Sonntag, 31. März 2013

Predigt am 31. März 2013 (Ostersonntag)

Maria Magdalena stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, schaute sie an das Grab und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten. Und die sprachen: „Frau, was weinst du?“ Sie sprach zu ihnen: „Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“
Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. Spricht Jesus zu ihr: „Frau, was weinst du? Wen suchst du?“ Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: „Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen.“ Spricht Jesus zu ihr: „Maria!“ Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: „Rabbuni!“, das heißt: „Meister!“
Spricht Jesus zu ihr: „Halte mich nicht fest! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. Maria Magdalena geht und verkündigt den Jüngern: „Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.“
Johannes 20, 11-18



Liebe Festgemeinde,

„Oma, warum weinst du?“ Die schlichte Frage der Enkel konnte sie nicht so einfach beantworten. Wir hätten es wohl damals auch noch nicht verstehen. Unsere Oma war doch eine fröhliche und tatkräftige Frau. Wir waren gerne bei ihr. Aber manchmal, da kamen ihr die Tränen und wir wussten nicht warum. Ja, da gab es ein paar alte Fotos mit einem jungen Mann in Uniform. Das war ihr Mann gewesen, unser Opa, Hans. Der war nicht zurückgekehrt aus dem Krieg, das wussten wir. Aber der Krieg, der lag ja nun schon unvorstellbar weit zurück. Über zwanzig Jahre, was für eine endlos lange Zeit, dachten wir. Wir hatten noch keine Vorstellung, wie kurz diese Zeit in Wahrheit ist. Und wir hatten keine Ahnung, wie lang sie war für unsere Oma, die immer wieder gehofft hatte, dass er doch noch zurückkehren könnte aus Russland, aus der Gefangenschaft. Wie oft mag sie gedacht haben: Da ist er. Wie oft mag sie von ihm geträumt haben. Wie mag sie sich nach ihm gesehnt haben in jenen Jahren, als sie sich allein mit zwei Kindern durchschlagen musste. Später hörten wir es manchmal von ihr: „Sie haben mir meinen Hans genommen.“ – Es gab kein Grab, keinen Ort, kein Datum. Nur Bilder, Erinnerungen und zwei Kinder.

Als sie vor etlichen Jahren gestorben ist, war das immer noch – oder wieder – ihre Hoffnung und ihre Sehnsucht, sie könnte ihren Hans wiedersehen.

Auferstehungshoffnung ganz persönlich. Weil ihr das Leben abgebrochen war, weil ihr der genommen war, den sie liebte, weil ihr Glück zerstört war. Auferstehungshoffnung gewiss auch im Leben, das weiter gegangen ist und weiter geht in ihren Kindern, Enkeln, Urenkeln – für mich immer noch beglückend, dass meine Tochter genau an ihrem achtzigsten Geburstag zur Welt gekommen ist. Auferstehungshoffnung vor allem aber auch im schlichten Glauben an ein Wiedersehen: Oma Friedel und Opa Hans vereint in der Ewigkeit.


Die Geschichte von Ostern, die Geschichte von der Auferstehung ist eine ganz große, eine weltbewegende Geschichte. So wie wir es auch gesungen haben: Die alte Schlange, Sünd und Tod, die Höll, all Jammern, Angst und Not hat überwunden Jesus Christ, der heut vom Tod erstanden ist. Ostern ist der Sieg über alle Todesmächte.

Aber die Geschichte von Ostern ist eben auch eine ganz leise, ganz persönliche Geschichte. Nein, genau genommen viele ganz persönliche Geschichten. So wie gerade der Evangelist Johannes sie erzählt: Die Geschichte von Thomas, der nicht glauben kann. Die Geschichte von Petrus, der einen neuen Auftrag erhält. Und die Geschichte von Maria Magdalena, die als erste dem auferstandenen Herrn begegnet.

„Frau, warum weinst du?“ – „Sie haben ihn mir weggenommen.“ Nicht nur getötet haben sie ihn. Jetzt ist auch noch sein Leichnam verschwunden. Sie ist dorthin gegangen, wo sie seinen Leib bestattet hatten. So wie Menschen zu allen Zeiten immer wieder den Ort besucht haben, wo man ihre Liebsten der Erde zurückgegeben hatte. Und dann ist da nichts mehr. Nur Leere. Und die Frage: „Warum weinst du?“ Zweimal.

Und ihre Antwort: „Sie haben ihn mir weggenommen.“ Beim zweiten Mal gar: „Hast du ihn mir weggenommen?“ – Ich will ihn wiederhaben. Ich kann mich nicht abfinden mit der Endgültigkeit des Abschieds: „Gebt mir meinen Jesum wieder!“

Die Tränen verschleiern den Blick für das Neue, den Blick für das Rettende, den Blick für das Göttliche. Da können Engel vom Himmel kommen, aber Maria nimmt sie gar nicht als Gottesboten wahr. Da kann Jesus selber neben ihr stehen, und sie erkennt ihn nicht. – Das sollte man wissen: Es kann eine Trauer geben oder eine Phase der Trauer, in der kein Trost den Trauernden erreicht, ob wir mit Menschen- oder mit Engelzungen redeten.

Aber dann ist da das entscheidende Wort: Mirjam, ihr Name, gesprochen so, wie nur er ihn ausgesprochen hat. – Fürchte dich nicht! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. – Darin ist Erkennen und Erkanntwerden. Keine Zeit zu überlegen: Kann das überhaupt sein? Es ist. Er ist. Und sie spricht ihn an, wie nur er angesprochen wurde: RabbuniMeister.

Das Unmögliche ist wahr. Der ihr weggenommen wurde, ist ihr wiedergegeben. Aber doch nur für einen Augenblick aus der Ewigkeit: „Halte mich nicht fest!“

Der Auferstandene begegnet Menschen in einzelnen, entscheidenden Augenblicken. Es sind diese Augenblicke aus der Ewigkeit, die alles verändern. Maria weint nicht mehr, sondern sie wird froh und verkündet, was, nein, wer ihr begegnet ist: „Ich habe den Herrn gesehen.“


Ostern, das sind für uns, das sind für mich diese Augenblicke, in denen alles klar und gewiss wird. Augenblicke aus der Ewigkeit, in denen mir der Schleier von den Augen genommen ist, gerade auch der Tränenschleier, in denen ER mich bei meinem Namen ruft, und ich weiß, dass ich sein bin.

Ostern, das sind diese Hoffnungsmomente, wo das Leben siegt, indem es weitergeht: Ein Kind wird geboren. Ein Kranker wird geheilt. Ein Sünder wird gerettet.

Und es sind diese Hoffnungsmomente, die über das hinausweisen, was wir wissen und kennen: Wir werden uns wiedersehen. Wir werden glücklich sein. Wir werden leben.

