Samstag, 18. Juni 2011

Predigt vom 5. Juni 2011 (Exaudi)

Predigt ursprünglich für Christi Himmelfahrt


Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel und sprach: "HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf der Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast.
Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dieses Haus tun, das ich gebaut habe? Wende dich aber zum Gebet deines Knechtes und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörest das Flehen und Gebet deines Knechtes heute vor dir."
1. Könige 8, 22-24. 26-28


Liebe Gemeinde,

„Die Machtfrage ist beantwortet“. – So hieß es vor 30, 40 Jahren in der DDR, also dem Teil Deutschlands, wo ich herkomme. Die „Arbeiter- und Bauernmacht“, wie sie sich selber nannte, in Wirklichkeit die Diktatur des SED-Politbüros, saß fest im Sattel. Keiner glaubte, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern könnte. Diese Sicht, dass der Sozialismus gesiegt hatte und die Parteidiktatur gesichert war, hat den Kirchen in der DDR zeitweise etwas größere Freiheit in der Unfreiheit ermöglicht.

Die Machtfrage ist beantwortet“ – das wusste man, das wussten wir aber auch auf der anderen Seite: „Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl“, so stand es immer noch im Gesangbuch. Oder auch das Himmelfahrtslied: „Jesus Christus herrscht als König“. In Erinnerung war auch das Wort Karl Barths, des großen Schweizer Theologen: „Es wird regiert!“ Und er hatte hinzugefügt:nicht nur in Moskau oder in Washington oder in Peking, sondern es wird regiert, und zwar hier auf Erden, aber ganz von oben, vom Himmel her! Gott sitzt im Regimente! Darum fürchte ich mich nicht.“

Wer das Verhältnis von Staat und Kirche zu DDR-Zeiten verstehen will, muss auch verstehen, wie unterschiedlich beide Seiten die Machtfrage aufgefasst haben: Arbeiter- und Bauernmacht auf der einen Seite, Gottes Macht auf der anderen. „Die Lehre von Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist“, las man auf roten Transparenten an öffentlichen Gebäuden. In der Kirche sprachen wir von einer anderen Wahrheit: von der Wahrheit, die uns frei machen würde. Und wir bekannten den Glauben an den allmächtigen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde.

Als dann die Machtfrage im Staat neu gestellt wurde, dann gerade auch aus Richtung der Kirche. Denn durch den Allmächtigen fühlten wir uns ermächtigt, auch die angemaßte Allmacht des Staates infragezustellen. Dabei wollten wir nicht selber die Macht. Wir haben nur dem vertraut, der mächtiger war und mächtiger ist als alle Mächte.

In unserem Predigttext ist die Machtfrage ebenfalls beantwortet. Damals, es war wohl um das Jahr 955 v. Chr. regierte König Salomo das Vereinigte Königreich von Juda und Israel. Es ist die Glanzzeit des alten Israels. Die Stämme sind vereinigt, außenpolitisch droht keine Gefahr. Die Bibel schwelgt in der Aufzählung der Reichtümer, der Bauwerke, der Bildung dieser Zeit. Alles wird dem großen Salomo zugeschrieben. Jetzt hat er vollendet, was sein Vater David noch nicht erreicht hatte: den Tempel, das Nationalheiligtum. Und nun sehen wir Salomo bei der Tempelweihe und sehen zugleich: die Machtfrage ist beantwortet:

Salomo nämlich lässt nicht sich feiern, sondern er feiert Gott. Salomo tritt vor den Altar Gottes – und das ist nicht der neumodische Volksaltar, wo man mit dem Gesicht zur Gemeinde zelebriert – Salomo steht mit dem Volk vor Gott und betet. Breitet die Hände aus zum Himmel.

Herrscher unserer Zeit breiten die Hände aus zu ihrem Volk: winkend, grüßend, segnend, selbstherrlich. Sie lassen sich zuwinken, grüßen, verherrlichen. Dieser Herrscher streckt seine Hände zum Himmel: bittend, empfangend, dankend. Und er lässt Gott Gott sein, dem die Macht gegeben ist über alle, die sich Macht anmaßen. Der die Macht gibt und nimmt, wem er will. Von seinem Vater David und von sich selber spricht Salomo als Gottes Knechten.

