Sonntag, 27. August 2017

Und hier geht's weiter...

Hiermit schließe ich das Inselpfarrer-Blog.
Es werden keine weiteren Beiträge folgen.
Schließlich ist mein Nachfolger schon auf der Insel.
Ich wünsche Immo Wache allen Segen der Welt und viel von dem Glück, das wir auf Teneriffa erfahren haben.


Ich bin seit 1. August Pfarrer in der künftigen Kirchgemeinde Sebnitz-Hohnstein in der Sächsischen Schweiz.
Für meine Predigten habe ich ein neues Blog eingerichtet:
Des Hinterweltlers Predigten.


Herzliche Grüße und Segen allen, die bisher dieses Blog gelesen und mich in meinem Pfarrdienst begleitet haben!

Euer Roland Herrig


Samstag, 10. Juni 2017

Abschied ... (Beitrag im Wochenblatt vom 07.06.2017)

Liebe Leserinnen und Leser,
„Abschied ist ein scharfes Schwert“, „Abschied ist ein bisschen wie Sterben“, „Sag zum Abschied leise Servus“ … Solche Lieder und Melodien gehen mir in letzter Zeit immer öfter durch den Kopf. Ungebetene Ohrwürmer. Aber ich weiß, wo sie herkommen. Ich bin auf Abschied gestimmt. In wenigen Wochen, ja eigentlichen nur noch wenigen Tagen, werden wir, meine Frau und ich, Teneriffa verlassen. Nicht für einen kleinen Urlaub oder eine Dienstreise, wie das in den letzten sechs Jahren immer mal war, nein, für immer. Natürlich werden wir wiederkommen, aber nicht mehr für lange und nicht mehr nach Hause. Wir werden ein neues Zuhause beziehen: in Deutschland, in der Sächsischen Schweiz, wo ich meinen Dienst als Pfarrer in ganz anderer Form als hier fortsetzen werde.
Mit anderen Worten: Ich verabschiede mich hiermit auch von Ihnen, den Lesern des Wochenblattes, die in den letzten Jahren immer mal einen Beitrag von mir an dieser Stelle lesen durften. Keine Angst, Sie werden hier auch weiter mit christlichen Lichtblick-Texten versorgt – von meinen alten und bald auch wieder von neuen Kollegen. Aber nicht mehr von mir.
Was uns wirklich wehtut beim Abschiednehmen, das, was „ein bisschen wie Sterben“ ist oder „wie ein scharfes Schwert“, das ist die Trennung von Menschen, die uns lieb geworden sind. Wenn man Zeit und gute Worte, Ziele und Verantwortung miteinander geteilt hat, wenn man sich mochte und sich gegenseitig das Leben ein bisschen reicher und schöner gemacht hat, dann tut es weh zu wissen: Es wird nicht mehr so sein. Und dann ist da Trauer, und es fließen auch Tränen.
Manchmal geht mir noch eine weitere Melodie durch den Sinn: „Alles, alles gibt’s ein letztes Mal“ – ein altes Lied von Gerhard Schöne. Und es beschreibt, wie das Leben ist: Was wir tun und erleben, wen wir treffen und was wir unternehmen – „Irgendwann“ ist immer das letzte Mal. Jetzt, da wir hier weggehen, erleben wir das ganz bewusst: der letzte Gottesdienst, die Abschiedsfeier mit Mitstreitern und Freunden, das letzte Mal am Strand, und schließlich das letzte Mal Abheben mit dem Flugzeug, und dann verschwindet die Insel unter uns. Aber eigentlich, ganz eigentlich wissen wir nie, wann das letzte Mal ist.
Insofern ist ein geplanter Abschied wohl doch immer noch besser als ein plötzlicher, unerwarteter. Wir haben Zeit, um uns zu verabschieden. Noch mal miteinander zu reden, zu feiern, zu weinen, zu winken…
Mir ist noch ein Lied eingefallen. Es ist von Heinz Rudolf Kunze, und es heißt: „Abschied muss man üben“. Jeder unserer Abschiede ist eine Vorübung für den letzten, großen Abschied. „Abschied muss man üben, sonst fällt er viel zu schwer.“
Und ein letzter Gedanke: Wir verabschieden uns immer nur auf Zeit. Wir kommen hoffentlich mal wieder auf die Insel. Viele werden wir – nach menschlichem Ermessen – in diesem Leben wiedersehen. Und für alle anderen hoffen wir – und das ist unsere besondere christliche Hoffnung – auf ein letztes großes Wiedersehen ohne Abschied.
In diesem Sinne sage auch ich heute: Auf Wiedersehen!

