Sonntag, 24. November 2013

Predigt am 24. November 2013 (Letzter Sontnag des Kirchenjahres – Ewigkeitssonntag)

Neufassung einer Predigt von 2007

Jesus sprach zu seinen Jüngern: „Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.
Seht euch vor, wachet! denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. Wie bei einem Menschen, der über Land zog und verließ sein Haus und gab seinen Knechten Vollmacht, einem jeden seine Arbeit, und gebot dem Türhüter, er solle wachen: so wacht nun; denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder am Morgen, damit er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt. Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!“
Markus 13, 31-37


Liebe Gemeinde,
ich möchte mit einer Meldung beginnen, und zwar aus der unbhängigen Internet-Zeitschrift „Der Postillon“:
Eine aktuelle Studie der medizinischen Fakultät der Universität Freiburg sorgt derzeit für Angst und Schrecken. Denn wenn die Berechnungen der Wissenschaftler korrekt sind, dann werden alle derzeit lebenden sieben Milliarden Menschen früher oder später sterben – und zwar ausnahmslos und an den verschiedensten Todesarten! [...] Zu dieser schrecklichen Erkenntnis ist der Mediziner Professor Hartmut Wichnowski gekommen, nachdem er jahrelang Geburten- und Sterberegister aus aller Welt ausgewertet hatte. Usw.
Nun, „Der Postillon“ ist die wahrscheinlich beste Satire-Seite im deutschsprachigen Internet. Und Selbstverständlichkeiten als Sensation hinzustellen, das gehört zu ihrem Handwerkszeug: Wir werden alle sterben! – Wie schrecklich!
Wir werden alle sterben! – Der Satz ist inzwischen so was wie ein Mem der Internet- und Popkultur geworden, ein Gedanke in vier Wörtern, der sehr oft zur Stelle ist, wenn irgendwo übertriebene Panik verbreitet wird: Wir werden alle sterben! – Der Satz ist eigentlich zu Hause in Katastrophenfilmen: Die Außerirdischen kommen, der Asteorid auf Kollisionskurs zur Erde, der unheilbare Supervirus, was auch immer: Wir werden alle sterben! – In diesem Filmgenre gibt es zum Glück immer auch einen Superhelden, der das Unglück abwendet: Wenigstens einige werden überleben. – Im übrigen ist dieses Skript sehr, sehr alt, es steht schon in der Bibel – dort unter der Überschrift „Die Sintflut“.
Wir werden alle sterben! – Ja, eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit. Und trotzdem klingt es wie eine schockierende Schreckensmeldung. Weil wir dieser Wahrheit nicht gerne ins Gesicht sehen. Weil wir so tun, als wären es immer nur ganz bestimmte tödliche Gefahren, denen wir entsprechend ausweichen können. Rauchen ist ganz schlimm: Raucher sterben früher. Oder später (Helmut Schmidt lebt immer noch). Ungesunde Ernährung, Schadstoffe in Hautcremes, Nanopartikel, Gentechnik, Handystrahlen, erhöhte Radioaktivität wegen Fukushima… – Entsetzlich, welchen Risiken wir ausgesetzt sind! Wir werden alle sterben! – Tatsächlich geht es, wenn überhaupt um Bruchteile von Risiken, die selber nur gering sind. Also, wenn ich z.B. ein Risiko von 2 % habe, an einem bestimmten Krebs zu sterben und dieses Risiko ist durch irgendwas um 5 % erhöht, dann habe ich am Ende ein Risiko von 2,1 %. Da kann ich entsetzt ausrufen: Wir werden alle sterben! – Aber das sollte ich eigentlich schon gewusst haben.
Eigentlich sollten wir uns weniger Gedanken darüber machen, wann wir sterben werden, sondern mehr Gedanken darüber, dass wir sterben werden. Denn das steht fest, auch wenn wir noch so gesund leben und alle Risiken meiden.
Mors certa, hora incerta, sagte schon der Lateiner. Der Tod ist gewiss, die Stunde ist ungewiss. So steht es auch an manchen Rathausuhren, zum Beispiel in Marienberg, wo ich früher mal Pfarrer war, oder in Leipzig.
Der Tod ist gewiss, die Stunde ist ungewiss. So ähnlich sagt es auch Jesus: Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand.
Heute denken wir gerade auch an die, denen in den letzten 12 Monaten ihre letzte Stunde geschlagen hat. Manche waren darunter, die wir gut kannten, die uns nahe standen, vielleicht sehr nahe standen. Bei einigen hatten wir es geahnt, und wir haben mit Unruhe und Ungewissheit dieser Stunde entgegengesehen. Bei anderen kam sie plötzlich, unerwartet, überraschend, vielleicht sogar unvorbereitet.
