Sonntag, 26. April 2015

Predigt am 26. April 2015 (Sonntag Jubilate)

Jesus sprach zu seinen Jüngern: „Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner. Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird er wegnehmen; und eine jede, die Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe. Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie müssen brennen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger.
Johannes 15, 1-8

Frucht bringen
Am 4. Dezember haben wir manchmal Kirschzweige geschnitten. Am Tag der Heiligen Barbara. Wir haben sie ins Wasser gestellt. Die Knospen sind dick geworden. Und Weihnachten haben die Zweige geblüht: und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter … Ein schöner Brauch. Wenige Tage später waren sie verblüht. Und wir haben sie weggeworfen. Schade eigentlich!
Die vielen anderen Zweige, die am Kirschbaum geblieben waren, haben weiter in ihrer Winterruhe vor sich hin geträumt.
Erst um diese Zeit herum, Ende April sind sie aufgeblüht.
Gärten voller blühender Bäume, nicht nur ein paar einzelne Zweige in der Stube.
Nach und nach schwebten die Blütenblätter zu Boden, alles war weiß und die Bäume wurden grün.
Und einige Wochen später hingen sie voller roter Kirschen.
Ein Zweig kann keine Frucht bringen aus sich selbst, wenn er nicht am Baum bleibt.
Eine Rebe kann keine Frucht bringen aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt.

Erziehung
Bei uns wuchs Wein.
Am Häuschen meiner Großmutter waren grüne Holzspaliere, an denen sich die Weinreben nach oben rankten.
Typisch im Elbtal zwischen Dresden und Meißen (aber leider nicht mehr häufig zu sehen; die meisten Weinspaliere wurden weggerissen).
Damals trugen die Reben Früchte, im frühen Herbst:
Kleine helle Trauben.
Man konnte sie durchaus essen.
Um Wein daraus zu keltern, waren es zu wenige.
Ich meine mich aber auch an abgeschnittene Reben zu erinnern.
Mit der Gartenschere wurden sie entfernt, im späten Herbst.
Nur wenige blieben übrig.
Der Rest wurde verbrannt.
Die wenigen verbliebenen Reben hätten mehr Kraft und brächten bessere Trauben, lernte ich.
Winzer wissen, wie man die Reben richtig schneidet.
Durch den Rebschnitt geben sie dem Weinstock Unterstützung beim Wachsen und die richtige Form.
So hat er Halt, genügend Blätter, bringt gute Früchte  und lässt sich gut abernten.
Das ist eine regelrechte Kunst.
Man nennt das Erziehung.
Eltern und Pädagogen sollten von Winzern lernen.
Jesus sagt: Mein Vater ist der Weingärtner.
Er schneidet die Reben.
Er reinigt die Reben.
Er ist ein guter Erzieher.
Für euch.

Bleiben?
Oma Marie hat einen Brief geschrieben, in dem sie ihren Kirchenaustritt erklärt.
Der Brief ging durchs Internet und durch die Medien.
Nach 84 Jahren reicht es ihr.
Ihr Nachbarpfarrer hat im Fernsehen gesagt, dass Homosexualität Sünde wäre.
Ihre beiden Enkel sind schwul.
Und nett.
Und hilfsbereit.
Oma Marie liebt ihre Enkel.
Und sie schreibt:
Wenn Menschen glücklich sind, sich lieben und sich um ihre Nächsten kümmern, dann kann es keine Sünde sein.
In einer Kirche, wo gegen Schwule gehetzt wird, will sie nicht bleiben.
Jesus sagt: Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.
Schneidet man sich selber vom wahren Weinstock ab, wenn man aus der Kirche austritt?
Extra ecclesiam nulla salus, haben die alten Kirchenväter gesagt.
Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil.
Extra Christum nulla salus, hat Jesus gesagt.
Sinngemäß.
Ohne mich gibt es kein Heil.
Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.
Und:
Ich bin der wahre Weinstock.
Bleibt in mir und ich in euch.
Menschen, die in Christus bleiben, und in denen Christus bleibt – die nennen wir Kirche im eigentlichen Sinne:
die Gemeinschaft der Jünger Jesu;
die Gemeinschaft der Heiligen,
wie wir bekennen.
Nicht die Gemeinschaft der Kirchensteuerzahler.
(Auch wenn es da eine gewisse Schnittmenge gibt.)
Wer keine Frucht bringt, wer fruchtloses und menschenverachtendes Zeug von sich gibt, das mit der Liebe Jesu nichts zu tun hat, der ist wahrscheinlich schon vom Weinstock getrennt.
Aber nicht Oma Marie, wenn sie bedauerlicherweise aus der Kirche austritt.

