagst du zu mir: Warum beschuldigt er uns dann noch? Wer kann seinem Willen widerstehen?
 Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich so? 
Hat nicht ein Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen?
 Da Gott seinen Zorn erzeigen und seine Macht kundtun wollte, hat er mit großer Geduld ertragen die Gefäße des Zorns, die zum Verderben bestimmt waren,
 damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit kundtue an den Gefäßen der Barmherzigkeit, die er zuvor bereitet hatte zur Herrlichkeit. 
Dazu hat er uns berufen, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Heiden.
Römer 9, 14-24

Was sollen wir nun hierzu sagen? – Ja, was sollen wir dazu sagen? Es verschlägt einem die Sprache, es fehlen einem die Worte.
Gott ist gerecht, heißt es. Und deshalb macht er, was er will. Erbarmt sich, wessen er will; verstockt, wen er will. So sieht sie aus, Gottes Gerechtigkeit. – Was sollen wir dazu sagen? Es verschlägt einem die Sprache.
Gott erweist seine Barmherzigkeit, heißt es. Aber nur denen, die er zuvor erwählt hat. Den anderen erzeigt er seinen Zorn. So sieht sie aus, Gottes Barmherzigkeit. – Was sollen wir dazu sagen? Es fehlen einem die Worte.
Geht es nicht nur darum, Gottes Allmacht zu behaupten, und die zeigt sich dann in reiner Willkür? Gott macht, was er will, und wir Menschen haben keine Chance gegen ihn?

Liebe Schwestern und Brüder, ich will das nicht sprachlos hinnehmen. Ich will es verstehen. Ich will es nachbuchstabieren. Und ich will mich mit euch in kleinen Texten diesem großen Text annähern.

I.
Ich bin nicht schuld. Ich war’s nicht. Ich habe das nicht gewollt. Ich bin nun mal ein bisschen ungeschickt. Ein Pechvogel. Ich habe halt so eine Veranlagung. Sie wissen schon, die Gene. Und in meiner Kindheit – da ist einiges schief gelaufen; das kann man nie wieder gutmachen. Und in der Schule – immer das Schwarze Schaf. Kinder können so unbarmherzig sein. – Und Erwachsene erst. Eigentlich bin ich immer nur das Opfer gewesen. Ich kann nichts dafür. Ich bin nicht schuld.
Wer ist dann schuld? – Gott?
Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst?

II.
Schwarzer Peter. – Wir ziehen wechselseitig Karten, manche passen zueinander, die können wir ablegen. Aber eine ist immer zu viel – der Schwarze Peter. Wer den am Ende in der Hand hat, hat verloren.
Wenn du mit Gott Schwarzer Peter spielen willst, dann steht der Verlierer von vornherein fest. Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? – Gott hat immer Recht, und du hast immer Unrecht. Wenn Gott es ist, der die Karten mischt und dir in die Karten guckt, dann bist du es, der den Schwarzen Peter hat – immer.
Aber musst du das wirklich: Gott herausfordern, um ihm den Schwarzen Peter zuzuschieben? Musst du wirklich ein Spiel spielen, das du nicht gewinnen kannst?
Es sei denn: Gott lässt dich gewinnen…

III.
So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen. – Was wäre das für ein Motto für die Olympischen Spiele? Da kämpft einer um Hundertstelsekunden auf Skiern, auf Schlittschuhen, im Bob; und am Ende erfährt er: Wir entscheiden heute mal nicht danach, wer am schnellsten war. Sondern…  vielleicht, wer bisher noch am wenigsten gewonnen hat, der ist jetzt mal dran, der kriegt die Goldmedaille. – Was für Spiele wären das, wenn wir zuvor nicht wüssten, nach welchen Regeln der Sieger gekürt wird? – Wäre das gerecht? Nein? Und wäre es barmherzig?
Beim Sport gilt noch der Maßstab der Leistungsgerechtigkeit: Wer viel leistet, soll auch viel bekommen. Wer wenig leistet, guckt in die Röhre. In unserer Gesellschaft verschiebt sich dieser Maßstab – hin zu einer Verteilungsgerechtigkeit: Spitzengehälter sollen gedeckelt werden. Mehr als soundsoviel tausend Euro im Monat braucht keiner zum Leben, dekretieren die, die weniger haben. Und auf der anderen Seite: So und so viel braucht jeder mindestens zum Leben: Mindestlohn, bedingungsloses Grundeinkommen usw. stehen für diese neue Form von Gerechtigkeit nach dem Motto: Jedem nach seinen Bedürfnissen. – Fragt sich nur, was dann aus der Motivation zu Spitzenleistungen wird, und woher dann kommt, was da verteilt werden soll… – Irgendwie scheint die Botschaft des Evangeliums im vulgär-sozialistischen Verständnis angekommen zu sein: Jeder kriegt, was er zum Leben braucht, egal, was er dafür tut. – Sieht Gottes Gerechtigkeit so aus?
Jedenfalls ist sie eines nicht: Leistungsgerechtigkeit. Ich kann mir bei Gott keine Goldmedaillen verdienen. Und keinen Fensterplatz im Himmel.

