Sonntag, 29. März 2015

Predigt am 29. März 2015 (Palmsonntag)

Als die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem käme, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und riefen: „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel“
Jesus aber fand einen jungen Esel und ritt darauf, wie geschrieben steht: „Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.“
Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so mit ihm getan hatte.
Das Volk aber, das bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, rühmte die Tat. Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan.
Die Pharisäer aber sprachen untereinander: „Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.“
Johannes 12, 12-19


Berlin, 15. Juli 2014. Zufällig bin ich genau an diesem Tag in der Hauptstadt. In der U-Bahn und auf den Straßen begegnen mir am hellichten Vormittag verkleidete Gestalten, viele in weißen Trikots und mit viel Schwarz-Rot-Gold – auf dem Kopf, um den Hals, im Gesicht. Es ist der Tag, an dem die Fußballnationalmannschaft als neuer Weltmeister aus Brasilien zurückkehrt. Über der Stadt dreht ein Jumbo der Lufthansa eine Runde – da, wo normalerweise Flugverbot ist. Aber wenn es um den Empfang der Weltmeister in der Bundeshauptstadt geht, gelten andere Regeln. Einen kurzen Moment überlege ich: ich könnte ja mit dahin gehen. Dann bin ich froh, dass ich eine andere Verabredung habe und gar nicht kann. Denn was soll ich da: in schwarz-rot-goldenen Menschenmassen grölend feiern und betrunkenen Fußballstars hinter ihren Sonnenbrillen bei Siegesgesängen und Kriegstänzen zujubeln? – Nein, Menschenmassen sind mir immer unangenehm. Sie vereinnahmen mich. Ich muss mitfeiern, mitjubeln, mitsingen, mitmarschieren – ob ich will oder nicht. Ob Fußballstadion oder Kirchentag – es ist mir unangenehm; ich will das nicht.
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Jerusalem, Ende März 30 (oder 33?). Ich habe gerade in der Hauptstadt zu tun. Und überall: Massen, Massen, Massen. Passafest. Pilger aus nah und fern. Überfüllte Herbergen. Händler, die das Geschäft des Jahres machen. Als ob das nicht schon genug wäre, kursieren auch noch Gerüchte über einen neuen Messias. Er ist auf dem Weg in die Stadt, Anhänger und Fans begleiten ihn. Einen Toten soll er auferweckt haben. Und jetzt sind sie unterwegs, um ihm einen tollen Empfang zu bereiten. Sogar Palmwedel haben einige dabei, um sie für ihn zu schwenken. Wie für einen König. Oder einen Weltmeister. Einen kurzen Moment überlege ich: ich könnte ja mit dahin gehen. Aber was soll ich da: mit fremden Menschen einem Messias zujubeln? – Nein, Menschenmassen sind mir immer unangenehm. Sie vereinnahmen mich. Da muss ich mitfeiern, mitjubeln, mitsingen, mitmarschieren – ob ich will oder nicht. Ob Passaopfer im Tempel, öffentliche Hinrichtung vor der Stadt oder die Ankunft des Messias – es ist mir unangenehm; ich will das nicht.
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Liebe Schwestern und Brüder,
ich glaube, wenn Jesus so in mein Leben gekommen wäre – mit Hosianna und Palmwedeln für den König Israels – er hätte mich nicht gefunden. Ich wäre nicht bei seinen Anhängern und Fans. Es wäre mir unangenehm. – „Alle Welt läuft ihm nach“? – Ich nicht. So nicht.
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Coswig, 8. April 1979. Es ist Palmsonntag. Zusammen mit 30 anderen ziehe ich in die Kirche ein. Sitze vorn vor der ganzen Gemeinde. Das Gesangbuch in meiner Hand ist nass vor Schweiß. Der Pfarrer fragt, ob wir im Glauben an Jesus Christus bleiben und wachsen wollen, und mit den anderen zusammen antworte ich: „Ja, mit Gottes Hilfe.“ Ich knie am Altar und höre meinen Konfirmationsspruch aus dem Römerbrief: Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen. Und ich spüre die Segenshand auf meinem Kopf: Schutz und Schirm vor allem Argen, Stärke und Hilfe zu allem Guten. In diesem Augenblick stehe ich allein vor Jesus. Die Menschen in der Kirche und die Mitkonfirmanden sind nicht wichtig. Ich weiß, dass Jesus mich gefunden hat, und ich ihn. Und ich will ihm nachfolgen. Ja, das will ich.
