Sonntag, 5. Februar 2017

Predigt am 5. Februar 2017 (Letzter Sonntag nach Epiphanias)

Mose hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Wüste hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er: „Ich will hingehen und diese wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt.“ Als aber der HERR sah, dass er hinging um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: „Mose, Mose!“ Er antwortete: „Hier bin ich.“ Er sprach: „Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!“
Und er sprach weiter: „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. Und der HERR sprach: „Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört; ich habe ihr Leiden erkannt. Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie aus diesem Lande hinaufführe in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Drangsal gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen, so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.“
Mose sprach zu Gott: „Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?“ Er sprach: „Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott dienen auf diesem Berge.“
Mose sprach zu Gott: „Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: ,Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!‘, und sie mir sagen werden: ,Wie ist sein Name?‘, was soll ich ihnen sagen?“ Gott sprach zu Mose: „Ich werde sein, der ich sein werde.“ Und sprach: „So sollst du den Israeliten sagen: ,Ich werde sein‘, der hat mich zu euch gesandt.“
2. Mose (Exodus) 3, 1-14

Du siehst mich.
Das ist das Kirchentagsmotto in diesem Jahr.
Ende Mai in Berlin und Wittenberg.
*
Du siehst mich.
Manchmal möchtest du gesehen werden.
Du postest Fotos auf Facebook oder Instagram.
Von deinem neuen Haarschnitt oder von deinen neuen Schuhen.
Von deinem Essen oder von deinen Wanderungen.
Von deinen Katzen oder von dir selbst.
Du möchtest gesehen werden.
Die Likes.
Die Aufmerksamkeit.
Oder ganz konventionell:
Du zeigst dich in der Öffentlichkeit.
Du kommst in den Gottesdienst oder ins Haus der Begegnung.
Du machst dich schön.
Du machst dich interessant.
Du machst mit.
Du möchtest gesehen werden.
Aufmerksamkeit.
Anerkennung.
Liebe.
Schön, wenn du mich siehst!
Manchmal möchtest du lieber nicht gesehen werden.
Dann möchtest du dich verkriechen.
Du fühlst dich nicht gut.
Nicht schön.
Nicht interessant.
Irgendwie verkehrt.
Schwach, schuldig, unvollkommen.
Nicht liebenswert.
Sieh mich lieber nicht an.
Zwischen: Schön, wenn du mich siehst! und: Sieh mich lieber nicht an!
Aber: Du siehst mich.
*
Mose hatte sich verkrochen.
Wollte nicht mehr gesehen werden.
Am Rande der Wüste, auf der Sinai-Halbinsel, im Lande Midian, da hatte er Unterschlupf gefunden.
Und eine Frau, eine Familie, ein Auskommen – als Schafhirte für seinen Schwiegervater.
Mose war als Königssohn aufgewachsen, quasi.
Am Hof des Pharaos von Ägypten.
Aber er war ein Hebräer, ein Israelit.
Als junger Mann sah er, wie die hebräischen Fremdarbeiter ausgebeutet und geschunden wurden.
Und er erschlug einen ägyptischen Aufseher.
Keiner hatte es gesehen, meinte er.
Aber am nächsten Tag wussten es schon alle.
Und am übernächsten Tag wusste es der Pharao.
Und Mose floh: in die Wüste, in den Sinai, nach Midian.
Dort blieb er: unsichtbar für viele Jahre.
Pharao, du siehst mich nicht mehr.
Ägypten, du siehst mich nie wieder.
Und ihr Israeliten, seht zu, wie ihr klarkommt – ohne mich!
*
Gott hatte sich zurückgezogen.
Abraham, Isaak, Jakob – das waren Namen, Legenden, Sagen aus alter Zeit.
Und ihr Gott war ein Gerücht.
Vor Jahrhunderten war Jakob nach Ägypten gezogen.
Und nun lebten seine Nachkommen hier.
Immer noch als Fremde.
Als Arbeitssklaven der Ägypter.
Bei den großen Bauprojekten.
(Die stehen ja zum Teil noch heute.)
Es ging ihnen schlecht und immer schlechter.
Aber der Gott ihrer Väter war nicht mehr da.