Ihr Pfarrer Roland Herrig

Sonntag, 4. Juni 2017

Predigt am 4. Juni 2017 (Pfingstsonntag)

Jesus sprach zu seinen Jüngern: „Jetzt gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: ,Wo gehst du hin?‘ Doch weil ich dies zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer. Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben; über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er nimmt es von dem Meinen und wird es euch verkündigen.“
Johannes 16, 5-15

Liebe Schwestern und Brüder,
„Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“
Was für ein Satz!
Heute, hier, wo ich zum letzten Mal mit euch Gottesdienst feiere.
Bzw. zum letzten Mal hier vorn stehe und euch predige und das Abendmahl austeile; zwei Sonntage kommen ja noch, wo wir als einfache Gottesdienstbesucher hier sein werden.
Aber dann gehen wir weg.
Wirklich.
Und ein großer, wichtiger und schöner Abschnitt unseres Lebens geht zu Ende.
Und ein Abschnitt in der Geschichte dieser Gemeinde geht auch zu Ende.
„Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“
Das sagt Jesus.
Aber wenn sogar er das sagen kann, wenn es für seine Jünger gut ist, dass er weggeht, warum sollte es dann nicht sein, dass es auch für euch gut ist, dass ich weggehe?
*
Da sitzen sie mit ihm zusammen an diesem traurigen Abend.
Abschied liegt in der Luft.
Und keiner traut sich, die wichtigen Fragen zu stellen:
Wo gehst du hin?
Wie geht es weiter?
Was sollen wir tun?
Und weil sie nicht fragen, antwortet er.
Hält Abschiedsreden.
Sagt Dinge, die sie nicht verstehen.
Jedenfalls jetzt noch nicht verstehen.
Und sagt: „Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“
„Es ist gut für euch, dass ich weggehe.
Denn wenn ich weggehe, kann ein anderer kommen.
Ich mache ihm Platz.“
Der andere, das ist Gottes Geist.
Der Tröster, der Helfer, der Beistand, wie Jesus ihn nennt.
Ich kann nicht mehr für euch da sein.
Aber er wird für euch da sein:
viel besser, als ich es kann.“
Das ist Jesus:
Er nimmt sich zurück.
Er macht sich klein.
Erst hat er sich klein gemacht und ist Mensch geworden.
Jetzt macht er sich klein und sagt:
„Es geht auch ohne mich.
Es geht sogar besser, wenn ich nicht mehr da bin.“
Jesus macht sich klein, um Gott groß zu machen:
Auf ihn kommt es an.
Jesus macht sich klein, um uns Menschen groß zu machen:
„Was ich getan habe, das könnt ihr auch:
wenn Gottes Geist bei euch ist.“
Jesus macht sich klein, damit Gott und Mensch ganz groß zusammenkommen: durch den Heiligen Geist.
Damit wir ganz im Sinne Gottes, ganz in seinem Geist leben.
Jesus hatte seine Zeit:
Drei Jahre vielleicht, in denen er umherzog, von Gott und seinem Reich redete, Menschen heil machte an Leib und Seele und ein paar Männer und Frauen zu seinen Jüngern machte.
Dann war er weg:
Karfreitag, Ostern, Himmelfahrt.
Was wäre geworden, wenn Jesus geblieben wäre und irgendwann im gesegneten Alter gestorben wäre?
Nein: „Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“
Als Jesus weg war, kam der Heilige Geist.
Nach Karfreitag, Ostern und Himmelfahrt wurde Pfingsten.
Aus seiner winzigen Anhängerschaft wurde die weltumspannende Kirche.
Dank dem Heiligen Geist!
*
Was ist so großartig an Gottes Geist?
Jesus sagt:
„Wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun.“
Der Heilige Geist ist ein Augen-Öffner.
Weil wir ja Jesus eigentlich nicht mehr sehen.
Er ist ja weggegangen.
Aber im Geist sehen wir ihn trotzdem.
So wie er war: als Mensch unter Menschen.
So wie er ist: sitzend zur Rechten Gottes.
Wir sehen ihn geistig.
Und dieses geistige Sehen, das nennen wir Glauben.
Wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde:
Über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben.
Interessant, was Jesus unter Sünde versteht: nicht glauben.
Sünde ist nicht, wenn ich etwas Verbotenes tue.
Sünde ist, wenn ich nicht glaube.
Gottes Geist lässt mich glauben.
Wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht.
Interessant auch, was Jesus unter Gerechtigkeit versteht: dass er zum Vater geht.
Das hat nichts zu tun mit der Gerechtigkeit, die
wir so gerne für uns einfordern: dass wir ja nicht zu kurz kommen, dass wir ja nicht zu wenig Geld oder Bewunderung oder Verständnis bekommen (das wäre ja ungerecht). Die Gerechtigkeit, für die der Geist uns öffnet, ist: dass Jesus bei Gott ist, dass er der Herr ist, dass er an erster Stelle steht. Da geht es nicht um uns, sondern um ihn. Und ihm geht es um alle, nicht nur um mich. Die Gerechtigkeit, die von Gott kommt, ist das Gegenteil von Selbstgerechtigkeit. Nicht der eigene neidische Blick soll uns bestimmen, sondern sein Blick von oben, sein Blick, der nicht nur mich, sondern alle und alles im Blick hat. Gottes Geist macht mich gerecht.
Wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.
Und auch das ist interessant, was Jesus unter Gericht versteht.
Nicht, dass Menschen einander richten, sich beurteilen oder verurteilen.
Auch nicht dass Gott uns Menschen beurteilt oder verurteilt.
Sondern dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.
Also schon verurteilt.
Der Fürst dieser Welt, / wie saur er sich stellt, / tut er uns doch nicht; / das macht, er ist gericht’: / ein Wörtlein kann ihn fällen.
– Ihr erinnert euch: Luther – Ein feste Burg ist unser Gott.
Der Fürst dieser Welt – das ist der Teufel.
Das ist die Macht des Bösen, die uns und die Welt in den Abgrund ziehen will.
Er ist schon verurteilt.
Entmachtet.
Dafür öffnet uns der Heilige Geist die Augen.
Das ist so wichtig: Weil es gegen den Augenschein ist.
Die Welt scheint ja des Teufels zu sein.
Oberflächlich besehen.
In Wahrheit ist sie schon gerettet.
Gottes Geist erlöst mich von dem Bösen.
*
Und das alles, weil Jesus weggegangen ist.
Er hat Platz gemacht für den Geist.
Er hat Platz gemacht für den Geist des Glaubens – damit die Sünde der Gottlosigkeit uns nicht beherrscht.
Er hat Platz gemacht für den Geist der Gerechtigkeit – damit die Selbstgerechtigkeit uns nicht beherrscht.
Er hat Platz gemacht für den Geist des Gerichts – damit das Böse uns nicht beherrscht und der Teufel nicht das letzte Wort behält.
Jesus ist weggegangen.
Und es war gut.
Denn es ist der Glaube gekommen.
Und die Gerechtigkeit Gottes.
Und das Gericht über das Böse.
Jesus ist weggegangen.
Und der Geist der Wahrheit ist gekommen.
Und die Gemeinschaft der Gläubigen ist gekommen, die Kirche – Zeichen dafür, dass die Welt nicht des Teufels ist.
Und das Reich Gottes wird kommen.
*

„Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“
Ob das auch so ist, wenn ich weggehe?
Natürlich nicht so; ich bin ja nicht Jesus.
Und der Geist ist ja schon zu uns gekommen.
Aber klar ist ja, dass der Heilige Geist sich nicht an bestimmte Personen bindet.
Er weht, wo er will.
Und er hat so viele Werkzeuge, wie er braucht.
Wo etwas zu Ende geht, beginnt etwas Neues.
Ich gehe weg.
Andere werden kommen.
Gottes Geist wird bleiben.

Sonntag, 28. Mai 2017

Predigt am 28. Mai 2017 (Sonntag Exaudi)

Am letzten Tag,
dem Höhepunkt des Laubhüttenfestes,
stellte sich Jesus hin
und rief mit lauter Stimme:
„Wenn jemand Durst hat,
soll er zu mir kommen
und trinken –
jeder, der an mich glaubt.
So sagt es die Heilige Schrift:
,Ströme von lebendigem Wasser
werden aus seinem Inneren fließen.‘“
Jesus bezog dies auf den Heiligen Geist.
Den sollten die erhalten,
die zum Glauben an ihn gekommen waren.
Denn der Heilige Geist war damals
noch nicht gekommen,
weil Jesus noch nicht
in Gottes Herrlichkeit aufgenommen war.
Johannes 7, 37-39 (Basisbibel)

