Matthäus 7, 24-27
Liebe
Gemeinde,
wissen
Sie, über welche Texte es mir am schwersten fällt zu predigen? –
Genau, über solche wie heute: Ein kleines Wort, ein Gleichnis Jesu,
das schon von ihm selber so formuliert worden ist, dass es eigentlich
jeder auf Anhieb verstehen kann. Was soll man dazu noch erklären?
Heute
also die Geschichte von den beiden Häusle-Bauern. Von außen besehen
sind beide Häuschen schön. Von innen besehen sind sie beide
praktisch und wohnlich. Schwer zu sagen, wer besser wohnt. Der
Unterschied liegt nicht im Haus, sondern im Fundament. Der eine hat
auf Felsen gebaut, der andere auf Schwemmland, auf bloßen Sand. Die
erste Variante war mit Sicherheit teurer. – Wozu? Im Normalfall, im
Alltag, wahrscheinlich viele Jahre und Jahrzehnte lang war der
Unterschied völlig unerheblich, nicht zu merken. Erst als die
Unwetterkatastrophe kam, Überschwemmungen, Sturzfluten und Orkan –
da zahlte sich endlich die Investition für den Bau auf steinigem
Grund aus. Auf den Baugrund, auf das Fundament kommt es an.
Jeder
versteht, dass es um unser Lebenshaus geht. Es kann noch so schön
aussehen, noch so gut eingerichtet sein, die entscheidende Frage ist,
ob es gut gegründet ist. So, dass die Stürme und Fluten es nicht
zum Einsturz bringen können.
Wir sind lebenserfahren genug, um zu wissen, was es für Stürme und
Fluten im Leben geben kann, die alles zum Wanken, ja zum Einsturz
bringen können. Ich bin mir sicher, dass Jesus vor allem aber an die
eine unausweichliche Bedrohung gedacht hat, an Tod und Gericht.
Wessen Lebenshaus kann bestehen, wenn es ans Leben selber geht? Wer
kann bestehen, wenn er vor dem Richterstuhl Gottes zu erscheinen hat?
Die
Antwort von Jesus ist klar: Wer meine Worte hört und sie tut, der
gleicht einem klugen Mann …
Und
damit ist das Gleichnis schon erklärt, und ich könnte aufhören. –
Ich könnte, wenn ich nicht an diesem kleinen Satz hängen geblieben
wäre: Jesu Worte hören und tun.
Wie
wir hier in der Kirche sitzen, hören wir die Worte Jesu. Mit
mehr oder weniger Beteiligung. Bei manchem gehen die Gedanken
spazieren, weg von den Worten Jesu, woandershin. Manchem fallen die
Augen zu und die Worte werden zu einem beruhigenden
Hintergrundrauschen. Mancher hört die Worte und bezieht sie auf
seinen Nachbarn und Mitchristen, nach dem Motto: „Dem hat's der
Pfarrer aber heute mal wieder gegeben.“ Mancher nickt zustimmend,
wo die Worte ihn in seinen Ansichten bestätigen, und runzelt die
Stirn, wo sie ihm nicht passen. Und alle gehen mit einem guten Gefühl
nach Hause und kommen nächste oder übernächste Woche wieder, weil
es ja gut ist, auf die Worte Jesu zu hören, oder auf die Worte des
Pfarrers, oder sich wenigstens mit anderen zu treffen, oder durch
Gottesdienstbesuch einen guten Eindruck zu machen.
Wirst
du als regelmäßiger Predigthörer bestehen vor dem Richterstuhl
Gottes?
Wer
diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht
einem klugen Mann …
„Wir sind eher keine
Kirchgänger“, höre ich immer wieder Leute sagen. Sie sind
evangelisch getauft, sie wollen auch nicht aus der Kirche austreten,
aber sie wollen auch nicht zur Kirche kommen – außer mal
Weihnachten und zur Taufe oder zur Beerdigung. Manchmal erzählen sie
von anderen Leuten, die sie kennen, die immer zur Kirche gehen, und
„schauen Sie sich die doch mal an, Herr Pfarrer, die sind auch
nicht besser! Wie die über andere herziehen! Und diese ganze fromme
Heuchelei! Es ist doch nicht so wichtig, in die Kirche zu gehen,
sondern dass man anständig lebt, ordentlich miteinander umgeht und
Gutes tut ...“
Wirst du mit deiner Anständigkeit
und mit dem Guten, was du tust, bestehen vor dem Richterstuhl
Gottes?
Wer
diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht
einem klugen Mann …
Hören
und tun. Wir
neigen dazu, das eine gegen das andere auszuspielen.