IV.
Meine Großmutter hatte noch alle Tassen im Schrank – weil sie nie benutzt wurden, außer einmal im Jahr, wenn ihre Geburtstagstafel gedeckt wurde. Das waren die guten Tassen, die ganz guten mit den blauen Schwertern unten drauf. – Gefäße zu ehrenvollem Gebrauch. Nur dass dieser ehrenvolle Gebrauch sehr selten war.
Meine Großmutter hatte noch ein anderes Porzellangefäß; das wurde täglich benutzt, und es stand nicht im Schrank, sondern unterm Bett. – Ein Gefäß zu nicht ehrenvollem Gebrauch. Aber notwendig, denn die Toilette war außerhalb der Wohnung.
Hat nicht ein Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen?
Du kannst es dir nicht aussuchen, ob du Nachttopf oder Sammeltasse bist. Aber einen Sinn hat dein Dasein so oder so; und was letztlich nützlicher ist, sei dahingestellt. Vielleicht bist du ja aber keins von beiden, sondern der Kaffeepott mit dem lustigen Smiley, der jeden Tag auf dem Schreibtisch steht. Die Welt braucht unterschiedliche Töpfe. Auch dich!

V.
Bin ich etwa ein Gefäß des Zorns?
Zorn ist Ausdruck von Liebe.
Mir liegt so viel an dir; darum bin ich sauer auf dich! Du bist mir so nahe, und darum konntest du mich so verletzen. Das macht mich zornig. Das sollst du spüren, das musst du wissen! Das darf nie wieder geschehen! Ich bin so enttäuscht, so wütend; ich könnte dich… Aber ich liebe dich!
Wärst du mir gleichgültig, dann wäre ich nicht zornig. Dann wäre ich ganz gelassen. Mach doch was du willst, ohne mich! Mir doch egal! – Aber du bist mir nicht gleichgültig! Du bist mir wertvoll, unendlich!
Und darum ertrage ich dich. Darum habe ich immer wieder Geduld mit dir. Darum lasse ich dich nicht ins Verderben laufen. Darum lasse ich dich überhaupt nicht. Mein Zorn hat ein Ende, aber meine Liebe nicht.
Du bist ein Gefäß meiner Liebe.

VI.
Gott ändert die Spielregeln. Weil er es kann. Weil er allmächtig ist. Und barmherzig.
Gott mischt die Karten neu. Er teilt aus. Nicht jeder bekommt dasselbe Blatt. Aber den Schwarzen Peter, den gibt er sich selbst.
Du bist nicht schuld. Ich nehme die Schuld auf mich. Du bist frei.

Ist das gerecht?
Ist das barmherzig?
Ich glaube, ja.
Ja, ich glaube.


VII. (Predigtlied)

1. Warum sollt ich mich denn grämen?
Hab ich doch Christus noch,
wer will mir den nehmen?
Wer will mir den Himmel rauben,
den mir schon Gottes Sohn
beigelegt im Glauben?

2. Nackend lag ich auf dem Boden,
da ich kam, da ich nahm
meinen ersten Odem;
nackend werd ich auch hinziehen,
wenn ich werd von der Erd
als ein Schatten fliehen.

3. Gut und Blut, Leib, Seel und Leben
ist nicht mein, Gott allein
ist es, der’s gegeben.
Will er’s wieder zu sich kehren,
nehm er’s hin; ich will ihn
dennoch fröhlich ehren.

4. Schickt er mir ein Kreuz zu tragen,
dringt herein Angst und Pein,
sollt ich drum verzagen?
Der es schickt, der wird es wenden;
er weiß wohl, wie er soll
all mein Unglück enden.

