Jesus sprach zu seinen Jüngern: "Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: 'Lieber Freund, leih mir drei Brote; denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann', und der drinnen würde antworten und sprechen: 'Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen, und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben.' Ich sage euch: ' Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf.
Und ich sage euch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn er ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete? oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!"
Lukas 11, 5-13
Liebe Gemeinde,
es gibt so bestimmte Sprachfehler. Manche Leute können mir und mich nicht unterscheiden, manche verwechseln mein und dein. Ein sehr verbreiteter Sprachfehler ist auch, nicht Nein sagen zu können. Solche Leute werden gern um Hilfe und Gefallen gebeten, aber irgendwann schaffen sie es nicht mehr und brechen unter all dem zusammen, was sie sich haben aufladen lassen. Manchmal ist es gut, mit einem deutlichen Nein eine Grenze zu ziehen.
Heute geht es mir um einen anderen
Sprachfehler, der oft mit dem Nicht-Nein-sagen-Können gemeinsam
auftritt: um den Fehler, nicht Bitte sagen zu können. Es gibt
Menschen, denen fällt es unheimlich schwer, jemanden anders um einen
Gefallen zu bitten, um eine Hilfeleistung oder z.B. auch darum, eine
Aufgabe in der Gemeinde zu übernehmen.
Auch ich bin jemand, dem es immer noch ziemlich schwer fällt, Nein zu sagen und Bitte zu sagen. Denn wenn ich Nein sage oder Bitte sage, dann könnte es ja sein, dass ich es jemandem nicht recht mache, oder dass ich ihn verärgere: Ich möchte etwas von ihm, was er vielleicht nicht so gerne will. Oder ich möchte etwas nicht, was er doch gerne will.
Auch ich bin jemand, dem es immer noch ziemlich schwer fällt, Nein zu sagen und Bitte zu sagen. Denn wenn ich Nein sage oder Bitte sage, dann könnte es ja sein, dass ich es jemandem nicht recht mache, oder dass ich ihn verärgere: Ich möchte etwas von ihm, was er vielleicht nicht so gerne will. Oder ich möchte etwas nicht, was er doch gerne will.
Dabei ist es doch ganz einfach und
logisch: Wenn ich etwas von jemandem bekommen will, muss ich ihn
darum bitten. Er kann mir meine Wünsche doch nicht von der
Nasenspitze ablesen. Wenn ich nicht bitten kann, dann brauche ich
mich nicht zu wundern, wenn ich nichts erhalte, nichts erreiche und
alles allein schaffen muss.
Jesus hilft uns, diesen Sprachfehler zu
überwinden. Er erzählt Beispiele, wie Bitten geht und was Bitten
bringt:
Eine alltägliche Begebenheit unter
befreundeten Nachbarn. Da kommt spät abends noch Besuch,
unangemeldet, hungrig von der langen Reise. – Vielleicht auch nicht
mehr so alltäglich. Denn wir melden uns an, bevor wir auf Besuch
kommen. Aber zu Jesu Zeiten gab es kein Telefon und kein Handy und
auch keine Post. – Da steht also einer vor der Tür, ein alter
Bekannter, und ich lasse ihn natürlich ein, und ich möchte ihm
natürlich gern etwas vorsetzen. Aber der Kühlschrank ist leer, das
Bier ist alle. Ich brauche also was zu essen für ihn und für mich.
Es ist spät abends – nach Mitternacht. Da hat auch die Pizzeria schon
Feierabend und die Tankstelle ist zu.
Was also tun? – Zum Glück habe ich
einen Nachbarn, der auch noch mein Freund ist. Ihn werde ich bitten.
Das fällt mir schwer, weil ich eben unter dem bekannten Sprachfehler
leide. Ich selber konnte meinem alten Bekannten vor der Tür
natürlich seine Bitte um Einlass und Unterkunft nicht abschlagen;
ich kann ja nicht Nein sagen, und das wäre in dieser Situation auch
wirklich nicht angebracht. Aber jetzt selber bei dem anderen vor der
Tür stehen, ihn wecken und ihn bitten, das fällt schwer.
Aber ich tue es. Ich gehe hin und klingle ihn raus. Erkläre ihm die Situation und bitte ihn um etwas Essen und Trinken für meinen alten Bekannten. Und klar, mein Nachbar ist nicht erfreut, um diese Zeit von mir gestört zu werden. Er hat schon geschlafen, seine Familie auch. Und jetzt mache ich Unruhe. – Für die Zeit Jesu dürfen wir uns das alles noch ein bisschen dramatischer vorstellen. Man lebt in kleinen Hütten, alle schlafen im selben Raum. Vor der Tür ist ein schwerer Holzriegel. Jetzt aufmachen, Licht anzünden, etwas zu essen suchen – da wachen garantiert die Kinder auf. – Deshalb: Ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben.
