Sonntag, 13. März 2011

Predigt vom 13. März 2011 (Invokavit)

Liebe Schwestern und Brüder,
wir leben nicht im Paradies, nicht mehr. Wenn sich Katastrophen ereignen, so wie vorgestern die Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe in Japan, dann wird uns das schlagartig deutlich. Menschen, unschuldige Menschen, wie man so gerne sagt, kommen ums Leben, werden verletzt, verlieren Hab und Gut …
Das ist nur ein Beispiel. Erdbeben, die plötzlich und (fast) unvorhersehbarer Gewalt über die Menschen kommen, sind nur besonders krasse Katastrophen. Sie erschüttern besonders ...
Als 1755 ein gewaltiges Erdbeben Lissabon zerstörte und eine gewaltige Flutwelle durch den Atlantik ging – also auch die Gestade unserer Kanarischen Inseln berührte –, da war das eine große Erschütterung für das optimistisch-aufgeklärte Denken der Denker von damals.
Einer der großen Philosophen, Gottfried Wilhelm Leibniz, hatte doch bewiesen, dass wir in der „besten aller möglichen Welten“ leben.
Der Glaube an den gütigen Gott der Aufklärung bekam Risse.
Nein, wir leben nicht im Paradies, und ob diese nicht paradiesische Welt trotzdem die beste aller möglichen Welten sein könne, ist reine Spekulation.
Die Bibel erzählt uns, dass wir Menschen das Paradies verloren haben, dass wir aus dem Paradies vertrieben worden sind und dass paradiesische Zustände jenseits von Eden nicht zu erwarten sind.
Diese lange Geschichte vom Scheitern des Paradieses, sie ist heute unser Predigttext:

Die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: "Ja, sollte Gott gesagt haben: ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?" Da sprach das Weib zu der Schlange: "Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet!" Da sprach die Schlange zum Weibe: "Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist." Und das Weib sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon, und er aß. Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.
Und sie hörten Gott den HERRN, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam  versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des HERRN unter den Bäumen im Garten. Und Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: "Wo bist du?" Und er sprach: "Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich." Und er sprach: "Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?" Da sprach Adam: "Das Weib, das du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß." Da sprach Gott der HERR zum Weibe: "Warum hast du das getan?" Das Weib sprach: "Die Schlange betrog mich, so dass ich aß." Da sprach Gott der HERR zu der Schlange: "Weil du das getan hast, seist du verflucht, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang. Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen." Und zum Weibe sprach er: "Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, aber er soll dein Herr sein." Und zum Manne sprach er: "Weil du gehorcht hast der Stimme deines Weibes und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden."
Und Adam nannte sein Weib Eva; denn sie wurde die Mutter aller, die da leben. Und Gott der HERR machte Adam und seinem Weibe Röcke von Fellen und zog sie ihnen an. Und Gott der HERR sprach: "Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nur nicht ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich!" Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der er genommen war. Und er trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.
1. Mose (Genesis) 3, 1-24

