Sonntag, 26. Oktober 2014

Predigt am 26. Oktober 2014 (19. Sonntag nach Trinitatis)

Predigttext: 2. Mose/Exodus 34, 4-10

Bergauf, immer nur bergauf. Am Anfang, in der Kühle des Morgens, da ging es noch. Dann begann die Sonne zu brennen; der Weg wurde steiler; die Schritte begannen zu schmerzen; der Puls raste; der Schweiß lief.
In rund 1.585 Metern Höhe endet die reguläre Straße. Von hier aus kann der 700 Höhenmeter überwindende und rund 2.500 m lange Aufstieg nur noch zu Fuß oder per Kamel fortgesetzt werden. Auf dem letzten, viel steileren Abschnitt … müssen 750 in den Fels gehauene Stufen überwunden werden. Während des gesamten Aufstiegs sind fast 4.000 Treppenstufen zu bewältigen.
So die Wegbeschreibung für Touristen von heute (Wikipedia). Damals gab es keine reguläre Straße, keine Kamele, keine Treppenstufen. Nur Sonne, Hitze, Steine.
Bergauf, immer wieder bergauf. Zum siebten Mal innerhalb weniger  Wochen. Und dieses Mal ist der Aufstieg für ihn besonders schwer. Weil er schwer zu tragen hat. Steinplatten. Als ob es oben auf dem Berg keine Steine gäbe.
Und Mose hieb zwei steinerne Tafeln zu, wie die ersten waren, und stand am Morgen früh auf und stieg auf den Berg Sinai, wie ihm der HERR geboten hatte, und nahm die zwei steinernen Tafeln in seine Hand.
Das letzte Mal hatte er Steinplatten hinabtragen müssen: Die Tafeln mit Gottes Geboten. Und dann waren sie zu Bruch gegangen: die Platten. Und die Gebote:
Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
Du sollst dir kein Bildnis machen.
Bete sie nicht an und diene ihnen nicht.
Da waren sie schon dabei, einen anderen Gott anzubeten. Hatten sich ein Bildnis von ihm gemacht, denn sie konnten nur glauben, was man auch sieht.
Im Zorn hatte er die Platten zertrümmert. Sie waren wertlos. Wertlos, wie alles, was er für diese Menschen getan hatte: ein halsstarriges Volk.
Nicht wert, dass Gott sich um sie kümmerte.
Immer am Zweifeln: Was nützt uns die Freiheit, wenn wir in der Wüste umkommen?
Immer am Murren (wie die kleinen Kinder): Wann sind wir endlich da?
Und immer bereit, goldene Kälber zu verehren und den lebendigen Gott zu vergessen.
Das war immer so, und es würde immer so bleiben.
Wieder bergauf. Mit schwerem Gepäck. Und mit schwerem Herzen. Schwer von Schuld, von Angst, von Zweifel: Wie konnte er noch vor Gott treten als Vertreter dieser Menschen? – Je näher er dem Gipfel kam, um so schwerer wurde ihm die Last, um so schwerer wurde jeder Schritt, um so ferner der Gott, den er suchte. Und dann stand er oben auf dem Gipfel; der Puls raste, der Schweiß lief. Weiter ging es nicht mehr.
Da kam der HERR hernieder in einer Wolke, und Mose trat daselbst zu ihm und rief den Namen des HERRN an.
Bergauf. 2.285 Meter über Normal-Null. Das kann Mose. Mit Schmerzen, Schweiß und schwerem Herzen.
Wir können noch mehr. 3.718 Meter – der Teide. 11.278 Meter – 37.000 Fuß. Gängige Reiseflughöhe auf dem Weg nach Teneriffa.
41.000 Meter – vor wenigen Tagen wurde ein neuer Rekord für einen freien Sprung aus großer Höhe aufgestellt.
384.400 Kilometer – die Entfernung zum Mond. So weit haben es Menschen gebracht – schon vor 45 Jahren.
Weiter ging es nicht mehr. Bis jetzt.
Da kam der HERR hernieder.
Wie hoch wir auch steigen, was immer wir für Leistungen vollbringen. Gott erreichen wir nur, wenn er zu uns herniederkommt. Wenn er sich herablässt zu uns Menschen und uns erreicht.
Und Mose trat daselbst zu ihm und rief den Namen des HERRN an.
In diesem Ruf war alles, was er hinaufgetragen hatte in seinem schweren Herzen: die Schuld, die Angst, der Zweifel, die Resignation, die Leere.
Und etwas Neues: Hoffnung.
Wenn Gott herniederkommt, dann gibt es Hoffnung.
Und der HERR ging vor seinem Angesicht vorüber, und er rief aus: „HERR, HERR, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue, der da Tausenden Gnade bewahrt und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde, aber ungestraft lässt er niemand, sondern sucht die Missetat der Väter heim an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte und vierte Glied!“
Wenn Gott vorübergeht, dann gibt es Hoffnung.
Gott geht nicht vorbei, er geht vorüber.
Und im Vorübergehen berührt, ergreift und verwandelt er.
Barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue.
Diese Worte klangen in Mose, als der HERR an ihm vorüberging. Wurden immer größer. Füllten sein Herz aus – bis fast kein Platz mehr war für Schuld und Angst und Zweifel und Resignation.
Fast, denn da war noch ein leiser Zweifel, eine Spur von Angst: Er lässt doch niemanden ungestraft, Sünde und Missetat haben doch ihre Folgen, anders kann es nicht sein. Und was soll dann werden?
Aber: Barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue, der da Tausenden Gnade bewahrt und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde. Vor diesen großen Worten wurden die Worte von Strafe und Heimsuchung ganz klein. Ja, drei, vier Generationen lang mögen Schuld und Missetat weiterwirken. Aber was ist das vor der Ewigkeit? Was ist das vor der Unendlichkeit der Gnade?
Was auch immer geschehen sein mag, wie schwer die Schuld, wie groß die Missetat – sie kann niemals größer sein als Gottes Barmherzigkeit. Sie wird immer kleiner und nach 100 Jahren ist sie schon vergangen. Gottes Gnade und Treue aber wird nie vergehen.
Und Mose neigte sich eilends zur Erde und betete an und sprach: „Hab ich, HERR, Gnade vor deinen Augen gefunden, so gehe der Herr in unserer Mitte, denn es ist ein halsstarriges Volk, und vergib uns unsere Missetat und Sünde und lass uns dein Erbbesitz sein.“
Wenn Gott herniederkommt, dann gibt es Hoffnung.
Wenn Gott vorübergeht, dann gibt es Hoffnung.
Hoffnung, dass er nicht nur vorübergeht, sondern dass er bleibt, und dass er mitgeht.
Auch mit einem halsstarrigen Volk, das murrt und zweifelt und um goldene Kälber tanzt.
Barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue.
Und der HERR sprach: „Siehe, ich will einen Bund schließen: Vor deinem ganzen Volk will ich Wunder tun, wie sie nicht geschehen sind in allen Landen und unter allen Völkern, und das ganze Volk, in dessen Mitte du bist, soll des HERRN Werk sehen; denn wunderbar wird sein, was ich an dir tun werde.“
Gott ist herniedergekommen. Vorübergegangen. Mitgegangen. Mit Mose. Mit seinem Volk Israel.
Barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue.
Das ist das große Wunder Gottes: dass er über tausende Generationen Gnade bewahrt. Mit Israel. Mit der Kirche. Mit der Menschheit.
Gott ist herniedergekommen. Zu all denen, die es mit ihrer Last von Schuld und Angst und Zweifel, nicht hinaufgeschafft haben zu ihm.
Er ist vorübergegangen. Und hat sie angeblickt und angerührt und Hoffnung geweckt.
Und er ist mitgegangen. Mitgegangen durch die Wüsten, durch die Meere, durch Höhen und Tiefen, durch Schuld und Leid, durch gute und durch böse Tage.
Ins gelobte Land.
Ja, wunderbar ist, was er an uns tut!
Amen.