Wer jetzt nicht gelernt hat, wirklich zu bitten, der wird enttäuscht umkehren. Wird sich sagen: "Es war vielleicht wirklich zu viel verlangt." Wird sich vielleicht über seinen Freund ärgern, und über sich selbst, weil er nicht noch deutlicher Bitte gesagt hat. – Aber es ist doch so: Mit etwas mehr Beharrlichkeit, etwas mehr Drängen und Betteln hätte er sein Ziel erreicht. Wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens – im alten Luthertext heißt es: um seines unverschämten Geilens willen – aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf.
Aber ich tue es. Ich gehe hin und klingle ihn raus. Erkläre ihm die Situation und bitte ihn um etwas Essen und Trinken für meinen alten Bekannten. Und klar, mein Nachbar ist nicht erfreut, um diese Zeit von mir gestört zu werden. Er hat schon geschlafen, seine Familie auch. Und jetzt mache ich Unruhe. – Für die Zeit Jesu dürfen wir uns das alles noch ein bisschen dramatischer vorstellen. Man lebt in kleinen Hütten, alle schlafen im selben Raum. Vor der Tür ist ein schwerer Holzriegel. Jetzt aufmachen, Licht anzünden, etwas zu essen suchen – da wachen garantiert die Kinder auf. – Deshalb: Ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben.
Wer jetzt nicht gelernt hat, wirklich zu bitten, der wird enttäuscht umkehren. Wird sich sagen: "Es war vielleicht wirklich zu viel verlangt." Wird sich vielleicht über seinen Freund ärgern, und über sich selbst, weil er nicht noch deutlicher Bitte gesagt hat. – Aber es ist doch so: Mit etwas mehr Beharrlichkeit, etwas mehr Drängen und Betteln hätte er sein Ziel erreicht. Wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens – im alten Luthertext heißt es: um seines unverschämten Geilens willen – aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf.
Ja, manchmal muss
man etwas nachdrücklicher werden. Manchmal muss man sogar
unverschämt werden, um zu erreichen, was man möchte.
Unsere Kinder –
oder unsere Enkel – wissen das. Und oft genug haben sie ihr Ziel
erreicht, weil sie nur lange genug gedrängelt und gequengelt und
gebettelt haben. Sie haben das Bitte-Sagen ganz gut gelernt – von
uns, die wir nicht Nein sagen können.
Aber vielen von uns Älteren ist es anders ergangen. Uns wurde das als Kindern schon abgewöhnt: „Wer bettelt, kriegt nichts.“ Und so haben wir verlernt zu bitten und zu betteln und zu quengeln und zu drängeln, auch dort, wo es nötig wäre. Da haben wir unseren Sprachfehler mitgekriegt. Liebe und Anerkennnung kriegst du nur, wenn du lieb bist, wenn du nicht bettelst.
Aber vielen von uns Älteren ist es anders ergangen. Uns wurde das als Kindern schon abgewöhnt: „Wer bettelt, kriegt nichts.“ Und so haben wir verlernt zu bitten und zu betteln und zu quengeln und zu drängeln, auch dort, wo es nötig wäre. Da haben wir unseren Sprachfehler mitgekriegt. Liebe und Anerkennnung kriegst du nur, wenn du lieb bist, wenn du nicht bettelst.
Genau: Kinder, die
ihre Eltern bitten – das ist das zweite Beispiel, das Jesus
erzählt. Er weiß, dass Eltern ihren Kindern, zwar nicht alles
geben, was sie erbitten, aber alles, was sie wirklich brauchen, wenn
sie darum bitten. Jedenfalls keine Schlange, wenn sie um einen Fisch
bitten, und keinen Skorpion, wenn sie um ein Ei bitten. (Mal
abgesehen davon, dass es dieses hässliche Viehzeug auf unserer Insel
gar nicht gibt!)
Es hat also Sinn zu
bitten – wenn das Erbetene sinnvoll ist. Und es ist wichtig zu
bitten. Denn woher soll ein anderer Mensch wissen, was ich brauche
oder was ich mir gerade von ihm wünsche, wenn ich es ihm nicht sage?
Jesus möchte uns helfen, diesen Sprachfehler zu überwinden. Bittet, so
wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird
euch aufgetan.
Das ist so zwischen
uns Menschen. Und das ist auch so zwischen Mensch und Gott. Rogate
– Betet, so heißt dieser Sonntag. Und das Wort Beten kommt
ja von Bitten – oder gar umgekehrt? – Darum geht es Jesus vor
allem und in erster Linie, wie das zwischen den Menschen und Gott ist
mit dem Bitten, wie es also mit dem Beten aussieht. Und da ist leicht
festzustellen: Auch da haben viele einen Sprachfehler. Sie mögen
nicht beten, sie mögen Gott nicht bitten. – Es gibt eine
eigenartige Sprachlosigkeit oder Spracharmut gegenüber Gott.
