Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel und sprach: "HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf der Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast.
Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dieses Haus tun, das ich gebaut habe? Wende dich aber zum Gebet deines Knechtes und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörest das Flehen und Gebet deines Knechtes heute vor dir."
1. Könige 8, 22-24. 26-28
Liebe Gemeinde,
„Die Machtfrage
ist beantwortet“. – So hieß es vor 30, 40 Jahren in der DDR,
also dem Teil Deutschlands, wo ich herkomme. Die „Arbeiter- und
Bauernmacht“, wie sie sich selber nannte, in Wirklichkeit die
Diktatur des SED-Politbüros, saß fest im Sattel. Keiner glaubte,
dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern könnte. Diese
Sicht, dass der Sozialismus gesiegt hatte und die Parteidiktatur
gesichert war, hat den Kirchen in der DDR zeitweise etwas größere
Freiheit in der Unfreiheit ermöglicht.
„Die
Machtfrage ist beantwortet“ – das wusste man, das wussten wir
aber auch auf der anderen Seite: „Gott sitzt im Regimente und
führet alles wohl“, so stand es immer noch im Gesangbuch. Oder
auch das Himmelfahrtslied: „Jesus Christus herrscht als König“. In Erinnerung war auch das Wort Karl
Barths, des großen Schweizer Theologen: „Es wird regiert!“ Und
er hatte hinzugefügt:
„nicht
nur in Moskau oder in Washington oder in Peking, sondern es wird
regiert, und zwar hier auf Erden, aber ganz von oben, vom Himmel her!
Gott sitzt im Regimente! Darum fürchte ich mich nicht.“
Wer das
Verhältnis von Staat und Kirche zu DDR-Zeiten verstehen will, muss
auch verstehen, wie unterschiedlich beide Seiten die Machtfrage
aufgefasst haben: Arbeiter- und Bauernmacht auf der einen Seite,
Gottes Macht auf der anderen. „Die Lehre von Marx ist allmächtig,
weil sie wahr ist“, las man auf roten Transparenten an öffentlichen
Gebäuden. In der Kirche sprachen wir von einer anderen Wahrheit: von der Wahrheit, die
uns frei machen würde. Und wir bekannten den Glauben an den
allmächtigen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Als dann
die Machtfrage im Staat neu gestellt wurde, dann gerade auch aus
Richtung der Kirche. Denn durch den Allmächtigen fühlten wir uns
ermächtigt, auch die angemaßte Allmacht des Staates
infragezustellen. Dabei wollten wir nicht selber die Macht. Wir haben
nur dem vertraut, der mächtiger war und mächtiger ist als alle
Mächte.
In unserem
Predigttext ist die Machtfrage ebenfalls beantwortet. Damals, es war wohl
um das Jahr 955 v. Chr. regierte König Salomo das Vereinigte
Königreich von Juda und Israel. Es ist die Glanzzeit des alten
Israels. Die Stämme sind vereinigt, außenpolitisch droht keine
Gefahr. Die Bibel schwelgt in der Aufzählung der Reichtümer, der
Bauwerke, der Bildung dieser Zeit. Alles wird dem großen Salomo
zugeschrieben. Jetzt hat er vollendet, was sein Vater David noch
nicht erreicht hatte: den Tempel, das Nationalheiligtum. Und nun
sehen wir Salomo bei der Tempelweihe und sehen zugleich: die
Machtfrage ist beantwortet:
Salomo
nämlich lässt nicht sich feiern, sondern er feiert Gott. Salomo
tritt vor den Altar Gottes – und das ist nicht der neumodische Volksaltar, wo man mit dem Gesicht zur Gemeinde zelebriert – Salomo steht mit dem Volk vor Gott und betet. Breitet die Hände
aus zum Himmel.
Herrscher
unserer Zeit breiten die Hände aus zu ihrem Volk: winkend, grüßend,
segnend, selbstherrlich. Sie lassen sich zuwinken, grüßen,
verherrlichen. Dieser Herrscher streckt seine Hände zum Himmel:
bittend, empfangend, dankend. Und er lässt Gott Gott sein, dem die
Macht gegeben ist über alle, die sich Macht anmaßen. Der die Macht
gibt und nimmt, wem er will. Von seinem Vater David und von sich
selber spricht Salomo als Gottes Knechten.