Manchmal stehe ich an einem Grab und denke: Was ist das für ein Wahnsinn, dass ich Menschen einfach so die Auferstehung der Toten verspreche! Und manchmal denke ich: Was ist das für ein Privileg, dass ich Menschen die Auferstehung der Toten versprechen darf! Das ist dann so ein Hoffnungsmoment. Da ist der Auferstandene da, ganz klar und gewiss. Ich nenne ihm den Namen des Verstorbenen, und ich weiß, dass er ihn selber beim Namen ruft: Ich habe dich erlöst! Du bist mein!

Und ich hoffe und bete, dass die, die da am Grab stehen, durch den Schleier ihrer Trauer und ihrer Tränen hindurch ebenfalls den auferstandenen Herrn sehen können und hören, wie Er sie beim Namen ruft.

Freitag, 29. März 2013

Predigt am 29. März 2013 (Karfreitag)

Als sie an die Stätte kamen mit Namen Golgatha, das heißt: Schädelstätte, gaben sie Jesus Wein zu trinken mit Galle vermischt; und als er’s schmeckte, wollte er nicht trinken. Als sie ihn aber gekeruzigt hatten, verteilten sie seine Kleider und warfen das Los darum. Und sie saßen da und beachten ihn. Und oben über seinem Haupt setzten sie ein Aufschrift mit der Ursache seines Todes: „Dies ist Jesus, der Juden König.“
Und da wurden zwei Räuber mit ihm gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken. Die aber vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen: „Der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz!“ Desgleichen spotteten auch die Hohenpriester mit den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen: „Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der König von Israel, so steige er nun vom Kreuz herab. Dann wollen wir an ihn glauben. Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: ‚Ich bin Gottes Sohn.‘“ Desgleichen schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren.
Und von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde. Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut: „Eli, Eli, lama asabtani?“, das heißt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Einige aber, die da standen, als sie das hörten, sprachen sie: „Der ruft nach Elia.“ Und sogleich lief einer von ihnen, nahm einen Schwamm und füllte ihn mit Essig und steckte ihn auf ein Rohr und gab ihm zu trinken. Die andern aber sprachen: „Halt, lass sehen, ob Elia komme und ihm helfe!“ Aber Jesus schrie abermals laut und verschied.
Und siehe, der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus. Und die Erde erbebte, und die Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen standen auf und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung und kamen in die heilige Stadt und erschienen vielen. Als aber der Hauptmann und, die mit ihm Jesus bewachten, das Erdbeben sahen und, was da geschah, erschraken sie sehr und sprachen: „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!“
Matthäus 27, 33-54



Liebe Schwestern und Brüder,

die Schilderung der Kreuzigung Jesu ist eine Zumutung. Nein, sie wäre eine Zumutung, wenn wir uns nicht schon längst daran gewöhnt hätten. Wir haben sie von Kindheit an immer wieder gehört – in den unterschiedlichen Fassungen der verschiedenen Evangelien. Wir haben sie vielleicht sogar mit Klängen aus Bachs Matthäuspassion verbunden oder aus anderen Passionsmusiken: Aus dem Kreuzestod Jesu ist Hochkultur geworden. Wir haben ihn in Filmen gesehen und in Passionsspielen; heute Nachmittag wird sie einmal mehr in Adeje dargestellt, aufgeführt. Es ist ein Schauspiel, vielleicht ergreifend. Aber nach der Vorstellung steigt Jesus vom Kreuz, schminkt sich das falsche Blut ab und geht nach Hause. Die Musiker packen ihre Instrumente ein, wenn die Passionsmusik vorbei ist, und im Publikum versichert man sich gegenseitig, wieder einer großartigen Aufführung beigewohnt zu haben. Das Leben geht weiter.

Wir haben uns schon längst dran gewöhnt. In unseren Kirchen hängt das Kruzifix, mancherorts stehen Kreuze an Wegrändern und hängen an den Wänden von Klassenzimmern und Gerichtssälen. Freilich, immer weniger. Weil es manche gibt, für die das Kreuz doch tatsächlich noch ein Ärgernis und eine Zumutung ist und nicht nur ein Kulturgut.

Wir haben uns dran gewöhnt, dass gequält, gefoltert, gemordet und gestorben wird. Heute geschieht das meistens fiktiv, in Krimis, in Filmen, im Fernsehen; wir schalten aus, und sind wieder in unserer friedlichen Wirklichkeit. Zwischen den fiktiven Toden begegnen wir aber auch den realen. In den Nachrichten. Aus Syrien, Mali, Nigeria oder Ägypten. Die Verfolgung, das Quälen und Töten von Menschen um ihres Glaubens, namentlich ihres christlichen Glaubens willen, nimmt weltweit zu.

Das alles begegnet uns im Passiv: „... wurden getötet“, „... ereignete sich ein Anschlag“, „... forderte Opfer“. Es geschieht, wie Naturkatastrophen. Und doch sind da Menschen, die es tun: foltern, töten, Menschen opfern.

Wir nicht, Gott sei Dank! Wir sind zivilisiert. – Wirklich? Mit der Filmdokumentation „Unsere Mütter, unsere Väter“ in der vergangenen Woche und den Diskussionen darum, ist vielleicht einmal mehr sichtbar geworden, wie dünn die Decke der Zivilisation war, damals. Wie die Bereitschaft zum unmenschlichen Quälen und Töten wachsen kann, auch bei Menschen, die in ihrem Alltag ganz friedlich und freundlich waren. Vielleicht unter dem Druck der Verhältnisse und der Angst ums eigene Leben. Vielleicht unter dem Einfluss von Indoktrination und Gehirnwäsche, nach der man dann glaubt, manche Menschen, Juden, Bolschewisten, Volksschädlinge, müssten einfach eliminiert werden. – Damals.

Und heute? – Sind wir so andere Menschen als unsere Mütter, unsere Väter damals? Oder als die Mörder von heute? Wie weit reicht unsere Empathie, unser Mitgefühl? Wie weit reicht unser Mut, wenn es um die Würde des Menschen geht? – Bis zur Aus-Taste auf der Fernbedienung?

Wir haben uns an vieles gewöhnt. So wie wir uns an die schlechten Nachrichten gewöhnt haben, und an das Kreuz in der Kirche.