11. Herr, mein Hirt, Brunn aller Freuden,
du bist mein, ich bin dein,
niemand kann uns scheiden.
Ich bin dein, weil du dein Leben
und dein Blut mir zugut
in den Tod gegeben;

12. du bist mein, weil ich dich fasse
und dich nicht, o mein Licht,
aus dem Herzen lasse.
Lass mich, lass mich hingelangen,
da du mich und ich dich
leiblich werd umfangen.


Text: Paul Gerhardt 1653

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Sonntag, dem 16. Februar 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

Im Anfang war das Wort. – Gottes Wort; sein gutes Wort. Dann kamen unsere Worte, viele Worte, gute und schlechte. Gott möchte aber auch immer wieder zu Wort kommen – gerade auch, um unsere schlechten Worte wieder gut zu machen.

Gott redet auf mancherlei Weise.

Er redet zu uns durch seine Schöpfung. Darum sagen auch viele: Ich brauche keinen Gottesdienst; ich gehe in die Natur, in den Wald, in die Berge, ans Meer – da bin ich Gott nahe, da redet er durch seine Schöpfung. – Ja, das tut er. Staunen, Ergriffenheit, Anbetung können mich erfüllen, wenn ich die Wunder und Schönheit der Schöpfung betrachte, und mich mittendrin.

Gott redet zu uns auch durch manche Ereignisse in der Geschichte. Für mich und viele in meiner Generation und älter war die Revolution von 1989, der Fall der Mauer und die deutsche Wiedervereinigung ein Wunder Gottes mitten in unserer Zeit.

Gott redet zu uns manchmal durch Träume, Visionen, gute Gedanken und durch andere Menschen.

Und Gott redet zu uns durch die Bibel, die wir deshalb auch Gottes Wort nennen.

Vor allem aber – und darum drehen sich denn auch die Worte der Bibel – redet Gott durch Jesus Christus. Im Anfang war das Wort … und das Wort wurde Fleisch, heißt es weiter. Damit ist Jesus Christus gemeint. Er hat es auf einmalige Weise gesagt und gelebt, wer Gott für uns ist. Bei ihm haben Wort und Tat absolut übereingestimmt. Darum wurden seine Worte und Taten weitererzählt, aufgeschrieben und bis heute immer neu ausgelegt. Im Islam zum Beispiel ist Gottes Wort Buch geworden, Buchstabe, dem man gehorchen muss. Im christlichen Verständnis ist Gottes Wort Mensch geworden, es lebt mit uns und in uns. Wir hören es auf mancherlei Weise, am deutlichsten aber, wenn wir auf Jesus Christus hören.

Als christliche Kirche sind wir dafür da, dass Gottes Wort auch heute gehört und verstanden wird.

Samstag, 15. Februar 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Sonnabend, dem 15. Februar 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

Worte können viel bewirken: Viel Gutes und viel Schlechtes. Darüber war in den letzten Tagen an dieser Stelle immer wieder die Rede.

Zu den Worten, die Gutes bewirken, gehören auf jeden Fall die, die wir bei einem anderen für jemanden einlegen. Das ist eine Form von Zusammenhalt und Solidarität. Ich verwende mich für einen anderen. Ich lege ein gutes Wort für ihn ein. Vielleicht weil meine Worte Gewicht haben beim Chef, weil er auf mich hört.

„Leg mal ein gutes Wort für mich ein bei dem da oben!“, bin ich schon gebeten worden. Ist ja klar: Viele meinen, als Pfarrer hätte ich einen besonders guten Draht zum ganz großen Chef, und wenn ich da ein gutes Wort einlege, dann bewirkt das mehr, als wenn er nur selber zu Gott betet.

Wenn katholische Christen die Heiligen um Fürsprache anrufen, dann ist das übrigens genau dasselbe. Sie bitten ihren Heiligen darum, ein gutes Wort bei Gott einzulegen, weil die Heiligen sich doch besonders gut mit ihm stehen.

Nach evangelischem Verständnis sind wir alle Heilige – auch wenn wir zugleich noch Sünder sind –, Gott schätzt jeden von uns, und so findet auch jeder ein offenes Ohr bei ihm. Wir können uns persönlich an Gott wenden – ohne Umweg über den Pfarrer oder die Heiligen.

Und trotzdem ist es gut, wenn wir uns gegenseitig dabei unterstützen. Wenn der eine für den anderen ein gutes Wort einlegt bei dem da oben.