Fürbitten:
Lasst uns den Herrn anrufen:
HERR, HERR, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue,
wir bitten dich für alle, die sich mühen auf dem Weg zu dir: Nimm ihnen ihre Lasten ab, ihre Zweifel, ihre Ängste, ihre Schuld! Komm hernieder zu ihnen. Und berühre und heile ihr Leben.
Wir rufen zu dir:
Herr, erbarme dich.
Wir bitten dich für alle, die deinen Worten und Geboten nicht trauen, die anderen Göttern dienen, um goldene Kälber tanzen, dich vergessen über den Lüsten und Lasten des Lebens: Komm hernieder zu ihnen. Bring dich in Erinnerung. Zeige ihnen und uns allen, was wahres Leben ist.
Wir rufen zu dir:
Herr, erbarme dich!
Wir bitten dich für alle, die zwischen dir, dem heiligen Gott, und den unheiligen Menschen vermitteln wollen, für deine Kirchen, für ihre Bischöfe, Priester und Prediger, für ihre Seelsorger, Beichtväter und die stillen Beter: Komm hernieder zu ihnen. Gib ihnen Geduld und Freude, gute Worte und Taten, Liebe zu dir und zu den Menschen.
Wir rufen zu dir:
Herr, erbarme dich!
Wir bitten dich für alle, die um deinetwillen leiden, für die, die Hab und Gut verloren haben, die ihre Kirchen und Gemeinden verloren haben, die ihre Freunde und Angehörigen verloren haben: Komm hernieder und berühre sie mit deinem Trost und deiner Heilung. Bewahre sie im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe – trotz allem. Schaffe ihnen Rettung und Zukunft.
Wir rufen zu dir:
Herr, erbarme dich!
Wir bitten dich für alle, die den Namen eines Gottes missbrauchen, um die Werke des Teufels zu tun: Mord, Gewalt, Versklavung und Unterwerfung: Komm hernieder und weise sie zurecht. Öffne ihnen die Augen dafür, dass sie anderen und sich selbst die Hölle bereiten und nicht das Paradies, wie sie in ihrer Verblendung wähnen.
Wir rufen zu dir:
Herr, erbarme dich!
Wir bitten dich für die Menschen, die uns persönlich Sorgen bereiten. In der Stille nennen wir dir ihre Namen: …
Komm hernieder und zeige ihnen den Weg, der zum Leben führt. Lass sie deine Gnade und Treue erfahren. Lass sie dein Heil schauen. Und lass uns für sie da sein, so wie es gut ist.
Wir rufen zu dir:
Herr, erbarme dich!

