Sonntag, 31. Januar 2016

Predigt am 31. Januar 2016 (Sonntag Sexagesimä)

Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.
Hebräer 4, 12-13
*
Das Schwert ist wieder in Mode gekommen.
Kräftig und scharf schneidet es Köpfe ab.
Ein schneller, sauberer Schnitt.
Kopf ab – Mensch tot.
Gott will es so, sagen die, die es führen.
Gott will, dass seine Feinde bestraft und vernichtet werden.
Dort, wo sie im uralten Kulturland einen Islamischen Staat ausgerufen haben, dem sich alle unterwerfen sollen.
Gott will es so.
Messer sind wieder in Mode gekommen – als Tötungsinstrumente.
Der Dolch oder das Küchenmesser als kleiner Bruder des Schwertes.
Ein schneller Stich: ins Herz oder in die Eingeweide.
Ein langsamer Tod.
Für die Freiheit, gegen die Besatzer.
Sagen sie.
Dort, in Israel, das manche lieber Palästina nennen, weil sie dem Gottesvolk der Bibel das Recht absprechen dort zu leben – bzw. überhaupt zu leben.
Gott will es so, sagen auch viele der Messerattentäter.
Der Stich ins Herz ist gezielt.
Sie wollen Israel ins Herz treffen.
Sie wollen auch uns ins Herz treffen.
Den Westen, die freie Welt.
Wir haben es nur noch nicht verstanden.
Vor lauter Selbstverachtung.
Und vor lauter Verständnis für die Mörder.
Der Schwertstreich ist gezielt.
Die Köpfe sollen rollen.
Unsere Köpfe.
Wenn wir nicht bereit sind, sie uns selber abzuschneiden.
Ich meine damit: uns das Denken, den Gebrauch der Vernunft zu untersagen.
Uns den Geist auszutreiben.
Wer nachspricht, was sie uns vorbeten, der braucht sich um seinen Kopf nicht zu sorgen, denn er hat ihn schon verloren.
So wie jener deutsche Ex-Politiker, der körperlich wohlbehalten von seinen Besuchen beim IS und der Hamas zurückgekehrt ist, in Büchern und Talkshows kostenlos ihre Propaganda verbreitet und sich dabei als Friedensengel vorkommt.
*
Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert.
*
Das Wort Gottes ist aus der Mode gekommen.
Nicht das vorgebliche Gotteswort, das da sagt: „Tötet die Ungläubigen, wo ihr sie findet“.
Eher das Gotteswort, das da heißt: Du sollst nicht töten.
Oder: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Oder gar: Liebet eure Feinde!
Worte, die ins Herz treffen.
So, dass es schneller schlägt.
Worte, die in den Kopf gehen.
Zu denken geben:
Wie soll das gehen?
Wie kann das wahr werden?
*
Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert.
*
Das Wort Gottes war noch nie wirklich in Mode.
Oft haben sie es im Mund geführt und gleichzeitig das Schwert in der Hand.
Sie haben dem Wort nichts zugetraut.
Meinten, sie müssten die Menschen mit Gewalt zur ewigen Seligkeit zwingen.
Meinten, sie könnten Leib und Seele trennen:
den Leib dem Verderben übergeben, um die Seele zu retten; das war der Gedanke hinter den grausamen Strafen für Ketzer und der Mission mit dem Schwert.
Wie viel besser ist es doch, wenn das Wort ins Herz trifft und ins Hirn!
Und Leib und Seele zu Gott hinreißt.
Die Herzen in die Höhe! – Wir erheben sie zum Herren.
*
Gott hat sich nicht mit Feuer und Schwert offenbart.
Gott hat sich im Wort offenbart.
Ja, einmal war auch Feuer.
Aber das hat nicht verbrannt.
Und als Mose sich fragte, was das bedeuten sollte, da war das Wort: Ich bin, der für euch da ist.