Worte
Wo die Worte sterben, stirbt die Liebe.
An der Zahl der Worte und an der Art der Worte, die in einer Beziehung gewechselt werden, können Fachleute die Qualität der Beziehung ablesen.
Wo nur noch wenig geredet wird und Belangloses, oder gar noch Erniedrigendes und Verletztendes, da ist das Ende schon abzusehen.
Man kann mit ziemlicher Genauigkeit vorhersagen, wann das Paar sich trennen wird.
Wo die Worte lebendig sind, freundlich, zugewandt, aufbauend und humorvoll, da lebt die Liebe.
Da ist mit einer Trennung nicht zu rechnen.
Miteinander reden ist das Beste, was wir tun können, um beieinander zu bleiben.
So ist das auch mit Jesus.
Wir müssen reden, sagt er.
Damit die Liebe nicht stirbt.
Meine Worte reinigen unsere Beziehung.
Ihr seid rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.
Bleibt in mir und ich in euch!
Und darum sage ich: Bleibt in der Kirche!
Weil Jesus hier zu Wort kommt.
Weil du hier Zeit hast, darüber nachzudenken, was er dir sagt.
Und darauf zu antworten.
Sicher kannst du auch zu Hause beten,
so wie Oma Marie das künftig tun will.
Aber besser ist es, es mit anderen zu tun.
Damit das Gespräch nicht einschläft
und die Liebe nicht stirbt.

Bleiben!
Jesus sagt:
Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Weingärtner.
Sein Vater.
Er pflegt und erzieht uns.
Den Weinstock Christus, an dem wir Reben sind.
Die wahre Kirche Jesu.
Weil er es tut, müssen wir es nicht tun.
Wir müssen nicht entscheiden, welche Reben abgeschnitten gehören.
Und wir müssen uns nicht selber abschneiden,
etwa weil uns andere Reben am Weinstock nicht passen.
Wir können es Gott überlassen.

Wir müssen gar nichts.
Nicht mal Frucht bringen.
Das kann eine Rebe nämlich nicht von sich aus.
Das macht der Weinstock, an dem sie wächst.
Darum müssen wir nur eins:
Bleiben!

Sonntag, 19. April 2015

Predigt am 19. April 2015 (Miserikordias Domini)

Jesus sprach: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.
Der Mietling aber, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie. Der Mietling flieht; denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die Schafe.
Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie mich mein Vater kennt, und ich kenne den Vater.
Und ich lasse mein Leben für die Schafe.
Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte werden.
Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Mein Vater, der mir sie gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus des Vaters Hand reißen. Ich und der Vater sind eins.“
Johannes 10, 11-16. 27-30