Kreuzigungen, wie damals, als Jesus starb, sind auch nur Gewöhungssache. Die Soldaten machen ihren Job. Und die Schaulustigen haben ihr Wochenendvergnügen auf Golgatha. Die Welt hat schließlich kaum Notiz genommen von dieser Hinrichtung. Die ältesten schriftlichen Zeugnisse davon, in den Briefen des Apostels Paulus, sind zwanzig Jahre später aufgeschrieben worden. Die römischen Behörden haben erst angefangen sich für den Fall Jesus Nazarenus Rex Judaeorum zu interessieren, als die Anhänger dieses Gekreuzigten Probleme machten, weil sie behaupteten er wäre auferstanden. – Die Kreuzigung Jesu? – Zuerst hat es keinen wirklich gejuckt. Fast keinen.

Ja, Jesus hat einen grausamen Tod erlitten damals. Aber andere vor ihm und nach ihm auch. Neben ihm sind andere genau so grausam gekreuzigt worden. Nach ihm sind andere bei lebendigem Leib den Löwen vorgeworfen worden, auf dem Rost gebraten oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden – und was der grausamen Todesarten mehr sind. Im Tod Jesu sehen wir nur bespielhaft die Grausamkeit, die Menschen Menschen zufügen. Und wir sehen, dass niemand entsetzt, erschüttert oder mutig genug war, das zu verhindern.

Wo Menschen Menschen das antun, was sie dem Gekreuzigten angetan haben, da geht es um mehr als um Schuld und Strafe. Da geht es darum, einen Menschen zu entwürdigen. Die Kreuzigungsszene führt uns vor Augen, wie Menschen einen Menschen erniedrigen, leiden lassen, und daran noch Spaß haben.

Jesus, König der Juden, so steht es über dem Gekreuzigten; die Römer haben es auf eine Tafel geschrieben. Es ist ein Spotttitel. Die Würde des Königs wird ihm gerade abgesprochen, indem man ihm eine Dornenkrone aufsetzt, ihm einen alten Purpurmantel überhängt und ihn dann nackt ans Kreuz erhöht. Er soll entwürdigt werden. Der da hängt und leidet und blutet, der ist alles, nur kein König. Das kann jeder sehen. Wäre er ein König, dann hinge er nicht hier. Seine Legionen, seine Untertanen würden kommen und ihn befreien. Aber er hat keine. Und so hängt er da und verendet jämmerlich.

Die Juden wissen es besser als die Römer: Er wollte nicht nur König sein, sondern Gottes Sohn. Das ist in ihren Augen noch viel absurder. Ein König kann im schlimmsten Fall gestürzt, weggeputscht, von einer Revolution überrollt werden. Das wäre tragisch, aber möglich. Gottes Sohn aber, der konnte nicht von seinen Feinden getötet werden. Dann war er nicht Gottes Sohn. Gott hätte sich zu ihm bekennen müssen, hätte gar seine himmlischen Heere und Heiligen, so wie den Elia zum Einsatz bringen müssen. – Aber nichts dergleichen geschah. Gott schwieg. Und wenn jemand bis dahin noch geglaubt hatte, der sei Gottes Sohn gewesen – jetzt gewiss nicht mehr.

Seine Gegner, die noch nie an ihn geglaubt hatten, atmen erleichtert auf und frohlocken. Seine Freunde ziehen sich erschüttert und enttäuscht zurück. Für sie ist alles vorbei.

Selbst für Jesus scheint es so zu sein – alles vorbei: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? – Hatte er selber noch bis zuletzt auf Gottes rettendes Eingreifen gehofft? Hatte er erwartet, dass Gott im letzten Moment seine Niederlage in einen Triumph verwandeln würde? Musste er diesen Zweifel, diese Enttäuschung – selbst Gott hat sich gegen mich gestellt – musste er diese Gottverlassenheit durchleiden? – Wir wissen es nicht wirklich. Im Lukas- und Johannesevangelium klingt es anders. Wir wissen nur, dass Gott mit seinem rettenden Eingreifen viel länger gewartet hat, als es von Menschen zu erwarten war. Jesus blieb nichts erspart: jedenfalls nicht Tod und Sterben.

Ja, man wollte ihm alle Würde nehmen. Die Würde eines Königs von Israel, die er so nie beansprucht hatte. Die Würde des Gottessohnes, an die zumindest seine engsten Anhänger glaubten. Und die Würde als Mensch. Und genau das versuchen sie bis heute immer wieder: Menschen entwürdigen.

Es ist ihnen nicht gelungen. So unwürdig es war, was sie mit ihm angestellt haben: die Würde konnten sie ihm nicht nehmen. Sie haben sich selber die Menschenwürde genommen. Ihr Tun, ihr Töten, ihr Spott, ihre Folter – das war unwürdig. Jesus hat seine Würde behalten. Auch wer entblößt, blutüberströmt, schmerzgebeutelt, schreiend und heulend leiden muss, ist Mensch, ganz und gar: menschen-würdig, würdig des Mitleids, würdig der Achtung, würdig auch noch als Sterbender und Verstorbener menschlich behandelt zu werden. Unwürdig ist es, einem Menschen das zu verweigern. Das Kreuz mit dem leidenden Christus – es ist das Zeichen der Menschenwürde. Seht es so!

Und vergesst nicht: Auch der leidende Mensch, auch der sterbende Mensch, auch der verlassene Mensch, der selber nichts mehr kann und nichts mehr will – auch er hat seine Würde! Keiner hat das Recht, sie ihm abzusprechen. – Ich sage das, weil man immer häufiger hört, dass leidend und ohnmächtig leben zu müssen, schwer behindert, ans Bett gefesselt, bewegungsunfähig, der Sprache nicht mehr mächtig, dass das nicht menschenwürdig sei, und dass es gerechtfertigt wäre, sich selbst oder einen anderen in einem solchen Zustand das Leben zu nehmen. Nein, gerade das widerspricht der Menschenwürde! Vielleicht gehört es dort am allermeisten hin, das Kruzifix, über die Krankenbetten, dass wir die Würde der Leidenden nicht vergessen.

Gott sei Dank gibt es sie doch, die Menschen, die die Würde des Leidenden sehen. Bei der Kreuzigung Jesu ist es ausgerechnet der Hauptmann des Hinrichtungskommandos, der erschüttert feststellt, was die anderen gerade nicht erkennen konnten: Fürwahr, dieser ist ein rechtschaffener Mensch gewesen. – So ist es beim Evangelisten Lukas überliefert (Lukas 23, 47), und das wäre schon eine großartige Einsicht: Hier wird zu Unrecht ein Gerechter hingerichtet. Aber wir haben heute Matthäus gelesen, und da heißt es sogar: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen. – Obwohl er sterben musste: Gottes Sohn – die höchste Würde, die von einem Menschen ausgesagt werden kann! Sein Tod hat es am Ende nicht widerlegt, sondern sogar bestätigt – wenigstens für einige, die offene Augen und offene Herzen hatten: Dieser ist Gottes Sohn gewesen.

