Wir aber, die wir stark sind, sollen
das Unvermögen der Schwachen tragen und nicht Gefallen an uns selber
haben. Jeder von uns lebe so, dass er seinem Nächsten gefalle zum
Guten und zur Erbauung. Denn auch Christus hatte nicht an sich selbst
Gefallen, sondern wie geschrieben steht: „Die Schmähungen derer,
die mich schmähen, sind auf mich gefallen.“ Denn was zuvor
geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch
Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben. Der Gott aber der
Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid
untereinander, Christus Jesus gemäß, damit ihr einmütig mit einem
Mund Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. Darum nehmt
einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.
Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Juden geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind; die Heiden aber sollen Gott loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht: „Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.“ Und wiederum heißt es: „Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!“ Und wiederum: „Lobet den Herrn, alle Heiden, und preist ihn, alle Völker!“ Und wiederum spricht Jesaja: „Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais und wird aufstehen, um zu herrschen über die Heiden; auf den werden die Heiden hoffen.“
Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Juden geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind; die Heiden aber sollen Gott loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht: „Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.“ Und wiederum heißt es: „Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!“ Und wiederum: „Lobet den Herrn, alle Heiden, und preist ihn, alle Völker!“ Und wiederum spricht Jesaja: „Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais und wird aufstehen, um zu herrschen über die Heiden; auf den werden die Heiden hoffen.“
Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Römer 15, 1-13
Liebe Schwestern und Brüder,
heute im Gottesdienst hat schon wieder
der Chor gesungen; das ist schön. Wisst ihr, wie ein Chor dazu
kommt, gut zu singen und zu klingen? – Chorklang und Chorgesang ist
ja eigentlich ein kleines Wunder: Eine Gruppe von Menschen, jeder mit
seiner eigenen Stimme, singt gemeinsam und es klingt. – Wie geht
das?
Es geht nur durch Einheit in der
Verschiedenheit. Wir sind uns einig, was wir singen. Wenn einer
„Tochter Zion“ singen will, der andere aber „Mache dich auf und
werde Licht“, dann sind das zwar beides schöne Adventslieder, aber
gleichzeitig singen kann man sie halt nicht, sonst klingt es gleich
ganz fürchterlich. (So was erlebt man gelegentlich, wenn in der
Probe einer nicht aufgepasst und ein falsches Stück aufgeschlagen
hat.)
Wir brauchen aber noch mehr Einigkeit.
Einigkeit über Tonart, Takt und Tempo. Das gibt am besten ein
Chorleiter, oder hier: unsere Chorleiterin vor. Ein Chorleiter bringt
die notwendige Einigkeit in den Chor. Und über die Grundlagen hinaus
gestaltet der Chorleiter oder die Chorleiterin das Stück, indem sie
Tempi und Dynamik in das Stück hineinbringt. So entsteht ein
harmonisches Ganzes, das unseren Ohren wohltut.
Freilich: der Chorleiter allein kann
das nicht. Es funktioniert nur, wenn der Chor sich auch nach ihm
richtet. Die letzte Entscheidung, wie ein Stück gestaltet wird,
liegt beim Chorleiter, und der Chor hat sich danach zu richten, ob
das dem einzelnen gefällt oder nicht. Jemand hat mal etwas drastisch
formuliert: Chor ist Diktatur.
Ein Wohlklang entsteht aber nicht
allein dadurch, dass alle sich nach einem richten. Sondern mehr noch,
dass alle aufeinander achten. Ein Chor, der nur aus Solisten besteht,
von denen sich jeder besonders hervortun möchte, klingt auch nicht
gut. Denn in einem Chor kommt es nicht auf die Einzelstimme an,
sondern auf den Gesamtklang. Der Gesamtklang entsteht, wenn einer auf
den anderen hört. Am besten ist es, wenn ich nicht nur die Stimmen
der anderen Tenöre neben mir höre, sondern auch auf Sopran, Alt und
Bass achte, wie sie gemeinsam klingen und mich in diese Harmonie
einfüge.
Und dann kommt noch etwas dazu: Es gibt
starke und schwache Sänger in einem Chor. Wir sind – zumindest in
unseren Kirchenchören – keine Perfektionisten. Da singen auch
Leute mit, die nicht immer den richtigen Ton treffen, deren Stimme
etwas brüchig oder ungeübt sein mag, die nicht vom Blatt singen
können, die sich leicht verunsichern oder rausbringen lassen. Und es
singen Leute mit, die da etwas besser sind, die mit ihrem schönen
und richtigen Gesang die anderen anführen und mitnehmen können.
Und das gefällt mir besonders, dass
das geht. Auch die schwächeren Sängerinnen und Sänger tragen zum
Gesamtklang bei, und die stärkeren unterstützen sie, nehmen sie
mit, halten es auch aus, wenn es neben ihnen mal falsch klingt.
Kurz gesagt: Ein Chor klingt dann gut,
wenn beim Singen alle auf den Chorleiter achten und auch alle
aufeinander achten.
Ich glaube, in diesem Bild wird vielen
von uns ganz gut deutlich, was Paulus meint, wenn er vom Miteinander
der verschiedenen Christen in einer Gemeinde schreibt. Die
christliche Gemeinde ist harmonisch, hat Ausstrahlung, verkündet
Gottes Lob, wenn alle auf Christus ausgerichtet sind – unseren
Chorleiter, im Bilde gesprochen – und wenn alle aufeinander achten.