Der Herr ist mein Hirte.
Und ich, ich bin sein Schaf.
Schäfchen.
Knuddelwolleweich.
Zwischen Gras, Kräutern und Glücksklee
weidet er mich auf grüner Aue.
Mit all den anderen Schafen.
Schäfchen.
Wolle an Wolle.
Führt mich ans frische Wasser.
Und bringt mich ins Trockene.
Und wenn der Wolf kommt,
der böse Wolf,
dann fürchte ich kein Unglück.
Er ist ja bei mir.
Ich weiß nicht mal, ob es ihn gibt, den bösen Wolf;
so behütet bin ich in meiner Herde.
In Seiner Herde.
In Seinen Händen.
Ich bin sein Schaf.
Schäfchen.
Dummes Schaf.
Herdentier.
Ich laufe mit, wohin alle laufen.
Ich folge der Stimme, der alle folgen.
Und kann nur hoffen, es ist Seine Stimme,
die Stimme meines guten Hirten.
Nicht die Stimme des falschen Hirten,
der mir am Ende das Fell über die Ohren zieht.
Nicht die Stimme des Wolfs,
der nur Kreide gefressen hat.
Der Herr ist mein Hirte.
Und, ja, ich möchte behütet sein.
Aber kein dummes Schaf.
Kein Herdentier.
Kein Mitläufer.
Ich möchte wissen, wer der Wolf ist.
Und wo.
Ich möchte die Stimme meines Herrn hören.
Aber ich möchte sie auch verstehen,
bevor ich ihr folge.
Und sie kennen und heraushören unter den vielen Stimmen.
*
Der Herr ist mein Hirte.
Und Schafe hat er viele.
Große, kleine.
Alte, junge.
Schwarze, weiße.
Streithammel und Unschuldslämmer.
Kuschelig ist es nicht immer in seiner Herde:
so Wolle an Wolle.
Manchmal eher zum Weglaufen.
Irgendwo zurückbleiben.
Am Spitzwegerich schnuppern.
Die Schäfchenwolken am Horizont bestaunen.
Vom Himmel träumen
und sich fragen, ob es da oben auch noch schwarze Schafe gibt.
Oder ob sie vorher schäfchenwolleweiß gewaschen werden.
Aber dann bekomme ich Angst, so allein.
Und rufe, bis er mich hört und findet.
und zurückbringt zu seiner Herde.
Der Herr ist mein Hirte.
Aber nicht mein Hirte allein.
Er hat noch andere Schafe.
Welche, die anders blöken.
Und einen anderen Stallgeruch haben.
Er ist auch ihr Hirte.
Und sie sind meine Verwandten.
Ich möchte das lernen
und verstehen.
Und sie annehmen.
Auch wenn’s schwer fällt.
*
Der Herr ist mein Hirte.
Und ich bin Sein Hirte.
Also nicht, dass ich ihn hüte.
Sondern dass ich in seinem Auftrag hüte.
Sein Unterhirte.
Sein Mitarbeiter.
Pastor.
Das bedeutet ja: Hirte.
Weil Er gesagt hat: Weide meine Schafe.
Zu Petrus hat er das gesagt.
Und ich – als Pastor – bin ein Nachfolger Petri.
Dazu muss man ja nicht erst Papst werden.
Angestellter Unterhirte also.
Ein Mietling.
Ein Lohnarbeiter.
Ja, ich mach’s für Geld.
Ich bin korrupt.
Abhängig von der EKD.
Abhängig von euren Kollekten, Spenden und Beiträgen.
Abhängig von eurem und ihrem Wohlwollen.
Angewiesen, dass sie mich zur sprudelnden Quelle führen,
damit ich meine Schäfchen ins Trockene bringen kann.
Ich weiß nicht, was ich mache, wenn der böse Wolf kommt.
Ich bin kein Kämpfer.
Ich habe Angst.
Vielleicht laufe ich davon.
Ich bin kein guter Hirte.
Was ist mit den verlorenen Schäfchen?
Die den Anschluss zur Herde verloren haben,
die irgendwoanders den Glücksklee suchen?
Ich gehe ihnen nicht immer nach.
Ich suche sie nicht lange.
Bin zu feige, zu faul, zu träge.
Manche hören meine Stimme,
und ich kenne sie,
und sie folgen mir.
Andere hören nicht auf mich.
Vielleicht kenne ich sie gar nicht.
Und sie bleiben fern.
Und ich lasse sie, wo sie sind.
Es sind ja nicht meine Schafe.
Nein, aber es sind Seine Schafe!
Und Er kennt sie.
Und Er lässt sein Leben für sie.
Und Er will ihnen das ewige Leben geben.
Und Er ist mein Hirte.
Der Oberhirte.
Der seinem Unterhirten gesagt hat:
Weide meine Schafe.
Meine Schafe.
Er bezahlt mich nicht mit Geld.
Er bezahlt mich gar nicht.
Er beschenkt mich.
Mit Liebe.
Und mit seinem Wort.
Und darum mache ich seine Worte zu meinen Worten.
Versuche es zumindest.
Möchte seine Stimme durch meine Stimme hindurchklingen lassen.
Möchte seine Liebe mit anderen teilen.
Und dann sind es doch meine Schafe.
Mir anvertraut.
Und sie sind mir nicht mehr gleichgültig.
Für Ihn will ich sie suchen und rufen und hüten und beieinander halten.
Auch wenn ich nicht so ein guter Hirte bin.
Er ist ja der gute Hirte.
Aber ich doch sein Unterhirte.
Sein Mitarbeiter.
Euer Pastor.
*
Der Herr ist mein Hirte.
Und ich bin mehr als nur ein Schaf
(auf der Suche nach Glücksklee).
Auch der beste Hirte hier auf Erden schert seine Schafe, und am Ende zieht er ihnen das Fell über die Ohren und lässt sich den Hammelbraten schmecken.
Dazu sind Schafe da – hier auf Erden:
für Wolle,
für Milch und Käse,
für Lammkoteletts.
Und das ist gut so.
Anders der Himmelshirte,
Jesus, mein Seelenbischof.
Für ihn bin ich mehr als nur ein Schaf
(auf der Suche nach Glücksklee,
das am Ende doch nur ein Glied in der Nahrungskette ist).
Ich bin ein Mensch
(nach Gottes Bild geschaffen).
Ich bin sein Freund.
Und sein Bruder.
Kein Herdentier.
Kein Mitläufer.
Sondern ein Mitarbeiter:
Meines Bruders Hüter.
Der Herr ist mein Hirte.
Und ich bin sein Gast.
Er deckt mir den Tisch.
Er salbt mir das Haupt.
Er füllt mir den Becher.
Und ich bin zu Hause bei ihm.
Für immer und ewig.

Jesus sagt: Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.