Sonntag, 27. Juli 2014

Predigt am 27. Juli 2014 (6. Sonntag nach Trinitatis)

Kommt zu dem Herrn als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar.
Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus.
Darum steht in der Schrift: „Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.“
Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar; für die Ungläubigen aber ist „der Stein, den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein geworden ist, ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses“; sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben, wozu sie auch bestimmt sind.
Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst „nicht ein Volk“ wart, nun aber „Gottes Volk“ seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid.
1. Petrus 2, 4-10


Lebendige Steine
Du immer mit deinen Steinen. Steine sind so was Totes, sage ich zu meiner Frau, als sie sich mal wieder am Strand nach einem Stein bückt, der aussieht wie ein Herz. Steine sind Steine, hart, kalt, unbeweglich – tot, denke ich. Andrea sieht mehr in diesem Stein. Sie hebt ihn auf, sie sieht ihn an, entdeckt seine Maserung, spürt sein Gewicht, seine weiche Form, seine Wärme, die er von der Sonne empfangen hat; in ihren Händen und unter ihren Augen wird er lebendig: Stein-Herz, Herz-Stein. Ein lebendiger Stein.

Es ist eine Glaubensfrage, was ich sehe in diesem Stein: den Tod oder das Leben, das Harte oder das Weiche, das Kalte oder das Warme, den Stein oder das Herz.
Es ist eine Glaubensfrage, was ich in einem Menschen sehe: das Harte oder das Weiche, das Äußere oder das Innere, das Anstößige oder das Anziehende, das Gewöhnliche oder das Besondere.
Auf den Glauben kommt es an.
Darum steht in der Schrift: „Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.“ Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar; für die Ungläubigen aber ist er „ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses”; sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben.
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Lebendige Steine
Irgendwann sind wir dann doch nach Freiberg gefahren – in die Terra Mineralia; das ist die größte Mineralienausstellung Deutschlands. Ganz viele Steine. Tote Steine. In Vitrinen. Ein dunkler Raum, nur die Ausstellungsstücke beleuchtet. Sie glänzen und schimmern in allen Farben. Riesige Kristalle ragen aus grauem Fels; das Innere von steinernen Blasen ist über und über mit solchen Kristallen belegt. Lebendige Steine, gewachsen, geworden im Innern der Erde, durch vulkanische Eruptionen, im Zusammenspiel von Feuer, Wasser, Luft und Erde. Lebendig im Spiel des Lichtes und der Farben. Kostbare Steine, mit Mühe aus der Tiefe der Erde geborgen, zusammengetragen aus allen Erdteilen sind sie nun Teil dieser wunderbaren Sammlung und bringen mich zum Staunen.

Ich denke an Verse aus dem Buch Hiob (28, 1-6. 9-12):
Es hat das Silber seine Gänge und das Gold seinen Ort, wo man es läutert. Eisen bringt man aus der Erde, und aus dem Gestein schmilzt man Kupfer. Man macht der Finsternis ein Ende, und bis ins Letzte erforscht man das Gestein, das im Dunkel tief verborgen liegt. Man bricht einen Schacht fern von da, wo man wohnt; vergessen, ohne Halt für den Fuß, hängen und schweben sie, fern von den Menschen. Man zerwühlt wie Feuer unten die Erde, auf der doch oben das Brot wächst. Man findet Saphir in ihrem Gestein, und es birgt Goldstaub… Auch legt man die Hand an die Felsen und gräbt die Berge von Grund aus um. Man bricht Stollen durch die Felsen, und alles, was kostbar ist, sieht das Auge. Man wehrt dem Tröpfeln des Wassers und bringt, was verborgen ist, ans Licht. Wo will man aber die Weisheit finden? Und wo ist die Stätte der Einsicht?

Unser Predigtwort sagt:
Kommt zu dem Herrn als dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar.
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Lebendige Steine
Da sitzt er, vier Jahre alt, vor einem riesigen Berg bunter Steine, Plastikbauklötzchen, die man mittels einer ebenso einfachen wie genialen Technik miteinander verbinden kann; da sitzt er vor seinen Lego-Steinen und baut – in sich versunken, konzentriert – Häuser, oder lieber noch Fahrzeuge. Und dann wird das Lego-Männchen ins Auto gesetzt und es fährt los, und es beginnt eine Geschichte. Lebendige Steine, mit denen Kinder die Welt entdecken, sich ihre Welt erfinden: bauen, gestalten, entdecken, konstruieren.
Eine bunte Welt aus Lego-Steinen. Alle passen zusammen, und doch kann jeder immer wieder einen anderen Platz einnehmen. Nicht immer werden alle gebraucht, aber vielleicht gerade in diesem Moment dieser eine ganz spezielle…

Petrus schreibt:
Auch ihr als lebendige Steine lasst euch erbauen zu einem geistlichen Haus.
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Lebendige Steine
Wenn man in den achtziger Jahren über den Dresdner Neumarkt ging, dann sah man da einen großen Haufen Steine, von Gras und jungen Bäumen überwuchert; da heraus ragten schwarz die Reste von Mauern und Fensterbögen – die Ruine der Frauenkirche. Tote Steine. Steine des Anstoßes. Eine mahnende Erinnerung an den Wahnsinn des Krieges. Am 13. Februar gingen wir dahin, um schweigend zu gedenken und zu beten.
Wenn man in den neunziger Jahren über den Dresdner Neumarkt ging, dann sah man überdimensionale Regale, in denen Steine einsortiert waren, mit Nummern versehen. Stein für Stein hat man die Überreste der Frauenkirche abgetragen und wie bei einem gigantischen Puzzle für jeden Stein genau bestimmt, wo sein Platz im Bauwerk gewesen war. Und genau dort sollte er wieder seinen Platz finden in der neu errichteten Frauenkirche.
Wenn man in den zweitausender Jahren über den Dresdner Neumarkt ging, dann erhob sich an der Stelle der alten Ruine die wieder erbaute Frauenkirche. Aus hellen und dunklen Steinen waren die alten Mauern neu erstanden. Die dunklen Steine, das waren die, die übrig geblieben waren von der alten Frauenkirche; und sie nahmen wieder ihren alten Platz ein in der neuen Frauenkirche. Daneben die hellen Steine, die waren aus einem Steinbruch neu herbeigeschafft und zurechtgehauen worden, damit sie ihren Platz dort fanden, wo es keine brauchbaren alten Steine mehr gab. Jeder hatte seine genaue Form. Keiner durfte fehlen.
Und so überragt dieses mächtige Gotteshaus mit seiner gewaltigen Kuppel heute wieder die Altstadt von Dresden. Und erzählt davon, wie aus Tod und Zerstörung neues Leben wächst, erzählt vom Krieg und vom Frieden, erzählt von der Versöhnung, erzählt von der Begeisterung und der Opferbereitschaft der Menschen, um wieder zusammenzubringen und aufzubauen, was zerstört und zerstreut war. Erzählt vom Leben. Erzählt von Gott.

Und auch ihr als lebendige Steine lasst euch erbauen zu einem geistlichen Haus und zu einer heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus.
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Lebendige Steine
Mir geht ein Lied aus Kindertagen durch den Kopf:
Gott baut ein Haus, das lebt,
aus lauter bunten Steinen,
aus großen und aus kleinen,
eins, das lebendig ist.
Gott baut ein Haus, das lebt,
wir selber sind die Steine,
sind große und auch kleine,
du, ich und jeder Christ.

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