Samstag, 23. April 2011

Predigt vom 22. April 2011 (Karfreitag)

Als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie Jesus dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. Jesus aber sprach: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: "Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes." Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig und sprachen: "Bist du der Juden König, so hilf dir selber!" Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: "Dies ist der Juden König."
Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: "Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns!" Da wies ihn der andere zurecht und sprach: "Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan." Und er sprach: "Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!" Und Jesus sprach zu ihm: "Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.
Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das Land bis zur neunten Stunde, und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. Und Jesus rief laut: "Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!" Und als er das gesagt hatte, verschied er.
Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: "Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen!" Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles.
Lukas 23, 33-49


Liebe Gemeinde,

Jesus am Kreuz – wir sehen ihn ja auch hier vor uns – das ist das Bild absoluter Hilflosigkeit. Gebunden an Händen und Füßen, festgenagelt auf die Kreuzesbalken. Der kann nichts mehr tun. Für sich nicht und für andere auch nicht. Er ist nicht mehr zu retten. Er ist am Ende.

Das war das Ziel derer, die ihn dorthin gebracht haben. Sie wollten ihn ausschalten. Er sollte nichts mehr tun können, vor allem ihnen nichts mehr tun können. König der Juden wollte er sein. Ein gekreuzigter König aber ist machtlos. Sie können ihn verlachen, verspotten, seine Habseligkeiten unter sich aufteilen, obwohl er noch nicht mal tot ist. Er kann ja nichts machen.

„Hilf dir doch selber, zeig es uns doch, dass du der Messias bist, der Christus, der König der Juden“ – so schallt es ihm von allen Seiten entgegen: Von den Würdenträgern, von den Kriegsknechten, selbst von den Verbrechern, die mit ihm hingerichtet werden.

„Hilflose Helfer“ – so hieß mal ein Buchklassiker. Jesus ist jetzt der hilflose Helfer. Er hat anderen geholfen und kann sich selbst nicht helfen. Und die, die ihm gerne helfen würden, sie stehen von ferne, müssen das Elend mit ansehen und können doch nichts tun.

Die Jesus, den Gekreuzigten so sehen, sie sehen nichts. Weil sie nicht hören. Die Worte Jesu – noch am Kreuz – sind Worte, die helfen. Es sind machtvolle Worte, wirksame Worte. Gerade dort, wo alle dachten, er könnte nichts mehr tun, er wäre am Ende.

Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! – Ein machtvolles Wort, ein Wort voller Souveränität und Gottvertrauen. Jesus bittet für seine Feinde, für die, die ihn hassen, verspotten und töten. Was er gelehrt hat, das lebt er auch – Vergebung und Feindesliebe – er lebt es und stirbt es.

Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. – Ein Wort, das die Ausweglosigkeit von Sünde und Tod überwindet. – Denn es ist ja gesagt zu einem, der gewiss ein großer Sünder ist, der als Verbrecher die Todesstrafe erleidet. Und es ist gesagt zu einem Sterbenden; für ihn gibt es kein Zurück mehr ins Leben. Aber Jesus verspricht das Paradies: Das Paradies steht dem offen, der seine Sünde bereut, der, wie der Verbrecher am Kreuz, Jesus um Hilfe bittet. Aus der Sünde aus auswegloser Verlorenheit, aus dem Tod führt der Weg ins Leben, in die ewige Gemeinschaft mit Jesus und Gott.

Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! – Das ist das letzte Wort Jesu. – Die Hände der Menschen konnten seinen Leib töten. Ihre Worte des Spottes und der Verachtung aber konnten seinen Geist nicht verletzen. Er war, er ist, er bleibt in den Händen, seines himmlischen Vaters. Auch im Tod.

Das sind die drei Worte Jesu am Kreuz, die Lukas überliefert – die anderen Evangelisten nennen andere. Drei Worte, die helfen. Sie stehen dem dreimaligen Hilf dir selbst gegenüber. Darauf verzichtet Jesus, sich selbst zu helfen. Aber er hilft anderen bis zuletzt. Die Hilflosigkeit des Kreuzes ist bei weitem keine Unfähigkeit, anderen zu helfen. Und das Entscheidende sind am Ende nicht die Taten, die seine Hände und Füße tun, sondern seine Worte. Worte, die weiterklingen bis zu uns.

Was diese Worte bewirken können, sehen, nein hören wir auch an dem Hauptmann des Hinrichtungskommandos. Tief beeindruckt lobt er Gott und bekennt: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen. Was für eine Erkenntnis bei diesem Heiden! Da beginnt schon so etwas wie Glaube!

Von den Menschen, die dabeistehen, heißt es, sie schlagen sich an die Brust und kehren wieder um. – Gehen sie einfach nach Hause? Zumindest sind sie innerlich bewegt, aufgewühlt, vielleicht sind sie aber auch schon auf dem Weg der Buße. Sich auf die Brust schlagen, ist die Geste des Schuldbekenntnisses, und umkehren ist ein anderes Wort für Buße tun. Auch da beginnt schon so etwas wie Glaube!

Wir sehen: Der hilflose Gekreuzigte ist der, der noch immer und gerade als Gekreuzigter helfen kann. Ja, von seinem Kreuz geht die Hilfe aus, die uns wirklich und wahrhaftig helfen kann. Sie kann uns helfen zur Besinnung und zur Buße, zum Glauben, zur Vergebung und zum ewigen Leben.

Das griechische Wort für „helfen“ hat noch eine tiefere Bedeutung als das deutsche. Man muss sich eigentlich immer entscheiden, wie man dieses Wort übersetzt. Es kann auch „retten“ heißen. Rette dich selber!, rufen sie ihm zu. Aber er rettet andere. Und er tut es gerade dadurch, dass er sich selber nicht rettet.

Der Gekreuzigte ist also nicht einfach nur ein Helfer, er ist der Retter: Hilft uns aus allem Leide, rettet von Sünd und Tod – so heißt es im Weihnachtslied. Was zu Weihnachten noch Verheißung ist, ist am Karfreitag wahr geworden.

Und weil das Wort „retten“ hier noch diesen tieferen Sinn hat, kann man es auch mit „selig machen“ übersetzen. Der Gekreuzigte hilft, er rettet, er macht selig. Er ist der Helfer, der Retter, der Heiland.

Jesus am Kreuz – das ist das Bild absoluter Hilflosigkeit. Und doch ist paradoxerweise in seiner Hilflosigkeit unsere Hilfe, unserer Rettung, unser Heil.

Jesus am Kreuz – da zeigt sich nicht die Ohnmacht Gottes. Da offenbart sich die Allmacht Gottes, die Macht nämlich, die Sünde, Tod und Teufel überwindet und die Vergebung, Leben und Rettung schafft.

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