Matthäus 21, 28-31
Liebe Gemeinde,
merkwürdig, vor zwei Wochen erst ging
es um das Hören und Tun der Worte Jesu. Heute geht es um das Tun des
Willens Gottes. Fast dasselbe, könnte man meinen.
Und wieder liegt die Aussage auf der
Hand: Aufs Tun kommt's an. Nur Hören, nur Ja-ja-Sagen, reicht nicht.
– Alles klar? Alles klar.
Und doch kann man sich diesem Wort ganz
unterschiedlich annähern.
Wir können es hören als eine
wohlbekannte Geschichte, die wir von unseren Kindern kennen. Oder von
uns selber noch, als wir Kinder waren. Oder auch von uns als Chef
oder als Mitarbeiter.
Der eine nörgelt immer rum, wenn er
was mitmachen soll: „Nein, ich will nicht.“ Und tut es nach
einiger Nörgelei dann doch. – Ein Ausdruck von Widerwillen gegen
den elterlichen Auftrag, und ein Ausdruck von letztlich dann doch
Unterordnung. Notgedrungen tut man, was man eben tun muss.
Der andere schleimt immer rum: Ja,
Herr!, heißt es. Ja, natürlich, selbstverständlich, und ich
wollte ja schon lange und hätte sowieso. Aber es wird nichts, er tut
nichts. Die Bequemlichkeit siegt. „Der Geist ist willig, aber das
Fleisch ist schwach.“ Vielleicht ist es ja Prokrastination, diese
innere Blockierung, notwendige Dinge endlich in Angriff zu nehmen,
besser bekannt als „Aufschieberitis“.
Wer von den beiden tut, was von ihm
erwartet wird? – Klar, am Ende der, der seinem Auftrag nachkommt,
der doch noch seine Arbeit macht.
Aber eigentlich, eigentlich sind es
beides nicht die idealen Kinder oder Mitarbeiter. Wäre es nicht viel
schöner, einer würde einfach Ja sagen und auch Ja tun?
Doch selbst da kommen mir Bedenken.
Will ich das, wollen wir das: nur Ja-Sager, Angepasste,
funktionierende Menschen?
Wie wäre es, einer sagt Nein und
bleibt bei seinem Nein? Tut nicht, was man von ihm fordert, so lange
er es für sich nicht annehmen kann, es nicht einsieht?
Nein-Sager und Nein-Tuer sind
schwierig.
Aber ich mag Leute, die nicht einfach
mitlaufen, mitmachen, sondern zweifeln, nachdenken, widersprechen,
infragestellen. Und nicht tun, wovon sie nicht überzeugt sind.
Wären nicht das eigentlich die
Menschen, die auch Jesus sich wünscht? Eure Rede sei Ja, ja;
nein, nein. Was darüber ist, ist von Übel (Matthäus 5,37). –
Gerade, klare, eindeutige Menschen. Persönlichkeiten, auf die
Verlass ist. Keine Schönredner, Umfaller und Wendehälse.
Oder aber ganz
anders: Gerade, klare, eindeutige Menschen können auch stur und
selbstgerecht sein. Ihre einmal gefasste Meinung steht fest. Ihre
einmal gefassten Beschlüsse werden durchgezogen. Wer sich ihnen in
den Weg stellt, ist nur ein hinderlicher Bedenkenträger. Argumenten
gegenüber sind sie verschlossen. Ihr Ja wird immer ein Ja bleiben,
ihr Nein wird immer ein Nein bleiben. Wer bei ihnen auf Sinneswandel
oder Entgegenkommen hofft, der wird enttäuscht. Keine Hoffnung auf
Änderung.
Ich denke an die
alten SED-Chargen aus meiner verblichenen DDR. Wer ist mir lieber:
Der Wendehals, der flugs die alte Ideologie weggeworfen und sich in
der neuen Zeit eine neue Existenz und Identität geschaffen hat? Oder
der unverbesserliche Altkommunist, der noch heute den Bau der Mauer
vor 50 Jahren verteidigt?
Ich tendiere zum
ersteren. Wie überzeugt und ehrlich seine Wende gewesen sein mag,
weiß ich im Einzelfall nicht. Aber zumindest hat er sich von den
alten Irrtümern losgesagt.
Jesus setzt darauf,
dass Menschen dazu fähig sind, sich zu ändern. Sinneswandel,
Umdenken, neu Anfangen – das ist möglich.
Er
führt als Beispiel die Zöllner und Huren an.
Die stehen im Neuen Testament für einen bestimmten Typ von Mensch,
genau so wie die Hohenpriester und Ältesten als
Inbegriff der damaligen „Amtskirche“, mit
denen Jesus hier gerade diskutiert, oder wie die Pharisäer
und Schriftgelehrten, als
Inbegriff der damaligen Frömmigkeitsbewegungen, mit denen sich Jesus
auseinandersetzt. Der Typ Zöllner und Hure steht
für die Menschen, die religiöse und moralische Außenseiter sind.