Wieso gerade dieser Hauptmann? Wie kommt er dazu? – Offenbar ist er ein Mann, der sich in seinem grausamen Beruf noch einen Rest an Gewissen bewahrt hat. Er ist wohl zutiefst erschüttert, als er feststellt, dass er hier einen Gerechten zu Tode gebracht hat. Er war Teil des Unrechtssystems, auch wenn er nur ein Rädchen im Getriebe war.

Aber mir scheint es: Mit dieser Einsicht, mit der Einsicht, dass er unrecht und menschenunwürdig gehandelt hat, hat er zu seiner Würde zurückgefunden. Er ist der erste Mensch, der unter dem Kreuz seine Schuld eingesteht und Christus bekennt. – Menschen, die ihre Schuld eingestehen, gewinnen ihre Würde zurück.
Denn dazu ist Jesus Christus ans Kreuz gegangen: um der Würde des Menschen willen. Um derer willen, die schuldig oder unschuldig leiden, so wie er. Und um derer willen, die schuldig werden, indem sie leiden lassen. Denen, die leiden, und denen, die leiden lassen, will er ihre Würde, ihre Menschlichkeit zurückgeben.

Ja, das Kreuz Jesu ist eine Zumutung. Sie mutet es uns zu, die Würde des Menschen, ja die Würde Gottes dort zu erkennen, wo es am unwürdigsten zugeht: im Leiden, im Sterben, in der Gottverlassenheit. Gerade dort ist der Mensch Mensch, und gerade dort ist Gott Gott.

Sonntag, 24. März 2013

Predigt am 24. März 2013 (Palmsonntag)


Nachdem Jesus zu seinen Jüngern geredet hatte, hob er seine Augen auf zum Himmel und sprach:
Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche; denn du hast ihm Macht gegeben über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast. Das ist das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den, den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue. Und nun, Vater,  verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.
Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt. Nun haben sie erkannt, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt. Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.
Johannes 17, 1-8


Liebe Schwestern und Brüder,

wie ist das, wenn meine Stunde gekommen ist, wenn ich weiß, dass ich in Kürze sterben werde? Wie ist das für die, die bei mir sind? – Vielleicht wissen es alle und keiner spricht es aus. Man redet um den heißen Brei. Belanglosigkeiten bis zum Schluss. Und die Angst oder die Erwartung, dass es zu Ende geht, schnürt ihnen die Kehle zu, und mir auch. Was ist jetzt noch zu sagen? Welche Worte können uns jetzt tragen, uns Halt geben? – Wie gut, wenn uns die richtigen Worte gegeben werden! Wie gut, wenn wir gelernt haben zu beten!

Jesu Stunde ist gekommen. Nur noch eine kleine Zeit, dann werden sie auseinander gehen, Jesus und seine Jünger. Und die Dinge werden ihren Lauf nehmen, so wie andere es beschlossen haben, so wie letztlich Gott es über ihn beschlossen hat. Die jetzt bei ihm sind, wollen es immer noch nicht wahrhaben, reden drumherum und spüren es doch von Minute zu Minute deutlicher, dass es so kommen wird – unvermeidlich. Es ist das Abschiedsmahl von Jesus. Jedes Wort hat Gewicht. Jesus sagt, was tragen wird, was Halt geben wird – auch nach jener Stunde. Er spricht von dem, was war, mehr aber noch von dem, was ist und was sein wird und bleiben wird. Er spricht von der Liebe, vom Abschied und vom Wiedersehen, von der Erinnerung und vom Trost. Er spricht von Gott, seinem Vater und er spricht von dem Tröster, dem Heiligen Geist, durch den er bei ihnen sein wird, auch wenn er nicht mehr da ist.

Es sind gute Worte für einen christlichen Abschied. Es sind die Themen, die auch für mich als Pfarrer in die Seelsorge an Sterbenden und Trauernden gehören: die Liebe, die über den Tod hinaus verbindet. Der Abschied und die Hoffnung auf ein Wiedersehen. Die Erinnerung an das Erdenleben, das nun zu Ende geht, und was diesem Leben Sinn und Fülle gegeben hat. Die Frage: Was kann uns trösten? Und die Frage nach Gott, der schon da ist, wo der Sterbende hingeht, und der zugleich auch hier war und hier ist, wo wir zurückbleiben.

Jesus hält sich und den Seinen gewissermaßen selber die Trauerrede. Und am Ende spricht er sich selber das Aussegnungsgebet. Er betet für sich und er betet für seine Hinterbliebenen, für seine Jünger.

Das Besondere an seinem Reden und an seinem Beten ist: Alles bekommt vor Gott einen neuen, einen tieferen Sinn. So soll es sein – idealerweise –, wenn wir beten: Vor Gott bekommt alles seinen tieferen Sinn: unser Leben, unser Sterben, unser Leiden, unser Scheitern, was wir sind und was wir haben.

Dieses Gebet Jesu macht die Situation klar und durchsichtig für das Eigentliche.

Jesus spricht nicht vom Kreuz, vom Leiden und Sterben. Er spricht von Gottes Herrlichkeit. Das Kreuz ist der Weg, Gottes Herrlichkeit ist das Ziel. Der Menschensohn muss erhöht werden. Erhöht ans Kreuz. Dort hängt er blutend, schreiend, schwitzend, stöhnend - sterbend: Erhöht zu Gott. Das Leiden ist aufgehoben zu Gott. Und die, für die und mit denen er gelitten hat, sind nun aufgehoben zu Gott und aufgehoben bei Gott. – Unter dem Kreuz, nicht erst zu Ostern, beginnen Menschen, Gottes Herrlichkeit zu sehen – wunderbarerweise. Am Karfreitag werden wir von jenem Hauptmann hören, der unter dem Kreuz bekennt: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!Wir sahen seine Herrlichkeit, hieß es zu Weihnachten. Wir sehen seine Herrlichkeit am Kreuz. Denn es ist herrlich souverän, als Gottes Sohn dorthin zu gehen, wo keiner von uns Menschenkindern hingehen will: ans Kreuz, ins Leid, in den Tod.

Am Kreuz kehren sich die Dinge um, da wird die Ordnung der Welt durchkreuzt, da wird das Leiden aufgehoben, da wird aus dem schmachvollen Sterben ein herrlicher Sieg. Und in der tiefsten Ohnmacht offenbart sich die Macht des Lebens.

Nein, Jesus spricht nicht von seiner Ohnmacht. Er spricht von der Macht, die ihm sein Vater gegeben hat, nämlich die Macht, ewiges Leben zu geben. Denn Gottes Macht endet gerade nicht dort, wo die menschliche Macht endet, nämlich an der Grenze des Todes. Gottes Macht beginnt dort erst so richtig. Denn aus dem Tod schafft Gott neues Leben.