Liebe Schwestern und Brüder, diese lange Geschichte, diese alte Geschichte kann man nicht mal so eben schnell in einer Predigt ausdeuten. Es ist auch keine Geschichte, die eindeutige Antworten auf eindeutige Fragen gibt.
Vielleicht ist es aber am ehesten diese Frage, auf die sie antwortet: Warum ist unsere Welt, die Welt, in der wir leben kein Paradies? Warum gibt es das Böse in der Welt? – Gefährliche Tiere und gefährliche Pflanzen, das Miteinander und Gegeneinander der Geschlechter, die Mühen des Broterwerbs, die Mühen des Kinderkriegens, das Sich-Schämen, Sich-Verstecken, Sich-Herausreden der Menschen voreinander – und vor Gott, die Klugheit und Verdorbenheit des Menschen und vor allem: der Tod? – Warum ist diese Welt so und nicht anders? Warum ist sie kein Paradies?
Und weil sich darauf keine kurze, knappe, logische Antwort geben lässt, darum erzählt die Bibel eine Geschichte.
Eine Geschichte zunächst davon, wie das Paradies aussehen könnte. Und eine Geschichte davon, was über kurz oder lang passiert, wenn man den Menschen in dieses Paradies hineinsetzt.
Es ist wie eine Versuchsanordnung: Die beste aller möglichen Welten, alles ist gut. Und doch geht es nicht gut.
Da ist die Schlange. Das Böse windet sich aus dem Guten hervor.
Immer wieder hat man in der Schlange den Teufel gesehen, den Bösen, den Versucher: Ein Gegenspieler Gottes bringt die Schöpfungsordnung durcheinander.
Davon steht im Bibeltext kein Wort. Es wird ausdrücklich gesagt, dass auch die Schlange Gottes Geschöpf ist, von ihm gemacht. Sie ist ein Stück Schöpfung, ein Stück Natur.
Die Natur aber ist nicht einfach nur gut. Sicher, Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut! (1. Mose 1,31) – Alles funktioniert, alles ist perfekt aufeinander abgestimmt – das können wir staunend beobachten, wenn wir den Lauf der Gestirne, die Vielfalt und Funktionalität von Tieren und Pflanzen bestaunen oder uns einfach an der Schönheit der Natur erfreuen. – Aber das heißt noch lange nicht, dass diese Natur auch moralisch gut ist. Sie weiß nicht zu unterscheiden zwischen Gut und Böse.
Die Plattentektonik der Erde ist faszinierend, und wahrscheinlich könnte unser Planet nicht ohne sie sein. Der Vulkanismus kann wunderschöne Berg- und Gesteinsformationen hervorbringen: Wir haben sie hier täglich vor Augen. – Und doch sind diese Kräfte mächtig, zerstörerisch, tödlich. Dahinter steckt keine Bosheit, und doch können sie für uns bitterböse werden.
Das Zeitalter der Romantik hat die Natur zu etwas Gutem verklärt; das Zeitalter der neuen Romantik, das wir erleben, hat die Natur zu etwas Heiligem verklärt, das wir Menschen vor unserer Nutzungskultur schützen müssten. – Eigentlich war es immer anders: Die Menschen mussten sich vor der gefährlichen Natur schützen. – Bei so einem Erdbeben wird das wieder sichtbar: Entscheidend sind die Schutz- und Warnsysteme. – Wir sehen ja auch, was es für einen Unterschied macht, ob ein Erdbeben ein unterentwickeltes Land wie Haiti trifft oder ein hochtechnisiertes Land wie Japan ...
Die Möglichkeit zum Bösen – sie liegt offenbar in der Natur. Sie ist mit Gottes guter Schöpfung mitgeschaffen.
Die Möglichkeit zum Bösen – sie liegt aber auch im Menschen. Der Mensch kann, ja er muss, Entscheidungen treffen. Wer oder was schützt ihn vor Fehlentscheidungen? – Die Erkenntnis von Gut und Böse, sie stellt sich oft erst hinterher ein. So ist es ja auch in der biblischen Geschichte. Wie soll der Mensch wissen, dass es böse ist, vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, wenn er gerade noch nicht von diesem Baum gegessen hat? – Der Mensch in der Freiheit ist der Mensch im Dilemma. Er ist seiner Freiheit nicht gewachsen.
