Sonntag, 6. Juli 2014

Predigt am 6. Juli 2014 (3. Sonntag nach Trinitatis)

Des HERRN Wort geschah zu mir: Was habt ihr unter euch im Lande Israels für ein Sprichwort: „Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne stumpf geworden“? So wahr ich lebe, spricht Gott, der HERR: dies Sprichwort soll nicht mehr unter euch umgehen in Israel. Denn siehe, alle Menschen gehören mir; die Väter gehören mir so gut wie die Söhne; jeder der sündigt, soll sterben.
Wenn sich aber der Gottlose bekehrt von allen seinen Sünden, die er getan hat, und hält alle meine Gesetze und übt Recht und Gerechtigkeit, so soll er am Leben bleiben und nicht sterben. Es soll an alle seine Übertretungen, die er begangen hat, nicht gedacht werden, sondern er soll am Leben bleiben um der Gerechtigkeit willen, die er getan hat. Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht Gott, der HERR, und nicht vielmehr daran, dass er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt? Und wenn sich der Gerechte abkehrt von seiner Gerechtigkeit und tut Unrecht und lebt nach allen Gräueln, die der Gottlose tut, sollte der am Leben bleiben? An alle seine Gerechtigkeit, die er getan hat, soll nicht gedacht werden, sondern in seiner Übertretung und Sünde, die er getan hat, soll er sterben.
Darum will ich euch richten, ihr vom Hause Israel, einen jeden nach seinem Weg, spricht Gott der HERR. Kehrt um und kehrt euch ab von allen euren Übertretungen, damit ihr nicht durch sie in Schuld fallt. Werft von euch alle eure Übertretungen, die ihr begangen habt, und macht euch ein neues Herz und einen neuen Geist. Denn warum wollt ihr sterben, ihr vom Hause Israel? Denn ich habe kein Gefallen am Tod des Sterbenden, spricht Gott der HERR. Darum bekehrt euch, so werdet ihr leben.
Hesekiel 18, 1-4. 21-24. 30-32


