Liebe Schwestern und Brüder,
der heutige Johannistag hat
unterschiedlich stark ausgeprägte Traditionen. An vielen Orten
werden Sonnenwendfeuer abgebrannt – so auch hierzulande am Vorabend
des Día de San Juan, wie wir gestern Abend wieder gesehen oder
gerochen haben. Bei uns in Sachsen begehen wir den Johannistag mit
Abendandachten auf den Friedhöfen. Vielleicht hängt das mit der
eigenartigen Melancholie der langen Frühsommerabende zusammen, wo
wir doch daran denken müssen, dass von nun an die Tage wieder kürzer
werden, die Zeit der Ernte, der Winter wieder näher rücken, und
dass auch auf der Höhe des Lebens der Tod nicht so fern ist.
Der 24. Juni, der Johannistag steht im
Jahreslauf dem Weihnachtsfest, das ja praktisch an der
Wintersonnenwende liegt, gegenüber. Das hat auch seinen Grund in den
Zeitangaben im Lukasevangelium: Sechs Monate, nachdem Elisabeth, die
Mutter des Johannes schwanger geworden war, erscheint der Erzengel
Gabriel bei Maria und kündigt ihr die Geburt Jesu an. Demnach ist
Johannes ziemlich genau ein halbes Jahr älter als Jesus. Wenn nun
der Geburtstag Jesu im Dezember begangen wird, dann der von Johannes
im Juni.
Dazu kommt dieses wunderbare Wort, das
Johannes über Jesus und über sich gesagt haben soll: Er muss
wachsen, ich aber muss abnehmen (Johannes 3, 30). Wie
gut das doch zu den abnehmenden Tagen nach Johannis und den
zunehmenden Tagen nach Weihnachten passt!
Ihr
merkt: Die Geschichte von Johannes dem Täufer hängt ganz eng mit
der Geschichte von Jesus zusammen. Johannes ist im Neuen Testament
der unmittelbare Vorläufer von Jesus. Er tritt als Bußprediger auf,
tauft die Menschen und kündigt ihnen an, dass das Reich Gottes nahe
ist. Jesus kommt zu ihm, lässt sich von ihm taufen und beginnt dann
selber zu verkündigen, dass das Reich Gottes nahe ist. Dass es ihnen
dort ganz nahe ist, wo er selber, Jesus, da ist. Johannes
verschwindet hinter Jesus. Er wird gefangen gesetzt, und aus dem
Gefängnis heraus lässt er Jesus fragen, ob er denn nun der Richtige
wäre, der Christus, der Messias, dessen Kommen Johannes selbst
angekündigt hatte. Jesus lässt ihm antworten, man solle ihm sagen,
was man hört und sieht: Blinde sehen und Lahme gehen,
Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen
wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir
ärgert (Matthäus 11, 5f). Bald darauf wird
Johannes hingerichtet. Jesus wirkt weiter – bis auch er
hingerichtet wird. – Später finden sich noch lange Spuren der
Anhängerschaft von Johannes. Aber sie nehmen ab. Die Spuren des
Wirkens Jesu nehmen zu. Seine Gemeinde, seine Kirche lebt.
Der Predigttext für
den Johannistag in diesem Jahr steht im 1. Brief des Petrus im 1.
Kapitel und hat direkt gar nicht so viel mit Johannes zu tun, aber
mit Jesus und mit dem, worin wir mit Jesus weiter sind, als wir es
mit Johannes wären.
Ihr habt Jesus
Christus nicht gesehen und habt ihn doch lieb; und nun glaubt ihr an
ihn, obwohl ihr ihn nicht seht; ihr werdet euch aber freuen mit
unaussprechlicher und herrlicher Freude, wenn ihr das Ziel eures
Glaubens erlangt, nämlich der Seelen Seligkeit.
Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforscht die Propheten, die von der Gnade geweissagt haben, die für euch bestimmt ist, und haben geforscht, auf welche und was für eine Zeit der Geist Christi deutete, der in ihnen war und zuvor bezeugt hat die Leiden, die über Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit danach. Ihnen ist offenbart worden, dass sie nicht sich selbst, sondern euch dienen sollten mit dem, was euch nun verkündigt ist durch die, die euch das Evangelium verkündigt haben durch den Heiligen Geist, der vom Himmel gesandt ist, – was auch die Engel begehren zu schauen.
Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforscht die Propheten, die von der Gnade geweissagt haben, die für euch bestimmt ist, und haben geforscht, auf welche und was für eine Zeit der Geist Christi deutete, der in ihnen war und zuvor bezeugt hat die Leiden, die über Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit danach. Ihnen ist offenbart worden, dass sie nicht sich selbst, sondern euch dienen sollten mit dem, was euch nun verkündigt ist durch die, die euch das Evangelium verkündigt haben durch den Heiligen Geist, der vom Himmel gesandt ist, – was auch die Engel begehren zu schauen.
1. Petrus 1, 8-12
Johannes, liebe Schwestern und Brüder, war der Vorläufer Jesu. Wir sind die Nachläufer Jesu. Die
Nachfolger Jesu.
Jesus hatte viele Vorläufer, Menschen, die sein Kommen erwartet,
angekündigt, vorausgesagt hatten. Das waren vor allem die Propheten,
die seit der Zeit Jesajas den Retter, den Messias, den Menschensohn
erwartet hatten. In den Worten dieser Propheten fanden die Menschen
ihre Hoffnung auf Erlösung, auf Befreiung, auf bessere Zeiten
ausgedrückt. Und je schlechter die Zeiten wurden, um so größer die
Erwartungen, dass Gott nun bald eingreifen würde und den Messias
senden würde. In so einer schlechten Zeit, die voller Spannung auf
Gottes Erlösung, auf Gottes Zeitenwende war, trat Johannes auf und
sagte den Leuten: Tut Buße, ändert euer Leben, denn sonst kommt
Gott für euch zum Gericht.
Mitten hinein in diese Erwartung kam Jesus, und er kam nicht zum
Gericht, sondern zum Heil. So sehr war er Heiland, Heilsbringer, dass
das erwartete Unheil und Gericht über Gottes Feinde ausblieb, und
das machte es den Menschen schwer, an ihn zu glauben: Bist du es,
der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?, ließ
Johannes ihn fragen (Matthäus 11, 3).
Das Gericht traf Jesus selbst, das Unheil zog er auf sich – und
wendete es damit von den Menschen ab. – Das ist das Geheimnis
seines Heils.
Und nun im Rückblick schreibt der Apostel Petrus – ich formuliere
es mit meinen Worten:
Wisst ihr, wie gut ihr es habt? Gottes Heil,
auf das Menschen jahrhundertelang gewartet haben, von dem die
Propheten (bis hin zu Johannes) nur einen blassen Schimmer hatten,
dieses, Gottes Heil ist zu euch gekommen. Es ist das Heil eurer
Seelen, das euch durch Jesus Christus geschenkt ist!
Und wir, zweitausend Jahre später, wissen wir noch, wie gut wir es
haben? – Wissen wir, was wir für einen Vorzug haben gegenüber
denen, die Jesus Christus nicht kennen?
Ich könnte manchmal verzweifeln, wenn ich mitbekomme, wie wenig wert
vielen heute unser eigener Glaube ist. Irgendwie erscheinen uns alle
Religionen gleichwertig: Alle glauben an was Höheres, alle haben
irgendwelche Weisheiten aufbewahrt. Aber das, was so einzigartig ist,
worauf die Menschen gewartet und was sie ersehnt haben, das ist uns
gleichgültig geworden: dass Gott uns erlöst, befreit, lebendig
macht und uns das ewige Heil, der Seelen Seligkeit, wie es in
Luthers Übersetzung so schön heißt, schenkt und dass er dafür
persönlich als Mensch zu uns Menschen kommt und sich persönlich für
uns aufopfert – mir scheint, es ist uns unwichtig und gleichgültig
geworden.
Ich weiß nicht genau, warum das so ist. Vielleicht hat es damit zu
tun, dass wir uns so daran gewöhnt haben, dass Gott lieb ist und
nichts tut, so dass wir meinen bei den anderen müsste es auch so
sein. Und dann wollen wir nicht sehen, wie den Moslems Gott ein
Herrscher im Stil eines orientalischen Tyrannen ist, der Gehorsam und
Unterwerfung will und seine Feinde notfalls auch mit der Gewalt
seiner Anhänger unterwirft. Wir wollen nicht sehen, dass der
angeblich so sanfte Buddhismus seinen Anhängern einen Weg harter
Übungen abverlangt, auf dem sie eventuell mal nach vielen
mühevollen Leben zur Erlösung kommen können. Wir wollen nicht
sehen, dass die Natur- und Stammesreligionen vieler Völker geprägt
ist von tiefer Angst vor Geistern und Dämonen, vor Hexerei und
schwarzer Magie. Wir schämen uns unserer christlichen
Missionsgeschichte und übersehen, wie dankbar diejenigen sind, die
durch den christlichen Glauben von ihren alten, zerstörerischen und
angstmachenden Religionen befreit wurden.