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Aguadulce, 30. November 2014. Es ist 1. Advent. Beim Gemeindefest predige ich über den Einzug Jesu in Jerusalem. Verrückt, dass diese Geschichte zweimal im Kirchenjahr dran ist: am 1. Advent in der Fassung von Matthäus, am Palmsonntag in der Fassung von Johannes. Ich spreche über Esel. Jesus reitet auf einem Esel. Und wer so einen Eselsreiter für einen König hält, wird selber für einen Esel gehalten. So kann es uns gehen. Und doch ist er der bekannteste König der Weltgeschichte. Auch und gerade, weil er nicht von dieser Welt ist.
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Jerusalem, Anfang April 30 (oder 33). Menschenmassen. Die Passaopfer haben begonnen. Und draußen vor dem Stadttor wird einer hingerichtet. Nach römische Art: an ein Holzkreuz genagelt. Dort verendet er qualvoll nach vielen Stunden. Es ist derselbe, der vor ein paar Tagen wie ein Weltmeister oder König empfangen worden war. Der Messias. Die Menschenmassen haben sich abgewandt. Ein paar sind noch da, oder wieder da, sie verspotten ihn, genießen das Schauspiel der öffentlichen Hinrichtung. Offensichtlich hat er versagt: Anderen hat er geholfen. Einen Toten soll er auferweckt haben. Und jetzt stirbt er und kann sich selbst nicht helfen. „Jesus von Nazareth, König der Juden“ steht an seinem Kreuz. Billiger Spott. Es ist mir unangenehm. Ich will das nicht.
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Ephesus, im Jahr 99 (oder so). Johannes schreibt die Geschichte von Jesus Christus auf. Er schreibt sie noch mal neu auf. Man muss es etwas anders anfassen, als es die anderen schon getan haben, sagt Johannes. Man muss es noch deutlicher machen, wer Jesus Christus wirklich ist. Auch in dieser Geschichte vom Einzug in Jerusalem. Er ist der König. Das haben die Leute verstanden, die ihm zugejubelt haben mit Hosianna und Palmzweigen. Aber sie haben nicht verstanden, dass sein Königreich nicht von dieser Welt ist. Sie haben sich abgewandt, als er es ablehnte, jetzt König von Israel zu werden. Und als er sagte: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, da haben sie geschrien: „Kreuzige ihn!“ Man muss es deutlich machen, dass sie damals noch nichts verstanden haben. Auch seine Jünger nicht. Auch seine Feinde nicht. Verstehen kann man ihn erst vom Ende her. Als er verherrlicht ist. „Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe dein König kommt!“ Das kann man erst verstehen, wenn man weiß, dass Jesus auferstanden ist. Dann versteht man, dass sein Königreich nicht von dieser Welt ist, und dass Jesus keine Massen braucht, die Palmwedel schwenken und Hosianna singen. Jesus braucht einzelne, die ihn König sein lassen in ihrem Herzen.
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Las Américas, 29. März 2015. Es ist Palmsonntag. Auf uns liegt die Last der vergangenen Tage. Die Nachrichten vom Tod von 150 Menschen, die zusammen in einem Flugzeug saßen – so wie wir alle immer wieder im Flugzeug sitzen –, in einem Flugzeug, das einer zum Absturz gebracht hat. Mit Absicht. Massenmord. Ob er krank war oder was auch immer, ich nenne es Massenmord. Es hat etwas Teuflisches. Ein dämonischer Wille zum Tod. Manche fragen: Wo war Gott? Wir können ihn nicht verstehen, dass er das zulässt.
Jesus sagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ – In dieser Welt, die ihren König kreuzigt, werden teuflische Dinge geschehen, bis zuletzt. Darum: In der Welt habt ihr Angst. – Aber weil er vom Tod erstanden ist, darum auch: Seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Und: Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe dein König kommt.

In diesen Tagen jubeln ihm keine Menschenmassen zu. Aber einzelne finden ihn, und er findet sie und er sagt ihnen: Fürchte dich nicht! Und er verspricht ihnen Schutz und Schirm vor allem Argen, Stärke und Hilfe zu allem Guten. Und sie glauben, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge, wirklich alle, auch die allerschlimmsten, zum Besten dienen. Das kann nur er allein machen. Mein König.

Samstag, 28. März 2015

7 Wochen ohne Verzicht

In Twitter und Facebook habe ich eine Kolumne von Harald Martenstein über die Fastenaktion der evangelischen Kirche zustimmend geteilt. Mein Kollege Heiko Kuschel hat auf evangelisch.de die Fastenaktion und ihre Mottos verteidigt.  Auf Facebook fand eine Kollegin die Einlassungen von Martenstein „verletzend“. Ich habe unter dem Beitrag von Heiko Kuschel, wie folgt, kommentiert:


Ich mag Harald Martenstein. Trocken und in scheinbar naivem Ton stellt er Woche für Woche scheinbare Gewissheiten und falsche Korrektheiten in Frage. Ein liebenswürdiger Spötter. Ein geistreicher Aufklärer.

Nun hat es mal die evangelische Kirche erwischt mit ihrer alljährlichen Fastenaktion „7 Wochen ohne“.
Und warum? Weil die Mottos so schön missverständlich sind. Eigentlich eine Steilvorlage für jemanden wie Martenstein.

Ich habe diesen Beitrag zustimmend über die sozialen Netze geteilt. Und habe selber dafür nicht nur (aber auch) Zustimmung bekommen. Wäre ja auch verwunderlich!

Martenstein bleibt mit seinem Spott im Grunde genommen an der Oberfläche. Die Probleme mit der Fastenaktion „7 Wochen ohne“ (bei der ich insgeheim immer das Wörtchen „oben“ mitdenken muss), liegen tiefer:

Nach meinem Verständnis unseres evangelischen Glaubens gibt es gar keine „Fastenzeit“. Bis vor einigen Jahren hieß das „Passionszeit“. Es war die Zeit, in der der Leidensweg Jesu in besonderer Weise im Blick war. Dann hat man begonnen, die katholische Terminologie zu übernehmen und eine Praxis des Fastens in dieser Zeit zu propagieren. Inzwischen kommt man sich in gewissen protestantischen Kreisen schon komisch vor, wenn man in der Passionszeit einfach nicht fastet.
Dabei verdankt sich der Erfolg der evangelischen Reformation zu einem großen Teil gerade der Aufhebung der Fastenvorschriften. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“

Das heißt ja nicht, dass Fasten, der bewusste Verzicht auf bestimmte Nahrungs- und Genussmittel, nicht eine gute und sinnvolle Frömmigkeitspraxis wäre. Interessant ist doch aber, wie Jesus über das Fasten lehrt: Zeige es nicht nach außen, dass du fastest! Mach das heimlich; denn es ist eine Sache zwischen deinem himmlischen Vater und dir! (Matthäus 6,16-18). Mit anderen Worten: Fasten gehört in den intimsten Bereich der Gottesbeziehung und nicht in öffentliche Aktionen! – Ich faste auch manchmal in der Passionszeit. Aber ich tue es so, dass keiner etwas davon mitbekommt. Dazu gehört auch, dass ich in bestimmten Situationen das Fasten aussetze.

Die Fastenaktion „7 Wochen ohne“ weitet den Begriff des Fastens nun aber auch noch auf alles Mögliche aus. Aber ist das dann noch Fasten? Wenn Geiz grundsätzlich nicht gut ist, warum dann nur „7 Wochen ohne Geiz“? Wenn es generell verkehrt ist, sich oder anderer „runterzumachen“, warum dann nur 7 Wochen? In traditioneller Form sieben Wochen auf Fleisch oder Alkohol oder dergleichen zu verzichten, ist doch etwas ganz Anderes. Da enthalte ich mich von Dingen, die grundsätzlich gut sind und mit Dankbarkeit genossen werden sollen, um doch ihnen gegenüber frei zu sein. Frei für Gott, für meinen Nächsten, für mich selbst.

Ja, um Freiheit geht es. Zu solcher Freiheit kann geordneter Verzicht für bestimmte Zeiten beitragen. Aber zur Freiheit gehört auch, dass ich nichts muss, sondern alles darf. Wie wäre es denn, wenn es nächstes Jahr hieße: „Du bist frei! 7 Wochen ohne Verzicht“?

