Sonntag, 26. März 2017

Predigt am 26. März 2017 (Gemeindefest. Abschiedsfest)

Ein jegliches hat seine Zeit,
und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit;
pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit;
töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit;
abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit;
weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit;
klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit;
Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit;
herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit;
suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit;
behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;
zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit;
schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit;
lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit;
Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.


Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon.
Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen.
Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben.
Denn ein jeder Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.
Ich merkte, dass alles, was Gott tut, das besteht für ewig; man kann nichts dazutun noch wegtun. Das alles tut Gott, dass man sich vor ihm fürchten soll.
Was geschieht, das ist schon längst gewesen, und was sein wird, ist auch schon längst gewesen; und Gott holt wieder hervor, was vergangen ist.
Kohelet (Prediger) 3, 1-15

*

Die Uhr
Zeit:
Die Uhr gibt den Sekundentakt.
Tick tick tick tick.
Eine Sekunde ist wie die andere.
Der gleiche Tick.
Die gleiche Länge.
Die gleiche Zeit:
Das 9.192.631.770-Fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung.“ (Wikipedia)
Kann man sich kaum merken, geschweige denn verstehen.
Ist aber exakt.
Eigentlich der 86.400ste Teil eines durchschnittlichen Sonnentages.
Das ist einfacher zu verstehen: 24 Stunden mal 60 Minuten mal 60 Sekunden gleich 86.400.
Und erstaunlich:
Ein ruhig schlagendes menschliches Herz hat fast den gleichen Rhythmus:
60 Schläge pro Minute:
Bumm bumm bumm bumm.
Tick tick tick tick.
Eine Sekunde ist wie die andere.
Für das Cäsium-Atom.
Und für all die Prozesse, in der Natur, die wir messen und berechnen können.
Ein Herzschlag ist nicht wie der andere.
Manchmal schlägt es schneller, das Herz:
70, 80, 90 Schläge.
Wenn du aktiv bist, wanderst, Sport machst, arbeitest, sind es 120 oder mehr.
Doppeltes Tempo:
Bumm bumm bumm bumm.
Irgendwann hört es auf zu schlagen.
Die Uhr tickt weiter. Das Cäsium-Atom sowieso. Dein Herz bleibt stehen.
6 Jahre, 1 Monat und 12 Tage.
So lange waren wir, Andrea und ich, jetzt auf Teneriffa.
Mit kleinen Pausen, versteht sich.
6 Jahre, 1 Monat und 12 Tage – 192.845.000 Sekunden. Ungefähr genau.Tick tick tick.
Keine Sekunde wie die andere.
Und noch mehr Herzschläge.
Denn ruhig war es nicht immer, unser Herz.
Wir waren aktiv, bei der Arbeit, auch beim Wandern oder Schwimmen.
Und im ersten Jahr hatte dieses Herz sogar ein paar Probleme, sich dem neuen Rhythmus anzupassen.
Die meiste Zeit hat es mit euch geschlagen und für euch.
Die Zeit ist vergangen.
Weil keine Sekunde wie die andere ist.
Weil kein Herzschlag wie der andere ist.
Ein jegliches hat seine Zeit.
*
Der Kalender
Der Evangelische Kirchenkalender 2017.
Der Evangelische Kirchenkalender 2016.
Der Evangelische Kirchenkalender 2015.
Es gab auch die von 2014, 2013, 2012 und 2011.
Die habe ich zwischenzeitlich schon entsorgt.
Der Kalender gibt den Jahrestakt, den Wochentakt.
Kein Jahr ist wie das andere, keine Woche wie die andere.
Der Kalender hilft mir, mich zurechtzufinden im Lauf der Zeit.
Ohne Kalender geht es nicht.
Ohne Terminkalender, der mir sagt, wann ich wo sein muss.