Dabei wussten wir es: Der Tod ist todsicher. Wir werden alle sterben. Aber so gewiss der Tod ist, so gerne trösten wir uns denn doch lieber der Ungewissheit seiner Stunde. Wir werden wohl noch etwas Zeit haben. Mich wird es schon nicht treffen. Und unsern kranken Nachbarn auch nicht gleich. Oder unseren nächsten Angehörigen. – So ist der Mensch. Vielleicht können wir ja im Alltag auch nicht viel anders leben. Das Mem Wir werden alle sterben markiert eben doch eher den Panik-Modus unserer Existenz. Aber ständig in panischer Todesangst leben, das würden wir nicht aushalten.
Einerseits. Andererseits kann uns oder den anderen der Tod eben doch schnell treffen, plötzlich, unvorbereitet. Und entgegen dem, was manche so sagen – ich wünsche mir und niemandem anderen einen plötzlichen unvorbereiteten Tod. In einem Gesangbuchlied heißt es entsprechend: Du wollest auch behüten mich gnädig diesen Tag und dann weiter auch vor bösem, schnellem Tod. Ich möchte, wenn es geht, vorbereitet sterben und bewusst.
Jesus sagt: Seid vorbereitet! Seid wach! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. Ihr wisst nicht, wann eure Stunde geschlagen hat.
Ich weiß, ich ziehe mir gerade einen Einwand zu, den mir fromme Bibelleser und neutestamentliche Fachtheologen in seltener Einmütigkeit entgegenhalten können: Jesus spricht hier gar nicht vom Sterben. Er sagt: Himmel und Erde werden vergehen. Jesus spricht vom Weltuntergang. – Und an den glauben wir nicht so richtig, jedenfalls nicht für morgen oder übermorgen. So schnell geht die Welt nicht unter! – Vor ein paar Jahren hatten wir noch gemeint, die Welt könnte per Knopfdruck in Moskau oder Washington zum Untergang gebracht werden. Wahrscheinlich ist es nicht ganz so einfach… Wir Menschen können wohl eine ganze Menge Mist machen auf dieser Erde, ohne dass davon gleich die Welt untergeht. Vielleicht wird sie ungemütlicher, aber das steht auf einem anderen Blatt. – Dennoch: Diese Welt ist nicht ewig. Sie ist einmal entstanden – oder geschaffen, sie wird einmal vergehen. Vielleicht durch eine kosmische Katastrophe, vielleicht in Milliarden von Jahren, wenn die Sonne verglüht, vielleicht ganz anders; wir wissen es nicht.
Die Katastrophenfilme, in denen der Satz Wir werden alle sterben zu Hause ist, handeln meistens vom Weltuntergang, der unmittelbar vor der Tür steht. Und: Von der Erlösung. Die Welt wird am Ende gerettet.
Genau genommen ist es aber egal, ob die Welt untergeht oder nur mein Leben. Wir werden alle sterben. In einer großen Katastrophe oder in vielen kleinen. Es ist egal, ob wir sterben, weil die Welt untergeht, oder ob für uns die Welt untergeht, weil wir sterben. Wann und wie der Weltuntergang stattfindet, das ist ungewiss, dass er für uns stattfindet, das ist gewiss, todsicher.
Jesus will uns eines sagen: Stellt euch auf das ein, was todsicher kommt! Stellt euch auf das Ende ein! Ihr wisst nicht, wann es kommt, ihr wisst nicht, wie es kommt, aber ihr wisst, dass es kommt. Leben heißt: bereit werden zu sterben. Denn Himmel und Erde und werden vergehen. Das ist gewiss.
Das Wichtigste aber ist: Jesus stellt dieser Gewissheit des Vergehens eine ganz andere Gewissheit entgegen: eine Gewissheit des Bestehens. Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen.
In den Katastrophenfilmen vom möglichen Weltuntergang gibt es immer einen Erlöser. Einen der die Rettung weiß, der sagt: „Hört auf mich, dann wird alles gut! Dann werdet ihr leben!“ Und dieser Erlöser setzt selber sein Leben dafür ein, dass die Welt im allerletzten Moment doch noch gerettet wird.
Dass wir alle sterben müssen, ist keine Fiktion. Dass es einen Erlöser gibt, auch nicht. Jesus sagt: „Hört auf mich, dann wird alles gut! Dann werdet ihr leben!“ Und er setzt sein Leben dafür ein, gibt sein Leben dafür hin, dass die Welt gerettet wird.
Der Satz Wir werden alle sterben wird dadurch nicht aufgehoben. So wenig, wie er für die aufgehoben wird, die an der großen Katastrophe im Film vorbeigeschrammt sind. Irgendwann werden sie sterben, auch die, die überlebt haben. Irgendwann werden wir sterben, auch wenn wir von Christus gerettet sind. Vielleicht schon bald; die Stunde ist ungewiss, der Tod ist gewiss.
Ja, der Tod ist gewiss, aber das Leben ist es noch mehr. Jesu unvergängliche Worte sagen es uns.
Jesus Christus spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt (Johannes 11, 25).
Darum: Seid bereit – nicht nur zum Sterben! Seid bereit – zum Leben!

