Sonntag, 6. Januar 2013

Predigt am 6. Januar 2013 (Epiphanias)

Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.
Hebe deine Augen auf und siehe umher: Diese alle sind versammelt und kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arm hergetragen werden. Dann wirst du deine Lust sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt. Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werwden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des HERRN Lob verkündigen.

Jesaja 60, 1-6


Liebe Schwestern und Brüder,


Gottesaufgang! – Was für eine Vision: Über dir geht auf der HERR und seine Herrlichkeit erscheint über dir.


Wir kennen Sonnenaufgänge: Dort hinten wird’s hell, und Schwarz wird zu Grau, wird zu Rot, wird zu Licht, und benommen, verschwommen, erkennen, was man will … – Ok, die Worte sind geklaut, weil sie’s so gut treffen.*


In letzter Zeit wird der Sonnenaufgang noch angekündigt durch den Morgenstern. Wenn alle anderen Sterne schon schlafen gehen, weil es ihnen zu hell wird, strahlt er noch am dämmernden Morgenhorizont und kündigt den Aufgang der Sonne an, bis sie selber da ist und auch ihn im Glanze ihrer Strahlen verblassen lässt.


Und dann das klare Licht, in dem nicht mehr alle Katzen grau und alle Kühe schwarz sind. Das Licht, in dem unsere Welt Konturen und Gestalt gewinnt. Das Licht, in dem sich die Blüten wieder öffnen, das die Körper wieder wärmt. Das Licht, dass die Schreckgespenster der Nacht verscheucht, das unsere Alpträume lächerlich aussehen lässt, das unsere Sorgen leicht aussehen lässt.



Sonnenaufgang – Gottesaufgang – Aufklärung!

Ja, Aufklärung. Diese Vorstellung davon, wie das Licht aufgeht und die Finsternis vertreibt, steht hinter allen Versuchen von Aufklärung. Menschen, die im Dunkel von Unwissen und Aberglauben leben, deren Sinn von Unmündigkeit und Höllenängsten verfinstert ist, sollen vom Dunkel ins Licht geführt werden.


Es ist das Licht des Verstandes, der sich nicht mehr im Halbdunkel ein X für ein U vormachen lässt. Es ist der berühmte Mut, sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Nichts zu glauben, weil es andere behaupten, sondern weil es der eigenen vernünftigen Überprüfung standhält.


Wir verdanken der Aufklärung viel. Wir verdanken ihr überprüfbares Wissen über unsere Welt und die Anwendung dieses Wissens in Technik und Medizin. Wir verdanken ihr ein unglaubliches Maß an Wohlstand und Wohlbefinden. Und wer das unter Berufung auf angebliches mittelalterliches Geheimwissen und unüberprüfbare Esoterik-Lehren in Zweifel zieht, der weiß wahrscheinlich nicht, was wir der empirischen Forschung und der evidenzbasierten Medizin verdanken.


Wir verdanken der Aufklärung viel. So viel, dass uns dabei aber auch leicht der Glauben mit unter die Räder kommt. Wo wir etwas wissen können, müssen wir ja nicht mehr glauben. Wohl wahr. Und darum ist es auch so fruchtlos und sinnlos, wenn Gläubige wissenschaftliche Erkenntnisse bestreiten, weil ja nicht wahr sein könne, was anders in der Bibel steht. Als ob die Bibel ein Lehrbuch über Astronomie oder Biologie sein wollte! Wo man sie so verstanden hat, weil man nichts anderes hatte, da muss man heute einfach sagen: Als naturwissenschaftliches Lehrbuch ist die Bibel veraltet.


Aber dann schütten sie das Kind mit dem Bade aus, die Aufklärer. Für sie bleibt nur noch, was der Verstand verstehen kann: Musik ist nichts als angewandte Physik – Akustik. Malerei ist nichts als angewandte Chemie und Physik – Farbmischerei und Optik. Sprache ist nichts als Informationsaustausch zwischen biologischen Systemen, so was ähnliches wie die Bits und Bytes der Computer; ist ja logisch, man kann die Sprache ja auch in Bits und Bytes verwandeln. Und Liebe ist nichts als Biochemie. Glück ist nichts als eine Frage des Hormonhaushalts. Und der Sinn des Lebens ist es, seine Gene weiter zu geben. – Immerhin! Denn das ist ja in unserer aufgeklärten Gesellschaft auch nicht mehr selbstverständlich. Die Aufklärung im engeren Sinne von Sexualaufklärung hat sich ja auch gewandelt: Früher hat man die jungen Leute aufgeklärt, wie man Kinder kriegt; heute klärt man sie darüber auf, wie man keine Kinder kriegt … – Aus einer großen Bewegung geistiger Befreiung – der Aufklärung eben – ist ein kleingeistiger Reduktionismus geworden, dessen Kennzeichen dieses nichts als ist. Was sich nicht messen und berechnen lässt, gibt es danach gar nicht, oder es ist nur Illusion: Schönheit, Freiheit, Liebe … Das Staunen über das Unerklärliche, das Wunderbare, das Erhabene, das Ewige soll uns abgewöhnt werden von jenen kleingeistigen Möchtegern-Aufklärern, die alles erklären wollen und doch nichts verstanden haben.


Und das kommt ja noch hinzu: Sie schwingen sich zu Erziehern auf. Anstatt den Leuten Mut zu machen, sich ihres eigenen Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen – das ist ja nach Kant gerade das Wesen der Aufklärung –, wollen sie uns bevormunden und uns vorschreiben, in welchen Bahnen wir zu denken haben … Das macht mir geradezu Angst.