Das
ist eine alte Geschichte. Wir erinnern uns: Martin Luther bestritt
vehement, dass uns unsere guten Taten zu Gott bringen könnten. Er
hatte es an sich selber gemerkt: Man kann versuchen, ein guter Mensch
zu sein; aber wer dabei ehrlich ist und in sein Herz schaut, der
weiß, dass es mit dem Gutsein nicht so weit her ist. Das meiste Gute
tut man letztlich aus Eigennutz: Man will ja – nun, eben anständig
sein. Man will ja, dass die andern einen im Ernstfall auch gut
behandeln. Man will ja, als frommer Mensch irgendwann in den Himmel
kommen; also muss man sich schon ein bisschen Mühe geben. Darum lebt
man anständig, darum tut man, was sich gehört, was erwartet wird,
was als gut gilt. Aber – so Luthers Einsicht, als er in sein
eigenes Herz schaut: Für Gott bin ich damit nicht gut genug. Das Tun
allein reicht nicht. – Auf den Glauben kommt es an.
Das
hat Luther sich nicht ausgedacht, dass hat er so in der Bibel
gefunden. Vor allem beim Apostel Paulus: So
halten wir nun
dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein
durch den Glauben (Römer 3, 28). Auf
gut Deutsch: Wenn du dich an Gottes Gebote hältst, reicht das noch
lange nicht, um vor Gottes Richterstuhl zu bestehen. Dort bestehst du
nicht durch deine guten Taten, sondern durch deinen Glauben.
Was für eine Befreiung war das,
diese Entdeckung! Wir müssen uns nicht abstrampeln, um Gott zu
gefallen, und am Ende immer noch zittern, ob uns Petrus die
Himmelstür aufschließt. Wir müssen nur Gott glauben, der alle
Menschen retten will.
Darum,
so scheint es, haben die Recht, die lieber in die Kirche gehen und
den Worten Jesu zuhören, als die anderen, die meinen, sie müssten
lieber was Gutes tun. – Zumal es beim Apostel Paulus ja auch heißt:
Der Glaube kommt
aus der Predigt (Römer 10, 17). Bzw.
wörtlich: Der
Glaube kommt aus dem Hören. – Also:
immer schön auf den Pastor hören, dann wird alles gut!
Was für eine Befreiung, aber
auch was für eine Versuchung: Ich höre Sonntags auf die Predigt,
ich lasse mir immer mal wieder sagen, dass Gott mir meine Sünden
vergibt, und ansonsten, im Alltag lebe ich, wie es mir selber
gefällt. Ich muss ja nichts Gutes tun, um in den Himmel zu kommen!
Natürlich
stimmt das so auch nicht. Denn wie sagt schon Jesus: Wer
diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten
Mann … Nur
hören und nicht danach tun – das ist töricht! Das ist genau
dieses törichte Zuhören, wie ich es vorhin versucht habe zu
karikieren: der eine träumt, der andere schläft, der dritte denkt
sein Nachbar ist gemeint, der vierte freut sich, wenn der Pfarrer
seine Lieblingsgedanken predigt usf.
Die Worte Jesu sind viel zu
kostbar, um sie nur vorbeirauschen zu lassen. Die Worte Jesu sind
Worte, die das Herz treffen können und sollen. Die Worte Jesu sind
Worte, die zum Glauben rufen und zum Glauben helfen. Zu dem Glauben
nämlich, der auch zu guten Taten führt. Nicht so, dass wir das Gute
tun, um gut dazustehen. Sondern so, dass wir das Gute tun, weil es
gut ist, weil Gott es will und weil wir von Herzen gern unserem
Nächsten Gutes tun wollen.
Die
Bibel nennt das Liebe, Nächstenliebe. Diese Liebe kommt aus dem
Glauben, der
Glaube kommt aus der Predigt, die Predigt aus dem Wort Christi (Römer 10, 17). Der
Weg führt vom Hören zum Tun.
Tun
ohne zu hören, was Jesus sagt, ist Unglaube, denn dann tun wir, was
wir
wollen, und nicht, was er
will. Hören ohne zu tun, ist auch Unglaube; denn wenn wir den Worten
Jesu glauben würden, dann würden wir ja auch danach tun.
Aktionismus und Gutmenschentum ohne Glauben auf der einen Seite,
frömmelnde Selbstgefälligkeit ohne tätige Liebe auf der anderen
Seite – zwischen diesen beiden Gefahren schiffen wir als Christen
und als Kirche dahin. Entscheidend ist, dass wir die Worte Jesu neu
entdecken als Fundament, auf denen wir unser Lebenshaus bauen können
– bauen, indem wir gut hinhören und dann auch danach tun.
Heute ist Gottesdienst, da ist
vor allem Hören dran. Morgen geht der Gottesdienst im Alltag weiter,
da ist dann das Tun gefragt – dort, wo Gott dich hingestellt hat.
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