Und im Blick auf unsere eigene Religion vergessen wir, dass es Gott
ernst ist mit uns, ernst ist mit seiner Liebe zu uns: so ernst, dass
er von seinen ernsten Forderungen an uns absieht und sie
stellvertretend für uns in Jesus erfüllt sein lässt: So sehr
hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab,
damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das
ewige Leben haben. (Johannes 3, 16) – Wahrscheinlich ist das der wichtigste Satz
in der Bibel, die Zusammenfassung von allem. – Meine Konfirmanden
mussten nicht viele Bibelworte lernen, aber diesen Satz wenigstens
sollten sie auswendig kennen. – Das ist das, was Petrus hier
Evangelium nennt. Das ist die gute Nachricht, die frohe und
befreiende Botschaft, von der wir leben. Nach der sich die Menschheit
gesehnt hat, wonach die Propheten geforscht haben und was, wie es
hier heißt, sogar die Engel begehren zu schauen.
Alle waren und sind sie neugierig, wie die Geschichte Gottes mit den
Menschen ausgehen würde. Und nun wissen wir: Sie geht gut aus. Unser
Leben, unser Dasein hat ein Ziel: der Seelen Seligkeit.
Und wie kommen wir dahin? – Nicht durch Angst vor irgendwelchen
Mächten und Gewalten, die wir milde stimmen müssten. Nicht durch
die Unterwerfung unter Gesetze und Gebote. Nicht durch eigene
Anstrengungen und gute Werke. – Wir kommen dahin, wenn wir es im
Glauben entdecken, dass wir schon da sind.
Wirklich schon da sind? Schon im Himmel? Schon bei Gott? – Ja, schon bei
Gott, weil Gott schon bei uns ist, seit er zu uns gekommen ist in
Jesus Christus. – Und deshalb auch schon im Himmel, denn wo Gott
ist, da ist der Himmel. Noch sehen wir es nicht, noch nicht ganz so
wie es endgültig sein soll. Aber es ist nicht so, dass wir uns erst
noch dahinbemühen müssten, wo wir es sehen werden. Es ist nur so,
dass wir noch warten müssen, dass uns die Augen ganz und gar
aufgetan werden für die Gegenwart Gottes, für den Himmel.
Wisst ihr, wie gut wie gut wir es haben?
Was sage ich einem siebenjährigen Kind auf die Frage: Wie kann ein Vater (Gott) sein Kind sterben lassen?
AntwortenLöschenIch glaube, ein siebenjähriges Kind stellt die Frage nicht so. Schon allein deshalb, weil ein Kind nicht auf den Gedanken käme, einen erwachsenen Menschen als "Kind" zu sehen.
AntwortenLöschenWir erzählen Kindern die Geschichte anders: Böse oder dumme Menschen haben Jesus gequält und umgebracht. Gott hat ihn gerettet und wieder lebendig gemacht.
Und für Erwachsene: Gott gab seinen Sohn, heißt immer auch: Gottes Sohn gab sich selber.
Dieses siebenjährige Mädchen stellt oft und unvermittelt verblüffende Fragen.
LöschenNach dem Abendgebet sagte sie plötzlich: Gott hat doch Jesus am Kreuz sterben lassen. Wie kann denn ein Vater sein Kind sterben lassen?
Ich war leider ziemlich ratlos. Vom Opfertod wollte ich nicht sprechen. Sie fragte auch noch, was denn Jesus rief am Kreuz, das habe sie wieder vergessen.
Auch das wollte ich vorm Schlafen nicht sagen.
Entschuldigung, wenn ich etwas unterstellt habe, was Sie anders erlebt haben!
LöschenVielleicht in diese Richtung: Gott hat Jesus nicht einfach sterben lassen, sondern wieder lebendig gemacht und ganz zu sich genommen ...
Lukas erzählt, Jesus habe am Kreuz zu Gott gesagt: "Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände."
... Vielleicht müssen wir - mit unseren Kindern - wieder lernen, dass Sterben nichts absolut Schlimmes ist, wenn wir im Leben und im Tod in Gott geborgen sind - so wie Jesus es im tiefsten Grunde war.