Und darum spricht Jesus auch nicht vom Tod, sondern vom ewigen Leben. – Ewiges Leben, das ist übrigens nicht dasselbe wie Leben nach dem Tod. Ewiges Leben ist das Leben mit Gott, das mitten in diesem Leben beginnt und vom Tod nicht getötet werden kann. Es beginnt mit der Gotteserkenntnis und mit dem Jesus-Christus-Glauben. Und weil wir Gott schon im Hier und Jetzt kennengelernt haben, und weil wir seinem Sohn schon heute und hier vertraut haben, darum sind wir dann auch ganz gewiss, dass wir auch dann und dort mit ihm leben werden.

Jesus spricht ja auch nicht von der Ungewissheit, sondern von der Erkenntnis. – Ungewissheit überfällt uns leicht, wenn wir an unsere Zukunft denken, wenn wir gleich gar ans Sterben denken. Das DASS ist ja allzu gewiss, aber das WAS und das WIE erscheint uns so ungewiss, und das macht uns Angst. – Jesus lebt und stirbt in der Gewissheit: Ich bin ganz bei Gott – im Leben und im Tod. Je mehr ich Jesus kenne und vertraue, um so stärker ist auch in mir diese Gewissheit: Ich bin ganz bei Gott – im Leben und im Tod. Und das ist es, was mir keiner nehmen kann.

Jesus spricht nicht davon, dass ihm jetzt alles genommen würde, sondern davon, was Gott ihm gegeben hat. – Das ist ja unser realistischer Blick auf das Sterben, dass uns dann alles genommen wird. Dass wir nichts mitnehmen können und niemanden, dass wir nackt, wie wir von Mutterleib gekommen sind, zurückkehren, mit leeren Händen. – Aber es stimmt so nicht. Denn was uns genommen wird, was wir nicht mitnehmen können, das ist nur das Materielle, das Irdische. Und wenn das alles ist, woran unser Herz hängt, dann haben wir am Ende wirklich nichts mehr. Jesus spricht von den Menschen, die ihm Gott gegeben hat: die, die ihn erkannt haben, die an ihn geglaubt haben, die er geliebt hat. Von denen kann ihn auch der Tod nicht trennen. Und umgekehrt für uns: Von Jesus Christus kann uns auch der Tod nicht trennen, und von denen, die wir geliebt haben und die er geliebt hat. Darum hat er ja zuvor auch nicht nur vom Abschied gesprochen, sondern vom Wiedersehen.

In diesem Gebet, das Jesus in der Stunde des Abschieds spricht, ist die ganze Hoffnung, der ganze Trost des Glaubens. Weil Jesus sich ganz eins weiß mit seinem Vater, darum kann er getrost und tröstend seinen letzten Weg gehen.

Weil er diesen Weg für uns gegangen ist, darum können auch wir getrost und getröstet unseren letzten Weg gehen und getrost und getröstet von denen Abschied nehmen, die uns vorausgehen.

Diejenigen unter uns, die aus der reformierten Tradition der evangelischen Kirche kommen, kennen gewiss den Anfang des Heidelberger Katechismus: Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? – Dass ich mit Leib und Seele, im Leben und im Sterben nicht mein, sondern meines getreuen Heilands Jesu Christi eigen bin … – Ja, das sei unser Trost. Amen.

Sonntag, 17. März 2013

Predigt am 17. März 2013 (Sonntag Judika)

Die Hohenpriester und die Pharisäer versammelten den Hohen Rat und sprachen: „Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen. Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute.“ Einer aber von ihnen, Kaiphas, der in dem Jahr Hoherpriester war, sprach zu ihnen: „Ihr wisst nichts; ihr bedenkt auch nicht: Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe.“ Das sagte er aber nicht von sich aus, sondern weil er in dem Jahr Hoherpriester war, weissagte er. Denn Jesus sollte sterben für das Volk, und nicht für das Volk allein, sondern auch, um die verstreuten Kinder Gottes zusammenzubringen. Von dem Tage an war es für sie beschlossen, dass sie ihn töteten.
Johannes 11, 47-53


Liebe Schwestern und Brüder,

„Wenn wir ohne das Kreuz gehen, wenn wir ohne das Kreuz bauen, und wenn wir uns zu einem Christus ohne Kreuz bekennen, sind wir keine Jünger des Herrn.“


Das sind Worte des neuen Papstes Franziskus, gesprochen bei der Messe mit den Kardinälen am vergangenen Donnerstag. Es sind Worte, die mich bewegen, weil sie ganz nahe bei dem sind, was ich als evangelischer Christ, als Lutheraner, glaube. Auch Martin Luther hat davon gesprochen, dass das Kreuz Kennzeichen der christlichen Kirche sei.

Heute gibt’s auch protestantische Theologen, die erklären, sie brauchten den Kreuzestod Jesu nicht. Es sei kein Ausdruck von Liebe, dass Gott den unschuldigen Jesus in diesen grauenvollen Tod am Kreuz hineinschickte.*


Das gibt mir zu denken: Ich stehe offenbar dem Papst näher als manchem Vertreter unserer evangelischen Kirche. – Nur dass wir nicht mehr evangelische Kirche sind, Kirche des Evangeliums, wenn wir das Kreuz Jesu herausschneiden.


Aber es ist ja schon auch eine berechtigte Frage: Musste das sein? Und warum musste das sein? Dass Jesus den grauenvollen Tod am Kreuz gestorben ist?


Die Antwort, vielleicht nicht die ganze, vielleicht nicht die voll verständliche Antwort, aber eben doch eine Antwort gibt unser Predigttext mit den Worten des Hohenpriesters Kaiphas: Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe.


Also: Diejenigen, die Jesus ans Kreuz gebracht haben, die haben sich schon etwas dabei gedacht. Es musste sein, um des Volkes willen, um des Glaubens willen und um des Friedens willen.


Sie sehen: Da ist einer, der als Prophet, nein, mehr noch: als Messias auftritt, der nicht nur große Reden schwingt, sondern auch große Zeichen tut. Zuletzt wird ihnen glaubhaft zugetragen, er habe einen Toten, der schon vier Tage im Grab gelegen hatte, wieder auferweckt. Und immer mehr Menschen glauben an ihn, folgen ihm, jubeln ihm zu. Und die Römer fürchten die jüdischen Messiasse und Glaubensfanatiker. Wenn es zu einem Aufstand käme, dann würden sie militärisch zuschlagen, vielleicht sogar den Tempel, das Allerheiligste verwüsten, den von Gott gebotenen Opferdienst abschaffen, die jüdische Selbstverwaltung in Fragen des Glaubens und des Tempels abschaffen. – Das alles hatte es schon gegeben in den letzten Jahrhunderten. Und man war froh und dankbar, dass der status quo wenigstens so war, wie er war. Es gab sicher wünschenswertere Zustände, als als römische Provinz zu existieren. Aber immerhin hieß diese Provinz noch Judäa, und es gab den Tempel und Priester und Opfer, und alles lief einigermaßen nach den biblischen Vorschriften. Man war den Römern steuerpflichtig, das einfache Volk lebte zum Teil in großer Armut, aber es herrschte Frieden, die Pax Romana, gesichert von den römischen Legionen.