Ich habe Respekt und Vertrauen zu Politikern, die zu Gott beten. Die wissen, dass immer einer mächtiger ist als sie und dass sie ihm verantwortlich sind. Ich habe Angst vor denen, die sich selber alles zutrauen und sich selber für allmächtig halten. Ich weiß natürlich auch, dass es immer auch die gegeben hat, die unter dem Deckmantel der Religion doch nur ihrer eigenen Macht vertraut haben. Aber ich weiß auch, dass die schlimmsten Mörder und Verbrecher der Weltgeschichte die waren, die Gott und Religion über Bord geworfen haben. Unsere alten Herren im Politbüro damals, sie gehörten dazu. Auch wenn es nur verdorbene Greise waren, wie Wolf Biermann es sang, auch sie haben Menschenleben und Lebenschancen auf dem Gewissen.

Christi Himmelfahrt bedeutet: „Die Machtfrage ist beantwortet“. Der, der ohnmächtig am Kreuz gelitten hat, der unter den Händen der Mächtigen dieser Welt gestorben ist, der lebt, der sitzt zur Rechten Gottes, der regiert im Himmel und auf Erden.

Himmelfahrt klingt nach einer Ortsveränderung, klingt ein bisschen wie Luftfahrt. Die alten Bilder und Worte, wie Jesus in den Wolken verschwindet muten reichlich naiv an. Mit unserem modernen Weltbild bekommen wir das nur schwer vereint. Aber es ist eben genau das: ein altes Bild. Dabei geht es gar nicht zuerst um eine Ortsveränderung: Erst war er auf der Erde, jetzt ist er im Himmel. Es geht um die Machtfrage. Der auferstandene Jesus Christus ist nicht mehr der, der ohnmächtig den Händen der Mächtigen unterliegt, er ist selber der mächtige König der Ehren.

Einer, der dann oder wann gerade hier oder dort auf Erden erscheint, der hat nur begrenzte Macht. Jesus als Mensch auf Erden hatte nur begrenzte Macht. Himmelfahrt heißt: Diese Grenze ist aufgehoben. Er ist nicht mehr hier oder dort, sondern er ist hier und dort. Er ist bei den Lebenden, er ist bei den Toten. Er ist im Himmel und er ist auf Erden. Er ist da, wo Menschen ihm vertrauen, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind. Wo sie sein Wort hören, wo sie in seinem Namen taufen und wo sie sein Mahl feiern.

Und er ist in unseren Herzen. Das ist das Merkwürdige, das Verrückte, das Schöne. Jesus Christus übt seine Macht als Herzensmacht aus. Durch Menschen, die nach ihm fragen, die ihm vertrauen, die sich von ihm prägen und bestimmen lassen. Das ist gemeint, wenn er sagt: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden und dann seine Jünger beauftragt in die Welt zu gehen mit seinem Wort und seinem Geist.

Bei der Machtfrage geht es letztlich um unser Herz. … da wird auch dein Herz sein ist das Motto des Kirchentages, der gerade in Dresden stattfindet. Das ist bei allem die Frage: wo unser Herz ist. Oder mit anderen Worten: Wer unser Herz beherrscht, wer unser Herz besitzt. Ist Jesus Christus der König der Herzen oder regiert uns anderes?

König Salomo kannte Jesus Christus noch nicht. Aber er hat etwas getan, was Christen auch tun: Beten. Beten heißt: Sich der höheren Macht Gottes anvertrauen. Heißt anzuerkennen: Mit unsrer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren. Heißt: sein Herz von ihm prägen und bestimmen.

König Salomo hat Gott einen Tempel gebaut. Dabei wusste er, dass man Gott nicht im Tempel einsperren kann. Er wusste, dass er Gott nicht für sich benutzen und instrumentalisieren konnte. Er wusste, dass er immer nur Gottes Knecht sein würde. Ein williger oder ein widerwilliger.

Die Machtfrage ist beantwortet. Gut zu wissen!

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