Wir danken Gott allezeit für euch alle und gedenken euer in unserm Gebet
und denken ohne Unterlass vor Gott, unserm Vater, an euer Werk im Glauben und an eure Arbeit in der Liebe und an eure Geduld in der Hoffnung auf unsern Herrn Jesus Christus.
Liebe Brüder, von Gott geliebt, wir wissen, dass ihr erwählt seid;
denn unsere Predigt des Evangeliums kam zu euch nicht allein im Wort, sondern auch in der Kraft und in dem Heiligen Geist und in großer Gewissheit. Ihr wisst ja, wie wir uns unter euch verhalten haben um euretwillen.
Und ihr seid unserm Beispiel gefolgt und dem des Herrn und habt das Wort aufgenommen in großer Bedrängnis mit Freuden im Heiligen Geist,
sodass ihr ein Vorbild geworden seid für alle Gläubigen in Mazedonien und Achaja.
Denn von euch aus ist das Wort des Herrn erschollen nicht allein in Mazedonien und Achaja, sondern an allen Orten ist euer Glaube an Gott bekannt geworden, sodass wir es nicht nötig haben, etwas darüber zu sagen.
Denn sie selbst berichten von uns, welchen Eingang wir bei euch gefunden haben und wie ihr euch bekehrt habt zu Gott von den Abgöttern, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott
und zu warten auf seinen Sohn vom Himmel, den er auferweckt hat von den Toten, Jesus, der uns von dem zukünftigen Zorn errettet.
1. Thessalonicher 1, 2-10
Liebe Schwestern
und Brüder,
wie kommt es, dass
ihr heute hier seid? Ich meine nicht, wieso ihr jetzt ausgerechnet
auf dieser Insel, an diesem Ort hier seid, sondern wie es kommt, dass
ihr an diesem Tag im Gottesdienst seid. Ihr habt euch bewusst
entschieden, jetzt genau das zu tun: mit uns Gottesdienst zu feiern.
Weil ihr Christen
seid? Weil ihr an Gott glaubt? Weil ihr die Gemeinschaft schätzt?
Weil ihr dazugehören möchtet?
Wie kommt es, dass
es diese Gemeinschaft gibt: Kirche, Gemeinde? Wie kommt es, dass
Menschen sich im Glauben und Suchen zusammenfinden? Wie kommt es,
dass unser Angebot, Gottes Angebot angenommen wird? Jedenfalls immer
wieder von einigen?
Ich frage das, weil
ich darüber staune. Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der es
nicht normal, nicht selbstverständlich war, an Gott zu glauben, zur
Kirche zu gehen. Religion war nach offizieller Lesart zum Absterben
verurteilt; das ging zwar nicht so schnell, wie Ulbricht sich das
erhofft hatte, aber letztlich ist der Trend weg vom christlichen
Glauben ungebrochen. Auch im Westen. Wir finden es kaum noch
erstaunlich, wenn sich Leute vom Glauben abwenden und aus der Kirche
austreten. Wir finden es erstaunlich, wenn Menschen zur Gemeinde und
zum Glauben hinfinden.
Ja, ich staune, wie viele das sind …
Viele, die oft erst als Jugendliche oder Erwachsene Christ geworden
sind. Manche, die auch heute und hier nach vielen Jahrzehnten wieder
zur Kirche kommen. Ich staune und ich freue mich, dass immer wieder
Menschen glauben und dass unsere christliche Gemeinde manchmal sogar
ein bisschen wächst.
Wie kommt es, dass
du glaubst? Egal wie groß oder klein du deinen Glauben einschätzt;
immerhin reicht er ja, dass du heute hier bist. Wie kommt es, dass du
glaubst? – Ich möchte euch einladen, jetzt in einer Minute der
Stille mal darüber nachzudenken, wer und was daran schuld ist, dass
du heute als Christ in diesem Gottesdienst sitzt.
…
Wenn ich über mich
und meine Lebensgeschichte nachdenke, fällt mir einiges ein. Es ist
nicht ein einzelnes Ereignis, eine einzelne Entscheidung, eine
einzelne Person oder was auch immer, die mich zum Christen gemacht
haben, es ist vieles, das zusammengekommen ist und
ineinandergegriffen hat.