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Sonntag, dem 24. November 2013

Guten Morgen, liebe Hörer,

heute ist Ewigkeitssonntag. Allerdings hat sich diese theologisch korrekte Sprachregelung nie wirklich durchgesetzt. Heute ist Totensonntag. Gedenktag der Entschlafenen. In unserer Heimat gehen viele auf die Friedhöfe. Denken an ihre Verstorbenen, weinen um die, die erst vor kurzem von ihnen gegangen sind. In den Kirchen werden ihre Namen verlesen, wird für sie und ihre Angehörigen gebetet. Und wir beten auch für uns selbst: Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden! – So heißt es in einem Psalm (Psalm 90, 12).

Ich finde das sehr wichtig: Dass wir unserer Verstorbenen gedenken. Sie gehören zu uns. Sie haben unser Leben begleitet und geprägt. Sie verbinden uns mit der Vergangenheit, aus der wir kommen, in der wir verwurzelt sind. Wir wollen sie nicht vergessen. Es werden ja immer mehr.

Ich finde das sehr wichtig: Dass wir unsere eigene Endlichkeit bedenken, die Begrenztheit unseres Lebens. Wer bedenkt, dass er sterben muss, dass seine Zeit auf Erden ein Ende hat, der wird bewusster leben, wohl auch dankbarer.

Ich finde es aber auch wichtig, dass wir mit unseren Gedanken an diesem Tag nicht stehen bleiben bei dem Leben vor dem Tod. In der Kirche ist heute eben nicht nur Totensonntag, Gedenktag der Entschlafenen, sondern auch Ewigkeitssonntag.

Ewigkeit heißt: Es gibt kein Ende ohne Anfang.
Wenn unser zeitliches Leben endet, beginnt das ewige Leben.
Wenn unsere Welt aufhört zu existieren, beginnt Gottes neue Welt.
Wenn wir mit unseren Möglichkeiten am Ende sind, beginnt Gottes Wirklichkeit.

Im Psalmgebet für diesen Sonntag heißt es: Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben (Psalm 126, 5.6).

Möge die Freude, die von Gott kommt, unsere Trauer überstrahlen.

Ich wünsche Ihnen einen guten Sonntag!

Samstag, 23. November 2013

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Samstag, dem 23. November 2013

Guten Morgen, liebe Hörer!

Was kommt nach dem Tod? – Jeder Mensch stellt sich irgendwann diese Frage. Der Schweizer Dichter und Theologe Kurt Marti hat in einem Gedicht versucht, Antwort zu geben auf diese Frage:


was kommt nach dem tod?
nach dem tod
kommen die rechnungen
für sarg begräbnis und grab
was kommt nach dem tod?
nach dem tod
kommen die wohnungssucher
und fragen ob die wohnung erhältlich
was kommt nach dem tod?
nach dem tod
kommen die grabsteingeschäfte
und bewerben sich um den auftrag
was kommt nach dem tod?
nach dem tod
kommt die lebensversicherung
und zahlt die versicherungssumme
was kommt nach dem tod?


Merkwürdig. Lauter richtige Antworten. Aber nicht die, die wir hören wollen, nicht die, die uns eigentlich interessieren. Was für die Hinterbliebenen kommt nach dem Tod, das wissen wir. Aber was kommt für den Verstorbenen? Was kommt für uns, wenn wir gestorben sind?

Seit Jahrtausenden versuchen Menschen hinter den Vorhang des Todes zu schauen. Philosophen haben zu beweisen versucht, dass der Mensch eine unsterbliche Seele haben müsste. Aber wo ist sie, was tut sie, wenn wir gestorben sind?

Erlebnisberichte von Menschen, die an der Grenze des Todes standen, werden immer wieder erzählt und verbreitet. Wie sie ihren Körper verlassen haben, wie sie durch einen Tunnel ins Licht gingen, wie ihnen nahe stehende Verstorbene begegnet sind, wie Engel, Heilige oder Jesus ihnen begegneten und wie sie dann doch wieder zurückkehrten in ihren Körper und in dieses Leben. – Nahtod-Erfahrungen nennt man das, und es wird darüber gestritten, ob diese Erfahrungen real sind oder traumähnliche Reaktionen des Gehirns kurz vor dem Tod. Auch wer dem Tod nahe war, weiß nicht, was nach dem Tod kommt.

