Sonntag, 13. April 2014

Predigt am 13. April 2014 (Palmsonntag)

Weil wir eine große Wolke von Glaubenszeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. Gedenkt an den, der so viel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.
Hebräer 12, 1-3


Liebe Schwestern und Brüder,
lasst den Kopf nicht hängen, sagt unser Predigtwort.
Lasst den Mut nicht sinken.
Lasst uns ablegen, was uns nach unten zieht.
Lasst uns aufsehen zu Jesus.
Denn Jesus lässt uns aufsehen.
Jesus erregt Aufsehen.
Aufsehen erregte sein Einzug in Jerusalem – wir haben es gehört (Evangelium Johannes 12. 12-19): Sie standen auf, liefen ihm entgegen, jubelten ihm zu, dem König von Israel. Gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!
Aufgesehen haben sie zu ihm, ihn bewundert, ihm alles zugetraut.
Aufsehenerregendes wurde von ihm berichtet: Hungernde hatte er gesättigt. Kranke hatte er geheilt. Einen Toten hatte er zum Leben erweckt.
Aufsehenerregendes wurde von ihm erwartet: Befreiung von der Besatzungsmacht. Gerechtigkeit für die Armen. Speise für die Hungernden. Heilung für die Kranken. Und ewigen Frieden.
Aufsehenerregendes wurde von ihm befürchtet: Eine gewaltsame Revolution mit Toten und Verletzten und mit der Folge, dass die Römer die Schrauben weiter anziehen und das letzte bisschen Glaubensfreiheit beseitigen würden.
Aufsehen erregte es, als er im Tempel aufräumte: Mein Haus soll ein Bethaus sein.Aufsehen erregten seine Reden und Diskussionen mit den theologischen Koryphäen seiner Zeit und seine Worte über die Zerstörung des Tempels und das Ende der Welt: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.
Aufsehen erregte es, als er dann am Freitagmorgen durch die Straßen der Stadt geführt wurde: mit dem Kreuzesbalken auf dem Rücken und der Dornenkrone auf dem Kopf: O Haupt, voll Blut und Wunden. Von Mund zu Mund eilte die Nachricht: Man hatte kurzen Prozess mit ihm gemacht, und nun wird er gekreuzigt werden. Manche, wenige glaubten und hofften noch auf ein Aufsehen erregendes Wunder, auf ein Eingreifen Gottes, auf Engel vom Himmel oder was auch immer. – Es geschah nichts.
Jesus hing am Kreuz, konnte nicht mehr aufsehen, hatte allen Mut verloren, ließ den Kopf hängen, neigte sein Haupt und verschied.
Und sie sahen zu ihm auf:
Ein paar von den Frauen, die ihn verehrt hatten, seine Mutter, einer seiner Jünger. Und es zerriss ihnen das Herz.
Ein paar von den Ratsmitgliedern, der Priesterschaft, den Theologen, die sich über ihn geärgert hatten. Sie freuten sich, dass sie Recht behalten hatten:
Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen.
Nur die Verbrecher, die neben ihm gekreuzigt wurden, die sahen nicht zu ihm auf, sondern sahen ihn auf ihrer Augenhöhe, verspotteten ihn, weil der Heilige und Gerechte am Ende nicht besser dran war als sie. Sie hatten Recht behalten: Es lohnte sich nicht, gut, anständig und gottesfürchtig zu leben.
Einer aber, der Chef des Hinrichtungskommandos, sah auf zu ihm und sah etwas, was alle anderen nicht sahen:
Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen! – Da muss man erst mal drauf kommen bei einem, der brutal hingerichtet wird.
Aber später sind immer mehr drauf gekommen, haben zu ihm aufgesehen und angefangen zu glauben: Dieser Mensch ist Gottes Sohn.
Wenige Tage oder Wochen später steht eine Gruppe von Männern und Frauen auf einem Berg und sieht auf zum Himmel. Eben noch war der Gekreuzigte bei ihnen gewesen, ganz lebendig, und jetzt ist er nicht mehr mit Augen zu sehen, nicht mehr mit Händen zu greifen, irgendwo da oben, wo Gottes Thron ist. Er hat seinen Weg vollendet. Und dann sagt jemand: Was steht ihr da und seht zum Himmel? Er wird wiederkommen vom Himmel. Bis dahin ist eure Aufgabe auf der Erde.
Und damit beginnt die Aufsehen erregende Geschichte der christlichen Kirche, die Geschichte derer, die Jesus glauben, die zu ihm aufsehen als ihrem Herrn, die den Kopf nicht hängen lassen, den Mut nicht sinken lassen und ablegen, was sie nach unten ziehen will.
Zu dieser Geschichte gehören Menschen, die das Aufsehen und Aufstehen neu gelernt haben.
Da saß einer am Tempeltor und bettelte. Er konnte nicht aufstehen, er war behindert, lahm. Mit hängendem Kopf saß er da. Manche warfen ihm eine Münze hin, und er murmelte sein Dankeschön, ohne aufzusehen. Bis zwei von denen, die zu Jesus aufsehen, ihn sahen und stehenblieben und sagten:
Sieh auf zu uns! Und erwartungsvoll sah er auf und sah Petrus und Johannes und hörte ihre Worte: Silber und Gold habe ich nicht; aber was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth stehe auf und geh umher. Und da stand er auf und konnte gehen und stehen und laufen und springen und Gott loben. – Das erregte Aufsehen. Und viele begannen, an Jesus zu glauben.
Zur Geschichte der Jesus-Nachfolger gehören solche Menschen, zu denen wir aufsehen, weil sie uns als Heilige erscheinen. Menschen wie Petrus und Johannes. Aber Heilige sind sie nur deshalb, weil sie selber aufsehen zu Jesus, dem Gekreuzigten und Erhöhten, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.
Stephanus hieß ein weiterer von ihnen, der erste, der sein Leben für Jesus gab. Er hat offenbar Aufsehen erregend gelebt und geredet als überzeugter Christ und musste dafür sterben. Von ihm heißt es: Er sah auf zum Himmel und sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus stehen zur Rechten Gottes. – Er konnte aufsehen, konnte auch erhobenen Hauptes in den Tod gehen, weil der, zu dem er aufsah, sein Haupt gesenkt hatte am Kreuz.
Stephanus und Petrus und Johannes gehören zu der großen Wolke der Glaubenszeugen, die uns vorausgegangen und Jesus nachgefolgt sind. Sie ist unendlich viel größer, diese Wolke. Manche haben ihren Glauben durch den Tod bezeugt; in diesen Tagen Anfang April muss ich immer an Dietrich Bonhoeffer denken, der am 9. April 1945 hingerichtet, gehängt wurde: einer, zu dem wir aufsehen. Bis heute müssen Menschen ihr Leben lassen für ihren Glauben; ich bewundere ihren Glaubensmut. Andere können und konnten ihren Glauben unbeschwert und ohne Angst leben. Auch sie gehören zur Wolke der Glaubenszeugen.
Und auch wir gehören dazu: zu den Glaubenszeugen, zu denen, die aufschauen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.
Zu denen, die aufschauen zum Kreuz und danken, dass er sein Haupt voll Blut und Wunden für uns geneigt hat. Zu denen, die aufschauen zum Himmel, von wo aus er uns entgegenkommt und wohin wir ihm entgegengehen. Und zu denen, die Aufsehen erregen, weil sie mit Jesus leben. Ja, das sollten wir auch sein – als Christen, als Kirchen: Aufsehen erregend. Um andere aufzuregen und anzuregen, mit uns zu ihm aufzusehen.
Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens!

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