Liebe Gemeinde,
Weihnachten ist ein geheimnisvolles Fest. Früher jedenfalls, in Kindestagen und auch später noch, war es so, dass wir mit gespannter Erwartung den Geheimnissen entgegensahen, die sich uns offenbaren sollten: in jener verwandelten Stube, in die das Christkind seine Geschenke gelegt hatte. – So jedenfalls bei uns. Bei anderen war es vielleicht der Weihnachtsmann, aber auch der war sehr geheimnisvoll und brachte mit, was wir ersehnten und von dem wir doch nicht wussten, was es war. – Völlig unverständlich war mir, wenn andere schon Wochen vorher sagen konnten, was sie zu Weihnachten bekommen würden. Das war doch ein Geheimnis, das nicht zu früh gelüftet werden durfte, um die Weihnachtsfreude nicht zu schmälern. Überraschungen gehörten dazu. Man wusste nie, ob man bekommt, was man sich gewünscht hatte – oder vielleicht noch etwas viel Schöneres, was man sich nicht zu träumen gewagt hätte. So wie an jenem unvergesslichen Weihnachtsabend, als ich mit sechs Jahren staunend vor einer Modellbahnplatte stand, auf der richtige Züge fuhren. Geheimnisvoll war es gewesen, was der Vater im Schlafzimmer zu werkeln hatte. Aber das Geheimnis wurde erst an jenem Abend gelüftet. – Noch heute ist es am schönsten, wenn es noch Weihnachtsgeheimnisse gibt und wir einander noch überraschen können.
Das eigentliche Weihnachtsgeschenk, die eigentliche Weihnachtsüberraschung, das große Weihnachtsgeheimnis war und ist das Kind im Stall von Bethlehem. Eigentlich ist es ja so, dass wir uns nur deshalb beschenken und überraschen, weil Gott uns zuerst mit seinem Geschenk überrascht hat. Daraus ist dann erst unser Fest der Geschenke geworden.
Genau davon spricht ein kleiner Weihnachtstext im 1. Brief an Timotheus im 3. Kapitel unter der Überschrift: Geheimnis des Glaubens:
Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.
Die größten Geheimnisse, liebe Gemeinde, sind die, die noch dann Geheimnisse sind, wenn sie sich uns enthüllt haben. Ein Kind wird geboren. Wir wissen, wie es entstanden ist, wir haben sein Heranwachsen im Mutterleib verfolgt, wir waren bei seiner Geburt dabei. Und am Ende ist es doch ein Wunder, und es bleibt ein großes Geheimnis: Da ist ein Mensch, wo vorher keiner war. Leben, Lächeln, Lieben – das zuvor nicht da war. Das Geheimnis des Lebens – offenbart im Fleisch.
Und noch größer das Geheimnis dieses Kindes: Euch ist heute der Heiland geboren. – Man sieht es ihm nicht an der Nasenspitze an. Es steht ihm nicht an der Stirn geschrieben. Und der Heiligenschein, wie ihn die alten Bilder zeigen, ist auch nicht für die Augen sichtbar. Und doch ist es ja wahr: Gottes Sohn, o wie lacht Lieb aus deinem göttlichen Mund! – Das Geheimnis der Liebe – gerechtfertigt im Geist.
Engel sind erschienen – bei den Hirten. Und auf den Weihnachtsbildern – denen mit den Heiligenscheinen, die unsere Augen nicht sehen können – sind sie auch zu sehen: Gottes Boten, die Engel, die die Weihnachtsszene umschwirren, bejubeln und bewachen. Denn mit diesem Kind ist der Himmel auf die Erde gekommen – die himmlischen Heerscharen bezeugen es. In ihm ist das Geheimnis des Himmels – erschienen den Engeln.
Und dann kamen die Weisen aus dem Osten, bekannt geworden als die Heiligen Drei Könige. Sie haben die Botschaft eines Sternes entschlüsselt und verstanden und haben sich auf den Weg gemacht. Eine geheimnisvolle Geschichte. Bis heute wissen wir nicht, was es wirklich mit diesem Stern auf sich hatte. Aber sie waren die ersten Vertreter aus den Völkern und Nationen der Welt, die den König der Juden gefunden und als ihren Retter erkannt haben – gepredigt den Heiden.
Später haben immer mehr Menschen an ihn geglaubt. Obwohl er nicht als König zu erkennen war. Obwohl er arm geboren und elend gestorben ist. Er hat seine Anhänger gefunden. Wir gehören dazu, die wir weltweit Weihnachten feiern, heute und morgen und alle Jahre wieder. Christus der Retter ist da – das bekennen heute rund zwei Milliarden Menschen. Das ist das Geheimnis der Kirche – geglaubt in der Welt.
Das Geheimnis seiner Geburt, seines Lebens und Sterbens, es vollendet sich im Geheimnis seiner Auferstehung und Himmelfahrt. Er ist von Gott gekommen und kehrt zu Gott zurück. Und er nimmt uns mit. Wir sind zu ihm gekommen in seiner Geburt. Wir sind bei ihm in seinem Leiden und Sterben. Und wir werden sein, wo er ist – in Gottes Herrlichkeit. Das ist das Geheimnis der Auferstehung – aufgenommen in die Herrlichkeit.
Weihnachten ist ein geheimnisvolles Fest. Weil es uns mitnimmt in die geheimnisvolle Geschichte Gottes. An diesem Abend sehen wir es besonders deutlich: das Geheimnis des Glaubens. Gottes Geschenk an uns.
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