Kirchentag.
In Jerusalem.
Nicht aller zwei Jahre, sondern jedes Jahr.
Laubhüttenfest nennen sie das.
Überall stehen Hütten, aus Ästen und Palmwedeln gebaut – zur Erinnerung an die Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste:
Damals konnten sie auch nur in provisorischen Hütten oder Zelten leben.
Deshalb: Laubhüttenfest.
Aber viel wichtiger:
Das Laubhüttenfest war ein Wallfahrtsfest –
damals, als der Tempel in Jerusalem noch stand.
Wer Zeit und Geld hatte, zog für ein paar Tage nach Jerusalem.
Jeden Tag waren Gottesdienste im Tempel.
Und dazwischen traf man sich und redete und sang und tanzte und feierte.
Und jeden Tag brachten die Priester in feierlichem Zug, unter Gesang und dem Schwingen von Palmzweigen, Wasser von der Siloah-Quelle hinauf in den Tempel zum Altar Gottes.
Am letzten Tag mit besonders üppiger Liturgie.
Kirchentag in Jerusalem.
Menschenmengen.
Lebensfreude.
Vielleicht nur ein klein wenig getrübt, weil überall die Sicherheitsleute von der Tempelwache sind und bewaffnete römische Trupps patrouillieren:
Ein Terroranschlag oder irgendwelche spontanen Unruhen sind jederzeit möglich.
Aber im Großen und Ganzen ist es schön:
Sie feiern die Ernte.
Sie feiern das Leben.
Sie feiern den Glauben.
Sie feiern Gott.
Vor allem aber feiern sie sich selbst:
Es geht uns gut.
Wir haben den grandiosesten Tempel aller Zeiten – erst vor wenigen Jahrzehnten fertiggestellt.
Wir leben in friedlichen Zeiten – trotz den Römern (oder vielleicht sogar dank den Römern?).
Natürlich, die Freiheit ist eingeschränkt;
aber wir leben in unserem Land
mit unserem Glauben
und mit allem, was wir zum Leben brauchen.
Gott sei Dank!
Seit Tagen gibt es ein Gerücht:
Jesus ist da, auf dem Kirchentag.
Der von Nazareth.
Der Prophet.
Der Wundertäter.
Der Rätselredner.
Der Geheimnisvolle.
Vielleicht sogar der Messias?
Die einen sagen: Er ist es.
Die anderen sagen: Er kann es gar nicht sein.
Die Veranstalter haben Angst vor Unruhen
und schicken ihre Sicherheitsleute los,
um ihn aus dem Verkehr zu ziehen.
Aber irgendwie gelingt das nicht.
Vielleicht wollen die gar nicht?
Halten ihn gar selber für den Messias?
Oder ist es doch nur ein Gerücht?
*
Jesus auf dem Kirchentag.
In Berlin und Wittenberg.
Da feiern sie auch das Leben,
den Glauben,
und sich selbst.
Alles natürlich ganz anders als vor 2000 Jahren.
Und manches vielleicht doch ähnlich:
Die Lebensfreude neben der Terrorangst.
Wohlstand bei eingeschränkter Freiheit.
Und die Befürchtung:
Jesus auf dem Kirchentag könnte die Bevölkerung verunsichern.
Jesus auf dem Kirchentag ist ein Gerücht.
Jemand hat das Kirchentagsprogramm nach „Jesus Christus“ durchsucht – und ihn nicht gefunden.
Nur Barack Obama; den hatten sie ja auch mal für den Messias gehalten.
Und Martin Schulz …
Wie kommen die eigentlich darauf, dass Politiker irgendwas Bedeutendes über Gott und Glauben und Religion zu sagen hätten?
Wahrscheinlich genauso wie sie darauf kommen, dass Schauspieler, Popsänger und Youtube-Sternchen etwas über Politik zu sagen hätten.
Ich sage dazu nur:
Passt einfach auf, dass ihr Prominenz nicht mit Kompetenz verwechselt!
Und dass ihr Glauben nicht mit Politik vermischt!
*
Jesus war auf dem Kirchentag.
In Jerusalem.
Es war nicht nur ein Gerücht.
Während der abschließende Großgottesdienst auf dem Höhepunkt ist – die Priester tragen in einer pompösen Prozession in goldenen Kannen das Quellwasser von Siloah herein –, da ruft Jesus laut:
„Wenn jemand Durst hat,
dann soll er zu mir kommen
und trinken –
jeder, der an mich glaubt!
So sagt es die Heilige Schrift:
,Ströme von lebendigem Wasser
werden aus seinem Inneren fließen.‘“