Wir beten, und wir beten nicht nur für uns selber, sondern füreinander. Und wir glauben ganz fest, dass unsere Worte, die wir an Gott richten, etwas bewirken. Denn er kann und will ja das Beste für uns tun.
Darum bin ich ganz sicher: Die Worte, die wir an Gott richten, können nur Gutes bewirken. Selbst wenn wir Gott das Schlechte sagen, das, was uns belastet, worüber wir uns ärgern – er macht alles gut. Und wenn wir Gutes erbitten für uns und andere, dann werden wir erst recht Gutes von ihm empfangen. Gottes Antwort auf die Worte, die wir ihm sagen, ist immer Segen; und Segen heißt – ich habe es dieser Tage schon mal gesagt – gut sprechen: Gott spricht gut zu uns, und er spricht gut über uns.

Beten, unsere Worte an Gott zu richten – das ist kein Monolog. Gott antwortet. Und seine Antwort hören wir, wenn wir auf das achten, was gut ist. Da ist sein Segen.

Freitag, 14. Februar 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Freitag, dem 14. Februar 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

manchmal ist es besser, einfach nur die Klappe zu halten. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Sie kennen das Sprichwort. Mit Worten können wir so viel Schaden anrichten, davon habe ich gestern schon gesprochen. Schon manchem hat seine große Klappe hinterher leid getan. Aber die Worte waren nicht mehr zurückzuholen, der Schaden nicht mehr gut zu machen, das Verhältnis zu einem anderen Menschen zerstört oder auch der eigene Ruf ruiniert. Man sollte seine Zunge im Zaum halten, sagen wir manchmal.

Dieser Ausdruck – die Zunge im Zaum halten – kommt aus der Bibel, genauer gesagt aus dem Jakobus-Brief im Neuen Testament: Wenn jemand meint, er diene Gott, aber seine Zunge nicht im Zaum hält, der betrügt sich selbst, und sein Gottesdienst ist wertlos (Jakobus 1, 26). Und dann greift dieser Jakobus das Thema noch mal auf (Jakobus 3, 1-12) und erklärt das Bild: Man legt Pferden den Zaum ins Maul, um sie damit zu lenken. Ein wenig ziehen am Zaum, und das Pferd folgt uns. So können und sollen wir unsere Zunge steuern. – Aber ist das so einfach?

Jakobus gebraucht weitere Bilder: Ein Schiff wird mit einem kleinen Ruder gelenkt. Es braucht nicht viel, um die Richtung zu bestimmen, aber viel Geschicklichkeit, um wirklich genau dorthin zu segeln, wo das Schiff hin soll. – Ein falscher Ruderausschlag und das Schiff läuft auf Grund. Ein falscher Zungenschlag und wir haben alles verdorben.

Ein weiteres Bild malt es noch drastischer vor Augen: Ein kleines Feuer kann einen ganzen Wald anzünden. Nun, das haben wir hier auf unseren Inseln schon erlebt. Vielleicht aber auch das, was mit diesem Vergleich gemeint ist: Wie ein falsches Wort eine Katastrophe ausgelöst hat.

Die Zunge ist – so Jakobus weiter – ein unruhiges Übel voll tödlichen Gifts.
Darum: Wer sich im Wort nicht verfehlt, der ist ein vollkommener Mensch.

Nun, vollkommen sind wir alle nicht. Aber wenn es uns gelingt, unsere Zunge im Zaum zu halten, dann sind wir auf einem guten Weg dahin.

Donnerstag, 13. Februar 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Donnerstag, dem 13. Februar 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

unter den Zehn Geboten gibt es eines, das dazu etwas sagt, was wir mit unseren Worten anstellen. Das Gebot heißt: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Manche vereinfachen es so: Du sollst kein falsches Zeug reden. Also: Du sollst nicht lügen.

Im eigentlichen Sinn geht es darum, was Menschen vor Gericht und vor Behörden aussagen. Wenn ich als Zeuge geladen bin und ich sage die Unwahrheit, weil ich jemanden schützen will oder – schlimmer noch – weil ich jemandem schaden will, dann ist das ein falsches Zeugnis. Das ist auch bei uns strafrechtlich verboten: Für Falschaussagen unter Eid – Meineid – oder auch für uneidliche Falschaussagen vor Gericht kann man bestraft werden.