Es ist ja nicht die Bosheit des Menschen, die ihm zum Fallstrick wird, es ist viel mehr seine Güte, seine Gutmütigkeit, seine Arglosigkeit. Warum sollte er den Worten der Schlange nicht glauben? Warum sollte das, was Gott gesagt hat, richtiger sein? Gott ist gerade weg. Die Schlange ist da.
Und dann ist die Frau da, der Mitmensch. Sie gibt ihm zu essen. Warum soll er ihr misstrauen?
Es ist wie in der klassischen Tragödie. Die Katastrophe braut sich zusammen, und sie ist unausweichlich. Gerade weil der Mensch die Freiheit zum Guten hat, wählt er zwangsläufig das Böse.
Und dann gehen ihm die Augen auf. Aber es ist zu spät.
Schon in diesem Moment ist das Paradies kein Paradies mehr. An die Stelle von Offenheit, Unverstelltheit und Arglosigkeit tritt das Sich-Verstecken. Der Mensch weiß um Gut und Böse, er kennt das Böse in sich selber, und darum schämt er sich, darum versteckt er sich. Vor dem Mitmenschen, selbst vor dem engsten Lebenspartner – und dann auch vor Gott.
Er ist nicht mehr eins mit seiner Entscheidung. Gefragt, warum er getan hat, was er getan hat, redet er sich heraus, redet er sich um Kopf und Kragen: "Ich war's nicht. Das Weib war's", sagt der Mann, "das Weib, das du mir gegeben hast." Mit anderen Worten: "Gott, du bist selber schuld." – "Ich war's nicht. Die Schlange betrog mich", sagt das Weib. "Es ist ja nur die Natur." – Die Natur, die Schlange, kann sich nicht mehr wehren.
Wir können uns ja fragen, wo solche Ausreden vorkommen: Verführt worden. Die Verhältnisse. Die natürlichen Neigungen und Bedürfnisse.
Das alles mögen Erklärungen sein. Es sind keine Entschuldigungen. Der Mensch, der in der Freiheit steht, der Mensch, der Gut und Böse zu unterscheiden weiß, er ist verantwortlich für seine Entscheidungen. Und er muss die Konsequenzen tragen.
Die Lebensverhältnisse jenseits von Eden, außerhalb des Paradieses sind Konsequenzen daraus, Konsequenzen aus der verfehlten Freiheit. – Ich kann das heute nicht weiter ausführen; es wird sonst zu lang.
Aber eines dürfen wir nicht übersehen, die erschwerten Lebensverhältnisse jenseits von Eden, mit Katastrophen, Krankheit, Mühe und Not und am Ende dem Tod, sie sind immer noch eine Chance zum Leben. An dem Tagen, an dem du diesem Baum isst, wirst du des Todes sterben, hatte Gott gesagt (1. Mose 2, 17). – Doch dann hat er dem Menschen noch eine Lebensspanne eingeräumt. Der Tod ist ihm nie fern, das Damoklesschwert hängt über ihm, aber er darf leben und leben weiter geben. Er lebt nicht im Paradies, aber er lebt mit Mühe und Arbeit, mit Liebe und Leid.
Und er lebt in der Hoffnung auf Erlösung. In der Hoffnung auf die Rückkehr ins verlorene Paradies.
Vielleicht ist es auch etwas von dieser Hoffnung, das uns auf diese Eilande hier getrieben hat, die Inseln des ewigen Frühlings, die nach alten Mythen die Insel der Seligen sein sollten, ein letztes Stück Paradies auf Erden.
Wir sollten aber auch wissen: Auf diesen Vulkaninseln an einer tektonisch sensiblen Stelle unseres Planeten leben auch wir gefährdet.
Jedenfalls kann uns dieser schöne Ort nicht die Erlösung ersetzen.
Wir befinden uns, liebe Schwestern und Brüder, am Beginn der Passionszeit. Wir lassen uns erinnern an die Geschichte vom Leiden, Sterben und Auferstehen des Menschensohnes Jesus Christus. Er hat uns, indem er die nicht erlöste Welt durchlebt und durchlitten hat, erlöst und die Tür zum Paradies wieder aufgestoßen. So heißt es ja in einem bekannten Weihnachtslied: "Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis …" (EG 27, 6), so klingt es auch in der Osterbotschaft, der wir entgegen gehen. Und darum singen wir jetzt auch ein Osterlied …
Jesus Christus hat die Macht des Todes überwunden und uns das Leben wiedergebracht.