Zuerst denke ich an
die Menschen die mich geprägt haben, die mir Glauben nahe gebracht
haben. Bei mir hat das im Kindesalter begonnen: meine Eltern, die mit
mir gesungen und gebetet haben, meine Mutter und meine Großmutter,
die mir biblische Geschichten erzählt haben, die Gemeindehelferin in
der christlichen Kinderstunde, später Pfarrer und Jugendmitarbeiter.
Genau so wichtig waren für mich Gleichaltrige. Einer ging in meine
Klasse, war mein Freund, wir haben uns immer wieder auch über
Glaubensfragen ausgetauscht. Später war es ein Hauskreis, wo wir
miteinander Bibel gelesen und Glaubens- und Lebensfragen besprochen
haben. Noch später Kommilitonen, Freunde im Studium, die mir
geholfen haben, dass die Theologie, die Wissenschaft vom Glauben, und
der Glaube selber nicht auseinandergefallen sind. Mit manchen habe ich
nächtelang bei Rotwein und Zigaretten Probleme gewälzt, mit manchen
habe ich mich zum Morgengebet in unserer Hauskapelle getroffen. Und
mit manchen bin ich noch heute verbunden, und dank Facebook immer
wieder auch im Gespräch.
Und dann sind da
natürlich immer wieder auch die Menschen, die ich auf meinem Weg als
Pfarrer oder auch schon als Vikar in den verschiedenen Gemeinden
getroffen habe. Menschen mit ihrer Sicht, mit ihrer eigenen
Geschichte und mit ihrem eigenen Glauben, und davon springt immer
wieder auch etwas über. Tiefes Gottvertrauen ohne viele Worte –
das hat mich immer beeindruckt. Manche Lebensgeschichte kommt da und
dort zur Sprache, und oft nehme ich einfach eine tiefe Dankbarkeit
wahr, eine Gewissheit getragen zu sein, auch durch die Tiefen und
Untiefen des eigenen Lebensweges. Das stärkt und trägt dann auch
wieder mich in meinem Glauben – und in meinem Dienst als Pfarrer.
Denn ich soll ja Zeugnis geben, weitersagen vom Glauben.
So wie andere mir
Zeugnis gegeben haben und weitergesagt vom Glauben. Ich denke an
Gottesdienste, an Predigten, an christliche Veranstaltungen, die mich
berührt haben. Wie oft ist Gottes Wort zu lebendigem Wort Gottes an
mich geworden! Selten waren es die ganz großen und mitreißenden
Worte, aber oft waren es die vielen kleinen guten Worte, die sich
summiert haben, die sich in meinem Kopf und in meinem Herzen
festgesetzt haben und in mir weitergewirkt haben.
Und je länger je
mehr waren es Bibelworte und Worte aus Liedern, Gesangbuchliedern,
Jugendliedern oder dann auch aus den geistlichen Motetten und
Oratorien, die ich gehört und vor allem auch selber mitgesungen
habe. Ich merke, wie sie mir präsent sind, mir immer wieder
einfallen, mir nachgehen, mein Leben beeinflussen. Sie helfen mir zu
glauben und im Glauben zu bleiben.
Aber dann sind da
auch noch andere Worte, Worte, die ich meistens gar nicht selber
gehört habe, die andere für mich gesprochen haben: Worte und
Gedanken zu Gott hin, Gebete. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich
nicht glauben könnte, nicht so glauben könnte, wenn nicht viele
Menschen immer wieder für mich gebetet hätten und auch heute noch
für mich beten würden. Manchmal bekomme ich das gesagt, manchmal
weiß ich es oder ahne es, dass da jemand für mich betet. Und ich
spüre, dass mich das trägt und hält, so dass ich nicht aus Gottes
Spur falle.
Menschen, die mit
mir ihren Glauben geteilt haben, und die mir mit ihrem Glauben
Vorbild waren, Menschen die mir Gottes Wort gesagt haben, Menschen,
die für mich gebetet haben. Mein Glaube ist lebendig in der
Verbundenheit mit diesen Menschen. Glaube ist lebendig im Teilen von
Glauben.