Wir glauben an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben, sagen wir Christen. Und wir sagen es, weil wir einen kennen, der tatsächlich gestorben ist und doch lebt: Jesus Christus.

Was kommt nach dem Tod? – Jedenfalls nicht nichts. Sondern das Leben.

Freitag, 22. November 2013

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Freitag, dem 22. November 2013

Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.

So, liebe Hörer, sagen wir es im christlichen Glaubensbekenntnis von Jesus Christus: Er wird wiederkommen und Gericht halten über Lebende und Tote.

Für viele ist das keine erfreuliche Vorstellung. Könnte ich vor Gottes Gericht bestehen? Habe ich seinen Ansprüchen genügt? Wird er mich frei sprechen? Oder muss ich für meine Sünden büßen? Und wenn ja, wie lange? Gibt es gar eine Hölle, in der ich schmoren werde?

Man kann diese Fragen alle wegdiskutieren. Tatsache ist: Jesus spricht davon, dass der, der seinen bedürftigen Mitmenschen missachtet, in Ewigkeit von Gott missachtet wird. Jesus spricht nicht ausdrücklich von der Hölle, aber davon, dass Menschen keinen Zugang zu Gott finden und draußen bleiben müssen, dort, wo Heulen und Zähneklappern ist. Das hat man als Hölle verstanden und beschrieben. Und das ist auch das Wesentliche an den Bildern von der Hölle: Für ewig von Gott getrennt sein.

Auf der anderen Seite wäre es aber auch keine erfreuliche Vorstellung, wenn Gottes Gericht nicht kommen würde. Denn das hieße doch: Unrecht und Verbrechen, gerade auch das, was auf dieser Erde nicht entdeckt und nicht geahndet worden ist, würde in Ewigkeit ungesühnt bleiben. Es hieße: Die Opfer müssten es ertragen, mit ihren Peinigern den Himmel zu teilen. – Wollen wir das wirklich? Oder hoffen wir nicht doch auf die Gerechtigkeit Gottes, der kein Leid und kein Unrecht vergisst, und der den Gepeinigten und Zukurzgekommenen letztlich Recht verschafft?

Wenn Jesus in der Bibel von Gottes Gericht redet und vor der ewigen Verdammnis warnt, dann hat das nichts mit sadistischen Fantasien oder mit Angstmache zu tun. Es hat damit zu tun, dass er uns gerade davor bewahren möchte. Keiner soll sagen, wir wären nicht gewarnt gewesen. Unser Leben und unsere Taten haben Konsequenzen bis in Ewigkeit.

Gott möchte uns zur Besinnung bringen, zum Nachdenken über unser Leben, zum Umdenken. Wir können auch sagen: Gott der Richter, will unserem Leben die richtige Richtung geben.

Wenn Jesus kommt, zu richten die Lebenden und die Toten, dann ist es sein größter Wunsch, uns nicht verurteilen zu müssen, sondern uns frei zu sprechen.

Donnerstag, 21. November 2013

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Donnerstag, dem 21. November 2013

Guten Morgen, liebe Hörer,

Jona, manche sagen auch Jonas, ist eine der bekanntesten Figuren der Bibel. Jona, der vor Gott Reißaus nahm, vom Walfisch verschluckt und wieder an Land gespuckt wurde und dann eben doch Gottes Auftrag ausführte.

Gottes Auftrag an Jona war: „Geh in die Großstadt Ninive und predige den Leuten, dass Gottes Strafgericht über sie kommen wird; 40 Tage noch!“ – Und nach all dem Ungemach im Bauch des Fisches geht Jona los und predigt, wie Gott es ihm aufgetragen hat.

Und dann geschieht das Unerwartete: Die Menschen von Ninive glauben seiner Predigt und tun Buße: Sie kommen zur Besinnung. Sie ändern ihr Leben. Sie bitten Gott um Gnade.

Und dann geschieht etwas noch Unerwarteteres, vor allem für Jona unerwartet: Gott kommt zur Besinnung. Er ändert seine Meinung und sagt das angekündigte Strafgericht ab.

Und dann heißt es in der Bibel: Das aber verdross Jona sehr und er ward zornig. – „Habe ich mir doch gleich gedacht, sagt er zu Gott, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist!“ Gott fragt: „Meinst du, dass du ein Recht hast, zornig zu sein?“ – Die Frage bleibt unbeantwortet.