Sonntag, 6. März 2011

Predigt vom 6. März 2011 (Estomihi)

Jesus kam in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: "Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll!" Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: "Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.
Lukas 10, 38-42

Liebe Schwestern und Brüder,
Jesus zwischen zwei Frauen. Marta und Maria wetteifern, ja konkurrieren um seine Gunst. Sie stehen für zwei Typen von Frauen. Die eine, Marta, will mit ihren Küchenkünsten beeindrucken: Liebe geht durch den Magen. Die andere, Maria, will beeindrucken, indem sie bewundernd zu Ihm aufschaut. Die Szene ist regelrecht so gestaltet: Sie sitzt ihm zu Füßen, hört Ihm zu, schaut zu ihm auf. Und die erste, sie macht sich zu schaffen, sie will Ihm dienen.
Was hier vorgestellt wird, ist nicht nur die Art und Weise, wie Frauen ihre Liebe und Bewunderung für einen Mann ausdrücken können. Es ist eine Typologie, wie christliche Frauen sein können: zwei verschiedene Rollenmuster, die es immer auch in der Kirche gegeben hat: die aktiv Dienende, die Praktische, die Küchenfee; und die passiv Hörende, die Kontemplative, auch bekannt als Kanzelschwalbe.
Nein, es sind überhaupt zwei Glaubens- und Lebenstypen, die es nicht nur unter Frauen gibt, sondern auch unter Männern. Ich kenne das aus allen Gemeinden, in denen ich bisher gewesen bin. Ob es hier auch so ist, will ich nach drei Wochen noch nicht beurteilen.
Da gibt es die Aktiven, die Praktischen, die Macher. Wenn es darum geht, ein Fest vorzubereiten, Tische aufzustellen, am Grill zu stehen, oder beim Arbeitseinsatz im Kirchengelände oder im Pfarrwald mitzumachen, da sind sie dabei, diese Männer, auch manche, die man sonst nie oder selten im Gottesdienst sieht. Wenn es darum geht, zu kochen, zu backen oder Kaffee zu machen, wenn im Frühjahr Kirchenputz angesagt ist, dann sind sie dabei, diese Frauen, auch manche, die niemals zur Bibelstunde oder zum Weltgebetstag mitgehen würden.
Ja, und da gibt es die anderen, die lieber zum Gottesdienst gehen als zum Kirchencafé, die für jede Situation das passende Bibelwort parat haben, die sich noch mal extra zum Beten treffen und die vielleicht sogar, ohne dass es groß auffällt, für andere Seelsorger und Berater sind. Aber bei den praktischen Arbeiten, da sieht man sie eher selten oder mit wenig Begeisterung.
Es ist schwer, diese Unterschiedlichkeit auszuhalten. So schwer wie bei Marta und Maria. Es dauert nicht lange, da beschwert sich die eine über die andere. In diesem Falle ist es die Küchenfee, die sich beklagt, dass die andere nicht mithilft. Und – huch – sie sagt es ihr nicht etwa selber: „Maria, könntest du nicht bitte auch was mit machen?“ – Sie beschwert sich lieber bei Jesus. Wenn Maria ihn schon so anhimmelt, dann kann er ja seine Autorität gleich mal nutzen und ihr sagen, was wirklich dran ist.
Es könnte durchaus auch andersherum sein. Jedenfalls in christlichen Gemeinden ist es manchmal auch andersherum: Da beschwert sich auch mal die Kanzelschwalbe über die Küchenfee, dass diese nicht fromm genug ist und bei der ganzen Arbeit das Beten vergisst.
Wie soll man mit solchen Beschwerden umgehen? – Jesus nimmt diejenige in Schutz, über die sich die andere beschwert – ich möchte es zunächst erst mal so neutral ausdrücken: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Könnte heißen: Ich verstehe dich ja. Ich sehe durchaus, was du tust und leistest; und trotzdem: das andere ist auch gut und wichtig: zuhören, glauben lernen, beten.
Könnte er umgekehrt nicht auch Marta in Schutz nehmen – gegen eine Maria, der die Marta nicht fromm genug ist? – "Maria, Maria, du hörst so gut auf meine Worte, aber Marta hat begriffen, dass es nicht nur Hörer, sondern Täter des Wortes braucht?"
Liebe Schwestern und Brüder, das wäre sympathisch. Damit könnte ich gut leben. Das wäre auch eine gute Linie, die ich als Pfarrer in der Gemeinde fahren könnte: Jeder ist wichtig, ob mit Worten oder mit Taten. Seht hin und erkennt es an, was der andere tut! Freut euch, dass es die Praktischen gibt, die für das Wohlergehen des Leibes sorgen – und damit letztlich ja auch der Seele. Und seid dankbar, dass es die Kontemplativen gibt, die für ihre Seele sorgen – und damit letztlich auch für unser aller Seelen. Wir sind verschieden, und das ist gut so! So sind wir Gemeinde!
Ja, das wäre mir sympathisch. Aber in der Begegnung mit Jesus, Marta und Maria, geht es nicht so zu. Jesus kann und will es offenbar nicht allen recht machen. Er ergreift Partei. Er ergreift Partei für Maria, die Passive, die Nichtstuerin, die Nur-Zuhörerin. Was Marta da in der Küche tut, ist gut und schön. Maria aber, sagt er, hat das gute Teil erwählt. Die beste Portion, könnte man auch übersetzen. Während Marta sich noch müht, dass alle etwas Ordentliches vorgesetzt bekommen, hat Maria, so sagt es Jesus, schon die beste Portion bekommen.
Die beste Portion, das Wichtigste überhaupt ist eben nicht das gute Essen und Trinken, es ist das Miteinander, es ist das Einander-Mitteilen, Aufeinander-Hören. Es ist das Hören auf Jesus.
Leuchtet das ein? – Mir schon: Essen und Trinken, das leibliche Wohl, die Gebäude, die Infrastruktur, das Drumherum – das alles ist wichtig; aber es ist nicht das Wichtigste. Es ist eigentlich immer Mittel zum Zweck. Nicht dass der Gast bewirtet wird, ist eigentlich wichtig, sondern dass das Essen und Trinken Gemeinschaft stiftet, dass sich Menschen am Tisch begegnen, miteinander reden, aufeinander hören.
So ist es auch in der Kirche, in der Gemeinde: Die Versorgung, der Küchen- und Tischdienst, das Bauen und Verwalten – das alles ist wichtig; aber es ist nicht das Wichtigste. Es ist Mittel zum Zweck: Damit Menschen einander begegnen können, miteinander reden, aufeinander hören, voneinander lernen. Mehr noch: damit sie Gott begegnen können, mit ihm reden, auf ihn hören und von ihm lernen. Das ist der Sinn von Kirche, von Gemeinde. Das ist wohl sicher auch damit gemeint gewesen, als unser Gemeindezentrum, das neue wie schon das alte, „Haus der Begegnung“ genannt worden ist. Das ist das Eine, das nottut, das wir brauchen: einander begegnen und Gott begegnen. – Das ganze organisatorische und praktische Drumherum ist dem zugeordnet.
Wenn wir Technik und Verwaltung, Küche und Kuchen hätten, aber keine Menschen, die sich hinsetzen und bei Kaffee und Kuchen miteinander reden, die sich auch zur Bibelstunde treffen und miteinander Gottesdienst feiern, dann wäre das alles umsonst.
Um diese Priorität geht es: Die Begegnung von Mensch zu Mensch und von Mensch zu Gott, die ist das Wichtigste. Alles andere hat dienende Funktion.
Maria, die von Jesus gelobt wird, der war das Wichtigste so wichtig, dass sie das Drumherum einfach vergessen hat. Das kann man ihr vorwerfen, wie Marta es tut. Man könnte sie aber auch bewundern, dass ihr die Äußerlichkeiten so unwichtig geworden sind.
Wie so oft endet die Geschichte mit einem pointierten Satz: Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden. Wie es weitergeht erfahren wir nicht. Könnte es sein, dass Jesus am Ende hinzugefügt hat: „Und nun, Maria, lass uns zu Marta in die Küche gehen, wir können ihr helfen und dabei das Gespräch zu dritt fortsetzen“?
Aktivität und Kontemplation, Arbeiten und Beten, Küchenfee und Kanzelschwalbe, Marta und Maria – die müssen nicht im Wettstreit miteinander stehen.