Sonntag, 22. März 2015

Predigt am 22. März 2015 (Gemeindefest – Judika)

Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, gingen zu Jesus und sprachen: „Meister, wir wollen, dass du für uns tust, um was wir dich bitten werden.“
Er sprach zu ihnen: „Was wollt ihr, dass ich für euch tue?“
Sie sprachen zu ihm: „Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit.“
Jesus aber sprach zu ihnen: „Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde?“
Sie sprachen zu ihm: „Ja, das können wir.“
Jesus aber sprach zu ihnen: „Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde; zu sitzen aber zu meiner Rechten oder zu meiner Linken, das steht mir nicht zu, euch zu geben, sondern das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist.“
Und als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes.
Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: „Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“
Markus 10, 35- 45


Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Frühlingsfest ist heute wieder.
Abschiedsfest für manche auch.
Denn das ist bei vielen Brauch,
dass sie, wie die Vögel ziehen,
Herbstens in den Süden fliehen,
wird es aber wieder März
ziehen sie bald heimewärts,
wo schon Kinder, Enkel warten,
nicht zuletzt der eigne Garten,
alte Freunde und Kollegen:
man muss die Gemeinschaft pflegen.
Sind wir dort auch sehr willkommen,
hier wird Abschied jetzt genommen.
Und auch darum feiern wir
Fincafest mit Wein und Bier,
Kaffee, Kuchen, Mittagessen,
dass wir es ja nicht vergessen:
Hier mit euch ist es so schön.
Hier wolln wir uns wiedersehn,
wenn im Herbst die Vögel ziehen
und wir wieder südwärts fliehen.

Solange es den Menschen gibt,
er immer schon das Feiern liebt.
Geburt und Hochzeit, Erntezeit,
ein Grund zum Feiern ist nie weit.
Willkommen, Abschied, Wiedersehn,
das feiern wir, denn das ist schön.
Ja, wo auch immer Menschen leben,
dort wird es schöne Feste geben.

Auch Jesus feiert gerne Feste,
mischt sich unter die Hochzeitsgäste
in Kana, und ihr wisst vielleicht:
als damals dort der Wein nicht reicht,
macht er aus Wasser besten Wein.
Sie stoßen an, sie schenken ein,
und merken bei der Festtagsfreud’
’ne Spur von Gottes Herrlichkeit.
Oft spricht der Herr von Gottes Reich,
und es ist mehr als ein Vergleich,
erzählt er von dem Hochzeitsmahl
in Gottes Himmelsehrensaal,
wohin wir alle eingeladen
aus seiner wunderbaren Gnaden:
zum Fest in Gottes Ewigkeit
mit Glanz und großer Herrlichkeit.
Hier unser Fest ist kein Vergleich
mit Gottes schönem Himmelreich.
Und doch ist es schon hier so schön.
Und darum können wir verstehn,
was Jesus meint mit dem Vergleich
von Festtagsmahl und Himmelreich.

Jesus – das ist euch bekannt –
hat sich der Jünger zwölf ernannt;
er schenkte ihnen sein Vertraun:
sie sollten seine Kirche baun.
Vor allem Jakob und Johannes,
die Brüder, Söhne eines Mannes,
die fanden das besonders fein
und bildeten sich viel drauf ein,
dass Jesus grade sie erwählte
und sie zu den Aposteln zählte.
Sie dachten an das Hochzeitsfest,
das Gott im Himmel feiern lässt,
und malten es sich herrlich aus,
das Leben dort, den Festtagsschmaus
mit Jesus, ihrem großen Herrn;
an seiner Seite wärn sie gern:
im Himmel so wie schon auf Erden,
nur wird es dort viel schöner werden.
So kommt es ihnen in den Sinn:
Wir gehen gleich zu Jesus hin;
wir wollen keine Zeit verlieren
und heut schon Plätze reservieren –
die besten Plätze, die es gibt,
für die, die er besonders liebt –
rechts und links an Jesu Seit
in Gottes Himmelsherrlichkeit.
Sie sagen Jesus ihre Bitte:
„Du bist doch gern in unsrer Mitte;
und wir wärn gern an deiner Seit
in Gottes Himmelsherrlichkeit.“
Jesus traut kaum seinem Ohr,
so seltsam kommt ihm das hier vor.
Da wollen zwei von seinen Leuten,
‘nen Extra-Platz für sich erbeuten,
‘ne Extra-Wurst vor allen andern,
die doch genau so mit ihm wandern,
die mit ihm leben, kämpfen, leiden.
Sind sie denn besser, diese beiden?
Er sagt: „Ihr habt ja keine Ahnung!
Wisst ihr denn auch bei eurer Planung
für Gottes Fest in Herrlichkeit:
der Weg dorthin führt durch das Leid?
Ich muss den Kelch des Leidens trinken
und in die Todestiefe sinken.
Meint ihr, den Weg könnt ihr auch gehn?“
– „Wir können es, du wirst es sehn!“,
so antworten sie ihm, die beiden,
und Jesus weiß: Sie werden leiden;
es stimmt, sie werden für ihn sterben
und ihren Platz im Himmel erben.
Nur welcher Platz, weiß Gott allein,
ER selbst wird Platzanweiser sein
bei seinem großen Festtagsmahl
im wunderschönen Himmelssaal.

