Jakobus 5, 13-16
Liebe Schwestern und Brüder,
alles ist gut, denn alles war gut – gut geschaffen – und alles wird gut – gut vollendet. Alles ist gut – das habe ich letzte Woche im Erntedankgottesdienst gesagt. Ja, wenn alles gut ist, dann ist es leicht, guten Mutes Psalmen zu singen. Wenn es aber nun nicht gut ist? Wenn es erst noch gut werden muss? – Darum vor allem geht es heute in unserem Predigtwort.
Was ist mit dem, der leidet? Was ist mit dem, der krank ist? Was ist mit dem, der schuldig geworden ist?
Was ist mit mir, wenn ich leide? Wenn ich krank bin? Wenn ich schuldig geworden bin? Wie kann es wieder gut werden mit mir?
Stellst du dir überhaupt diese Frage: Wie kann es wieder gut werden mit mir? Oder klagst du nur, dass es ist, wie es ist, ohne Veränderung zu erhoffen? Klagst du noch oder hoffst du schon?
Ich wage mal einen unverschämten Satz. Vielleicht stimmt er nicht zu hundert Prozent. Aber höre ihn erst mal an, und denke mit mir darüber nach! Der Satz heißt: Du bist selber dafür verantwortlich, wie es dir geht!
Ich meine damit nicht, dass du selber etwas dafür kannst, wenn dich ein Auto anfährt und du verletzt wirst, oder wenn du krank wirst, vielleicht sogar schwer krank wirst, so dass es kaum noch Hoffnung auf Heilung gibt. Nein, ich halte nichts von solchem vereinfachenden Unsinn, dass du nur richtig und gesund leben musst, damit du auch gesund bleibst oder wieder gesund wirst. So einfach ist das nicht. Selbst nachgewiesene Zusammenhänge sind da nur statistischer Art. Es ist wahrscheinlicher, dass du als Raucher Lungenkrebs bekommst als als Nichtraucher. Aber es ist nicht ausgemacht, dass du als Raucher Lungenkrebs bekommst oder als Nichtraucher keinen. Beides ist möglich.
Nein, Krankheiten, Unfälle, Schicksalsschläge können dich und mich und jeden treffen, unabhängig davon, wie wir leben. Dafür bist du nicht verantwortlich. Aber du bist dafür verantwortlich, wie du mit dem Leiden umgehst. Hat die Krankheit dich, oder hast du die Krankheit? Hat es dich erwischt, oder hast du dir etwas eingefangen? Bist du das Opfer deines Geschickes, oder bist du der Meister deines Lebens? Macht das etwas mit dir, oder machst du etwas damit?
Mach etwas damit!, sagt unser Bibelwort. Sei nicht Opfer, sondern Täter! Werde aktiv!
Ganz konkret: Warte nicht auf andere! Warte nicht darauf, dass sich jemand anders für dein Leben verantwortlich erklärt. Du bist verantwortlich!
Das heißt nicht, dass du mit deinem Leiden, mit deiner Krankheit, mit deiner Schuld allein bleiben musst. Ganz und gar nicht. Gott will dir helfen. Deine Menschen- und Christenbrüder und -schwestern wollen dir helfen. Aber sie müssen es wissen, dass du ihre Hilfe brauchst. Du musst es ihnen sagen, musst sie rufen. Gott herbeibeten. Die Geschwister herbeirufen. So kann man die griechischen Wörter wortwörtlich übersetzen. – Die Initiative liegt bei dir. Es ist deine Entscheidung, ob du Gott oder Menschen in deine Leidenssituation einbeziehst.
Manchmal spüre ich die unausgesprochene Erwartung, da müsste sich doch der Pfarrer oder jemand von der Kirche um mich oder diesen oder jenen kümmern. Und ich muss gestehen: Ich bin nicht so ein großer Kümmerer, der den Leuten hinterherläuft. Das liegt mir nicht so. Aber wenn jemand es sagt, dass er meine Hilfe braucht, einen Besuch von mir wünscht, ein Krankengebet, ein Hausabendmahl, dann bin ich auch da. Nein, du musst mit deinem Leiden nicht allein bleiben: Bitte um Hilfe, und du wirst sie erhalten.
Hier geht es in erster Linie um christliche, um geistliche Hilfe. Und da ist die erste Adresse Gott: Leidet jemand unter euch, der bete. Gott ist ja nie weiter weg als einen Gebetsruf. Um Menschen zu Hilfe zu rufen, müssen wir losgehen oder das Telefon nehmen oder eine Nachricht durchs Internet schicken. Um Gott zu Hilfe zu rufen, müssen wir nur unseren Mund auftun oder sogar nur unser Herz, und schon hat ihn unser Anruf erreicht. Rufe mich an in der Not, so werde ich dich erretten, und du sollst mich preisen. 50 15 – die Telefonnummer Gottes, haben wir als Jugendliche gelernt – Psalm 50, Vers 15: Rufe mich an in der Not!