Donnerstag, 3. März 2011

Predigt vom 27. Februar 2011 (Sexagesimä) - Gottesdienst mit Einführung ins Pfarramt Teneriffa-Süd

Jesus sprach: "Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht, wie. Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.
Markus 4, 26-29

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gäste,
so ein Landwirt hat's gut: Im Frühjahr säen, dann ein paar Monate nichts tun, und im Herbst die Ernte einfahren. Aufgehen und Wachsen kann die Saat auf dem Feld von allein. So einfach ist das – sagt Jesus in dieser kleinen Gleichnisgeschichte.

So ein Tourismuspfarrer hat's auch gut: „sonnenbadender Touri mit Arbeitserlaubnis“ – so hat mir ein neidischer Zeitgenosse vor ein paar Tagen in einer E-Mail geschrieben. – Und hat er nicht Recht? – Gesät haben hier schon andere. Meine Vorgänger, vor allem Martin Götz und Wilfried Heitland, haben hier Entscheidendes geleistet: Der eine hat eine Gemeinde gesammelt, der andere hat gemeinsam mit dieser Gemeinde die organisatorischen und räumlichen Strukturen geschaffen, in denen das Wort Gottes nun wachsen kann. Ich kann mich gewissermaßen ins gemachte Nest setzen, bzw. auf meinen Balkon in Chayofa, und zuschauen, wie diese gute Saat aufgeht. Erntezeit scheint ja noch nicht zu sein. – So schön, so einfach könnte es sein.