Liebe Schwestern und Brüder,
Lebe!, sagt Gott, denn Ich will, dass du lebst.
Ja, du! Du, du und du! Jeder einzelne.
Willst du auch leben?
Dann halte dich an mich, sagt Gott, denn ich lebe.
Und ich gebe das Leben.
Und ohne mich gibt es kein Leben.
Ohne mich gibt es nur den Tod.
Ja, ohne Gott gibt es kein Leben,
ohne Gott gibt es nur den Tod.
Gottlosigkeit ist der Tod.
Gottesnähe ist das Leben.
Uns stören solche Sätze: Jeder, der sündigt, soll sterben. So hier bei Hesekiel im Alten Testament.
Der Sünde Sold ist der Tod. So bei Paulus im Neuen Testament (Römer 6,23).
Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr auch alle umkommen. So Jesus im Lukasevangelium (13, 5).
Angstmachen mit dem Tod oder der ewigen Verdammnis, was ja im Grunde dasselbe ist. Das haben wir nicht so gerne.
Aber überlegt mal:
Es ist nur der letzte Ernst, die logische Konsequenz, wenn wir mit Gott zum Leben einladen.
Wer sich nicht für das Leben entscheidet, der hat sich schon für den Tod entschieden.
Sünde und Gottlosigkeit sind Synonyme,
Wörter die dasselbe bedeuten.
Sünde ist ja nicht nur irgendeine Tat,
sondern ein Zustand:
der Zustand, von Gott getrennt zu sein,
der Zustand der Gottlosigkeit.
Und der drückt sich dann in einzelnen Taten aus, die wir auch Sünden nennen.
Aber in ihrem Wesen ist Sünde Gottlosigkeit,
nichts anderes.
Wenn ich sündige, wie auch immer, in Gedanken, Worten und Werken, dann bin ich in diesem Augenblick gottlos.
Wenn ich ganz in Gottes Nähe leben würde, ich in Gott und Gott in mir, dann würde ich ja nicht sündigen, dann könnte ich ja gar nicht gottlos handeln.
Wenn ich aber gottlos bin, wenn ich Gott los bin, dann bin ich getrennt von der Quelle des Lebens.
Mir ist der Lebensatem abgeschnitten.
Es ist wie Ersticken.
Ich gehe zugrunde.
Die Drohung des Todes, des ewigen Todes, der Hölle, der Verdammnis, wie immer wir es nennen mögen, das ist nicht die Strafandrohung eines unbarmherzigen Gottes; es ist nur die Konsequenz eines Lebens, das schon zu Lebzeiten kein Leben ist, weil es gott-los ist.
Wer ohne Gott lebt, wer in der Sünde lebt, der ist eigentlich schon tot.
So klar, so krass.
Aber: Gott will das nicht.
Er ist ja das Leben,
und er gibt das Leben,
und er will das Leben und nicht den Tod.
Darum sagt er dir: Lebe! Ja, du!
Gott liegt an deinem Leben!
Und dir sollte auch an deinem Leben liegen!
Darum auch: Lebe dein Leben!
Nicht das Leben deiner Eltern.
Nicht das Leben deiner Schwester oder deines Bruders.
Nicht das Leben deiner Klassenkameraden.
Nicht das Leben deiner Kollegen oder Nachbarn oder Freunde.
Lebe dein Leben!
Denn du allein bist verantwortlich für dein Leben.
Dafür gibt es keine Ausrede.
Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne stumpf geworden, sagte man damals in Israel.
Unsere Väter haben gesündigt, und wir werden dafür bestraft, sollte das heißen.
Kinder tragen an der Schuld ihrer Eltern.
Gottlosigkeit vererbt sich.
Deine Großeltern waren Nazis, deine Eltern waren Kriegskinder, darum kommst du heute nicht mit deinem Leben klar, sagen manche.
Du kommst aus einer alten Trinkerdynastie, auch du wirst Probleme mit Alkohol haben, heißt es manchmal.
Deine Großeltern waren Gastarbeiter, deine Eltern waren Türken, und du hast Migrationshintergrund – das klingt ein bisschen wie eine Krankheit.
(Oder auch, wie ich gestern in Twitter las: Wir sind seit fünf Generationen in der SPD – was es doch für Familienschicksale gibt!)
Das Familienschicksal, der soziale Hintergrund, die Traumata einer schlimmen Kindheit – das sind heute alles akzeptierte Entschuldigungen für ein verpfuschtes Leben. Vor Gericht wird so was regelmäßig als strafmindernd anerkannt. Wir sprechen Menschen von ihrer eigenen Verantwortung frei, indem wir erklären sie seien ja nur das Produkt der Verhältnisse, in denen sie leben oder aufgewachsen sind. Arme Schweine im Grunde genommen, die nicht anders können, als ihre Frauen und Kinder zu schlagen, weil sie es zu Hause nicht anders gelernt haben.
So nicht!, sagt Gott. Du kannst sehr wohl anders.
Du bist du.
Du bist nicht deine Eltern oder was sie aus dir gemacht haben.
Du bist nicht das Produkt der sozialen Verhältnisse, aus denen du kommst, sondern Gottes Geschöpf.
Du musst nicht tun, was andere vor dir getan haben.
Du musst nicht leben, wie andere neben dir leben.
Du bist für dein Leben verantwortlich!
Nicht deine Eltern.
Nicht deine Freunde.
Niemand außer dir allein.
Klingt das zu hart?
Oder klingt es nicht auch nach einer Chance,
dass du anfängst, wirklich dein Leben zu leben;
dass du dich frei machst von den Kindheitsmustern,
von den elterlichen Zwängen,
von dem Betteln um Anerkennung,
von dem Tun-was-man-eben-tut?
Ja, für mich klingt es nach einer Chance.
Denn du trittst in die Freiheit,
du trittst ins Leben hinein,
und du trittst auf die Seite Gottes, der dir das Leben gab und der dein Leben will.
Darum bist du nicht allein.
Nicht auf dich gestellt.
Sondern auf ihn gestellt.
Du kannst.
Denn er will es.
Er will dein Leben.
Gott sagt zu dir: Lebe!
Und er sagt: Lebe heute!
Lebe nicht im Gestern, sondern im Heute.
Wenn du gestern Mist gebaut hast, dann musst du es heute nicht wieder tun.
Wenn du gestern gesündigt hast, dann musst du es heute nicht wieder tun.
Wenn du gestern gottlos warst, dann musst du es heute nicht mehr sein.
Umkehr ist möglich.
Du kannst dein Leben ändern.
Heute.
Und das ist die richtig gute Nachricht von Gott:
Er legt dich nicht darauf fest, was du gestern getan hast, wer du gestern gewesen bist.
Er hält dir deine Gottlosigkeit von gestern nicht mehr vor, wenn du heute umgekehrt bist,
wenn du begonnen hast, dein Leben ernsthaft zu ändern,
wenn du ihm eine neue Richtung gegeben hast,
wenn du es an Gott gehängt hast.
Für Gott bist du nicht, was deine Eltern oder die Umstände aus dir gemacht haben.
Für Gott bist du nicht, wer du einmal gewesen bist.
Für Gott bist du, der du heute bist, wenn du zu ihm kommst und vor ihm stehst.
Denn Sünde ist keine Last, die du ewig mit dir tragen musst, sondern ein Zustand, den du jederzeit ändern kannst.
Du musst nicht gottlos bleiben.
Du kannst Gott nahe sein.
Weil Gott dir nahe sein will.
Du kannst leben, weil Gott dein Leben will und nicht deinen Tod.
Gott sagt zu dir: Lebe! Du! heute!
Lebe mit mir!
Fall nicht zurück in die Gottlosigkeit.
Oder wie Jesus sagt: Sündige hinfort nicht mehr.
Ist das zu viel, ist das zu schwer?
Ja, wir fallen zurück in Kindheitsmuster,
wir tun, was wir gelernt haben,
wir leben heute, wie wir gestern gelebt haben,
wir vergessen Gott und entfernen uns von ihm.
Immer wieder.
Aber Gott vergisst uns nicht.
Wir können jederzeit umkehren zu ihm.
Wie der verlorene Sohn.
Und unser Vater wartet schon auf uns.

Jeden Sonntag bekennen wir, dass wir gesündigt haben mit Gedanken, Worten und Werken.
Und wir kehren um zu Gott,
kommen in seine Nähe, in sein Vaterhaus,
heim aus der Gottlosigkeit,
lassen uns sagen, dass der barmherzige Gott sich über uns erbarmt, wie sich ein Vater über Kinder erbarmt.
Und wir feiern mit ihm – so wie heute.
Und wir leben auf in seiner Nähe,
und wir gehen wieder hinaus ins Leben in der Kraft seines Geistes.
Um zu leben –
mit Gott, der das Leben ist,
und das Leben gibt
und das Leben will.
Dein Leben, mein Leben, unser Leben.
Heute. Morgen. Und in Ewigkeit.
Amen.

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