Jona sucht sich einen Platz in einiger Entfernung von der Stadt und hofft immer noch, ihre Vernichtung miterleben zu können. Aber nichts dergleichen geschieht. Stattdessen wächst innerhalb weniger Stunden eine große Pflanze auf, eine Rhizinusstaude, die ihm Schatten spendet, und Jona freut sich. Am nächsten Morgen aber schon verdorrt die Pflanze und Jona ist wieder zornig: Ich möchte am liebsten sterben, sagt er. Und Gott fragt ihn wieder: „Meinst du, dass du ein Recht hast, zornig zu sein?“ – Und Jona antwortet: „Ja, ich habe alles Recht zornig zu sein.“ Und dann sagt Gott zu ihm: „Du klagst wegen so einer Pflanze, für die du nichts getan hast, die einfach da war und dann wieder eingegangen ist. Und mich sollte es nicht kümmern, wenn eine so große Stadt wie Ninive vernichtet würde mit all ihren Menschen und auch noch vielen Tieren?“

Die Geschichte von Jona endet mit diesen Worten. Die Moral, die ich darin finde heißt: Wenn Gott uns zur Besinnung ruft, zur Buße, dann nicht um uns zu verderben, sondern um uns zu retten. Bei Gott haben wir eine echte Chance.

Mittwoch, 20. November 2013

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Mittwoch, dem 20. November 2013

Guten Morgen, liebe Hörer,

der heutige Tag ist in einem deutschen Bundesland, nämlich in Sachsen, noch Feiertag. Es ist Buß- und Bettag. Und wahrscheinlich ist das außerhalb von Sachsen nur noch den wenigsten bewusst. Als man diesen Tag Mitte der 90-er Jahre aus dem deutschen Feiertagskalender strich, zugunsten der Pflegeversicherung, war sein eigentlicher Sinn ohnehin schon lange vergessen. Für viele war es ein Bus- und Bett-Tag geworden: Man machte eine Busreise zum Einkaufen ins benachbarte Ausland oder nutzte den freien Tag zum Ausschlafen.

Mit Buße und Beten hatte man nicht mehr so viel am Hut. Buße vor allem – das klingt sehr mittelalterlich, und auf jeden Fall unangenehm. Da wird uns eine Strafe angedroht: Das sollst du mir büßen! – Huch, lieber nicht! Und auf Bußgeldbescheide sind wir auch nicht scharf.

So eine Buße, die uns als Strafe auferlegt wird, hat aber zumindest einen Sinn: Sie soll uns zur Besinnung bringen, sie soll uns eine Lehre sein. Wenn ich einmal kräftig zahlen musste für zu schnelles Fahren, wenn ich dafür noch Punkte in Flensburg gesammelt habe, dann werde ich künftig genauer aufpassen, ob ich das noch mal mache.

Heißt christliche Buße nun: Gott bestraft uns, damit wir uns künftig mehr in seinem Sinn verhalten? Oder müssen wir aus göttlichen Erziehungsgründen irgendwelche Bußübungen leisten? – Nein, merkwürdigerweise nicht. Gott möchte uns zwar auch zur Besinnung bringen, so dass wir nach seinen Geboten, nach seinem Willen leben. Er möchte uns auch eine Lehre erteilen. Aber er geht davon aus, dass das auch ohne Strafe geht. – Zunächst. Er will uns die Strafe gerade ersparen.

Das Wort Buße kann man gut mit Besinnung übersetzen. Kommt zur Besinnung, Gott ist nahe. – So hat Jesus gepredigt.

Der Bußtag als arbeitsfreier Tag war mal dazu gedacht, dass wir zur Besinnung kommen und uns neu auf Gottes Willen ausrichten. Und auch wenn dieser Tag als Feiertag schon lange abgeschafft ist, vielleicht können wir uns ja auch so gelegentlich darauf besinnen, was gut ist und was verkehrt ist in unserem Leben. Das hieße: Buße tun, bevor wir für unsere Fehler büßen müssen.

Dienstag, 19. November 2013

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Dienstag, dem 19. November 2013

Guten Morgen, liebe Hörer,

gestern habe ich Sie mit Heinrich Heines Versen vom grauen Monat November begrüßt und am Ende von der Hoffnung auf das ewige Leben gesprochen. Wahrscheinlich wäre das dem guten alten Heine nicht recht gewesen. Denn nur wenige Zeilen weiter mokiert er sich über die Vertröstungs- und Entsagungslieder, das Eiapopeia vom Himmel. Und verkündet: Ein neues Lied, ein besseres Lied, / O Freunde, will ich euch dichten! / Wir wollen hier auf Erden schon / das Himmelreich errichten.