Und als sie Orientierung brauchten – über Gut und Böse, ein Grundgesetz des Lebens, da war es wieder das Wort:
Ich bin, der für euch da ist, der euch aus Ägypten geführt hat, aus der Sklaverei – in die Freiheit.
Du sollst keinen anderen Göttern dienen, als dem, der für euch da ist.
Du sollst dir kein Bild machen von ihm, sondern seinem Wort vertrauen.
Du sollst nicht töten, nicht ehebrechen, nicht stehlen.
Gottvertrauen statt Gewalt.
Worte statt Waffen.
Als sie dann doch zum Schwert gegriffen haben, dann kann das eigentlich nur ein Missverständnis gewesen sein.
Und dann kam ER.
Hörte das Wort:
Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Und sagte das Wort:
Gottes Reich ist nahe.
Und war das Wort:
Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit.
Und traf ins Herz.
Und weckte den Geist.
Und als sie IHN hörten, glaubten sie IHM.
*
Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert.
*
Irgendwann haben sie aufgehört, an IHN zu glauben.
Und haben angefangen an Buchstaben zu glauben.
Sie haben nicht mehr gesagt: Jesus Christus ist das Wort Gottes, sondern: Die Bibel ist das Wort Gottes.
Sie wollten Gottes Wort sicher haben, Schwarz auf Weiß, aufbewahrt zwischen Buchdeckeln.
Und nun steht es da, zwischen so vielen anderen Büchern, verstaubt, und wird nur noch selten gelesen.
So ist es aus der Mode gekommen.
Seine Sprache klingt veraltet.
Sein Weltbild überholt.
Das soll das Wort Gottes sein?
Nein, das ist nicht das Wort Gottes.
So nicht.
Wenn es zu uns spricht, wenn es unser Herz trifft und unseren Verstand – dann ist es das Wort Gottes.
Wenn ER zu uns spricht, Christus – dann ist es das Wort Gottes.
Die die Bibel als buchstabengetreues Wort Gottes bewahren wollen, bewahren in Wirklichkeit oft nur alte Weltbilder und Moralvorstellungen.
Sie verhärten ihr Herz und verachten den Geist, so dass sein lebendiges Wort gerade nicht eindringen kann.
Ich habe zu Beginn von diesen islamistischen Fanatikern gesprochen, die sich auf Gott berufen, wenn sie mit dem Schwert die Köpfe abschneiden.
Ich glaube, sie haben es viel schwerer als wir, sich von ihren falschen Glaubensvorstellungen zu lösen.
Es steht ja so geschrieben:
Im Koran; der ist für sie das Wort Gottes.
Sie glauben ja nicht an Mohammed, sie glauben an den Koran.
Für uns Christen ist das anders:
Wir glauben nicht an die Bibel,
wir glauben an Jesus Christus.
ER ist das Wort Gottes.
*
Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig. (2. Korinther 3, 6)
Das ist ein Wort, das mich ins Herz getroffen hat und meinen Geist frei gemacht hat.
Ich muss nicht glauben, dass die Welt in sieben Tagen geschaffen wurde.
Ich muss nicht glauben, dass Homosexualität Sünde ist.
Aber ich kann glauben, dass diese Welt in Gottes Hand ist.
Und dass er die Menschen liebt, die er geschaffen hat.
So unterschiedlich sie sein mögen.
Ja, dass er sogar die Sünder liebt.
Seine Feinde.
Und auch seine falschen Freunde.
Das kann ich glauben, weil Jesus es so gesagt hat.
Und gelebt hat.
Sogar dafür gestorben ist.
ER ist das Wort Gottes.
ER trifft mich ins Herz.
ER berührt meinen Geist.
ER macht mich lebendig.
Und frei.
*

Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert.

Sonntag, 24. Januar 2016

Predigt am 24. Januar 2016 (Sonntag Septuagesimä)

Ihr wisst, wie es ist, wenn in einem Stadion ein Wettlauf stattfindet: Viele nehmen daran teil, aber nur einer bekommt den Siegespreis. Macht es wie der siegreiche Athlet: Lauft so, dass ihr den Preis bekommt! Jeder, der an einem Wettkampf teilnehmen will, unterwirft sich einer strengen Disziplin. Die Athleten tun es für einen Siegeskranz, der bald wieder verwelkt. Unser Siegeskranz hingegen ist unvergänglich.
Für mich gibt es daher nur eins: Ich laufe wie ein Läufer, der das Ziel nicht aus den Augen verliert, und kämpfe wie ein Boxer, dessen Schläge nicht ins Leere gehen. Ich führe einen harten Kampf und bezwinge mich selbst. Denn ich möchte nicht anderen predigen und dann als einer dastehen, der sich nicht an das hält, was er sagt.
1. Korinther 9, 24-27 (nach NGÜ)

Christsein kann man auch sportlich sehen.
Als Wettkampf.
Wer gibt die höchste Spende?
Wer hat die meisten Ehrenämter?
Wer bäckt den besten Kuchen beim Gemeindefest?
Wer weiß am besten Bescheid im Bibelgespräch?
Wer kommt am häufigsten in den Gottesdienst?
Wer singt am schönsten im Kirchenchor?
Und wenn ich so den Austausch unter uns Pfarrern in einer bestimmten Facebook-Gruppe verfolge, dann geht es – unausgesprochen – wohl auch ein bisschen darum: Wer macht die beste Predigt?
Wenn ich das so sage, klingt es wahrscheinlich, als wäre das nicht ganz in Ordnung.
Eitel.
Unbescheiden.
Gar nicht so richtig christlich.
Sollten wir nicht bescheidener sein?
Dem anderen den Vortritt lassen?
Auch den eher mittelmäßigen Beitrag loben?
Denn in den Himmel kommen ja wohl auch nicht nur die Besten.
Und Kirche ist gerade auch für die Schwachen da.
Für die Verlierer.
Die nie einen Preis gewinnen.
Die Letzten werden die Ersten sein, hat Jesus gesagt. (Wir haben es im Evangelium gehört.)
So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen,
hat der Apostel Paulus geschrieben.
An anderer Stelle (Römer 9,16)
Ein paar Jahre später.
Wie gut, dass wir uns den Himmel nicht mit guten Werken und Höchstleistungen verdienen müssen!
Und trotzdem: Hier klingt es anders:
Es ist wie bei einem Sportwettkampf. Viele nehmen daran teil, aber nur einer bekommt den Siegespreis. Lauft so, dass ihr den Preis bekommt!
Wisst ihr, warum Kirche oft so schlecht ist?
So langweilig?
So mittelmäßig?
Weil wir uns mit dem Mittelmaß zufrieden geben.
Weil wir nicht darum kämpfen, die besten zu sein.
Weil uns der Sportsgeist fehlt.
*
Paulus sieht es sportlich:
Möglichst viele sollen von Jesus erfahren.
Dorthin, wo noch keiner gegangen ist mit der Guten Nachricht, dahin geht er, Paulus.
Wenn andere sich von den Gemeinden bezahlen lassen, dann ist er so ehrgeizig, sich seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen.
Wenn andere sich auf ihre Zielgruppen spezialisieren – Juden, Griechen, Römer –, dann will er für alle da sein, sich auf jeden einstellen und dabei immer noch sich selbst treu bleiben und seinem Herrn.
Paulus gibt sein Bestes, um der Beste zu sein.
Und gleichzeitig weiß er:
Er kann es nicht allein.
Es läuft nur, wenn viele mitziehen.
Es ist gut, wenn viele laufen.
Ein Wettlauf braucht mehrere Teilnehmer.
Sonst kann man sich nur noch selbst übertreffen.
Aber ein Wettlauf mit vielen, ist nur dann spannend, wenn jeder sein Bestes gibt.
Lauft so, dass ihr den Preis bekommt!
Lauft so, selbst wenn es am Ende vielleicht doch nicht für die Goldmedaille reicht!
Aber lauft, gebt nicht auf, haltet durch!
*
Paulus schreibt das an die Christen in Korinth.
Korinth war in der Antike eine Sporthauptstadt.
Aller zwei Jahre gab es die Isthmischen Spiele, fast so bedeutend wie die Olympischen.
Wettläufe und Faustkämpfe kannten sie, die Korinther.
