Sonntag, 28. Mai 2017

Predigt am 28. Mai 2017 (Sonntag Exaudi)

Am letzten Tag,
dem Höhepunkt des Laubhüttenfestes,
stellte sich Jesus hin
und rief mit lauter Stimme:
„Wenn jemand Durst hat,
soll er zu mir kommen
und trinken –
jeder, der an mich glaubt.
So sagt es die Heilige Schrift:
,Ströme von lebendigem Wasser
werden aus seinem Inneren fließen.‘“
Jesus bezog dies auf den Heiligen Geist.
Den sollten die erhalten,
die zum Glauben an ihn gekommen waren.
Denn der Heilige Geist war damals
noch nicht gekommen,
weil Jesus noch nicht
in Gottes Herrlichkeit aufgenommen war.
Johannes 7, 37-39 (Basisbibel)

Kirchentag.
In Jerusalem.
Nicht aller zwei Jahre, sondern jedes Jahr.
Laubhüttenfest nennen sie das.
Überall stehen Hütten, aus Ästen und Palmwedeln gebaut – zur Erinnerung an die Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste:
Damals konnten sie auch nur in provisorischen Hütten oder Zelten leben.
Deshalb: Laubhüttenfest.
Aber viel wichtiger:
Das Laubhüttenfest war ein Wallfahrtsfest –
damals, als der Tempel in Jerusalem noch stand.
Wer Zeit und Geld hatte, zog für ein paar Tage nach Jerusalem.
Jeden Tag waren Gottesdienste im Tempel.
Und dazwischen traf man sich und redete und sang und tanzte und feierte.
Und jeden Tag brachten die Priester in feierlichem Zug, unter Gesang und dem Schwingen von Palmzweigen, Wasser von der Siloah-Quelle hinauf in den Tempel zum Altar Gottes.
Am letzten Tag mit besonders üppiger Liturgie.
Kirchentag in Jerusalem.
Menschenmengen.
Lebensfreude.
Vielleicht nur ein klein wenig getrübt, weil überall die Sicherheitsleute von der Tempelwache sind und bewaffnete römische Trupps patrouillieren:
Ein Terroranschlag oder irgendwelche spontanen Unruhen sind jederzeit möglich.
Aber im Großen und Ganzen ist es schön:
Sie feiern die Ernte.
Sie feiern das Leben.
Sie feiern den Glauben.
Sie feiern Gott.
Vor allem aber feiern sie sich selbst:
Es geht uns gut.
Wir haben den grandiosesten Tempel aller Zeiten – erst vor wenigen Jahrzehnten fertiggestellt.
Wir leben in friedlichen Zeiten – trotz den Römern (oder vielleicht sogar dank den Römern?).
Natürlich, die Freiheit ist eingeschränkt;
aber wir leben in unserem Land
mit unserem Glauben
und mit allem, was wir zum Leben brauchen.
Gott sei Dank!
Seit Tagen gibt es ein Gerücht:
Jesus ist da, auf dem Kirchentag.
Der von Nazareth.
Der Prophet.
Der Wundertäter.
Der Rätselredner.
Der Geheimnisvolle.
Vielleicht sogar der Messias?
Die einen sagen: Er ist es.
Die anderen sagen: Er kann es gar nicht sein.
Die Veranstalter haben Angst vor Unruhen
und schicken ihre Sicherheitsleute los,
um ihn aus dem Verkehr zu ziehen.
Aber irgendwie gelingt das nicht.
Vielleicht wollen die gar nicht?
Halten ihn gar selber für den Messias?
Oder ist es doch nur ein Gerücht?
*
Jesus auf dem Kirchentag.
In Berlin und Wittenberg.
Da feiern sie auch das Leben,
den Glauben,
und sich selbst.
Alles natürlich ganz anders als vor 2000 Jahren.
Und manches vielleicht doch ähnlich:
Die Lebensfreude neben der Terrorangst.
Wohlstand bei eingeschränkter Freiheit.
Und die Befürchtung:
Jesus auf dem Kirchentag könnte die Bevölkerung verunsichern.
Jesus auf dem Kirchentag ist ein Gerücht.
Jemand hat das Kirchentagsprogramm nach „Jesus Christus“ durchsucht – und ihn nicht gefunden.
Nur Barack Obama; den hatten sie ja auch mal für den Messias gehalten.
Und Martin Schulz …
Wie kommen die eigentlich darauf, dass Politiker irgendwas Bedeutendes über Gott und Glauben und Religion zu sagen hätten?
Wahrscheinlich genauso wie sie darauf kommen, dass Schauspieler, Popsänger und Youtube-Sternchen etwas über Politik zu sagen hätten.
Ich sage dazu nur:
Passt einfach auf, dass ihr Prominenz nicht mit Kompetenz verwechselt!
Und dass ihr Glauben nicht mit Politik vermischt!
*
Jesus war auf dem Kirchentag.
In Jerusalem.
Es war nicht nur ein Gerücht.
Während der abschließende Großgottesdienst auf dem Höhepunkt ist – die Priester tragen in einer pompösen Prozession in goldenen Kannen das Quellwasser von Siloah herein –, da ruft Jesus laut:
