Montag, 22. August 2011

Predigt vom 21. August 2011 (9. Sonntag nach Trinitatis)

Jesus sprach: Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein, und sein Fall war groß.
Matthäus 7, 24-27

Liebe Gemeinde,

wissen Sie, über welche Texte es mir am schwersten fällt zu predigen? – Genau, über solche wie heute: Ein kleines Wort, ein Gleichnis Jesu, das schon von ihm selber so formuliert worden ist, dass es eigentlich jeder auf Anhieb verstehen kann. Was soll man dazu noch erklären?

Heute also die Geschichte von den beiden Häusle-Bauern. Von außen besehen sind beide Häuschen schön. Von innen besehen sind sie beide praktisch und wohnlich. Schwer zu sagen, wer besser wohnt. Der Unterschied liegt nicht im Haus, sondern im Fundament. Der eine hat auf Felsen gebaut, der andere auf Schwemmland, auf bloßen Sand. Die erste Variante war mit Sicherheit teurer. – Wozu? Im Normalfall, im Alltag, wahrscheinlich viele Jahre und Jahrzehnte lang war der Unterschied völlig unerheblich, nicht zu merken. Erst als die Unwetterkatastrophe kam, Überschwemmungen, Sturzfluten und Orkan – da zahlte sich endlich die Investition für den Bau auf steinigem Grund aus. Auf den Baugrund, auf das Fundament kommt es an.

Jeder versteht, dass es um unser Lebenshaus geht. Es kann noch so schön aussehen, noch so gut eingerichtet sein, die entscheidende Frage ist, ob es gut gegründet ist. So, dass die Stürme und Fluten es nicht zum Einsturz bringen können.

Wir sind lebenserfahren genug, um zu wissen, was es für Stürme und Fluten im Leben geben kann, die alles zum Wanken, ja zum Einsturz bringen können. Ich bin mir sicher, dass Jesus vor allem aber an die eine unausweichliche Bedrohung gedacht hat, an Tod und Gericht. Wessen Lebenshaus kann bestehen, wenn es ans Leben selber geht? Wer kann bestehen, wenn er vor dem Richterstuhl Gottes zu erscheinen hat?
Die Antwort von Jesus ist klar: Wer meine Worte hört und sie tut, der gleicht einem klugen Mann …
Und damit ist das Gleichnis schon erklärt, und ich könnte aufhören. – Ich könnte, wenn ich nicht an diesem kleinen Satz hängen geblieben wäre: Jesu Worte hören und tun.

Wie wir hier in der Kirche sitzen, hören wir die Worte Jesu. Mit mehr oder weniger Beteiligung. Bei manchem gehen die Gedanken spazieren, weg von den Worten Jesu, woandershin. Manchem fallen die Augen zu und die Worte werden zu einem beruhigenden Hintergrundrauschen. Mancher hört die Worte und bezieht sie auf seinen Nachbarn und Mitchristen, nach dem Motto: „Dem hat's der Pfarrer aber heute mal wieder gegeben.“ Mancher nickt zustimmend, wo die Worte ihn in seinen Ansichten bestätigen, und runzelt die Stirn, wo sie ihm nicht passen. Und alle gehen mit einem guten Gefühl nach Hause und kommen nächste oder übernächste Woche wieder, weil es ja gut ist, auf die Worte Jesu zu hören, oder auf die Worte des Pfarrers, oder sich wenigstens mit anderen zu treffen, oder durch Gottesdienstbesuch einen guten Eindruck zu machen.

Wirst du als regelmäßiger Predigthörer bestehen vor dem Richterstuhl Gottes?

Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann …

„Wir sind eher keine Kirchgänger“, höre ich immer wieder Leute sagen. Sie sind evangelisch getauft, sie wollen auch nicht aus der Kirche austreten, aber sie wollen auch nicht zur Kirche kommen – außer mal Weihnachten und zur Taufe oder zur Beerdigung. Manchmal erzählen sie von anderen Leuten, die sie kennen, die immer zur Kirche gehen, und „schauen Sie sich die doch mal an, Herr Pfarrer, die sind auch nicht besser! Wie die über andere herziehen! Und diese ganze fromme Heuchelei! Es ist doch nicht so wichtig, in die Kirche zu gehen, sondern dass man anständig lebt, ordentlich miteinander umgeht und Gutes tut ...“

Wirst du mit deiner Anständigkeit und mit dem Guten, was du tust, bestehen vor dem Richterstuhl Gottes?

Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann …

Hören und tun. Wir neigen dazu, das eine gegen das andere auszuspielen.