Inzwischen ist seine Botschaft angekommen. Die Menschheit versucht, es sich auf der Erde möglichst schon himmlisch gehen zu lassen. Und ist damit im Wesentlichen erfolgreich. Die Lebensqualität und das Wohlstandsniveau ist seit 1844, als Heine seine Verse veröffentlichte, in unvorstellbarem Maße gestiegen. Allein unser Leben hier im Inselparadies ist Zeugnis genug dafür. Tatsächlich geht es heute selbst den Ärmsten in fast jeder Hinsicht besser, als es damals den Reichsten ging: von der medizinischen Versorgung und der Lebenserwartung über die Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten, über die Mobilität bis hin zu Frieden, Freiheit und Sicherheit des Lebens: Wir leben fast wie im Paradies.

Für mich ist dabei immer wieder interessant und wichtig, dass das nicht der Erfolg von totalitären Zwangsmaßnahmen zur Menschheitsbeglückung war, sondern der Erfolg von freier Forschung und freier Wirtschaft. Aber das nur am Rande!


Dem Himmel auf Erden sind wir schon sehr nahe gekommen. Und doch bleibt da etwas Unerfülltes. Unser Himmel ist endlich. Er ist bedroht. Menschen werden älter, kränker, sterben. Auch im Inselparadies.

Wenn uns der Glaube Hoffnung macht auf noch mehr Himmel, auf den richtigen Himmel, auf Gottes Paradies, dann ist das mehr als Vertröstung. Ich bin überzeugt: Diese Hoffnung brauchen wir, und sie wird nicht sterben.

Montag, 18. November 2013

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Montag, dem 18. November 2013

Im traurigen Monat November war‘s, / Die Tage wurden trüber. / Der Wind riss von den Bäumen das Laub, / Da reist ich nach Deutschland hinüber.

So, liebe Hörer, dichtete Heinrich Heine einst. Viele von Ihnen haben den umgekehrten Weg eingeschlagen. Im traurigen Monat November sind Sie den trüben Tagen entflohen, haben Deutschland den Rücken gekehrt und sind wie die Zugvögel gen Süden geflogen.

Hier ist der November nicht trauriger als alle anderen Monate. Die Sonne wärmt immer noch. Trübe Tage sind selten. Herbst und Winter sind fern.

Der traurige Monat November in unserer mitteleuropäischen Heimat erinnert viele an Sterben und Tod. Katholische Christen gedenken am Monatsanfang ihrer Verstorbenen. Evangelische begehen den letzten Sonntag vor dem Advent als Totensonntag.

Herbst ist wie Sterben. Die Blätter werden von den Bäumen gerissen. Nebel und Frost legen sich auf das Land. Das Leben erstarrt und erstirbt. Dass wir dem entfliehen wollen, ist sehr verständlich, sehr menschlich.

Vor kurzem war ich in Deutschland. Weil ein Mensch gestorben war, im Herbst. Es war nicht schön. Der Herbst mit seiner Kühle, mit den kahlen Bäumen und der blassen Sonne war nicht schön. Und Abschiednehmen ist nicht schön. Sterbenmüssen ist nicht schön.

Ich bin froh wieder hier zu sein: im Licht, in der Wärme. So wie Sie.

Eines weiß ich aber: Ich kann wohl für eine Zeitlang dem Herbst und dem Winter entfliehen. Ich kann noch Sonne und Wärme genießen, wenn anderswo schon Kälte und Dunkel sind. Aber dem Herbst des Lebens, dem Abschiednehmen und Sterbenmüssen kann ich nicht entfliehen. Nicht auf Dauer.

Vielleicht können uns Sonne und Wärme hier aber auch daran erinnern, dass es trotz allem den ewigen Frühling gibt. Hoffnung. Neues Leben. Bei Gott.

Sonntag, 17. November 2013

Predigt am 17. November 2013 (Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres)