Es kann sein, dass du von Gottes Hilfe, Nähe und Zuspruch wenig spürst auf so ein Notruf-Gebet hin. Ja, das kommt vor. Vielleicht bist du zu sehr in deinem Leiden gefangen, vielleicht steht etwas wie eine Mauer zwischen dir und Gott. Dann hole dir Verstärkung: Ist jemand krank – wörtlich: ist jemand schwach, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde … Die Funktion der Ältesten im geistlichen Sinne wird bei uns in erster Linie durch den Pastor ausgeübt.
Wenn du Hilfe erbittest von Gott und Menschen, dann bist du auf einmal nicht mehr allein verantwortlich dafür, wie es dir geht. Du hast Verantwortung übernommen, gerade indem du um Hilfe gerufen hast. Du hast gemerkt: Ich schaffe es nicht allein, und du hast dir Hilfe von Gott und Menschen geholt. Wenn Gott dir zu Hilfe kommt, wenn ein Mensch dir zu Hilfe kommt, dann übernimmt er Verantwortung für dich.
Hilfe von Menschen – da denke ich auch über unser Bibelwort hinaus. Wenn du krank bist, dann sollst du nicht nur beten, dir nicht nur geistliche Gebetsverstärkung holen, sondern du sollst auch dorthin gehen, wo Menschen dir mit den Möglichkeiten helfen können, die Gott den Menschen gegeben hat. Also zum Arzt. Im Ernstfall ersetzt die 50 15 nicht die 112. Freilich auch nicht umgekehrt. Auch und gerade wenn du bei deinem Arzt in guten Händen bist, dann darfst du trotzdem noch den Pastor rufen, und natürlich zu Gott beten.
Im Jakobusbrief bekommt das Krankengebet noch eine besondere Form: die Salbung mit Öl. Diese Anweisung in der Bibel ist in den alten Zeiten der Kirche für so wichtig gehalten worden, dass man die Krankensalbung als Sakrament verstanden hat, als heilige, biblisch gebotene Handlung, so wie Taufe und Abendmahl. In der katholischen Kirche ist sie es bis heute. Und ich bin mir gar nicht sicher, ob es so gut ist, dass wir die Krankensalbung in unserer evangelischen Tradition so gut wie vergessen haben. Sicher, es liegt nicht am Öl, ob dem Kranken geholfen wird, aber das Öl könnte ein starkes sichtbares, spürbares Zeichen sein für Gottes Nähe, Gottes Zuwendung, Gottes heilende Kraft.
Und da wir gerade schon von vergessenen Sakramenten reden: Noch etwas wird hier angesprochen: Das Bekenntnis und die Vergebung von Sünden. Also die Beichte. Oft höre ich: “Ich wusste gar nicht, dass es das in der evangelischen Kirche gibt.” – Doch, ja, gibt es. Bekennt also einander eure Sünden, heißt es ausdrücklich. Sünden bekennen und Sünden vergeben bekommen, das heißt Beichte und Absolution. Und das ist genau in dem Falle besonders wichtig, den ich schon angesprochen habe: Es steht etwas zwischen dir und Gott, der Kontakt ist gestört, du dringst nicht zu Gott durch. Dann brauchst du Hilfe. Gott will ja zu dir durchdringen. Und dabei können dir Menschen helfen. Vornehmlich wieder die Ältesten der Gemeinde, also der Pastor und seine geistlichen Mitarbeiter.
Und so ein Beichtbekenntnis hat auch wieder damit zu tun, dass du die Verantwortung, die du für dein Leben hast, an Gott übergeben kannst. Wo du schuldig geworden bist, da bist du verantwortlich. In der Beichte übernimmt Gott die Verantwortung für dich.
Alles soll gut werden. Es soll gut werden mit Gott und dir. Es soll gut werden mit den Dingen und Menschen, an denen du leidest. Es soll gut werden mit deinem Leib und mit deiner Seele. Dafür bist zuerst du verwantwortlich. Aber du kannst, du sollst und du darfst Gott und Menschen herbeirufen, und ihnen die Verantwortung übertragen für dein Wohlergehen an Leib und Seele: deinem Arzt, deinem Pastor, deinem Gott. Und dann wirst du spüren, dass es leichter wird, besser wird, gut wird.
wow, erneut ein meisterstück. Sollte man doch mal tiefgründiger anwenden.
AntwortenLöschenNoch zu bemerken ist, das die motivationstrainer doch alle ihre positivdenkschiene aus der bibel geklaut haben. Sie gebrauchen lediglich andere wörter. saludos dm
Warum muss man Touristenpfarrer sein, um die Menschen so gut zu erreichen wie mit dieser Predigt?
AntwortenLöschenMuss man nicht. Aber ich erreiche hier eine große bunte Gemeinde ganz verschiedener Herkunft. Vielleicht multiplizieren die etwas in ihre unterschiedlichen "Hintergründe" hinein. Und dann ist da ja noch meine kleine Internetgemeinde. - Aber das klingt alles schon fast zu eitel. Wir sind ja Gemeinde des Herrn. Wo auch immer.
LöschenDanke Roland, und du hast deine kleine Internetgemeinde erreicht. Ich erinnere mich an viele "Danke" beim Verabschieden sonntags an der St. Petri Stadtkirchentür....
AntwortenLöschenLiebe Grüße von Christiane