Das ist oft ganz
ähnlich wie zwischen zwei Menschen. Wir erwarten, dass Gott uns
unsere Wünsche und Bitten doch von den Augen ablesen kann – ach,
mehr noch: aus den Herzen. – Kann er ja auch. Aber trotzdem möchte
er gebeten sein. Er wünscht sich von uns, dass wir uns selber auch
klar machen, was wir von ihm wollen und erwarten. Wenn wir ihm das
betend sagen, dann ist es für uns selber klarer. Für Gott war es
sicher schon vorher klar. Aber es ihm klar zu sagen, gibt ihm die
Möglichkeit auch klar zu antworten. Wenn wir gegenüber Gott eine
konkrete Bitte geäußert haben, dann ist für uns auch klar
erkennbar, ob er sie erfüllt hat oder nicht. Sonst ist es doch
ziemliches Wischiwaschi: Was Gott tut, das ist wohl getan –
schon richtig. Aber wir kriegen gar nicht richtig mit, was er getan
hat und was nicht, wo und wie er auf unsere Wünsche und
Befindlichkeiten geantwortet hat.
Und mag sein, er
antwortet auch deshalb nicht oder erfüllt deshalb unsere Wünsche
nicht, weil wir sie ihm nicht sagen. Gute Eltern wissen, was ihrem
Kind nützt und gut tut. Aber sie wollen auch darum gebeten sein. So
bringen wir unseren Kindern bei zu sagen, was sie wollen, und Bitte
zu sagen. Gott ist für uns wie ein Vater, der um manches gebeten
sein will. Damit wir auch merken, dass er auf unsere Wünsche und
Bedürfnisse eingeht.
Freilich – das
wissen wir auch: Gott erfüllt nicht alle unsere Wünsche. Und mit
manchen Bitten liegt mancher Gott schon lange in den Ohren, und doch
wird ihm diese Bitte nicht erfüllt. – Aber oft, meistens, bekommst
du dann doch von Gott eine Antwort, ein Nein mit dem du leben kannst
und Frieden findest. – Der Apostel Paulus erzählt von seinem
persönlichen Leiden seinem „Pfahl im Fleisch“, für das er immer
wieder gebetet hat, dass Gott ihn davon befreien möge. Aber Gottes
Antwort war Nein. Doch was für ein Nein: Lass dir an meiner Gnade
genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig (2. Korinther 12, 9). Eine
Antwort, die Frieden gibt. Und Paulus hat dann auch den Sinn erkannt,
warum Gott Nein gesagt hat: damit ich mich wegen meiner hohen
Offenbarung nicht überhebe (2. Korinther 12, 7).
Ein Vater gibt
seinem Sohn keine Schlange, wenn er um einen Fisch bittet. Aber es
könnte doch umgekehrt sein: Der kleine Junge in seiner Naivität
sieht die Schlange am Wegesrand und möchte mit ihr Spielen und
bittet seinen Vater darum. Er weiß es noch nicht, dass sie giftig
ist. Aber der Vater weiß es und wird ihm seine Bitte nicht erfüllen.
Vielleicht erklärt er es seinem Kind. Oder er muss sagen: "Du wirst
das später verstehen."
So ist es wohl auch
mit Gott und mit den Bitten, die er offenbar nicht erfüllt. Dann ist
es uns besser so, und einmal werden wir auch sein Nein verstehen.
Aber das darf kein Grund sein, ihn nicht zu bitten.
Jesus sagt uns,
worum wir vor allem bitten sollen: um den Heiligen Geist – die
Kraft aus der Höhe, wie er auch genannt wird. Das ist das
Wichtigste und das, was wir am meisten brauchen: Kraft aus der Höhe.
Er ist die Kraft, die wir gerade konkret brauchen:
Kraft zu heilen, oder Kraft Leiden zu ertragen.
Kraft, die rechten Worte zu finden, oder Kraft die Sprachlosigkeit auszuhalten.
Kraft einem andern zu helfen, oder Kraft die eigenen Grenzen zu erkennen.
Kraft andere zu führen, oder Kraft sich selbst zurückzunehmen.
Kraft Berge zu versetzen, oder Kraft Lasten zu tragen …
Welche Kraft brauchst du am meisten? – Erbitte sie von Gott. Gott will dir geben, was du brauchst. Aber bitte sag's ihm. Tu deinen Mund auf und tu dein Herz auf zu Gott. Er hört dich und er antwortet dir und er gibt dir seine Kraft aus der Höhe.
Kraft zu heilen, oder Kraft Leiden zu ertragen.
Kraft, die rechten Worte zu finden, oder Kraft die Sprachlosigkeit auszuhalten.
Kraft einem andern zu helfen, oder Kraft die eigenen Grenzen zu erkennen.
Kraft andere zu führen, oder Kraft sich selbst zurückzunehmen.
Kraft Berge zu versetzen, oder Kraft Lasten zu tragen …
Welche Kraft brauchst du am meisten? – Erbitte sie von Gott. Gott will dir geben, was du brauchst. Aber bitte sag's ihm. Tu deinen Mund auf und tu dein Herz auf zu Gott. Er hört dich und er antwortet dir und er gibt dir seine Kraft aus der Höhe.
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