Liebe Schwestern und Brüder,
in Deutschland ist heute Volkstrauertag. Gedenktag für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Entstanden nach dem 1. Weltkrieg, als Tag der Trauer um die Kriegstoten. Umstilisiert zum Heldengedenktag von den Nazis. Nach 1945 wieder als Volkstrauertag begangen, nachdem der Toten so tausend- und millionenfach mehr geworden waren. Ein Tag, mit dem die politische Linke sich lange Zeit schwer getan hat, weil um Opfer getrauert wurde, die doch sehr oft auch Täter waren. Hatten wir Deutsche denn überhaupt ein Recht zu trauern, wo wir doch selbst das Leiden verursacht hatten? Hatte meine Oma überhaupt ein Recht zu trauern um ihren Mann, der aus Russland nicht zurückgekehrt war, wo er doch eigentlich gar nichts zu suchen hatte? – So wurde je länger je mehr nicht nur „unserer“ Kriegstoten gedacht, sondern aller Kriegstoten und der Opfer der Gewaltherrschaft, auch derer, die Widerstand geleistet haben, die sich nicht zu Mittätern machen lassen wollten. Es wurde ein Tag, der uns an unsere Verantwortung für Frieden und Freiheit gemahnte. Und mit dem sich doch nicht jeder identifizieren konnte, wenn die Bundeswehr Kränze niederlegte und gleichzeitig wieder deutsche Soldaten ihr Leben lassen mussten: in Afghanistan und anderswo.
Der Volkstrauertag liegt nahe am Totensonntag, wo wir ohnehin unserem Gedenken und unserer Trauer Raum geben. Und er liegt nahe am Buß- und Bettag, dem Tag der Besinnung: der Besinnung auf das, was verkehrt gewesen ist und immer noch verkehrt ist; dem Tag, an dem wir Schuld bedenken und bekennen. Und ich glaube, das ist ein richtiger und wichtiger Zusammenhang, in dem dieser Tag stehen sollte: dem Bedenken und Bekennen von Schuld. Dem Erinnern und Fragen: Was ist falsch gelaufen? – Und dem Weiterfragen: Was läuft womöglich heute falsch?
In diese unsere Besinnung hinein mag das Predigtwort des Propheten Jeremia sprechen. Hört die Worte aus Jeremia 8, die Verse 4 bis 7:
So spricht der HERR: „Wo ist jemand, wenn er fällt, der nicht gern wieder aufstünde? Wo ist jemand, wenn er irregeht, der nicht gern wieder zurechtkäme? Warum will denn dies Volk zu Jerusalem irregehen für und für? Sie halten so fest am falschen Gottesdienst, dass sie nicht umkehren wollen. Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden. Es gibt niemand, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: ‚Was habe ich doch getan!’ Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt. Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten ihre Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht des HERRN nicht wissen.“