Weit und breit nichts mehr zu sehen von ihm.
Ein unsichtbarer Gott.
*
Aber Gott sieht sie.
Sie wissen es nur noch nicht.
Und Gott sieht Mose.
Der weiß es nur noch nicht.
*
Mose hütet die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters.
Und er sieht etwas:
Einen Dornbusch.
Ein Feuer.
Und er sieht:
Das Feuer brennt, aber der Busch verbrennt nicht.
Und er will es noch genauer sehen, wissen, verstehen.
Seine Aufmerksamkeit ist geweckt.
Und er geht hin.
Es ist Gott, der da gesehen werden möchte.
Er schickt Mose ein Bild von sich, sozusagen:
Feuer.
Ein Feuer, das nicht verbrennt. (Darüber könnte man nachdenken.)
Und weil das Bild noch nicht reicht, kommt die Textnachricht dazu:
Mose, Mose!
Du bist gemeint.
Ich kenne dich.
Ich habe dich gesehen.
Und Mose:
Sieh, hier bin ich!
Und Gott zu ihm:
Ja, hier bist du, ich sehe dich, du stehst auf heiligem Boden.
Du hast es mit Gott zu tun.
Konkret:
Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.
Da weiß Mose:
Du siehst mich.
Und er verhüllt sein Gesicht, denn er fürchtet sich, seinerseits Gott zu sehen.
Ich habe nicht nur dich gesehen, sagt Gott.
Ich habe das Elend meines Volks gesehen in Ägypten.
Ich habe nicht nur gesehen, sondern auch gehört:
ihre Schreie und ihre Klagen über ihre Bedrücker.
Ich habe nicht nur gesehen und gehört, ich habe verstanden: ihr verzweifeltes Leiden.
Und ich habe nicht nur verstanden, sondern ich tue etwas:
Ich bin herniedergefahren, um sie zu retten.
Um sie wegzubringen aus diesem bösen Land und sie hinzubringen in ein gutes Land:
aus der Fremde, in der sie seit Generationen nicht heimisch geworden sind, in eine Heimat, die ihnen jetzt noch fremd ist.
Aber ich habe nicht nur sie gesehen,
ich habe dich gesehen.
Und ich habe dich angesprochen.
Ich brauche dich.
Du bist mein Mann.
Du wirst die Israeliten in die Freiheit führen.
Du siehst mich,
und du weißt, wozu du mich gebrauchen willst.
Mich?, fragt Mose.
Wer bin ich?
Wie kann ich?
Wie soll ich nur?
Das ist nicht die Frage, sagt Gott.
Wer bin Ich? – das ist die entscheidende Frage.
Denn Ich bin mit dir.
Von jetzt an.
Du tust, was du kannst.
Und Ich tue, was ich kann.
Nichts zu tun, weil Gott es auch alleine könnte, ist keine Lösung.
Selber zu tun, als ob Gott nichts tun könnte, ist auch keine Lösung:
Ich mit dir.
Du mit mir.
Und am Ende sehen wir uns wieder.
Hier auf diesem Berg.
Wenn das die entscheidende Frage ist, wer du bist – ja wer bist du denn?, fragt Mose.
Was soll ich denn den Leuten sagen?
Ich bin, der ich bin, sagt Gott.
Ein Rätsel.
Eine Tautologie.
Und eine Offenbarung.
*
Ja, wie willst du denn Gott in Worte fassen?
Er ist, der er ist.
Er ist, wie er sich zeigt.
Er ist es, der dich sieht.
Der dich hört.
Der dich versteht.
Sich zu dir auf den Weg macht.
Der dich rettet.
Und dich führt – ins gelobte Land.
Er ist, der er ist.
Er ist, wie er sich zeigt.
Er ist es, der dich sieht.
Der zu dir spricht.
Der dich braucht.
Und der mit dir ist.
*
Der Ich bin hat mich gesandt, so sollst du sagen.
Der Ich bin und ich war und ich werde da sein.
Und so haben sie ihn genannt: Er ist. Jahwe.
Sie haben seinen Namen geheiligt, so sehr dass sie ihn irgendwann nicht mehr ausgesprochen haben.
Sie haben ihn den HERRN genannt.
Oder den Ewigen.
Oder eben den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.
Oder den Gott Israels.
Den, der mit starker Hand und ausgerecktem Arm die Israeliten aus Ägypten errettete.
Oder einfach nur Gott, weil außer ihm keiner ist.
*
Du siehst mich.
Manchmal möchtest du gesehen werden.
Manchmal lieber nicht.
Manchmal möchtest du ihn sehen.
Und manchmal lieber nicht.
Und manchmal sagt er dir:
Du siehst mich ja auch.
Im Feuer.
Oder im Wasser.
Im Dornbusch.
Oder im Palmenbaum.
Im Mitmenschen.
Oder in Jesus.
Du siehst mich.
Und ich sehe dich.

So soll es sein.
Amen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen