Sonntag, 19. Oktober 2014

Predigt am 19. Oktober 2014 (18. Sonntag nach Trinitatis)

Seht sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt: nicht als Unweise, sondern als Weise.
Und kauft die Zeit aus, denn es ist böse Zeit.
Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist.
Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen.
Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.
Epheser 5,15-20


„Passen Sie gut auf sich auf!“ Vor vielen Jahren gab es mal einen Fernsehmoderator, der jede seiner Nachmittags-Talk-Sendungen mit diesem Satz beendete: „… und passen Sie gut auf sich auf!“ (Leider hat er selber nicht so gut auf sich aufgepasst und ist inzwischen ziemlich weit in die esoterische Ecke abgedriftet.)
Mir war das eigentlich immer ein bisschen zu wenig christlich, gerade von einem, der von Hause aus Pfarrer war.
Sollte ein Christ nicht lieber sagen:
„Gott soll gut auf dich aufpassen“?
Oder: „Der Herr segne dich“?
Oder: „Sein Engel beschütze dich“?
Wäre das nicht besser, als uns das Aufpassen selber zu überlassen?
Und nun stelle ich fest: In der Bibel stehen auch nicht nur Segenswünsche von den Engeln, denen Gott befohlen hat, dass sie uns auf den Händen tragen, sondern auch Sätze wie dieser:
Seht sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt.
Mit anderen Worten: „Passt gut auf euch auf!“
*
„Pass gut auf dich auf!“, sagt die Mutter zu ihrer Tochter, als sie allein weggeht.
Das ist ein wichtiger Punkt in der Lebensgeschichte, wenn Eltern ihre Kinder nicht mehr umfassend behüten können. Dann bleibt ihnen nur die Bitte: „Pass jetzt selber auf dich auf!“
Aber vielleicht geht es schief, und sie kommt dann zu zweit wieder, weil sie das Aufpassen an ihren Freund delegiert hat, und er hat das auch nicht so richtig hingekriegt mit dem Aufpassen.
Aber das müssen Eltern riskieren, wenn ihre Kinder groß werden...
*
Auch Gott riskiert etwas, wenn er seinen Menschenkindern sagt: „Passt gut auf euch auf!”
Das war schon bei Adam und Eva so:
„Passt gut auf euch auf!“, sagte Gott, als er die beiden im Garten Eden zurückließ. „Bewirtschaftet euren Garten, esst von den Bäumen – außer von dem einen. Und: Passt gut auf euch auf!“
Und dann haben sie nicht aufgepasst, und es ist schief gegangen.
Das war bei Kain und Abel so:
Kain war zornig, eifersüchtig, wütend auf seinen Bruder. Und Gott warnte ihn vor der Sünde, die wie ein böses Tier vor seiner Tür lauerte: „Pass gut auf dich auf!“
Er hat nicht auf sich aufgepasst, und es ist schief gegangen.
Es war immer und immer wieder so.
Jesus erzählt es in der Gleichnisgeschichte vom Verlorenen Sohn.
Der ist aus dem Haus gegangen, das Erbe des Vaters in der Tasche; und ich stelle mir vor, wie der Vater ihn zum Abschied umarmt, ihm auf die Schulter geklopft und gesagt hat: „Pass gut auf dich auf!“
Aber er hat nicht aufgepasst, und es ist schief gegangen.
*
So ist das bei uns Menschen, und so ist das bei Gott: Wir sind selber für unser Leben verantwortlich.
Wir gehen aus dem Elternhaus.
Wir treffen eigene Entscheidungen.
Oder wir lassen andere über uns entscheiden.
Und wir müssen selber auf uns aufpassen, sonst geht es schief.
Der Papa steht nicht mehr neben uns und hält uns fest, wenn wir ohne zu gucken über die Straße rennen wollen. Aber vielleicht haben wir seine Stimme noch im Ohr: „Pass auf dich auf!“
*
Wir können das. Eigentlich.
Wenn wir nachdenken, bevor wir den Mund aufmachen.
Wenn wir überlegen, bevor wir etwas tun.
Wenn wir unsere Fähigkeiten und unsere Grenzen einigermaßen kennen.
Dann können wir schon ganz gut auf uns aufpassen.
Dann geht es nicht so oft schief.
Führt euer Leben nicht als Unweise, sondern als Weise.
Wer auf sich selber aufpassen kann, der ist weise.
*
Wir wissen, was gut für uns ist. Eigentlich.
Vielleicht war ja nicht alles verkehrt, was unsere Eltern uns beigebracht haben.
Vielleicht ist ja nicht alles falsch, was Pfarrer und Lehrer uns gesagt haben.
Vielleicht sollten wir mal drüber nachdenken.
Und vielleicht sollten wir das mit unserem eigenen Kopf tun.
Eigene Entscheidungen treffen.
Selber auf uns aufpassen.
Selber herausbekommen, was Gottes Wille für unser Leben ist.
Werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist.
Wer selber weiß, was gut für ihn ist, der ist verständig.
*
„Pass gut auf dich auf!“
Das ist Gottes Stimme in unserem Ohr.
Das ist Gottes Geist in unserem Herzen.
Das ist Gottes Engel an unserer Seite.
So passt Gott auf uns auf:
Indem er uns dran erinnert, dass wir selber aufpassen müssen.
*
Eigentlich können wir das.
Eigentlich wissen wir, was gut für uns ist.
Und trotzdem geht es immer wieder schief.
Seit Adam und Eva.
Bis zu uns und unseren verlorenen Söhnen und Töchtern.
Gott sei Dank, sagt Gott dann nicht: „Siehst du! Ich hab dir doch gesagt, dass du aufpassen sollst!“
Er sagt: „Komm her, steh auf, fang neu an!“
*
Weise ist nicht nur der, der immer auf sich selbst aufpassen kann.
Verständig ist nicht nur der, der immer weiß, was gut für ihn ist.
Geisterfüllt ist nicht nur der, der immer Gottes Stimme im Ohr hat.
Wirklich weise ist, wer nicht im Dreck liegen bleibt, wenn er gestrauchelt ist.
Wirklich verständig ist, wer Fehler zugeben kann.
Wirklich von Gottes Geist erfüllt ist, wer zu Gott zurückkehrt und mit seiner Hilfe neu anfängt.
*
In diesem Sinne:
Passt gut auf euch auf!
Und Gott segne euer Aufpassen!

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