Guten Morgen, liebe Hörer,
gestern habe ich Sie mit Heinrich Heines Versen vom grauen Monat November begrüßt und am Ende von der Hoffnung auf das ewige Leben gesprochen. Wahrscheinlich wäre das dem guten alten Heine nicht recht gewesen. Denn nur wenige Zeilen weiter mokiert er sich über die Vertröstungs- und Entsagungslieder, das Eiapopeia vom Himmel. Und verkündet: Ein neues Lied, ein besseres Lied, / O Freunde, will ich euch dichten! / Wir wollen hier auf Erden schon / das Himmelreich errichten.
Inzwischen ist seine Botschaft angekommen. Die Menschheit versucht, es sich auf der Erde möglichst schon himmlisch gehen zu lassen. Und ist damit im Wesentlichen erfolgreich. Die Lebensqualität und das Wohlstandsniveau ist seit 1844, als Heine seine Verse veröffentlichte, in unvorstellbarem Maße gestiegen. Allein unser Leben hier im Inselparadies ist Zeugnis genug dafür. Tatsächlich geht es heute selbst den Ärmsten in fast jeder Hinsicht besser, als es damals den Reichsten ging: von der medizinischen Versorgung und der Lebenserwartung über die Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten, über die Mobilität bis hin zu Frieden, Freiheit und Sicherheit des Lebens: Wir leben fast wie im Paradies.
Für mich ist dabei immer wieder interessant und wichtig, dass das nicht der Erfolg von totalitären Zwangsmaßnahmen zur Menschheitsbeglückung war, sondern der Erfolg von freier Forschung und freier Wirtschaft. Aber das nur am Rande!
Dem Himmel auf Erden sind wir schon sehr nahe gekommen. Und doch bleibt da etwas Unerfülltes. Unser Himmel ist endlich. Er ist bedroht. Menschen werden älter, kränker, sterben. Auch im Inselparadies.
Wenn uns der Glaube Hoffnung macht auf noch mehr Himmel, auf den richtigen Himmel, auf Gottes Paradies, dann ist das mehr als Vertröstung. Ich bin überzeugt: Diese Hoffnung brauchen wir, und sie wird nicht sterben.
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