Im Hintergrund, da stehn die andern,
die alle auch mit Jesus wandern,
die mit ihm leben, kämpfen, leiden.
Ja, sind die denn verrückt, die beiden?
So fragen sie sich ganz betroffen.
Vielleicht sind sie ja auch besoffen.
Und haben dabei ganz vergessen,
dass alle Zwölf am Tisch gesessen
mit Jesus hier zu Erdenzeiten
und noch mit vielen andern Leuten?
Und rechts und links zu Jesu Seiten
da saßen nicht nur diese beiden.
Da saß mal Petrus, mal Matthäus,
mal Judas – oder auch Zachäus,
der zu den Zwölfen nicht gehörte,
den Jesus trotzdem so beehrte,
in seinem Haus an seiner Seite
ein Fest zu feiern voller Freude.
So ist die Stimmung ziemlich heiß
in Jesu feinem Jüngerkreis.
Will sagen: Man ist angepisst,
wenn einer gern der Größte ist,
von dem man meint, er ist es nich
(der Größte, das bin nämlich ICH),
wenn einer sich nach vorne drängt
und mir die eigne Sicht beschränkt,
wenn er dem Chef in’ Hintern kriecht
und dann entsprechend danach riecht,
wenn er zu seinen Schwächen schweigt
und mir den Stinkefinger zeigt,
nur stets die große Klappe hat
und half mir nicht, als ich ihn bat,
wenn er sich fromm und heilig gibt,
als ob nur er den Heiland liebt.
Mit solchen Leuten – hab ich recht? –
da ist die Stimmung einfach schlecht.
Doch so ist es damals gewesen;
Andrea hat es vorgelesen.
Zum Glück hat Jesus zugehört
und seine Jünger gleich belehrt:
„So geht es zu in dieser Welt,
dass jeder sich für größer hält
als andere und sie bedrängt,
weil jeder von sich selber denkt,
dass ihm der beste Platz gehört
und dass der andre dabei stört
(es sei denn dass er ihn verehrt
und seinen Glanz und Ruhm vermehrt).
Es geht um Ehre, Macht und Geld –
so geht es zu in dieser Welt.
Ganz anders ist’s im Himmelreich,
ganz anders ist es auch bei euch.
Wer groß ist, der macht sich ganz klein
und will der andern Diener sein.
Der beste Platz ist ihm nicht wichtig,
ein anderer sitzt dort ganz richtig.
Er gönnt dem anderen sein Glück
und wünscht ihm nicht das Missgeschick.
Wenn ihr einander Knechte seid
(und Mägde), dann seid ihr bereit
zu Gottes Fest in Ewigkeit.
Und schon in dieser Erdenzeit
trägt jede frohe Festlichkeit
‘ne Spur von Gottes Herrlichkeit.
So lebe ICH mit euch auf Erden;
so kann auf Erden Himmel werden.“

Und damit ihr’s nicht vergesst:
„Unser Leben sei ein Fest“ –
lasst uns dieses Lied jetzt singen,
und das Wort zum Klingen bringen,
dass wir im Geist Jesu leben,
wenn wir feiern, danken, geben
und den andern leben lassen
nach den eignen Lebensmaßen,
groß und klein und laut und leise,
jeder lebt auf seine Weise,
jeder ist von Gott geliebt,
seinen Platz er jedem gibt,
hier in dieser Erdenzeit
und einst in der Ewigkeit.

Abschied wird heut auch genommen.
Doch wir wollen wiederkommen,
wollen uns gern wiedersehn,
denn mit euch ist es so schön,
wiedersehn in dieser Zeit
oder in der Ewigkeit.
Friede nun auf allen Wegen
und zu allem Gottes Segen,
er erfülle unsern Sinn
und führ uns zu Christus hin!
Amen.