„Wenn jemand Durst hat,
dann soll er zu mir kommen
und trinken –
jeder, der an mich glaubt!
So sagt es die Heilige Schrift:
,Ströme von lebendigem Wasser
werden aus seinem Inneren fließen.‘“
Wenn jemand so was von sich gibt, dann ist er entweder ein Spinner – oder ein Prophet.
Vielleicht sogar der Messias.
Und genau darüber bricht der Streit aus unter den Kirchentagsbesuchern:
Darf der das?
Ist er der, als der er sich ausgibt?
Ja, es gibt Streit.
Nicht Harmonie.
Jesus bringt nicht Friede, Freude usw.,
sondern er verursacht heiße Diskussionen.
Nur die Hohenpriester und die Pharisäer, die dulden keine Diskussionen.
Und als gar einer aus ihren Reihen sagt: „Hört ihn euch doch erst mal an, sprecht doch mal mit ihm, bevor ihr ihn verurteilt“, da fahren sie ihm über den Mund:
„Du kommst wohl auch aus Galiläa, wo der herkommt.
Von dort kann gar nichts Gutes kommen.
Halt einfach die Klappe!“
So nachzulesen bei Johannes im selben Kapitel.
Jesus war auf dem Kirchentag.
Aber sie wollten ihn nicht hören.
Sie haben versucht, ihn zum Schweigen zu bringen.
Nicht alle, aber einige.
Die Organisatoren und Verantwortlichen: die Hohenpriester.
Und die Aufpasser, die immer darauf achten, was man tun und sagen darf und was nicht: die Pharisäer.
*
„Wenn jemand Durst hat,
dann soll er zu mir kommen
und trinken –
jeder, der an mich glaubt!
So sagt es die Heilige Schrift:
,Ströme von lebendigem Wasser
werden aus seinem Inneren fließen.‘“
Das sagt Jesus.
Der Rätselredner.
Aber es ist ja nicht schwer zu entschlüsseln, dieses Rätsel.
Es geht natürlich nicht um Wasser. Nicht um natürliches Wasser.Nicht um Trinkwasser, nicht um Waschwasser.
Es geht um Gottes Geist.
Denn Gottes Geist ist wie Wasser.
Er reinigt.
Er löscht den Durst.
Er fließt.
Und er strömt.
Er ist nicht aufzuhalten.
Vor ein paar Tagen stand ich an einer alten Industriemühle in einem kleinen sächsischen Dorf.
Das Mühlgebäude war zu einem schicken Wohnhaus umgebaut.
Aber der Mühlbach rauschte immer noch vorbei, wie schon vor Jahrhunderten.
Das heißt: Er rauschte nicht einfach vorbei.
Er war angestaut.
Und wo sich früher ein Mühlrad gedreht hat, da läuft heute, wenn ich das richtig mitbekommen habe, eine Turbine, die Strom erzeugt, ein kleines Kraftwerk.
Es fließt: Das Wasser.
Und der elektrische Strom.
Energie.
Lebendiges, fließendes Wasser – das ist nicht nur nass, es ist Energie!
So ist das mit Jesus und mit dem Heiligen Geist:
Da strömt – wie Wasser oder wie elektrischer Strom – die Lebensenergie.
Die Glaubensenergie.
Die Gotteskraft.
Kraft für den Alltag.
Wenn gerade kein Kirchentag ist.
Wenn du gerade nicht weißt, wie es weitergeht.
Oder wie du alles schaffst.
Oder ob dich noch jemand liebhat.
Oder wenn du dich leer fühlst, und irgendwas fehlt.
Dann nämlich brauchst du keinen Kirchentag,
dann brauchst du Jesus und seinen Heiligen Geist.
Dann brauchst du diese Energie für deinen Alltag.
Gotteskraft.
Glaubensenergie.
Lebensenergie.
*
Jesus war auf dem Kirchentag (bzw. ist es noch).
In Berlin und Wittenberg.
Selbstverständlich.
Vielleicht ist er nicht auf der großen Bühne.
Wahrscheinlich ist er nicht dort, wo Politiker und Prominente sich spreizen und wo Kirchenführer rot-rot-grünen Wahlkampf machen.
Aber da, wo Leute miteinander reden,
wo Menschen sich von ihrem Glauben erzählen,
wo sie gemeinsam in der Bibel lesen,
die Hände zum Gebet falten
oder sie zum Lobpreis gen Himmel recken.
Und wenn jemand mit mehr Lust zum Glauben, mit mehr Mut zum Christsein, mit mehr Power für den Alltag vom Kirchentag nach Hause fährt, dann hat er wohl von dem Jesus-Strom was abbekommen.
*
Gott sei Dank ist Jesus nicht nur bei Großveranstaltungen!
Wo jemand an ihn glaubt, ihm vertraut, ihn sucht, da kann eine Quelle sprudeln, da kann der elektrische Funke überspringen.
Da kann Lebensenergie bei uns ankommen.

Ja, genau, bei uns.
Manchmal ist Jesus auch hier, bei uns.