Denn die Kirche und Gemeinde ist ja,
viel mehr noch als ein Chor, ein sehr bunter Haufen. Da klingt es
vielstimmig. Da gibt es unterschiedliche Meinungen, Traditionen,
Frömmigkeitsstile. Da gibt es viele einzelne, von denen sich mancher
gerne besonders hervortun würde. Und hier bei uns auf Teneriffa ist
es besonders bunt. Wir kommen aus den verschiedensten Gegenden
Deutschlands und Europas und treffen hier aufeinander: Norddeutsche,
Österreicher, Rheinländer, Sachsen ... Wir haben Kirche und
Gemeinde auf ganz unterschiedliche Weise kennengelernt:
lutherisch-konservativ, nüchtern-reformiert, pietistisch-bibelfromm
oder sozial engagiert. Manche sind von Klein auf im Glauben und in
der Gemeinde geblieben und gewachsen. Andere haben erst später oder
später wieder dazugefunden. Und dann kommt ja noch etwas dazu: Wir
sind eine evangelische Gemeinde, aber wir sind zugleich auch eine
ökumenische Gemeinde. Zu uns kommen auch viele Katholiken und manche
Freikirchler. Und sie sind willkommen, ausdrücklich. Zuerst und vor
allem sind wir christliche Gemeinde.
So ein bunter Haufen könnte leicht
auseinanderfliegen: Wenn viele einzelne darauf beharren würden, dass
sie mit ihrer Tradition und ihrer Erfahrung allein recht haben und
den Ton angeben wollen. Wenn diejenigen, die schon immer zur Kirche
gehören, die anderen verachteten, die erst später dazugekommen
sind. Wenn ein einziger Glaubensstil zum Maß für alle gemacht
würde. Wenn einzelne der Meinung wären, sie wären die
allerwichtigsten und ohne sie würde es gar nicht gehen: Dann wäre
unser Dasein als Gemeinde eine einzige Kakophonie. Es wäre zum
Weglaufen und wir würden es erleben, dass die Leute weglaufen statt
zu uns zu finden.
Paulus hat damals auch an so einen
bunten Haufen von Leuten geschrieben. In der Gemeinde von Rom, der
Hauptstadt, da trafen Leute aus den verschiedenen Gegenden der
antiken Welt aufeinander und mussten miteinander auskommen. In der
christlichen Gemeinde wurden auch soziale Schranken überwunden, die
sonst überall galten: reiche und vornehme Römer trafen da auf
Sklaven aus den nördlichen oder südlichen Barbarengebieten. Vor
allem aber trafen Menschen aus dem Heidentum, die vormals römische,
griechische oder ägyptische Götter verehrt hatten oder gar
irgendwelchen esoterischen Geheimkulten angehört hatten, auf
Anhänger des Gottes Israels, des Gottes Jesu, des lebendigen Gottes,
also auf die Juden. Die Juden haben natürlich einen großen Vorlauf
an Glaubenstradition und an biblischem Wissen. – Wie soll das alles
zusammenpassen, zusammenklingen?
Paulus geht es im ganzen Römerbrief um
diesen Zusammenklang. Er erörtert das in großer Theologie: Juden
wie Heiden sind auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit angewiesen, die
durch Jesus Christus gekommen ist. Und er erörtert es in praktischen
Lebensfragen. Und so und so schärft er es ein: Ihr gehört zusammen!
Lasst euch nicht auseinanderdividieren! Macht aus euren Unterschieden
eine Harmonie und keinen Missklang!
Und diese ganze Botschaft gipfelt in
diesem einen Satz, der in unserem Text steht, den viele von euch
kennen und der eigentlich einer der wenigen Lernsprüche sein sollte,
die Christen einfach im Kopf haben: Nehmt einander an, wie
Christus euch angenommen hat, zu Gottes Lob.
Nehmt einander an:
Nicht aus Sympathie und Herzenszuneigung. Nicht aus Toleranz, die den
anderen einfach anders sein lässt, aber sich sonst nicht um ihn
kümmert. Nicht aus pädagogischem Eifer, der den anderen sich selber
ähnlich machen möchte. Nein, sondern aus christlicher Liebe. Und
das heißt: Der Mitmensch, der Mitchrist steht vor Gott genau so da
wie ich: als Sünder, der von sich aus nicht zu Gott findet, und als
angenommener Sünder, den Gott gefunden hat. Christliche Liebe ist
die Solidarität der angenommenen Sünder. Egal, wo wir herkommen,
wir kommen aus der Begegnung mit Jesus Christus her. Das ist es, was
uns zusammengeführt hat.
Zusammengeführt
und zusammengefügt zu einer lebendigen Gemeinschaft, zu einem
harmonischen Ganzen. Zu Gottes Lob, heißt es.
Wie der Kirchenchor
ausdrücklich zu Gottes Lob singt, so lebt und existiert die
christliche Gemeinde ausdrücklich zu Gottes Lob.
Es dient Gottes
Lob, wenn wir einander annehmen, aufeinander achten, aufeinander
hören und aus unserer Vielfalt und Mehrstimmigkeit einen Wohlklang
machen.
Perfekt ist dieser
Wohlklang noch lange nicht. Was ihm aber guttut, ist, auf den
Chorleiter zu achten und die eigene Stimme nach seinem Dirigat und in
seinem Sinne klingen zu lassen. Dieser Chorleiter, um es ganz klar zu
sagen, das ist nicht etwa der Pfarrer oder ein Bischof oder Papst;
dieser Chorleiter ist der Herr Jesus Christus selber.
Lasst uns auf ihn
achten und lasst uns aufeinander achten.
Und jetzt frage ich
mich nur noch, was das alles mit Advent zu tun hat. – Nun, ich
denke, so ist Leben im Advent: Miteinander und füreinander da sein
als wartende Gemeinde. Die Unvollkommenheit aushalten, die eigene,
die des anderen, die der Kirche. Und doch schon zu Gottes Lob leben.
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