So schön, so einfach ist es nicht. Das weiß ich schon nach den ersten knapp zwei Wochen hier. Das wusste ich schon, nachdem wir uns im Oktober hier vorgestellt und umgesehen hatten. Das wusste ich auch schon, als wir die Bewerbung auf diese Pfarrstelle losgeschickt haben.
Das Gleichnis von dem Samen, der ganz von allein aufgeht, wächst und Frucht bringt, ist, wenn ich das richtig verstehe, auch ein bisschen anders gemeint. Es ist keine Einladung zum Nichtstun und Zuwarten. Es ist eher eine Anleitung zur Geduld, eine Hilfe, Wachstumsprozesse zu verstehen.
So ist Gottes Reich, sagt Jesus immer wieder: etwas, das wachsen muss, das sich entwickelt, entfaltet. Das Zeit braucht. Es kommt nicht mit Macht und Gewalt. Es kommt mit kleinen Samenkörnern, die Zeit brauchen zum Keimen, zum Aufgehen, zum Früchte ausbilden.
Jesus hat sich selber in der Rolle des Landwirts, des Sämanns gesehen. Seine Worte, seine Taten, seine kleinen Geschichten – so auch diese – das sind die Samenkörner des Reiches Gottes. Mehr noch: Er selber ist mit seiner Geschichte, mit seinem Leben, Sterben und Auferstehen Gottes Samenkorn. Das Reich Gottes ist eingesät, eingepflanzt in diese unsere Welt.
Manchmal haben sich die Menschen gefragt, manchmal fragen wir uns, ob er sich nicht mehr um seine Saat kümmern könnte: was daraus wird, wie es wächst, ob vielleicht manches Pflänzchen eingeht, ob nicht Dornen, Disteln und Unkräuter wuchern unter dem Weizen. – Aber er lässt es einfach wachsen, schläft und steht auf und schaut zu, was aus seiner Saat wird, wie sie der Ernte entgegengeht.
Für uns sieht es manchmal so aus, als ob er sich zu wenig kümmert – um seine Kirche, um seine Menschen, um sein Reich in dieser Welt. – Wenn wir geschichtliche Maßstäbe anlegen, dann ist die Jesus-Christus-Geschichte, die vor 2000 Jahren begann, eine große Erfolgsgeschichte. Daran ändern auch Rückschläge und Rückgänge des Glaubens da oder dort nichts. Wir sind Teil der Wachstumgsgeschichte von Gottes Reich in dieser Welt. Dass wir davon manchmal so wenig sehen, das liegt daran, dass Wachstum so langsam geht und dass es nicht überall und immer gleichmäßig wächst.
Und es liegt daran, dass wir selber im Wachsen sind. Wir sind ja gar nicht die Bauern, die säen und zusehen und warten, wie es wächst. Wir sind ja selber Gottes Pflanzung, Gottes Garten. Wir selber wachsen. Jeder von uns könnte erzählen von Wachstum in seinem Leben. Jeder könnte erzählen von Phasen, in denen sich schnell etwas verändert hat, wo ihm Gottes Wort groß geworden ist, wo Glaube in ihm gewachsen ist. Jeder könnte erzählen von Ruhephasen, von Zeiten des Stillstands, von Trockenheit, Dürre; manche sind fast schon eingegangen. Und dann eben doch wieder gewachsen. Manche Pflanze wächst in die Höhe und ist doch nur unfruchtbares Stroh, manche Pflanze wächst nicht weiter, aber bildet unerwartet schöne Blüten oder reiche Früchte aus. So ist es doch bei uns Menschen auch. Wir sind im Wachsen.
Wachstum ist manchmal geradezu dramatisch. Das Samenkorn vergeht, stirbt, wie es Jesus auch sagt, und bringt gerade so den Keim für die Pflanze hervor. Der Keim kämpft sich durch die Erde ans Licht. Die Pflanze widersteht den Bedrohungen durch Sonne, Wind, Nässe, Dürre. Manche vergeht zu früh, aber andere werden groß, stark, schön, fruchtbar. – So sind wir: Gottes Garten, seine Pflanzung, sein Reich.
So ist Jesus Christus: das Korn, das in die Erde fällt und stirbt, das wieder lebendig wird und viel Frucht bringt.
So ist er bei uns, so ist er in uns: im Guten und im Schweren, in Liebe und in Leid, in Sonne und Wind. Er durchlebt und durchleidet unsere Wachstumsprozesse. Wir wachsen mit ihm, an ihm, in ihm.
Ich möchte bei euch, bei Ihnen nicht als Zuschauer sein. Ich möchte nicht nur gucken, was hier so wächst und in der Zwischenzeit in der Sonne liegen. Ich möchte teilhaben an den Wachstumsprozessen, die sich unter uns abspielen. Ich möchte beständig und immer neu daran erinnern, dass Jesus Christus hier mit uns, unter uns, in uns lebt.
Und natürlich: ein bisschen Sämann, Bauer, Landwirt auf Gottes Ackerfeld bin ich schon auch. So leicht und einfach, wie es im Gleichnis klingt, ist dessen Leben ja denn doch nicht. Gottes Wort ist immer neu auszusäen. Und darüber hinaus sollten die Pflänzchen ja nicht ganz sich selbst überlassen bleiben. Gelegentlich muss der Boden gelockert werden. Hin und wieder sollte man auch gießen. Oder düngen. – Das Schöne am Düngen ist ja, dass auch der Mist zu etwas gut ist. Vielleicht mache ich auch mal Mist. Hoffentlich kann das dann auch dem Wachstum nützen.
Und dann noch etwas, etwas ganz Wichtiges: Ich bin es nicht allein, der hier sät und gießt und vielleicht auch Mist macht. Es sind auch nicht nur meine Frau und ich. Wir sind viel mehr. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir hier auf Teneriffa Gemeinde sind – ich habe gerade gelernt, dass es auch Tourismuspfarrer gibt, die praktisch keine Gemeinde im Hintergrund haben. Wir hier sind viele. Wir können miteinander und aneinander wachsen. Und wir können miteinander für andere Säleute des Glaubens sein.
Das Reich Gottes breitet sich nicht, zumindest nicht allein, dadurch aus, dass es ordentlich berufene Diener des Wortes Gottes gibt. Gottes Same wird vor allem ausgestreut durch die vielen, die Gemeinde sind, bei denen schon Früchte des Glaubens gewachsen sind. Auch und gerade das ist unsere Aufgabe hier an diesem Ort: Kirche für andere sein, für Fremde, für Menschen, die Gott schon lange vergessen haben oder die noch nie von ihm gehört haben.
Eines ist mir aber ganz wichtig, am allerwichtigsten: Wir können kein Wachstum machen, wir können es nicht produzieren. Es ist ein organischer Prozess. Wir müssen ihn geschehen lassen. Das ist wohl der tiefste Sinn des Gleichnisses. Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand. So kennen es viele von uns als Erntedanklied, und so ist es auch: Wir können mitwirken, so wie der Landwirt mitwirkt, dass etwas wächst. Aber wir können es nicht machen. Das Entscheidende kommt von Gott. Er hat das Potential zum Wachsen und Gedeihen in uns hineingelegt und lässt es einfach geschehen. – Das gibt uns, das gibt mir am Ende doch wieder eine gewisse Gelassenheit.  Vielleicht und hoffentlich kann ich mich ja zwischendurch wirklich auch mal in die Sonne legen und zusehen, wie Gott es wachsen lässt.