Ich habe
Respekt und Vertrauen zu Politikern, die zu Gott beten. Die wissen,
dass immer einer mächtiger ist als sie und dass sie ihm
verantwortlich sind. Ich habe Angst vor denen, die sich selber alles
zutrauen und sich selber für allmächtig halten. Ich weiß natürlich
auch, dass es immer auch die gegeben hat, die unter dem Deckmantel
der Religion doch nur ihrer eigenen Macht vertraut haben. Aber ich
weiß auch, dass die schlimmsten Mörder und Verbrecher der
Weltgeschichte die waren, die Gott und Religion über Bord geworfen
haben. Unsere alten Herren im Politbüro damals, sie gehörten dazu.
Auch wenn es nur verdorbene Greise waren, wie Wolf Biermann es sang,
auch sie haben Menschenleben und Lebenschancen auf dem Gewissen.
Christi
Himmelfahrt bedeutet: „Die Machtfrage ist beantwortet“. Der, der
ohnmächtig am Kreuz gelitten hat, der unter den Händen der
Mächtigen dieser Welt gestorben ist, der lebt, der sitzt zur Rechten
Gottes, der regiert im Himmel und auf Erden.
Himmelfahrt
klingt nach einer Ortsveränderung, klingt ein bisschen wie
Luftfahrt. Die alten Bilder und Worte, wie Jesus in den Wolken
verschwindet muten reichlich naiv an. Mit unserem modernen Weltbild
bekommen wir das nur schwer vereint. Aber es ist eben genau das: ein
altes Bild. Dabei geht es gar nicht zuerst um eine Ortsveränderung:
Erst war er auf der Erde, jetzt ist er im Himmel. Es geht um die
Machtfrage. Der auferstandene Jesus Christus ist nicht mehr der, der
ohnmächtig den Händen der Mächtigen unterliegt, er ist selber der
mächtige König der Ehren.
Einer, der
dann oder wann gerade hier oder dort auf Erden erscheint, der hat nur
begrenzte Macht. Jesus als Mensch auf Erden hatte nur begrenzte
Macht. Himmelfahrt heißt: Diese Grenze ist aufgehoben. Er ist nicht
mehr hier oder dort, sondern er ist hier und dort. Er ist bei
den Lebenden, er ist bei den Toten. Er ist im Himmel und er ist auf
Erden. Er ist da, wo Menschen ihm vertrauen, wo zwei oder drei in
seinem Namen versammelt sind. Wo sie sein Wort hören, wo sie in
seinem Namen taufen und wo sie sein Mahl feiern.
Und er ist
in unseren Herzen. Das ist das Merkwürdige, das Verrückte, das
Schöne. Jesus Christus übt seine Macht als Herzensmacht aus. Durch
Menschen, die nach ihm fragen, die ihm vertrauen, die sich von ihm
prägen und bestimmen lassen. Das ist gemeint, wenn er sagt: Mir
ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden und dann seine
Jünger beauftragt in die Welt zu gehen mit seinem Wort und seinem
Geist.
Bei der
Machtfrage geht es letztlich um unser Herz. … da wird auch dein
Herz sein ist das Motto des Kirchentages, der gerade in Dresden
stattfindet. Das ist bei allem die Frage: wo unser Herz ist. Oder
mit anderen Worten: Wer unser Herz beherrscht, wer unser Herz
besitzt. Ist Jesus Christus der König der Herzen oder regiert uns
anderes?
König
Salomo kannte Jesus Christus noch nicht. Aber er hat etwas getan, was
Christen auch tun: Beten. Beten heißt: Sich der höheren Macht
Gottes anvertrauen. Heißt anzuerkennen: Mit unsrer Macht ist
nichts getan, wir sind gar bald verloren. Heißt: sein Herz von
ihm prägen und bestimmen.
König
Salomo hat Gott einen Tempel gebaut. Dabei wusste er, dass man Gott
nicht im Tempel einsperren kann. Er wusste, dass er Gott nicht für
sich benutzen und instrumentalisieren konnte. Er wusste, dass er
immer nur Gottes Knecht sein würde. Ein williger oder ein
widerwilliger.
Die
Machtfrage ist beantwortet. Gut zu wissen!
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