HERR, HERR, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue. Wir beten dich an und bekennen: Wunderbar ist, was du an uns tust.

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Sonntag, dem 26. Oktober 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

manche von Ihnen gehen Sonntags in die Kirche, wenigstens manchmal. Also ins Kirchengebäude. Ins Gotteshaus.

Wie gut, dass es einen Ort gibt, ein Gebäude, wo Gott normalerweise anzutreffen ist!

Das sehen viele so. Wenn auch nur zehn Leute zum Gottesdienst kommen, der ganze Ort ist sich einig: Die Kirche muss im Dorf bleiben.

Irgendwann vor rund 3.000 Jahren ließ König Salomo ein Gotteshaus bauen: den ersten Tempel in Jerusalem. Es sollte endlich einen Ort, ein Gebäude geben, wo Gott normalerweise anzutreffen ist.

Als der Tempel endlich fertig ist und eingeweiht werden soll, kommen Salomo Zweifel: Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? – so fragt er. Und er fährt fort: Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollt es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? (1. Könige 8, 27)

Ich glaube wir verstehen die Zweifel Salomos ganz gut. Gott, der die Welt geschaffen hat, Gott, der in allem und über allem ist, der braucht kein Wohngebäude auf der Erde: keinen Tempel, keine Kirche.

Und manche von uns ziehen daraus auch haarscharf den Schluss: Um Gott zu begegnen, muss ich nicht in die Kirche gehen. – Stimmt!

Aber es ist komisch: Immer wenn ich eine Kirche betrete, dann werde ich fromm, andächtig und still. Da muss ich an Gott denken. Da kommen die Gebete fast von selber in mein Herz. Irgendwie ist in der Kirche Gott noch mal anders da, als sonst. Ja, ich kann ihm überall begegnen, aber in der Kirche besonders gut.

Salomo hat es richtig erkannt: Gott braucht kein Haus auf Erden, um dort zu wohnen. Aber wir Menschen brauchen Häuser, Orte, wo wir Gott besonders nahe sein können.

Salomo gebraucht eine eigentümliche Formulierung: Da soll Gottes Name sein. – Ja, in der Kirche ist Gottes Name. Wir nennen sie Gottes-Haus. Wir nennen sie Kirche – das kommt von Kyrios, Herr; die Kirche ist namentlich das Haus des Herrn.

Hier kann und will Gott uns nahe sein. Besonders. Das hat er versprochen. Hier will er hören und hier will er segnen, wenn wir seinen Namen anrufen.

