Donnerstag, 11. September 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Donnerstag, dem 11. September 2014

Guten Morgen, lieber Hörer,

typisch katholisch, typisch evangelisch – wir haben da so unsere Vorstellungen und Klischees.

Typisch katholisch: Marienverehrung, Schutzheilige und Namenspatrone, der Papst natürlich, Priester, die nicht heiraten dürfen, Gläubige, die nicht verhüten dürfen, usw.

Typisch evangelisch: Pfarrer und Pfarrerinnen mit Familie, verschlossene Kirchen, schmucklose Kirchen ohne Kniebänke und Beichtstuhl, lange Predigten, aber keine Eucharistiefeier, wenn doch mal, dann im großen Kreis und mit Weinkelch für alle, und: die Evangelischen nehmen ihre eigenen Überzeugungen viel zu wichtig.

Wenn ich es mir so überlege, dann gibt es in der katholischen Kirche von fast allem mehr: Mehr Bräuche und Zeremonien, mehr Heilige, mehr Hierarchie, mehr Sakramente, mehr Weihrauch, mehr Gläubige weltweit. Alles ist irgendwie größer, schöner, erhabener. Manchen von uns Evangelischen fasziniert das, weil sie darin eine Art von spirituellem Reichtum erahnen. Andere stößt es ab, weil es ihnen oberflächlich erscheint.

In der evangelischen Kirche gibt es von fast allem weniger – außer, dass Evangelische vielleicht mehr Worte machen. Man kann das Evangelische vielleicht geradezu als eine Reduktion auf das Wesentliche verstehen. Das Wesentliche: das ist die Beziehung des Menschen zu Gott. Der soll nichts im Wege stehen: keine Glaubensvermittler außer Jesus; keine Glaubensüberlieferungen außer der Bibel; keine eigenen frommen Werke, mit denen man sich Gottes Wohlwollen erst verdienen muss. Allein die Gnade, allein Christus, allein die Bibel, allein der Glaube. Das sind die Kernsätze des evangelischen Christentums.

Für katholische Christen ist es dagegen wichtiger, dass Gottes Größe sich nicht mit einem Allein begrenzen lässt. Sie lässt Platz für verschiedene Wege der Gnade, für Maria und die Heiligen, die uns auf dem Weg zu Christus begleiten, für Traditionen und Überlieferungen, die nicht in der Bibel stehen, und für gute Werke, die unserem Glauben helfen. So gesehen, kann ich das auch als evangelischer Christ ein bisschen verstehen.

Ja, ich glaube, wenn es uns hin und wieder gelingt, unsere Eigentümlichkeiten mit den Augen des Anderen wahrzunehmen, dann werden wir uns als Christen unterschiedlicher Konfessionen tatsächlich immer besser verstehen.

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