Wann was zu tun ist.
Wann was dran ist.
In früheren Jahren haben sich die Seiten gefüllt.
Fast jeden Tag stand was drin.
Inzwischen mache ich das elektronisch.
Aber der elektronische Kalender ist genauso gefüllt und meldet sich fast jeden Tag mit Erinnerungen an die Termine.
Gottesdienste und Besuche.
Wanderungen und Chorproben.
Taufen, Trauungen und Bestattungen – auch wenn das hier nicht so sehr viele waren.
Bibelstunden und Spielerunden.
Sitzungen, Besprechungen und Zahlungsfristen.
Aufnahmetermine für Rundfunkandachten, Abgabetermine für Zeitungsartikel.
Abfahrtzeiten der Fähre nach Gomera, fast jeden Monat.
Und ganze Tage, die reserviert waren für: Gemeindefest.
17 mal.
Heute das 18.
Und letzte für uns.
Ein jegliches hat seine Zeit.
Im Terminkalender.
Oder aber auch nicht.
Weil manches ganz unabhängig vom Kalender einfach mal dran ist:
Zeit zu haben und zuzuhören.
Da zu sein, wenn jemand ein Problem hat, in Not ist, Hilfe braucht.
Oder auch beim Sonnenuntergang mit einem Bier im Bora Bora zu sitzen.
Langsam kommen Termine in meinen Kalender, die sonst nicht dran sind.
Vorstellungsreise nach Sachsen.
Und bald auch Termine für die Umzugsfirma.
Und schließlich für den Rückflug.
Ein jegliches hat seine Zeit.
Mein Kalender für 2018 wird sehr anders aussehen als der für 2016.
Wenn es klappt, wird dann wohl mal eine Woche reserviert sein für einen Besuchstermin auf Teneriffa.
*
Die Bibel
Das Buch der Bücher.
Sie ist keine Uhr, die uns die Zeit ansagt.
Kein Kalender, der uns Termine nennt, Tag und Stunde.
Wo sie so verstanden wurde, war das ein Missverständnis.
Die Bibel ist ein Buch über die Zeit.
Über alte Zeiten natürlich vor allem.
Über gute Zeiten und über böse Zeiten.
Die gab es immer, die wird es immer geben, bis ans Ende der Zeit.
Geborenwerden und Sterben.
Töten und Heilen.
Weinen und Lachen.
Klagen und Tanzen.
Schweigen und Reden.
Lieben und Hassen.
Willkommen und Abschied.
Ein jegliches hat seine Zeit.
Und das immer wieder.
Was geschieht, das ist schon längst gewesen.
Darum lesen wir in den Worten aus alten Zeiten immer wieder neu, was auch zu unseren Zeiten gilt.
Die Bibel ist ein Buch über den Menschen, der nicht heraus kann aus der Zeit.
Aus dem Nacheinander der Sekunden und Herzschläge, der guten und der bösen Zeiten, des Kommens und des Gehens.
Und die Bibel ist ein Buch über Gott.
Der da und dort, in guten und in bösen Zeiten sich zeigt.
Zu den Menschen spricht.
Ihnen sagt, was gut ist und was böse.
Und ihnen Mut macht bei all ihren Mühen.
Die Bibel ist ein Buch über die Ewigkeit.
Ewigkeit ist mehr als Zeit.
Gotteszeit.
Vor aller Zeit, nach aller Zeit, in aller Zeit ist Gotteszeit.
Ewigkeit.
Daran erinnert uns die Bibel.
Und darum ist sie mir so kostbar.
Mein Kalender erinnert mich täglich an meine Termine.
Meine Uhr tickt die Sekunden weg, und hunderte Mal am Tag schaue ich darauf.
Meine Bibel erinnert mich daran, dass es noch mehr gibt, auch wenn ich nicht so oft hineinschaue wie in meinen Kalender oder auf meine Uhr.
Hätte ich bei euch nur mit Uhr und Kalender gelebt, es wäre nicht das gewesen, was es war und was es sein sollte.
Ich habe mit der Bibel bei euch gelebt.
Sie für euch ausgelegt und mit euch geteilt.
Und zu leben versucht, was sie uns fürs Leben sagt.
Mit der Bibel bei euch war es für mich erfüllte Zeit, geschenkte Zeit, Gotteszeit.
Ein Stück Ewigkeit inmitten der Zeit.
Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube für viele von euch war es manchmal auch so:
Ein Stück Ewigkeit inmitten der Zeit.
Und wisst ihr, die Ewigkeit, das ist das, was bleibt.
Ja, ich bin dankbar, wir sind dankbar für die wunderbare Zeit auf dieser wunderbaren Insel mit euch wunderbaren Menschen!