Samstag, 25. Oktober 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Sonnabend, dem 25. Oktober 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

bei uns vor der Kirche sitzt fast jeden Sonntag eine Bettlerin. Viele von uns Gottesdienstbesuchern gehen an ihr vorbei; manche legen was in ihren Plastikbecher; einige tun das regelmäßig, jeden Sonntag. Manchmal hat ihr jemand ein Bocadillo gekauft und ihr zu essen gegeben. Ob sie darüber wirklich glücklich war, oder lieber Geld gehabt hätte, blieb unklar.

Mir sind Bettler unangenehm. Wenn ich ihnen nichts gebe, habe ich ein schlechtes Gewissen. Wenn ich ihnen etwas gebe, habe ich auch kein gutes Gefühl. Vielleicht wird die Frau zum Betteln gezwungen. Vielleicht machen sich andere einen Fetten mit dem, was wir aus Mitleid spenden.

Eigentlich finden wir ja den Sozialstaat gut, wo jeder zum Amt gehen kann und das Minimum für den Lebensunterhalt bekommt. Wir bezahlen unsere Steuern und der Staat verteilt sie an die Bedürftigen; wir brauchen nichts mehr zu machen und können mit gutem Gewissen an den Bettlern vorbeilaufen.

Auf der anderen Seite fände ich eine Gesellschaft fast schon unmenschlich, in der Solidarität nur noch vom Staat organisiert ist und nicht einer dem anderen hilft und gibt. Auch ohne Bedürftigkeitsprüfung.

Das heutige Losungswort schlägt eine Brücke zum vergangenen Montag, wo es schon einmal um Arme ging. Heute heißt es: Ich gebiete dir und sage, dass du deine Hand auftust deinem Bruder, der bedrängt und arm ist (5. Mose 15,11).

Diesem Wort zur Seite gestellt ist ein weiteres aus dem Neuen Testament: Macht auch ihr euer Herz weit (2. Korinther 6,13).

Offene Hände, weite Herzen.

Natürlich werde ich mir weiterhin Gedanken machen, wem ich was spende. Aber im Zweifelsfall möchte ich nicht engherzig sein und meine Hände lieber ein bisschen zu viel öffnen als zu wenig.

Freitag, 24. Oktober 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Freitag, dem 24. Oktober 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

in vielen Jugendkreisen im frommen Erzgebirge gab es und gibt es ein Ritual, mit dem jeder Jugendabend endet. Die Teilnehmer stellen sich im Kreis auf, reichen sich die gekreuzten Hände und sprechen gemeinsam: „Schließet die Reih’n, treu lasst uns sein. Trifft uns auch Spott, treu unserm Gott.“

Entstanden ist dieses Ritual wohl in den Zeiten der kommunistischen Diktatur. In den 1950-er Jahren wurde die Junge Gemeinde zeitweise als Agentenorganisation der USA verfolgt. Einzelne Jugendliche wurden verhaftet, unter Druck gesetzt, sich zu distanzieren, sich zum Sozialismus zu bekennen, Freunde zu verraten.

„Schließet die Reih’n, treu lasst uns sein.“ – Das gab Kraft und Halt in schwerer Zeit.

In späteren Jahrzehnten wurden christliche Jugendliche immer wieder als dumm, zurückgeblieben und unzuverlässig hingestellt; sie durften nicht an die Oberschule – sprich: Gymnasium – gehen, bekamen nicht die gewünschten Lehrstellen oder keinen Studienplatz.

„Trifft uns auch Spott, treu unserm Gott.” – Das war Halt und Hoffnung: Es geht um mehr, als um das Ansehen und die Karriere in der sozialistischen Gesellschaft. Es geht um die Treue: zu Gott, zu sich selbst, und zu denen, denen man im Glauben verbunden war.

Es war nie leicht zu einer Minderheit zu gehören, nicht mit dem Strom zu schwimmen, nicht mitzumachen bei dem, was alle machen.

Auch heute kannst du als überzeugter Christ auf Unverständnis, Ablehnung und Spott stoßen. Denn eine gottvergessene Gleichgültigkeit auf der einen  und eine militante Kirchenfeindlichkeit auf der anderen Seite sind schon lange Realität unter uns.

Da ist es gut, wenn sich auch heute noch Jugendliche die Hände reichen und miteinander sprechen: „Schließet die Reih’n, treu lasst uns sein. Trifft uns auch Spott, treu unserm Gott!“

Das heutige Losungswort aus dem Buch Josua (23,8) sagt: Haltet dem Herrn, euerm Gott, die Treue, so wie ihr es bisher getan habt.