Es ist gut, dass wir dieses Gebot nicht nur auf diese besondere Situation beschränken, sondern es so verstehen, dass wir überhaupt nicht falsch über unseren Mitmenschen reden sollen. Denn Worte bewirken etwas. Ein böses Gerücht kann die Existenz eines Menschen zerstören, zumindest aber sein Ansehen.

Man kann dieses Gebot sogar noch weiter fassen: Nicht nur nicht falsch reden, sondern nicht schlecht reden. Selbst wenn ich weiß, dass das böse Gerücht stimmt, dann muss ich es nicht weiter verbreiten, denn ich schade dem anderen damit.

Vielleicht kennen Sie die Geschichte von den drei Sieben des Sokrates: Zu dem kam einer und wollte ihm unbedingt das neueste Gerücht erzählen: Hast du schon gehört von…? – Aber Sokrates unterbrach ihn und fragte, ob er denn überhaupt wisse, ob das wahr sei, was er da erzählen wollte. – Nein, er wusste es nicht. Und dann fragte Sokrates, ob es denn wenigstens etwas Gutes sei. – Nein, eher etwas Schlechtes. Und schließlich, ob es denn notwendig sei, dass er davon wisse. – Nein, notwendig sei es auch nicht. – Dann behalte es für dich, sagte Sokrates.

Auch bei dem, was wir so über andere erzählen, wäre es oft gut, wir würden es erst durch diese drei Siebe gehen lassen: Ist es wahr? Ist es gut? Ist es notwendig? – Wenn wir diese drei Fragen mit Ja beantworten können, dann mögen wir es getrost erzählen; ansonsten ist es besser, zu schweigen.

Mittwoch, 12. Februar 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Mittwoch, dem 12. Februar 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

Worte sind wirksam. Worte wie Bitte und Danke, Worte wie „Ich liebe dich“ oder „Du Ar... -mleuchter“, lösen etwas in uns aus. Worte sind immer mehr als nur Informationen. Sie machen etwas mit uns. Sie können uns verärgern, sie können unser Miteinander belasten und zerstören.

Wer kennt sie nicht – Menschen, die gar nicht mehr miteinander reden, weil einmal ein falsches Wort gefallen ist? Eine Lüge, ein Vorwurf, ein böses Gerücht, ein Missverständnis…

Und wer hat es schon erlebt, dass ein Wort wie „Verzeihung!“, „Vergib mir!“ oder „Tut mir leid.“ das Verhältnis zwischen Menschen wieder in Ordnung gebracht hat? – Freilich, Fehler einzugestehen auf der einen Seite, oder eine Entschuldigung anzunehmen auf der anderen Seite, kann viel schwieriger sein als den Fehler zu machen. Porzellan zu zerschmeißen ist immer einfacher, als es wieder zusammenzukitten, und selbst wenn das gelingt, wird man die alten Sprünge und verklebten Risse immer noch sehen.

Der Monatsspruch für diesen Februar erinnert uns daran, wie wichtig es ist, Gutes zu reden und nicht Schlechtes: Redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören. (Eph 4,29)

Redet, was gut ist. – Und dann folgt noch ein biblischer Spezialausdruck für Gutes reden. Dieser Spezialausdruck heißt Segen. Segen ist ein Wort, das Gutes bewirkt. Ein Brautpaar etwa erbittet Gottes Segen; dieses Wort, das ich ihm mit Auflegung der Hände zuspreche, soll Gutes bewirken. Wenn ich jemandem Gottes Segen zum Geburtstag wünsche, dann soll das auch Gutes bewirken in seinem Leben.
Im Spanischen heißt das Wort für Segnen wörtlich „gut sprechen“ – bendecir; in vielen anderen Sprachen ist das genau so.

So sollen unsere Worte sein: Sie sollen Gutes bewirken, und ein Segen sein.

Dienstag, 11. Februar 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Dienstag, dem 11. Februar 2014

Guten Morgen liebe Hörer,

Im Anfang war das Wort. So beginnt bekanntlich das Johannesevangelium im Neuen Testament.

Wahrscheinlich hat Johannes an den Anfang der Bibel gedacht, wo vom Anfang der Welt erzählt wird: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde… und Gott sprach… Zehnmal heißt es in der Schöpfungsgeschichte: Und Gott sprach… – Also: Durch Gottes Wort ist die Welt geworden.

