Hebräer 13, 20-21
Liebe Schwestern und Brüder,
Der Herr segne an uns sein Wort, habe ich eben gesagt. Und vor der Lesung: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch. Am Schluss der Predigt sage ich: Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Nachher wünschen wir uns: Friede sei mit dir, und wir singen La paz esté con nosotros. Am Anfang des Gottesdientes und zu Beginn der Abendmahlsfeier heißt es: Der Herr sei mit euch. Und ganz am Ende: Der Herr segne euch. – Merkt ihr? – Das sind alles Sätze in der Wunschform. Nicht: Der Herr ist mit euch, sondern: Der Herr sei mit euch. Nicht: La paz está con nosotros, sondern La paz esté con nosotros. Nicht: Der Herr segnet euch, sondern: Der Herr segne euch.
Grammatisch ist das im Deutschen der Konjunktiv: Möglichkeitsform, nicht Wirklichkeitsform: So könnte es sein. Im Spanischen heißt das Subjuntivo; das ist etwas stärker als nur reine Möglichkeit; vielleicht eher: So sollte es sein. Und im Griechischen, der Sprache des Neuen Testaments, heißt diese spezielle Sprachform Optativ; Wunschform könnte man das nennen: So möge es sein.
So könnte es sein. So sollte es sein. So möge es sein. – Das ist die Sprache des Glaubens. – Der Herr segne dich! Gott behüte dich!, haben wir manches Mal in den letzten Tagen und Wochen gesagt – zu denen, die von der Insel abgereist sind. Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen, Gesundheit und Frohsinn sei auch mit dabei, oder wie ich es lieber singe: das schenke dir Gott. So klingen unsere guten Wünsche, wenn einer Geburtstag hat, und diese Wünsche sind Glaubensaussagen. Wir wissen es nicht, wir können es nicht garantieren, aber wir wünschen es: So könnte es sein. So sollte es sein. So möge es sein. Und wir vertrauen Gott, der das, was wir hoffen und wünschen, wahr sein lassen kann. So sind unsere Wünsche zugleich Gebete.
Der Konjunktiv ist in der deutschen Sprache auf dem Rückzug. Er ist ein bisschen kompliziert und klingt etwas abgehoben. Aber, überlege ich, vielleicht könnte das Verschwinden des Konjunktivs auch damit zu tun haben, dass der Glaube weniger wird. Wir wollen lieber wissen, was ist und was nicht ist, und nicht in der Ungewissheit des könnte, sollte und möge leben. Wir wollen wissen, was wir tun können, sollen und müssen. Die Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, sind offensichtlich vorbei.
Statt uns Gesundheit und Frohsinn zu wünschen, sagen wir: Tu was dafür! Wünschen allein hilft nicht. Wir ersetzen den Konjunktiv durch den Imperativ, die Aufforderungsform: Wenn’s dir gut gehen soll, dann mach was dafür! Wenn du gesund bleiben willst, dann lebe gesund und treibe Sport! Wenn du Spaß haben willst, dann sei selber humorvoll! Wenn du willst, dass unsere Welt besser wird, dann engagiere dich – oder zahle wenigstens Ablass für das CO2, dass du bei deinen Flugkilometern verursacht hast! Und wenn du willst, dass Gott dir hilft, dann zahle in seinem Verein die Kirchensteuer! – Tu was; denn es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Und damit sind wir mitten in unserem Predigttext. Da steht auch was vom Tun des Guten: tüchtig zu allem Guten, zu tun Gottes Willen. Tut, was Gott will, denn das ist gut! So ist die christliche Botschaft immer auch verstanden worden. Die Theologen sollten herausfinden, was Gott will, und es den einfachen Christen sagen, damit sie danach leben: Schriftgelehrte produzieren eine Gemeinde von Pharisäern – also Leute, die bewusst tun, was Gott will und sich was drauf einbilden, dass sie besser sind als der Rest.
Aber es war nicht immer gut, was dabei herausgekommen ist, wenn die einen gesagt haben, was gut ist, und die anderen es getan haben. Gott will es, hieß es, als im Mittelalter die Kreuzfahrerheere Richtung Jerusalem zogen. – Wollte Gott es wirklich? fragen wir heute – und zwar eher rhetorisch. Lasset eure Weiber schweigen in der Gemeinde, steht in der Bibel, und Jahrhunderte lang war klar: Gott will nicht, dass Frauen Priester oder Pfarrer werden. Will er es wirklich nicht?, fragen wir heute, wenn uns die Pastorin das Wort Gottes sagt. Witzig, wenn heute manche Pastorin oder Prädikantin verkündet, Gott wäre gegen Homosexualität, weil das so in der Bibel steht. Wer sagt ihr so genau, dass das mit der Homosexualität noch gilt und das mit den Frauen auf der Kanzel nicht mehr?
Ich habe ja eben das Zitat vom Tun des Willens Gottes sehr eng aus dem Zusammenhang ausgeschnitten. So eng, dass man meinen könnte, der Imperativ wäre das Entscheidende: Tu, was gut ist! Tu Gottes Willen! – Aber eigentlich wollte ich darauf hinaus, dass gerade nicht der Imperativ die Sprache des Glaubens ist, sondern der Konjunktiv bzw. Optativ: nicht das Du sollst!, sondern das Gott gebe, Gott tue, Gott segne. Und so heißt es hier auch in der Tat: Gott mache euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen, und schaffe in uns, was ihm gefällt. – Es geht gar nicht darum, dass wir das Gute tun, dass wir Gottes Willen erfüllen, sondern es geht darum, dass Gott das Gute tun möge – in uns und durch uns. Es geht darum, dass Gottes Wille geschehe in uns und durch uns. Das können wir nicht machen. Das können wir nur wünschen, erbitten, glauben.
Die Sprachform des Glaubens ist die Wunschform, der Konjunktiv, der Optativ: Gott könne, solle und möge in uns, durch uns und für uns alles gut machen. Das glauben wir, das hoffen wir, das erbitten wir; aber das machen, schaffen und verwirklichen wir nicht selber.
Unsere hauptsächliche Sprachform aber ist ja weder der Imperativ noch der Konjunktiv, sondern der Indikativ, die Wirklichkeitsform. Damit sagen wir, wie es ist, nicht wie es sein soll. In der Sprache des Glaubens steht die Wirklichkeitsform nicht auf Seiten des Menschen, sondern auf Gottes Seite. Er sagt, schafft und tut, was gut und richtig ist, er hat es schon immer getan. Er hat uns erschaffen samt der ganzen Welt. Er hat Jesus Christus auferweckt von den Toten. Er hat uns als seine Kinder angenommen, weil unser Bruder Jesus für uns gelitten hat und gestorben ist. – Das ist Gottes Wirklichkeit. – Wir können davon nichts selber wahr machen. Aber wir können es glauben. Wir können hoffen, wünschen und beten, dass es auch für uns so sei.
Nichts von dem, was wir glauben, können wir mit Sicherheit behaupten, beweisen und begründen. Wir können uns immer nur auf Gottes Behauptung, Beweis und Begründung stützen. Und diese Begründung, dieser Beweis, diese Behauptung heißt Jesus Christus. Wir glauben an ihn, wir hoffen auf ihn, wir vertrauen auf ihn.
Martin Luther legt im Kleinen Katechismus den Glaubensartikel über Jesus Christus im Konjunktiv aus: Ich glaube, dass Jesus Christus (...) sei mein Herr, (...), damit ich sein eigen sei.
Wenn wir dann das Glaubensbekenntnis sprechen, dann lasst uns diese Wunschform mitdenken. Wenn wir sagen: Ich glaube, dann heißt das: So sei es für mich.
Und wenn wir dann das Vaterunser beten, dann achtet auf die Wunschformen: … geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe …
Und wenn wir dann miteinander Abendmahl feiern, und ich sage euch: Christi Leib für dich gegeben, Christi Blut für dich vergossen, dann antwortet im Geiste: So sei es. Und laut und vernehmlich dürft ihr das auch auf Hebräisch sagen: Amen.
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