Wir leben in aufregenden Zeiten, liebe Hörer. Ereignisse überschlagen sich. Stimmungen schlagen um. Themen und Meinungen verschieben sich schnell. Die Zündfunken für eine ganze Woche müssen schon ein paar Tage vorher produziert werden. Wir Sprecher können also nicht tagesaktuell sein, auch wenn wir es manchmal gerne möchten.
Ich möchte deshalb in dieser Woche auf eine andere Art tagesaktuell sein. Ich schaue in meinen Kalender und finde Gedenktage. Ereignisse, die schon vor langer Zeit an diesem Tag des Jahres stattgefunden haben. Personen, die vor Jahrhunderten gestorben sind.
Heute zum Beispiel lese ich die Jahreszahl 1522. Am 21. September 1522 erschien die allererste Ausgabe des Neuen Testaments in deutscher Sprache, übersetzt von Martin Luther.
Vielleicht erinnern Sie sich: Luther war auf dem Rückweg vom Wormser Reichstag gekidnappt worden. Eine fingierte Entführung, die ihn auf die Wartburg brachte – in Sicherheit vor denen, die ihm nach dem Leben trachteten. Dort lebte er inkognito als Junker Jörg. Außer dem Burgherrn wusste keiner, wer er wirklich war. Jetzt hatte er Zeit und Ruhe, die Bibel in ein verständliches Deutsch zu übersetzen. Und zwar aus dem griechischen Original; bisher hatte man nur die lateinische Bibel verwendet.
Die Erstauflage dieser Übersetzung, der so genannten Septemberbibel, betrug für die damalige Zeit sagenhafte 3000 Exemplare und kostete mehr als das Monatsgehalt eines einfachen Handwerkgesellen. Trotzdem war die Auflage innerhalb weniger Wochen vergriffen. Schon im Dezember erschien eine verbesserte Auflage. Weitere folgten.
Eine vollständige Übersetzung der ganzen Bibel mit dem weit umfangreicheren Alten Testament erschien dann erst elf Jahre später.
Dass die Menschen die Worte der Bibel in ihrer Muttersprache lesen und hören konnten, war eine historische Großtat. Denn das Wort der Bibel war und ist aktuell.
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