Ich weiß: die gute alte Schöpfungsgeschichte ist für manche geradezu ein Inbegriff dafür, wie dumm und zurückgeblieben die Christen doch sind: Urknall und Evolution haben die naiven Vorstellungen von einem Gott, der in sieben Tagen die Welt erschaffen hat, doch schon lange ersetzt!

Ich sehe das anders: Urknall und Evolution haben unser Wissen von der Entstehung der Welt und des Lebens vorangebracht und ergänzt. Das, was die Bibel uns dazu sagt, können diese wissenschaftlichen Theorien jedoch nicht ersetzen. Denn: Warum gibt es denn überhaupt etwas und nicht nichts? Wie konnte aus toter Materie Leben entstehen? Wie können Lebewesen über sich selber nachdenken und sogar an Gott glauben, den es nach Meinung anderer Lebewesen gar nicht gibt? Und wieso ist die Welt gerade so eingerichtet, dass diese denkenden und glaubenden Wesen so gut in ihr leben können? – Das sind Fragen, die sich wissenschaftlich gar nicht beantworten lassen.

Die Bibel sagt: Weil Gott gesprochen hat. Sein Wort schafft eine Wirklichkeit. Sein Wort schafft Sinn. Sein Wort hat Kraft. Sein Wort ist Tat. – Hinter allem, was ist, steht der, der alles schafft – mit der Kraft seines Wortes. Sein Wort gibt allem seinen Sinn, seine Ordnung, seine Vollkommenheit.

Auf diese Weise könnten, sollten wir das alte Wort der Bibel neu verstehen lernen: nicht als Ersatz für eine wissenschaftliche Welterklärung, sondern als Hinweis auf den, der alles, was ist, ins Leben gerufen hat, auch Sie und mich. Er sagt uns, dass unsere Existenz mehr ist als ein Zufall und eine Laune der Natur. Wir sind von Gott gewollt.

Montag, 10. Februar 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Montag, dem 10. Februar 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

Im Anfang war das Wort. So beginnt bekanntlich das Johannesevangelium im Neuen Testament.

Vielleicht erinnern sich manche von Ihnen an Goethes Faust, der sich daran macht, diesen Satz zu übersetzen und schnell darüber ins Schlingern gerät: Ich kann das Wort so hoch nicht schätzen; ich muss es anders übersetzen. – Vielleicht doch lieber: Im Anfang war der Sinn oder Im Anfang war die Kraft? Schließlich schreibt er: Im Anfang war die Tat.

Goethe, der Meister der Worte, hat in dieser Szene eingefangen, was der Geist seiner Zeit war und vielleicht auch noch unser Zeit ist: Worte zählen nicht, auf Taten kommt es an. Schon ganz zu Beginn des Stücks hieß es ja: Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen! Und auch wir sind manchmal der vielen Worte leid, wenn ihnen keine Taten folgen.

Um Worte vor allem, soll es in den Zündfunken dieser Woche gehen. Die Bibel jedenfalls hält das Wort für grundlegend: Im Anfang war das Wort. Die Bibel selber besteht ja auch aus ganz vielen Worten, und Christen sind überzeugt: Das ist Gottes Wort. Meine Arbeit als Pfarrer besteht auch zum allergrößten Teil aus Worten – die ich sage, lese, schreibe, auslege. Und auch diese kleine Morgenandacht ist ja nichts weiter als eine Ansammlung von Worten. Wenn ich der Meinung wäre, dass Worte nichts bewirken, könnte ich das gleich sein lassen.

Genau genommen sind Wort und Tat keine Gegensätze. Worte sind auch Taten, sie bewirken etwas. Denken wir an die Worte eines Gesetzes: Sie bewirken, dass alle – oder fast alle – sich daran halten. Denken wir an die Worte eines Richters: Sie entscheiden, wem etwas gehört, wer etwas tun darf oder unterlassen muss, wer bestraft wird und wer frei gesprochen wird. Und denken wir auch an die Worte, die wir so tagein tagaus hören. Was kann doch ein Wort wie „Du Rindvieh!“ in uns auslösen, oder aber auch „Du bist ein Schatz!“ Und denken wir daran, wie es unsere Einstellung verändern kann, wenn wir über jemanden etwas Schlechtes gehört haben – oder etwas Gutes. – Worte bewirken etwas. Worte sind Taten.

Unterschätzen wir nicht die Macht der Worte!