Also: Das alles darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. Im Interesse des Volkes, im Interesse des Glaubens, im Interesse des Friedens.


Wir sollten uns den Hohen Rat mit seinen Priestern und Ratsherren nicht als mafiöse und machtgierige Clique vorstellen, sondern als verantwortlich denkende und handelnde Politiker. Und zu verantwortlicher Politik gehört es manchmal auch, sich die Finger schmutzig zu machen. Sich für das kleinere Übel zu entscheiden. Und um der inneren und äußeren Sicherheit willen im schlimmsten Fall auch mal einen Feind zu eliminieren oder einen Unschuldigen über die Klinge springen zu lassen.


Kaiphas ist erfahren und abgebrüht genug, um das so zu sehen und zu sagen. Und ich möchte ihm – entgegen allen Klischees – keinen Vorwurf daraus machen. Er denkt und handelt verantwortungsbewusst. Vielleicht handelt er sogar aus Liebe zu seinem Volk und zu seinem Gott. – Und darum musste Jesus sterben.


Auf jeden Fall handelt er verantwortungsbewusster als der Provinzgouverneur Pilatus, der wider bessere Einsicht Jesus zum Tode verurteilt. Pilatus hat kein Interesse und keine Sympathie für die Bewohner seiner Provinz; er will nur seinen eigenen Hintern retten. Kaiphas wollte sein Volk vor größerem Unheil bewahren. Das ehrt ihn; auch wenn er damit Jesus verkannt hat.


Aber die Medaille hat ja noch eine andere Seite. Gottes Plan, den Kaiphas unwissend, aber wie Johannes schreibt, doch prophetisch ausspricht: Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe. Jesus stirbt für sein Volk und für die Menschen aus jedem Volk, damit sie nicht verderben. Jesus Christus ist für uns gestorben. Das war Gottes Plan.


Aber da sind wir wieder bei den Einwänden der modernen Theologen und auch Nicht-Theologen, die sagen: „Ich brauche diesen Tod nicht.“* Und: Mein Gott hätte niemals seinen Sohn geopfert.


Ja, ich kann das verstehen. Das ist eine erschreckende Vorstellung: Da muss einer leiden und sterben meinetwegen. Ich will das nicht. Ich will ohne sein Opfer, in eigener Verantwortung vor Gott treten. Warum soll das nicht gehen?


Aber ich höre Gottes Antwort: Es geht nicht. Was weißt du, Mensch, wie schlimm es zwischen dir und mir steht? Was weißt du wirklich über den unendlich-ewigen Abgrund zwischen Gott und Mensch, zwischen dir und mir? Und was weißt du über den unendlich-ewigen Abgrund meiner Liebe?


Und das, das ist dann letztlich der Schlüssel für mich, um etwas vom Sinn des Kreuzes zu verstehen und es für mich anzunehmen: Hier zeigt sich der Abgrund von Gottes Liebe.


Diese Liebe ist so tief, dass sie vor nichts zurückschreckt. Gott sagt nicht: Ich tue dies und das und jenes für dich, weil ich dich liebe. Ich segne dich. Ich schenke dir Gesundheit und Erfolg und langes Leben. Ich passe auf dich auf. Ich tröste dich, wenn’s nicht so läuft. Ich bin immer da, wenn du mich brauchst. Usw. usf. – Wisst ihr: Das ist der Gott, wie wir Menschen ihn uns wünschen und uns in unserer religiösen Fantasie auch selber erschaffen können. Gott sagt etwas anderes. Er sagt: Ich liebe dich mit meinem Leben. Ich will für dich sterben. Meine Liebe kennt keine Grenze, nicht mal die Grenze des Todes.


Wir kennen die Beispiele, wie Menschen im Extremfall ihr Leben hingeben, um einen geliebten Menschen zu retten, und sie berühren uns. Wie im Titanic-Film. Oder wie in Wirklichkeit: etwa jene Lehrerin, die sich beim Schulmassaker vor ihre Schüler gestellt hat. Eltern würden fast immer ihr Leben für ihre Kinder geben.


Es gibt keine Liebe ohne Opfer. Und es gibt keine größere Liebe als die, die sich selbst aufopfert. So groß ist Gottes Liebe. Er opfert sich selber auf.


Und da sind wir beim Geheimnis Jesu Christi. Gott lässt eben nicht irgendeinen Menschen über die Klinge springen, sondern er wird selbst Mensch in Jesus Christus und stirbt für uns, damit wir nicht verderben.
So sehr liebe ich dich, Mensch, und dich … und dich …, sagt Gott. Du kannst das gar nicht erfassen. Und du kannst diese Liebe auch nicht erwidern. Aber du kannst sie dankbar annehmen, damit mein Tod für dich nicht vergeblich war.


Das Kreuz, liebe Schwestern und Brüder, das Kreuz Jesu Christi – und auch unser Kreuz, das wir auf uns nehmen und ihm nachtragen – das ist das Kennzeichen der Kirche.


„Wenn wir ohne das Kreuz gehen, wenn wir ohne das Kreuz bauen, und wenn wir uns zu einem Christus ohne Kreuz bekennen, sind wir keine Jünger des Herrn.“



*Klaus Peter Jörns in ideaSpektrum 9/2013, S. 21

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Sonntag, dem 17. März 2013

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

manche von Ihnen wissen, dass ich in der DDR aufgewachsen bin, und dort mussten wir in der Schule als erste Fremdsprache Russisch lernen, denn das war die Sprache unserer „sowjetischen Freunde“. Die Sowjetunion war ja das große Vorbild, das Mutterland des Kommunismus. Und ein Markenzeichen dieses Kommunismus war ein militanter Atheismus: Gottlosigkeit, Religionsfeindlichkeit. Entsprechend waren wir auch als Christen in der DDR, nun ja, nicht gerade beliebt und bevorzugt. Zu den Vokabeln, die man bei einer Fremdsprache ziemlich am Anfang mit lernt, gehören die Wochentage. Und so haben wir gleich in der 5. Klasse die Vokabel woskresenje für Sonntag gelernt. Als Christen hatten wir an dieser Vokabel unsere besondere Freude, denn, das wussten wir, das wurde immer weiter gesagt: woskresenje bedeutet eigentlich Auferstehung. Sonntag ist der Tag der Auferstehung Jesu. Und das Russische hat diese Bedeutung aufbewahrt. Nicht mal die Kommunisten haben es geschafft, die Auferstehung aus der Sprache zu verbannen.