Predigt vom 20. Februar 2011 (Septuagesimä)

Jesus sprach: "Wer unter euch hat einen Knecht, der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt zu ihm, wenn der vom Feld heimkommt: 'Komm gleich her und setz dich zu Tisch'? Wird er nicht viel mehr zu ihm sagen: 'Bereite mir das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; danach sollst du auch essen und trinken'? Dankt er etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war? So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: 'Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.'"
Lukas 17, 7-10

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,

"Du bist ein Nichtsnutz!" – Vielleicht haben wir diesen Satz irgendwann mal als Kinder gehört. Wir haben ihn uns nicht allzu sehr zu Herzen genommen. Denn genau genommen ist das das Privileg der Kindheit: Wir mussten noch zu nichts nütze sein. Wir haben das Leben genossen und die Welt entdeckt, und ganz nebenbei haben wir gelernt nützlich zu werden, uns nützlich zu machen. Dankbar haben wir das Lob aufgesogen, wenn uns etwas gelungen war, wenn wir etwas selber konnten.

Ich weiß, nicht allen wird es so gegangen sein. Manche sind in Zeiten und Verhältnissen groß geworden, wo sie sich von Anfang an mit nützlich machen mussten, Arbeiten in Haus, Garten, Hof oder Geschäft mit verrichten, auf kleinere Geschwister aufpassen, kurz: Verantwortung übernehmen von Klein auf. Wenn es dann hieß: "Du bist ein Nichtsnutz!", dann hatte man wahrscheinlich richtig Mist gemacht, Schaden angerichtet, war seiner Verantwortung nicht gerecht geworden.

Wir wollten natürlich keine Nichtsnutze sein. Im Leben als Erwachsene kam es darauf an, nützlich zu sein, seine Aufgaben gut wahrzunehmen, sich Lob zu verdienen und nicht den Tadel, weil wir etwas versaut hatten. – Ich erinnere mich, wie ich in meiner ersten Arbeitsstelle, im Fotolabor, eine größere Zahl von Bildern in nicht so guter Qualität vergrößert hatte und wie mein Chef getobt hat, weil ich Pfusch abgeliefert hatte, Arbeitszeit und Material vergeudet und, wenn die Bilder so zu den Kunden gegangen wären, dem Ansehen des Geschäfts geschadet hätte. – Er hatte Recht: Wenn ich immer so gearbeitet hätte, wäre ich ein unnützer Mitarbeiter gewesen.

Nützlich zu sein, uns nützlich zu machen, das ist für uns ganz elementar wichtig im Leben. Das verschafft uns Anerkennung bei anderen und nicht zuletzt Achtung vor uns selbst: Das kann ich, das tue ich, das habe ich geleistet, darauf bin ich stolz, ich bin nützlich, mein Dasein hat einen Sinn.

Sicher ist das auch eine Motivation für viele, sich hier in unserer Gemeinde nützlich zu machen. Ich denke gerade an diejenigen, die nicht mehr im Berufsleben stehen und sich nun ganz bewusst hier engagieren. Sie wollen noch zu etwas nütze sein. Und natürlich: Sie wollen auch, dass das wahrgenommen wird, dass sie dafür zumindest Lob und Anerkennung und gelegentlich ein Dankeschön erhalten.

Im Gleichnis Jesu, das wir gehört haben, fällt für unsere Begriffe etwas auseinander, das doch zusammengehört: Da sind Menschen, die sich nützlich machen, die ihre Arbeit tun – so wie das damals war: als Knechte auf dem Acker und im Stall: fleißige, pflichtbewusste Menschen. Dazu würde auf der anderen Seite nun doch der Dank, die Anerkennung, der Lohn gehören. Stattdessen: Kein Dankeschön. Stattdessen die Aufforderung zur Selbstbescheidung: Wir sind unnütze Knechte.

Wer will das sein? Wer kann mit solch einer Haltung glücklich sein: Ich kann mir Mühe geben, wie ich will, und trotzdem bin ich eigentlich nur ein unnützer Knecht. Ich bin verzichtbar, bin ersetzbar, ich muss dankbar sein, dass ich überhaupt noch mitarbeiten darf, Dank und Anerkennung habe ich nicht zu erwarten. Wer hält das auf die Dauer aus? Macht nicht genau das so viele krank und kaputt, dass sie nur funktionieren müssen, ohne dafür etwas zurückzuerhalten?