Es gibt so etwas wie eine Eigendynamik von Schuld und Versagen. Ein Fehler zieht den anderen nach sich, und alles wird immer schlimmer. Auch so kann man die Geschichte der Weltkriege und der Diktaturen des 20. Jahrhunderts lesen.
In diesem Sommer hat das Buch eines australischen Historikers, Christopher Clark, Aufsehen erregt. Es heißt Die Schlafwandler und erzählt die Geschichte des 1. Weltkriegs. Seine These: Es gibt nicht den großen Bösewicht, der an allem schuld ist, sondern alle Beteiligten, alle politischen Akteure tappen wie Schlafwandler umher, folgen Sachzwängen, Bündnisverpflichtungen, politischem Kalkül und wachen auf in einer großen Katastrophe. Keiner hat es gewollt, und doch ist es so gekommen. Das heißt nicht: Es gibt keine Schuldigen, sondern es gibt viele Schuldige, viele Verantwortliche; das entlastet nicht, sondern das belastet doppelt. Weil es eine Geschichte von Verstrickung, Verhängnis und Irrtum ist, zugleich aber eben doch auch eine Geschichte von Schuld und Versagen. Eine Geschichte, die sich fortsetzt und weiterführt zur noch größeren Katastrophe des 2. Weltkrieges und der Massenmorde des 20. Jahrhunderts.
Ich habe dieses Buch nicht gelesen*. Aber ich habe in diesem Sommer ein anderes Buch gelesen. Ein noch umstritteneres: von Götz Aly „Warum die Deutschen? Warum die Juden?“ Götz Aly geht der Geschichte des Antisemitismus in Deutschland nach, die letztlich in der Massenvernichtung der Juden in Auschwitz und anderen Lagern gipfelt. Er zeigt, dass diese Geschichte eben nicht nur die Geschichte von wenigen geistigen Brandstiftern und barbarischen Nazi-Horden war, sondern eine Geschichte der Deutschen, zusammengesetzt aus vielen kleinen Bausteinen. Da waren die Urteile und Vorurteile über Juden, die aus dieser und jener Erfahrung erwuchsen und durch die politischen Bewegungen der Zeit verstärkt wurden. Da waren die sozialen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts, aus denen die Juden erfolgreich hervorgingen, häufig erfolgreicher als die christlich-deutsche Mehrheit, und das löste Neid und Missgunst aus. Da war das Bild vom gerissenen und raffgierigen Juden schon von alters her präsent, und es wurde immer wieder neu unterfüttert. Da kam der rassische Antisemitismus dazu. Und, ja, auch die Ergebnisse des 1. Weltkriegs, die als bittere und ungerechte Demütigung verstanden und erfahren wurden und für die das Judentum mitverantwortlich gemacht wurde. Und dann kamen die Nazis mit ihren Versprechen, und mit ihren Erfolgen, dafür nahm man auch ihre Judenfeindschaft in Kauf, oder man fand gleich die eigenen Vorurteile bestätigt. Und als es dann immer schlimmer wurde für die Juden, da war es irgendwie zu spät auszusteigen, aufzuhören, Halt zu sagen. Und dann kam das schlimme Erwachen. Keiner hatte das gewollt. Aber eben doch etwas: Dass der Jude mal was auf die Mütze bekam, dass rassisch Deutsche in Deutschland bevorzugt wurden, dass man vielleicht sogar günstig an Haus und Geschäft, Gut und Geld des Juden kam, das fanden die meisten doch ganz in Ordnung.
Das Verhängnisvolle und das Bedenkenswerte an unserer Geschichte ist wohl gerade das: Die vielen kleinen Schritte, die vielen für sich genommen unscheinbaren Faktoren, die sich letztlich summiert, multipliziert, potenziert haben zu einer riesengroßen Katastrophe und einer riesengroßen Schuld. Alle – oder fast alle – tun das Falsche; alle – oder fast alle – laufen in die verkehrte Richtung; und keiner sieht es, keiner will es wahrhaben. Alle sind sie schuldig geworden, alle sind sie Täter, aber keiner will es gewesen sein. Wenn am Ende ihre Schuld auf sie zurückgefallen ist, dann sind sie die Opfer ihrer eigenen Taten geworden.
Das Predigtwort des Propheten Jeremia ist eine Klage darüber, dass Menschen es nicht merken, wie sie in die Irre laufen, wie sie auf die Katastrophe zusteuern. Wie Schlafwandler stolpern sie durch die Geschichte und wachen erst auf, wenn es zu spät ist. Jeremia gebraucht ein anderes Bild: Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt. – Mit Scheuklappen, ohne rechts und links zu schauen, geradenwegs in den Untergang.
Wie lassen sich solche Katastrophen verhindern? – Vielleicht durch Innehalten, durch Gedenken, durch Besinnung. Eben nicht dahinstürmen, sondern anhalten und sich umschauen. Die Scheuklappen abnehmen. Und nicht einfach in dieselbe Richtung rennen, in der sie alle laufen.
Zur Besinnung kommen. Dazu gehört, dass wir an einem Tag wie heute nicht nur trauern. Nicht nur die Köpfe beugen, Kränze niederlegen und an die denken, die wir nicht mehr lebendig machen können. Dazu gehört auch, dass wir über uns nachdenken: Könnte es sein, ist es möglich, dass wir selber auf Wegen unterwegs sind, die ins Verderben führen? Dass auch wir Schritte tun, die für sich genommen nicht sonderlich schlimm zu sein scheinen, aber letztlich doch auf einen bösen Weg führen?
Mir fallen verschiedene Dinge ein, wo ich so meine Befürchtungen habe. Eines möchte ich heute nennen, weil es zu dem passt, worüber ich gesprochen habe: Ich sehe die Gefahr, dass wir zwar um die toten Juden von vor 70 oder 75 Jahren trauern, aber mit den lebenden Juden nicht viel besser umgehen als unsere Eltern und Großeltern damals. Wir sind entsetzt, wenn wir hören, wie wenig ernst sie damals Hitler genommen haben, mit seiner offenen Ankündigung, die Juden zu vernichten. Heute kündigen andere an, den Staat der Juden vernichten zu wollen, und wir strecken ihnen die Hände entgegen und sagen vielleicht: Israel ist selber schuld, dass keiner es leiden kann. So wie man damals gesagt hat: Die Juden sind selber schuld. Wir erklären den Staat der Juden zum Kriegstreiber, zum Apartheidstaat und was der Lügen mehr sind, anstatt das freieste und demokratischste Land des Nahen Ostens wenigstens mit unseren Worten in Schutz zu nehmen. Wenn man sich über die Finanzkrise unterhält, dann ist die Mär vom geldgierigen und alles beherrschende Judentum nie weit weg. Und wenn es um die internationale Politik geht, speziell die amerikanische, dann ist die Legende von der jüdischen Weltverschwörung nicht fern. In manchem Zungenschlag, den auch ich schon gehört habe, klingen die alten Vorurteile, Lügen und Verschwörungstheorien an. Der Jude ist an allem schuld; das glauben auch heute noch erschütternd viele. – Wenn wir heute so denken, dann führt das gewiss nicht unmittelbar in die Katastrophe. Aber je mehr so denken, um so leichter wird es für die, die auch entsprechend handeln.
Lasst uns doch gelegentlich innehalten und unser Denken, unser Handeln und unsere Vorurteile überprüfen. Damit wir nicht in die Irre gehen, sondern auf einen guten Weg geführt werden.
Lasst uns mit den Worten aus Psalm 139 bitten: Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine. Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege. Amen.

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* vgl. die Besprechungen in der FAZ, in der Welt und die weiterführenden Gedanken von Cora Stephan.