Und als der Kommunismus verschwand, feierte in Russland auch das orthodoxe Christentum seine Auferstehung. Der Atheismus hatte sich in 70 Jahren nicht in den Herzen festsetzen können.

Woskresenje - Auferstehung. Das ist zentraler Inhalt des christlichen Glaubens. Im kirchlichen Glaubensbekenntnis kommt die Auferstehung sogar zweimal vor: dass Jesus Christus auferstanden ist: am dritten Tage auferstanden von den Toten; und dass wir Menschen auferstehen sollen: Auferstehung der Toten und das ewige Leben.


Wir glauben nicht nur, dass Jesus ein begnadeter Lehrer, ein von Gott erleuchteter Prophet, ein großer Heiler oder überhaupt ein außergewöhnlicher Mensch war. Wir glauben, dass er vom Tod auferstanden ist, und dass wir durch ihn das ewige Leben haben.


Jesus sagt: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.


Am Sonntag, dem Auferstehungstag, könnten wir daran denken und darüber staunen und getröstet werden in unserer Todesfurcht.

Es grüßt Sie Ihr Pfarrer Roland Herrig von Teneriffa-Süd.

Samstag, 16. März 2013

Zündfunke (Rudnfunkandacht) am Samstag, dem 16. März 2013

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

um das Wesentliche im Leben zu beschreiben, gebrauchen wir am besten auch Bilder vom Lebendigen. Jesus hat häufig vom Wachsen der Pflanzen, vom Säen und Ernten gesprochen. So ist das Reich Gottes, hat er gesagt: Es wächst. Es entwickelt sich. Es ist organisch.


Und dann gebraucht Jesus so ein organisches, lebendiges Bild auch für sich selber. Ich bin der Weinstock, sagt er.


Wenn wir auf dieses Bild achten, dann stellen wir vielleicht fest: Jesus spricht in diesem Bild gar nicht nur von sich, sondern er bezieht uns mit ein: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben, sagt er zu seinen Jüngern. Die Reben sind ja ein Teil des Weinstocks, und zwar derjenige, der am Ende die reifen Trauben hervorbringt. Jesus sagt: Es wäre absurd, wenn ihr als einzelne Reben Früchte hervobringen wolltet, ohne dass ihr Teil des Weinstocks wärt, mit ihm verbunden und verwachsen. Ohne mich könnt ihr nichts tun.


Da wird aus dem schönen organischen Bild eine Zumutung. Können wir nicht eine ganze Menge tun, auch ohne Jesus? Kennen wir nicht auch Menschen, die Großes, Gutes, Ehrenwertes geleistet haben, ohne Christen zu sein? Ja. Und ich will das niemandem absprechen. Was einer für Früchte hervorgebracht hat und ob das am Ende gute Früchte waren, das wird Gott beurteilen.


Das Bild vom Weinstock aber sagt etwas anderes: Nicht ich als kleine Rebe am großen Weinstock kann und muss aus eigener Kraft Früchte hervorbringen, sondern der Weinstock, mit dem ich verbunden bin, der bringt die Früchte in meinem Leben hervor. Und nicht nur in meinem, sondern in dem all der anderen Reben. So ist auch der Weinstock ein Bild für das Reich Gottes, das wächst, das Früchte bringt, aber das es nicht gibt ohne Jesus Christus.


Es ist zugleich ein Bild für die christliche Kirche. Sie ist dann und nur dann christliche Kirche, wenn sie mit ihrem Herrn Jesus Christus verbunden und verwachsen ist.

Es sprach Roland Herrig, Tourismuspfarrer in Teneriffa-Süd für Radio Megawelle.

Freitag, 15. März 2013

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Freitag, dem 15. März 2013

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

vor kurzem habe ich mit unseren Konfirmanden über den 23. Psalm gesprochen. Das ist dieser ganz bekannte, der mit den Worten beginnt: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.


Gar nicht so einfach, habe ich gemerkt. Die Mädchen, die hier auf Teneriffa leben und in der deutschen Sprache nicht so zu Hause sind, wie die meisten von uns, mussten erst mal überlegen, was eigentlich ein Hirte ist. Was heißt: Er weidet mich auf einer grünen Aue? Wozu braucht er Stecken und Stab? Ich denke, wir haben es miteinander ganz gut herausbekommen. Jedenfalls haben sie schöne Hirtenbilder gemalt und waren am Ende der Meinung, dass dieser Psalm wirklich sehr schön ist.

„Gott ist mein Beschützer“, haben sie es in ihre Sprache übersetzt. Und wenn sie mitbekommen, dass das in ihrem Leben wirklich so ist, dann haben sie schon das Allerwichtigste verstanden.


Jesus kennt diesen Psalm auch; und in seiner Lebenswelt sind Hirten und Schafe etwas ganz Selbstverstänliches. Jeder weiß, dass ein Hirte seine Schafe schützt und versorgt, dass er sie pflegt und kennt. Und dass er im Ernstfall sogar sein Leben einsetzen muss gegen gefährliche Raubtiere. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe, sagt Jesus. Und er sagt: Ich bin der gute Hirte.


Und wir verstehen: Es ist kein Unterschied zwischen Der Herr ist mein Hirte und Christus ist der gute Hirte. Gott behütet mich durch Jesus Christus. Gott gibt mir, was ich zum Leben brauche, durch Jesus Christus. Gott tut meiner Seele wohl durch Jesus Christus. Und Gott gibt mir das ewige Leben durch Jesus Christus.


Hirte heißt bekanntlich Pastor. Wir Pastoren sind gewissermaßen Unterhirten des guten Hirten Jesus. Aber wir sind eben nicht selber die guten Hirten. Ja, es gibt sogar schlechte Hirten. Sie haben in den letzten Jahren dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit der Kirche geschadet. Aber Jesus möchte nicht, dass Sie an die Pastoren glauben oder an den Pastoren verzweifeln. Er möchte, dass sie ihm vertrauen. Er ist der gute Hirte.

Es sprach Pastor Roland Herrig, Tourismuspfarrer in Teneriffa-Süd für Radio Megawelle.

Donnerstag, 14. März 2013

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Donnerstag, dem 14. März 2013

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

eine der genialsten Erfindungen der Menschheit, auch wenn kaum einer darüber nachdenkt, ist die Tür.


Einerseits trennt sie Drinnen und Draußen genau so wie die Wand, zu der sie gehört. Andererseits verbindet sie Drinnen und Draußen; durch die Tür kann ich hindurchgehen, durch die Wand eben nicht.