Es ist noch nicht lange her, da hat man auch in unserer Kirche eine solche Haltung noch kultiviert: "Mein Lohn ist, dass ich dienen darf", hieß es bei den Diakonissen, und wie viele von ihnen waren am Ende verhärmt und verbittert und keineswegs die frohen Dienerinnen des Herrn, die sie einmal sein wollten!

Und trotzdem ist diese kleine, fremde, ärgerliche Gleichnisgeschichte ausgesprochen evangelisch. Sie entspricht dem Evangelium, das dann vor allem Paulus verkündet, das Luther neu entdeckt hat: Vor Gott kommt es am Ende nicht auf unsere Werke, auf unsere Taten, auf unsere Leistungen an. Wir können uns Lob und Anerkennung bei Gott nicht verdienen, auch wenn wir noch so gute Mitarbeiter in seiner Kirche sein sollten, auch wenn wir ein noch so engagiertes, gerechtes und menschenfreundliches Leben führen sollten. Vor ihm, vor Gott sind wir unnütze Knechte (und Mägde). Bzw. Mitarbeiter, auf die er auch verzichten könnte, die er durch andere ersetzen könnte, die dankbar sein müssen, dass sie überhaupt mitarbeiten dürfen. – Eigentlich!


Aber – und das ist nun die andere Seite, das ist das eigentliche Evangelium – aber: Gott versagt uns Lob und Anerkennung gerade nicht. – Diese kleine Geschichte, die Jesus erzählt, sie bricht ab mit dem Wort der Mitarbeiter: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren. Aber was wird der Herr dieser Knechte darauf sagen? Was wird er tun?

Ein anderes, ganz ähnliches Gleichnis von Jesus gibt die Antwort:
Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen (Lukas 12,37). Den Knechten, die ihr Herr bei der Arbeit findet, denen wird er, der Herr, zum Knecht. Für die sorgt er. Denen gibt er, worauf sie kein Anrecht haben.
Und da macht es keinen Unterschied, wie du dich selber siehst und wie dich andere sehen. Ob du dir unnütz vorkommst, ob du das Gefühl hast, nichts oder zu wenig zu leisten, oder ob du das Gefühl hast, viel, ja allzu viel zu tun, und keiner sieht es und keiner lobt dich; ob du wirklich und wahrhaftig viel und Großes leistest, oder ob du nur wenig zustande bringst: Für deinen Herrn, für unseren Herrn bist du kein unnützer Knecht, keine unnütze Magd. Was du tust und zustandebringst, ist nicht vergeblich. Selbst das, was dir misslingt und wo du scheiterst, es hat seinen Sinn in Gottes Plan.

Wenn dir also einer sagt: "Du bist ein Nichtsnutz!" – sei gewiss, dass du für Gott viel mehr bist.
Wenn du dir selber sagst: "Ich bin ein Nichtsnutz!" – sei gewiss, dass Gott dich liebt. Du bist Gottes Kind, das einfach leben darf, ohne zu etwas nütze zu sein.

Dein Leben, was du bist und was du tust, es hat seinen Wert in sich selbst. Es hat seinen Wert in Gott. Amen.

Mittwoch, 2. März 2011

Herzlich willkommen!

Bisher habe ich als Pfarrer 2.0 in unregelmäßigen Abständen gebloggt. Dieses Blog war inhaltlich und technisch eng mit meiner Tätigkeit in den Ev.-Luth. Kirchgemeinden Augustusburg, Erdmannsdorf und Hohenfichte verbunden.

Seit gut zwei Wochen bin ich nun Tourismusseelsorger und Pfarrer der deutschsprachigen Evangelischen Kirchengemeinde Teneriffa-Süd, also Inselpfarrer.

Auch von hier aus werde ich mich zu Themen und Fragen äußern, die mich bewegen und von denen ich annehme, dass sie außer mir auch andere interessieren könnten.

Außerdem möchte ich in diesem Blog fortführen, was ich in Augustusburg in anderer Weise schon getan habe: nämlich meine Predigten nachlesbar machen. Ich hoffe, das ist perspektivisch für Menschen interessant, die unserer Gemeinde und unserer Arbeit hier auf der Insel verbunden sind. Ich weiß aber auch, dass es in der alten Heimat den einen oder die andere gibt, die, wie früher auf www.kirche-augustusburg.de, meine Predigten lesen möchten.

Was darüber hinaus aus diesem Blog werden mag, das lasse ich einfach offen.

Schauen Sie doch einfach gelegentlich hier herein, abonnieren Sie dieses Blog oder achten Sie auf meine Ankündigungen in Twitter und Facebook.

Ich wünsche jedenfalls allen Lesern Gottes Segen.