Das ist eine alte Geschichte. Wir erinnern uns: Martin Luther bestritt vehement, dass uns unsere guten Taten zu Gott bringen könnten. Er hatte es an sich selber gemerkt: Man kann versuchen, ein guter Mensch zu sein; aber wer dabei ehrlich ist und in sein Herz schaut, der weiß, dass es mit dem Gutsein nicht so weit her ist. Das meiste Gute tut man letztlich aus Eigennutz: Man will ja – nun, eben anständig sein. Man will ja, dass die andern einen im Ernstfall auch gut behandeln. Man will ja, als frommer Mensch irgendwann in den Himmel kommen; also muss man sich schon ein bisschen Mühe geben. Darum lebt man anständig, darum tut man, was sich gehört, was erwartet wird, was als gut gilt. Aber – so Luthers Einsicht, als er in sein eigenes Herz schaut: Für Gott bin ich damit nicht gut genug. Das Tun allein reicht nicht. – Auf den Glauben kommt es an.

Das hat Luther sich nicht ausgedacht, dass hat er so in der Bibel gefunden. Vor allem beim Apostel Paulus: So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben (Römer 3, 28). Auf gut Deutsch: Wenn du dich an Gottes Gebote hältst, reicht das noch lange nicht, um vor Gottes Richterstuhl zu bestehen. Dort bestehst du nicht durch deine guten Taten, sondern durch deinen Glauben.

Was für eine Befreiung war das, diese Entdeckung! Wir müssen uns nicht abstrampeln, um Gott zu gefallen, und am Ende immer noch zittern, ob uns Petrus die Himmelstür aufschließt. Wir müssen nur Gott glauben, der alle Menschen retten will.

Darum, so scheint es, haben die Recht, die lieber in die Kirche gehen und den Worten Jesu zuhören, als die anderen, die meinen, sie müssten lieber was Gutes tun. – Zumal es beim Apostel Paulus ja auch heißt: Der Glaube kommt aus der Predigt (Römer 10, 17). Bzw. wörtlich: Der Glaube kommt aus dem Hören. – Also: immer schön auf den Pastor hören, dann wird alles gut!

Was für eine Befreiung, aber auch was für eine Versuchung: Ich höre Sonntags auf die Predigt, ich lasse mir immer mal wieder sagen, dass Gott mir meine Sünden vergibt, und ansonsten, im Alltag lebe ich, wie es mir selber gefällt. Ich muss ja nichts Gutes tun, um in den Himmel zu kommen!

Natürlich stimmt das so auch nicht. Denn wie sagt schon Jesus: Wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann … Nur hören und nicht danach tun – das ist töricht! Das ist genau dieses törichte Zuhören, wie ich es vorhin versucht habe zu karikieren: der eine träumt, der andere schläft, der dritte denkt sein Nachbar ist gemeint, der vierte freut sich, wenn der Pfarrer seine Lieblingsgedanken predigt usf.

Die Worte Jesu sind viel zu kostbar, um sie nur vorbeirauschen zu lassen. Die Worte Jesu sind Worte, die das Herz treffen können und sollen. Die Worte Jesu sind Worte, die zum Glauben rufen und zum Glauben helfen. Zu dem Glauben nämlich, der auch zu guten Taten führt. Nicht so, dass wir das Gute tun, um gut dazustehen. Sondern so, dass wir das Gute tun, weil es gut ist, weil Gott es will und weil wir von Herzen gern unserem Nächsten Gutes tun wollen.

Die Bibel nennt das Liebe, Nächstenliebe. Diese Liebe kommt aus dem Glauben, der Glaube kommt aus der Predigt, die Predigt aus dem Wort Christi (Römer 10, 17). Der Weg führt vom Hören zum Tun.

Tun ohne zu hören, was Jesus sagt, ist Unglaube, denn dann tun wir, was wir wollen, und nicht, was er will. Hören ohne zu tun, ist auch Unglaube; denn wenn wir den Worten Jesu glauben würden, dann würden wir ja auch danach tun. Aktionismus und Gutmenschentum ohne Glauben auf der einen Seite, frömmelnde Selbstgefälligkeit ohne tätige Liebe auf der anderen Seite – zwischen diesen beiden Gefahren schiffen wir als Christen und als Kirche dahin. Entscheidend ist, dass wir die Worte Jesu neu entdecken als Fundament, auf denen wir unser Lebenshaus bauen können – bauen, indem wir gut hinhören und dann auch danach tun.

Heute ist Gottesdienst, da ist vor allem Hören dran. Morgen geht der Gottesdienst im Alltag weiter, da ist dann das Tun gefragt – dort, wo Gott dich hingestellt hat.

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