Die tun, was man nicht tut: sich auf Kosten anderer bereichern, sich
selbst an andere verkaufen. (Wer – und das ist bis heute so – bei
der abschätzigen Bewertung von Prostituierten regelmäßig außen
vor bleibt, sind deren Kunden …)
Zöllner sind
Zöllner und Huren sind Huren, so sieht man das. Sie haben einmal
Nein gesagt zu dem, was Gott will, zu dem, was gesellschaftliche Norm
ist.
Und dann finden
sich einige von ihnen in der Gemeinschaft Jesu wieder. Ihr alter Ruf
hängt ihnen an – bis heute: der Zöllner Matthäus, die Hure Maria
Magdalena (von der die Bibel gar nicht direkt sagt, dass sie eine
war). Dabei haben die aus ihrem einstigen Nein zu Gott – wenn es
denn überhaupt eins war – ein Ja zu Jesus gemacht. Haben ihr altes
Leben hinter sich gelassen und ein neues begonnen.
Jesus setzt darauf,
dass Menschen dazu fähig sind, sich zu ändern. Und er führt diese
veränderten Menschen den festgelegten Vertretern der Amtskirche vor
Augen. Seht sie euch an: den Matthäus, den Zachäus, die Maria –
sie sind nicht mehr die Alten, die alten Sünder, für die ihr sie
haltet. Sie kommen eher ins Reich Gottes als ihr, sagt er.
Warum? – Weil sie
offen sind, für Veränderungen.
Die Hohenpriester und Ältesten, die
Schriftgelehrten und Pharisäer, sie sind festgelegt. Festgelegt auf
ihr Ja, das sie zu Gott gesagt haben. Davon sind sie so überzeugt,
dass sie gar nicht merken, dass daraus schon lange ein Nein geworden
ist: Ein Nein zu den Menschen, zu den anderen, den Schlechteren, den
Unbekehrten. Die halten sie für unverbesserlich, und sich selber für
unverschlechterlich.
Mit dem Ja-Sagen
und Nein-Sagen ist es am Ende gar nicht so einfach.
Es gibt die
Ja-Sager, die nur Ja sagen, damit sie in Ruhe gelassen werden: die
Opportunisten.
Es
gibt die Nein-Sager, die sich auf ihre Ablehnung festgelegt haben:
die ewigen Pessimisten, Passivisten und Nihilisten.
Es gibt auch die
Nein-Sager, die von ihrem Nein gar nicht so überzeugt sind,
vielleicht nur auf die besseren Argumente warten oder auf die
freundlichere Einladung.
Es gibt die
Ja-Sager, die von Herzen und überlegt Ja sagen – Ja zu Gott und
zum Nächsten.
Und es gibt
Menschen, die sich ändern, die umdenken, umkehren, Buße tun, aus
deren Nein ein Ja wird. Aus deren falschem Ja ein echtes Nein wird –
oder ein echtes Ja.
Keiner muss an der
Stelle stehen bleiben, auf die er sich einmal festgelegt hat.
Mir fällt da ein
altes Lied von Wolf Biermann ein: „Nur wer sich ändert, bleibt
sich treu“.
Ein
letzter Gedanke noch: Jesus fragt: Wer von den beiden hat
des Vaters Willen getan? –
Aber ist das überhaupt die wichtigste, die entscheidende Frage? Ist
die eigentliche Frage nicht: Wen von den beiden hat der Vater mehr
lieb?
Als Eltern haben
wir es vielleicht gemerkt, dass die Liebe zu unseren Kindern nicht
davon abhängt, ob sie Ja oder Nein sagen, ob sie tun, was wir von
ihnen erwarten oder nicht. Vielleicht sind wir traurig und besorgt,
wenn ein Kind Nein sagt zu uns und unseren Erwartungen. Aber haben
wir es deshalb weniger lieb?
Ich denke an eine
andere Geschichte, die Jesus erzählt, auch von einem Vater und zwei
Brüdern: „Der verlorene Sohn“. Welcher von beiden ist eigentlich der
verlorene Sohn? Ja, ist das nicht eigentlich nur die Langfassung
desselben Gleichnisses? Der eine sagt Nein und kehrt dann doch um.
Der andere sagt Ja und am Ende doch Nein zur Liebe seines Vaters.
Wen von den beiden
hat der Vater mehr lieb? – Er liebt sie beide.
Wen von uns hat er
mehr lieb? – Er liebt uns alle, uns Ja-Sager, uns Nein-Sager, uns
Hörer, uns Täter. Er liebt uns, und er traut uns zu, dass wir uns
treu bleiben, indem wir uns ändern.
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