Wenn jemand so was von sich gibt, dann ist er entweder ein Spinner – oder ein Prophet.
Vielleicht sogar der Messias.
Und genau darüber bricht der Streit aus unter den Kirchentagsbesuchern:
Darf der das?
Ist er der, als der er sich ausgibt?
Ja, es gibt Streit.
Nicht Harmonie.
Jesus bringt nicht Friede, Freude usw.,
sondern er verursacht heiße Diskussionen.
Nur die Hohenpriester und die Pharisäer, die dulden keine Diskussionen.
Und als gar einer aus ihren Reihen sagt: „Hört ihn euch doch erst mal an, sprecht doch mal mit ihm, bevor ihr ihn verurteilt“, da fahren sie ihm über den Mund:
„Du kommst wohl auch aus Galiläa, wo der herkommt.
Von dort kann gar nichts Gutes kommen.
Halt einfach die Klappe!“
So nachzulesen bei Johannes im selben Kapitel.
Jesus war auf dem Kirchentag.
Aber sie wollten ihn nicht hören.
Sie haben versucht, ihn zum Schweigen zu bringen.
Nicht alle, aber einige.
Die Organisatoren und Verantwortlichen: die Hohenpriester.
Und die Aufpasser, die immer darauf achten, was man tun und sagen darf und was nicht: die Pharisäer.
*
„Wenn jemand Durst hat,
dann soll er zu mir kommen
und trinken –
jeder, der an mich glaubt!
So sagt es die Heilige Schrift:
,Ströme von lebendigem Wasser
werden aus seinem Inneren fließen.‘“
Das sagt Jesus.
Der Rätselredner.
Aber es ist ja nicht schwer zu entschlüsseln, dieses Rätsel.
Es geht natürlich nicht um Wasser. Nicht um natürliches Wasser.Nicht um Trinkwasser, nicht um Waschwasser.
Es geht um Gottes Geist.
Denn Gottes Geist ist wie Wasser.
Er reinigt.
Er löscht den Durst.
Er fließt.
Und er strömt.
Er ist nicht aufzuhalten.
Vor ein paar Tagen stand ich an einer alten Industriemühle in einem kleinen sächsischen Dorf.
Das Mühlgebäude war zu einem schicken Wohnhaus umgebaut.
Aber der Mühlbach rauschte immer noch vorbei, wie schon vor Jahrhunderten.
Das heißt: Er rauschte nicht einfach vorbei.
Er war angestaut.
Und wo sich früher ein Mühlrad gedreht hat, da läuft heute, wenn ich das richtig mitbekommen habe, eine Turbine, die Strom erzeugt, ein kleines Kraftwerk.
Es fließt: Das Wasser.
Und der elektrische Strom.
Energie.
Lebendiges, fließendes Wasser – das ist nicht nur nass, es ist Energie!
So ist das mit Jesus und mit dem Heiligen Geist:
Da strömt – wie Wasser oder wie elektrischer Strom – die Lebensenergie.
Die Glaubensenergie.
Die Gotteskraft.
Kraft für den Alltag.
Wenn gerade kein Kirchentag ist.
Wenn du gerade nicht weißt, wie es weitergeht.
Oder wie du alles schaffst.
Oder ob dich noch jemand liebhat.
Oder wenn du dich leer fühlst, und irgendwas fehlt.
Dann nämlich brauchst du keinen Kirchentag,
dann brauchst du Jesus und seinen Heiligen Geist.
Dann brauchst du diese Energie für deinen Alltag.
Gotteskraft.
Glaubensenergie.
Lebensenergie.
*
Jesus war auf dem Kirchentag (bzw. ist es noch).
In Berlin und Wittenberg.
Selbstverständlich.
Vielleicht ist er nicht auf der großen Bühne.
Wahrscheinlich ist er nicht dort, wo Politiker und Prominente sich spreizen und wo Kirchenführer rot-rot-grünen Wahlkampf machen.
Aber da, wo Leute miteinander reden,
wo Menschen sich von ihrem Glauben erzählen,
wo sie gemeinsam in der Bibel lesen,
die Hände zum Gebet falten
oder sie zum Lobpreis gen Himmel recken.
Und wenn jemand mit mehr Lust zum Glauben, mit mehr Mut zum Christsein, mit mehr Power für den Alltag vom Kirchentag nach Hause fährt, dann hat er wohl von dem Jesus-Strom was abbekommen.
*
Gott sei Dank ist Jesus nicht nur bei Großveranstaltungen!
Wo jemand an ihn glaubt, ihm vertraut, ihn sucht, da kann eine Quelle sprudeln, da kann der elektrische Funke überspringen.
Da kann Lebensenergie bei uns ankommen.

Ja, genau, bei uns.
Manchmal ist Jesus auch hier, bei uns.