Aber ich überlege
noch weiter: Liegt es wirklich nur an den Menschen, dass ich glauben
kann? Gewiss, ich könnte es mir nicht vorstellen ohne sie alle. Aber
eigentlich weiß ich: hinter ihnen allen steht doch Gott, der, an den
sie glauben, an den ich glaube. Glauben zu können, Christ sein zu
können, ist sein Geschenk. Keiner von diesen für mich doch so
wichtigen Menschen hätten es geschafft, in mir den Glauben zu wecken
und am Leben zu halten, wenn Gott nicht das Entscheidende an mir
getan hätte. Mein Glaube, das ist im Grunde Gottes unergründliche
Entscheidung für mich. Darüber kann ich
nur staunen und danken.
Ja, in meinem Leben
hat es auch umgekehrt auch meine Entscheidung für Gott gegeben.
Manche meiner frommen Schwestern und Brüder legen großen Wert
darauf, auf die eigene Entscheidung für Gott. Ich könnte zwar auch
ein Datum angeben für so eine Art Bekehrung, so eine Entscheidung
für Gott. Aber im Rückblick habe ich nach und nach gemerkt, dass es
nicht nur ein Datum sein kann, sondern dass ich mich an
verschiedenen Stellen für Gott entschieden habe. Da war zum Beispiel
mein Ja bei der Konfirmation, oder schon mein Ja für die
Konfirmation und nur für die Konfirmation, als doch die Teilnahme an
der Jugendweihe erwartet wurde und viele meiner Altersgenossen sich
für die Jugendweihe oder zumindest für beides – erst Jugendweihe,
dann Konfirmation – entschieden. Da war schon vorher meine
Entscheidung, jeden Tag in der Bibel zu lesen und zu beten. Und da waren ganz
viele Entscheidungen, die alle irgendwie mit dem Glauben zu tun
hatten und die anders gefallen wären, wenn ich sie nicht mit Gott
und für Gott getroffen hätte. Am Ende relativiert sich so eine
„Bekehrung“. Das Entscheidende ist, immer wieder hingekehrt zu
Gott zu leben.
Und mit der Zeit
bin ich da ziemlich demütig geworden: Es war eigentlich nie meine
Entscheidung, es war schon immer Gottes Entscheidung für mich. Erst
kam er mit seinem Wort und dann ich mit meiner – manchmal nur
zögernden oder halbherzigen – Ant-Wort.
Ihr Lieben, ich
habe euch das jetzt nicht um meinetwillen erzählt. Ich habe euch an
meinem Beispiel etwas davon erzählen wollen, was ich für typisch
halte für den Glauben. Nicht weil ich so typisch bin, sondern weil
ich es in der Bibel, weil ich es auch in unserem heutigen
Bibelabschnitt so gefunden habe.
Da staunt ein
Paulus darüber, dass die Gemeinde in Thessaloniki existiert, glaubt,
wächst und Ausstrahlung hat. Und er schreibt darüber, dass das mit
dem Glaubensvorbild anderer Christen zu tun hat, mit der Predigt des
Evangeliums, mit dem Gebet füreinander, auch mit der bewussten
Entscheidung, Bekehrung, Hinwendung zu Gott, im letzten aber in
Gottes Entscheidung für die Menschen, mit seiner Erwählung.
Ich nehme an, wenn
ihr über euren Weg zum Glauben, zur Kirche nachdenkt, werdet ihr
sicher Ähnliches entdecken.
Und vieles davon
finde ich in den Worten wieder, mit denen Martin Luther im Kleinen
Katechismus den Abschnitt über den Heiligen Geist und die Kirche
erklärt:
Ich glaube, dass ich nicht aus
eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn glauben
oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das
Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben
geheiligt und erhalten;
gleichwie er die ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt und bei Jesus Christus erhält im rechten Glauben;
in welcher Christenheit er mir und allen Gläubigen täglich alle Sünden reichlich vergibt und am Jüngsten Tage mich und alle Toten auferwecken wird und mir samt allen Gläubigen in Christus ein ewiges Leben geben wird.
Das ist gewisslich wahr.
gleichwie er die ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt und bei Jesus Christus erhält im rechten Glauben;
in welcher Christenheit er mir und allen Gläubigen täglich alle Sünden reichlich vergibt und am Jüngsten Tage mich und alle Toten auferwecken wird und mir samt allen Gläubigen in Christus ein ewiges Leben geben wird.
Das ist gewisslich wahr.
ausgezeichnet! Auch ein gutes und interessantes thema für eine bibelstunde
AntwortenLöschen