Ich mache die Tür hinter mir zu, damit mich keiner mehr erreicht, damit ich für mich bin, meinen geschützten Raum habe.


Ich öffne die Tür für den, der draußen steht, und den ich hineinlassen will in meinen Raum, und damit in mein Leben.


Ich stehe vor einer verschlossenen Tür, und ich komme nicht hinein, wenn mir keiner öffnet oder wenn ich keinen Schlüssel habe.


Und ich finde offene Türen vor, durch die ich eintreten kann.


Türen trennen und verbinden. Türen werden geöffnet und verschlossen. Ohne Türen säßen wir entweder hinter Mauern und könnten nicht zueinander kommen, oder wir lebten ständig in der Öffentlichkeit und könnten uns nicht voreinander schützen und verbergen. Beides wäre nicht gut. Türen entsprechen unserem Menschsein.


Jesus Christus hat gesagt: Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden.

Mit diesem Bildwort beschreibt Jesus unser Verhältnis zu Gott.

Manche meinen, Gott wäre für uns immer und überall erreichbar; der Himmel hätte keine Türen, alle könnten immer zu Gott kommen.

Die Bibel geht davon aus, dass es eine hohe Mauer gibt zwischen Gott und uns Menschen; wir können nicht einfach zu ihm kommen. Diese Mauer heißt Sünde, und Sünde bedeutet „Trennung von Gott“.

Aber es gibt eine Tür in der Mauer. Und diese Tür ist Jesus. Wenn wir zu ihm gehen, bei ihm anklopfen, dann öffnet er uns die Tür zu Gott, die Tür in den Himmel.

Manche versuchen auf anderen Wegen, mit viel Mühe und Anstrengung über die Mauer zu gelangen. Oder mit dem Kopf durch die Wand. Wieder andere malen sich die Mauer von innen schön an mit himmelblauer Farbe und Bildern vom Paradies, dann fühlen sie sich auch so wie im Himmel. Einfacher wäre es die Tür zu benutzen:

Jesus, er ist die Tür zu Gott.

Es sprach Roland Herrig, Tourismuspfarrer in Teneriffa-Süd für Radio Megawelle.

Mittwoch, 13. März 2013

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Mittwoch, dem 13. März 2013

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

ich bin das Licht der Welt! Sage nicht ich, sondern Jesus Christus sagt das von sich: Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.


Wie kann eine Person Licht sein? – Mir fallen Redewendungen dazu ein. Jemand ist nur ein kleines Licht, keine große Leuchte, nicht sehr helle. Ok, das passt alles nicht für Jesus, da stimmt das Gegenteil: Er war ein ganz großes Licht, ja er war richtig sehr von Gott erleuchtet. Er hatte Ausstrahlung. Vielleicht sollten wir uns Jesus als einen Menschen mit leuchtenden Augen, mit einem strahlenden Gesicht vorstellen, statt mit einem Heiligenschein.


Wobei: Der Heiligenschein, der Strahlenkranz um den Kopf, wie wir ihn auf vielen alten Bildern sehen, soll genau dasselbe symbolisieren: Aus diesem Menschen strahlt etwas Besonderes heraus, das überirdisch Göttliche, Ewige, das Licht der Welt.


Von Jesus geht Licht aus. Durch ihn kommt ein Strahlen, ein Glanz in diese Welt, der ohne ihn nicht da wäre.


Ich höre auf seine Worte, und mir geht ein Licht auf.

Ich sitze schweigend in einer Kirche, sehe das Sonnenlicht durch die farbigen Fenster fallen und bin berührt, spüre, dass Gottes Licht in mein Leben fällt.

Oder ich erlebe, wie das Nachtdunkel dem Morgengrau weicht, wie die grauen Wolken im Rot der ersten Sonne aufleuchten und schließlich die Sonne selber ihr erstes Licht über Berge und Meer wirft, und ich danke Gott, dass er es jeden Morgen wieder hell werden lässt in dieser Welt, und dass er es auch immer wieder hell werden lässt in meinem manchmal ziemlich finsteren Herzen.

Ich danke ihm, dass Jesus Christus als Licht in diese Welt gekommen ist. Und ich denke daran, dass er mich ins Licht führen wird.

Es sprach Roland Herrig, evangelischer Tourismuspfarrer, für Radio Megawelle.

Dienstag, 12. März 2013

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Dienstag, dem 12. März 2013

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

Ich bin … sagt Jesus Christus, um sich den Menschen vorzustellen. Aber er sagt nicht: „Hallo, ich bin der Sohn vom Chef.“ Oder: „Ich bin der Messias.“ Oder: „Ich bin der, der mal schnell die Welt rettet.“ Er spricht lieber in Bildern zu den Menschen. In Bildern, die sie aus ihrem Leben kennen und auf Anhieb verstehen.


Ich bin das Brot des Lebens, sagt Jesus zum Beispiel. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.


Dass Brot mehr ist, als irgendein Nahrungsmittel, das weiß jeder. Brot ist das Grundnahrungsmittel. Das war bei Jesus so; das ist bei uns so. Ohne Brot geht gar nichts. Brot hat man immer im Haus. Brot ist ein einfaches Nahrungsmittel. Dafür kann man alles Mögliche zum  Brot dazu essen. Und man kann das Brot auch „so“ essen, gerade wenn es frisch und gut ist. Brot ist nahrhaft, Brot sättigt, Brot ist gesund, elementar, unverfälscht. Unsere Ernährungsgewohnheiten haben sich gewandelt, aber Brot bleibt Brot.


Wenn wir im Vaterunser um das tägliche Brot bitten, dann denkt mancher vielleicht auch an Luthers Erklärung zu dieser Bitte: Was heißt denn tägliches Brot? – Alles, was not tut für Leib und Leben, wie Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, fromme und treue Oberherren, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und dergleichen.


Wow! Das alles ist unser täglich Brot, weil es so wichtig ist wie das Stück Brot, das wir jeden Tag essen. Wenn etwas davon fehlt, geht’s uns nicht richtig gut.


Und nun sagt Jesus von sich: Ich bin das Brot des Lebens. Das bedeutet: Ich bin genau so lebensnotwendig wie Essen und Trinken und alles andere, was ihr zum guten Leben braucht. Ohne mich fehlt euch was.


Wirklich? – Also mir würde etwas fehlen, wenn ich Jesus mit seinen Worten, mit seinen Taten, mit seiner Präsenz in meinem Leben nicht hätte. – Zu einer gesunden Ernährung für unsere Seele gehört er einfach dazu.


Ihr Roland Herrig, Tourismuspfarrer in Teneriffa-Süd für Radio Megawelle.