Doch, wir brauchen Aufklärung. Zünd uns ein Licht an im Verstand, bittet schon ein uralter Pfingsthymnus. Ja bitte! Christlicher Glaube soll nicht unverständig, nicht unverstanden, nicht ungebildet und obskur sein.


Aber das ist nicht alles, ist nicht das Entscheidende. Wir brauchen nicht nur eine Aufklärung des Verstandes, sondern vor allem eine Aufklärung des Herzens. Wir brauchen das Licht, das uns nicht nur die Welt erklärt, sondern das uns selbst, einander und Gott besser sehen lässt. Wir brauchen das Licht der Liebe.



Die Geschichte dieses Tages, die Geschichte von den Hl. Drei Königen, den Magiern oder Weisen aus dem Osten ist so eine Geschichte vom aufgehenden Licht. Ihnen geht wortwörtlich ein Licht auf, als sie ihren Stern entdecken im Morgenland. Da ist etwas, anders, größer, heller, als sie es kennen. Und da ist der unbändige Drang, diesem Stern zu folgen, sich aufzumachen. Über einen Umweg finden sie den neu geborenen König, das Gotteskind, den Herrn der Welt. Sie sehen mehr, als Sinne und Verstand erfassen können; sie sehen Gott. Sie sehen sich selber in seinem Licht. Sie gehen verändert wieder heim. Sie haben ihre Gaben da gelassen, und nehmen viel mehr mit, als sie gebracht haben: Gottes Liebe.


Wisst ihr, warum aus den Magiern, den Sterndeutern aus dem Osten in der Überlieferung drei Könige geworden sind? – Wegen unseres Prophetenwortes aus dem Alten Testament: Die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. – Genau diese Bibelstelle hat man erfüllt gesehen in der Geschichte von den Weisen. Und dann war da ja auch noch die Rede von Kamelen voller Gold und Weihrauch. – Und was haben die Weisen gebracht? Genau: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Drei verschiedene königliche Gaben: also müssen es drei gewesen sein, drei Könige. Und auf Kamelen sind sie gekommen. Das tun sie noch heute hierzulande – habe ich jedenfalls gestern im Internet gesehen.


Auch wenn das alles fromme Legende ist, es ist doch wahr: Es ist die Wahrheit von Weihnachten, dass mit dem Kind von Bethlehem Gottes Licht in der Welt aufgegangen ist. – Gottesaufgang!


Da beginnt die wahre Aufklärung. Wo uns Gott aufgeht – im Staunen über das Wunder einer Geburt. Im Staunen über das Wunder dieser Geburt.


Aber auch im Staunen über den Menschen neben mir, den Gott wunderbar gemacht hat – und ganz einzigartig. Und im Staunen darüber, was dieser Mensch kann und vermag. Und wie er von Gott angerührt wird.



Ich habe vor wenigen Tagen so einen Gottesaufgang erlebt. Wie viele wissen, war ich ja kurz mal in Deutschland, um bei Bachs Weihnachtsoratorium mitzusingen. Als dann nach all den Proben das Jauchzet, frohlocket! erklang, mit Pauken und Trompeten, mit Geigen, Flöten und Oboen und mit diesem großartigen Chor, dessen Teil ich war, da war es in mir wie eine große Erleuchtung: Was für ein Wunder, dass Menschen miteinander so eine wunderbare Musik machen können, dass aus der Idee eines großen Künstlers Töne werden, die viele miteinander musizieren und daraus ein großes klingendes Ganzes machen! Tausendemal ist es schon gespielt worden, und doch hat es noch nie ganz genau so geklungen wie an diesem Abend! – Und warum das alles? – Weil Menschen ergriffen waren von dieser Geschichte Gottes, von seiner Geburt in dieser Welt: Schaut her, da liegt im armen Stall, des Herrschaft gehet über all. Wo Speise vormals sucht ein Rind, da lieget jetzt der Jungfrau Kind. Und weil sie wollten, dass er nicht nur im Stall von Bethlehem, sondern auch in ihrem Herzen zu Hause sei: Ach mein herzliebes Jesulein, mach dir ein rein sanft Bettelein, zu ruhn in meines Herzens Schrein, dass ich nimmer vergesse dein. Und das haben sie in Worte und Töne gefasst und zum Singen und Klingen gebracht. – Da ist mir selber das Licht vom Stall und von der Krippe neu aufgegangen. Und manchem anderen wohl auch, der ergriffen und bewegt zugehört hat.


Gottesaufgang! – Es wird hell über dir und in dir und durch dich. Es muss kein Weihnachtsoratorium sein. Vielleicht war es nur ein schlichtes Weihnachtslied in unserer Kirche. Ein Wort, das dich bewegt hat und was du im Herzen weiter bewegt hast. Ein Augenblick, wo Gott ganz nahe war, wo du ihn ganz tief verstanden hast  und dich ganz fest in seiner Hand geborgen wusstest.


Es ist diese Art von Aufklärung, die wir brauchen: Licht von Gott, das unser Leben heller macht.


Gottes Licht, das können wir nicht nach Bedarf anknipsen. Aber wir können es suchen und dorthin gehen, wo es uns scheinen könnte: in der Stille, in der Bibel, in der Musik, in der Kunst, im vertrauten Gespräch, vielleicht sogar in der Predigt.


Möge Gottes Licht über uns aufgehen in diesem neuen Jahr!


* Kettcar, Nacht

1 Kommentar:

  1. Danke für die Predigt. Pfarrer können eben alles besser ausdrücken als man selbst, wenn man mit diesen Themen konfrontiert wird. Freue mich schon wieder auf die Zeit, Ihnen direkt zuzuhören.

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