Ringen, Speer- und Diskuswerfen.
Pferde- und Wagenrennen.
Aber auch Wettkämpfe in Dichtung, Redekunst und Gesang.
Es gibt so viele Disziplinen, in denen einer sein Bestes geben kann!
Es muss ja nicht immer der Sport im engeren Sinne sein.
Wenn wir das Christsein sportlich sehen, dann gibt es da auch viele Disziplinen:
Prediger und Organisten sind nur wenige.
Aber Beten und Bibellesen gehören auch dazu.
Im Chor singen oder Tische aufbauen beim Fest.
Im Vorstand mitentscheiden und -organisieren.
Gesangbücher austeilen und Kollekte zählen.
Essen kochen und Kuchen backen.
Oder auch: Anderen Zuhören und guten Rat geben.
Kranke besuchen und Schwachen helfen.
Und noch vieles mehr.
Was wäre das für eine Kirche, für eine Gemeinde, wenn jeder immer sein Bestes geben würde in seiner Disziplin!
*
Apropos Disziplin.
Das ist ja eigentlich der Punkt, auf den Paulus hinaus will.
Ein erfolgreicher Sportler braucht Disziplin.
Ein erfolgreicher Redner oder Musiker auch.
Eigentlich jeder, der sein Bestes geben will.
Ein Sportler muss trainieren.
Täglich – oder fast täglich.
Ein Musiker muss üben.
Täglich – oder fast täglich.
Fast alles muss man trainieren.
Ohne Training verlernst du zwar nicht gleich alles, aber du bist nicht mehr richtig gut.
Ich spiele zum Beispiel ein bisschen Klavier.
Aber nicht besonders gut.
Es gab Zeiten, wo ich noch täglich geübt habe.
Da war ich besser.
Ich könnte wieder besser werden, aber … ich übe zu wenig.
Und wie ist das mit dem Christsein?
Wir können es auch üben.
Die meisten Dinge übt man ja, indem man sie ausübt.
Klavierspielen übe ich, indem ich Klavier spiele.
Fußballspielen übe ich, indem ich Fußball spiele.
Sicher, es mag da ein paar spezielle Übungen geben, die helfen, gut zu werden: Fingerübungen, Laufübungen, Taktiktraining.
Entscheidend ist: Wir üben etwas ein, indem wir es ausüben.
Praktizieren.
Das ist auch mit unserem Glauben so.
Vielleicht verlernen wir ihn nicht ganz ohne Training.
Aber besonders gute Christen sind wir dann nicht – ohne Glaubenspraxis.
*
Christsein kann man sportlich sehen.
Und zum Sport gehören immerhin auch die Zuschauer.
Was ist schon ein Fußballspiel im leeren Stadion!
Selbst in der Kreisliga stehen noch ein paar Sportfreunde am Spielfeldrand.
Und auch Zuschauer geben ihr Bestes:
Beim Anfeuern ihrer Mannschaft oder ihres Favoriten.
Und was opfern echte Fans nicht an Zeit und Geld für ihren Sport!
Vielleicht kommst du dir ja auch wie ein Zuschauer vor – wenn du nur manchmal in die Kirche kommst.
Vielleicht nur, wenn du gerade hier bist, auf Teneriffa, wo deine Freunde auch gehen.
Oder wo du Urlaub hast.
Wo dich keiner kennt und keiner was von dir erwartet.
Da möchtest du bestimmt nicht der Beste sein.
Einfach nur hingehen und zuschauen.
Du kämpfst um keinen Siegeskranz und keine Goldmedaille.
Und den Himmel musst du dir nicht mit guten Werken und religiösen Höchstleistungen verdienen; so viel hast du verstanden.
Christsein kann man sportlich sehen.
Auch so.
Auch als Zuschauer.
Aber mancher hat beim Zuschauen doch wieder Lust bekommen mitzumachen.
Die Laufschuhe rauszuholen.
Oder mit dem Enkel auf der Wiese zu kicken.
In den alten Noten zu wühlen und doch mal wieder ein Stück einzuüben.
Mancher hat beim Zuschauen bei uns auch sein Christsein wiederentdeckt.
Und hat dann mit Tische getragen beim Gemeindefest.
Oder kommt jetzt regelmäßig zum Singen in den Kirchen- oder Gospelchor.
Oder faltet bewusst die Hände, wenn es heißt: Lasst uns beten.
Oder greift beherzt ins Portmonee angesichts des Kollektenkörbchens.
Christsein kann man sportlich sehen.
Sport ist nicht immer nur Hochleistungssport.
Viel häufiger einfach nur Freizeitsport.
Aber das mit Herz und Engagement und Freude.

*
Sieh’s einfach sportlich:
Mach mit, so gut du kannst!
Damit es mit Gottes guter Sache weiter geht!