Donnerstag, 23. Oktober 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Donnerstag, dem 23. Oktober 2014

Guten Morgen, lieber Hörer,

gestern habe ich vom Anrufen gesprochen, vom Anrufen des Herrn. Ich habe gesagt, dass es mit unserem Beten manchmal so ist, als würden wir auf einen Anrufbeantworter sprechen und nicht genau wissen, ob der überhaupt abgehört wird und der Angerufene auch zurückruft.

Ein altes Thema.

Das heutige Losungswort ist ein Diskussionsbeitrag dazu aus dem Alten Testament. Da sagt einer: Warum willst du mit Gott hadern, weil er  auf Menschenworte nicht Antwort gibt? Denn auf eine Weise redet Gott und auf eine zweite; nur beachtet man’s nicht (Hiob 33,13+14).

Ja, man muss schon drauf achten, ob und wann und wie Gott unsere Anrufe beantwortet. Vielleicht haben wir ja – im übertragenen Sinne – den Klingelton auf Stumm gestellt. Wir brauchen Aufmerksamkeit für Gott, Achtsamkeit.

Denn Gott spricht zu uns höchst selten mit einer lauten Stimme vom Himmel. Oft aber spricht er mit sehr leiser Stimme in unserem Herzen.
Vielleicht in unseren Träumen: Was sagen sie uns?
Vielleicht durch unseren Körper: Unwohlsein und Schmerzen können uns aufmerksam machen, dass in unserem Leben etwas nicht stimmt.
Oder aber – und das geschieht wohl am häufigsten – spricht Gott zu uns durch den Mund von Menschen: Menschen, die für uns zu Boten Gottes werden, zu Engeln. Die müssen das gar nicht wissen, dass sie in diesem Moment Gottes Boten sind; Hauptsache Gott weiß es, und du verstehst seine Botschaft.

Gott redet, nur beachtet man’s nicht. – So ist das wohl oft bei uns. Leider.
Gott redet, und man beachtet es auch. – Wunderbar, wenn das so ist!
Manchmal aber, manchmal ist es auch so, dass Gott tatsächlich schweigt. Nicht redet. Nicht antwortet. Stumm bleibt. Und wir wissen nicht warum. – Das ist die größte Herausforderung für den Glauben.

Ich bin aber überzeugt, dass Gott nicht für immer schweigen wird.

Bleiben wir aufmerksam dafür, wenn er wieder bei uns anruft!

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Mittwoch, dem 22. Oktober 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

wer hatte das erste Telefon der Welt? – Wahrscheinlich der Richter Samuel im Alten Testament, denn er sagte – so steht es geschrieben: Ich will den Herrn anrufen (1. Samuel 12, 17).

Seitdem haben viele den Herrn angerufen. Und in manchen Fürbittgebeten im Gottesdienst heißt es auch heute noch: „Lasst uns den Herrn anrufen!“

Schon im Kindergottesdienst habe ich die Telefonnummer Gottes gelernt: 50 15. Damals gab es halt noch vierstellige Telefonnummern.

Wieso 50 15? – Weil es in Psalm 50, Vers 15 heißt: Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten und du sollst mich preisen.

Jetzt habe ich gelernt, dass Gott auch noch eine zweite Nummer hat, die 91 15. Denn in Psalm 91, Vers 15 heißt es: Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören. – Genau dieser Vers ist das Losungswort für den heutigen Tag.

Den Herrn anrufen – natürlich hat Samuel das nicht mit dem Telefon gemacht. Und wenn es in der Kirche heißt: „Lasst uns den Herrn anrufen!“, dann zücken wir nicht unsere Handys, sondern sprechen gemeinsam: „Herr, erbarme dich!“

Das Wort anrufen ist halt schon ein bisschen älter als das Telefon, und ist erst vor 120 Jahren oder so zum Spezialausdruck fürs Telefonieren geworden.

Aber zu Gott zu rufen, den Herrn anzurufen, das kann man ja wirklich mit einem Telefonanruf vergleichen: Der Gesprächspartner ist nicht zu sehen, und wenn wir ihn anrufen, dann wissen wir nicht, ob er rangeht und was er antwortet, wenn er rangeht.

Das mag ein Grund sein, warum viele von uns so selten bei Gott anrufen.

Oder sie haben das Gefühl, sie sprechen nur auf die Mailbox, und es ist keiner da, der sie abhört und zurückruft.

Ich muss sagen: Ich habe schon manchmal erlebt, wie Gott zurückgerufen hat. Immer, wenn ich dringend auf eine Antwort von ihm gewartet habe, ist sie auch gekommen. Ich musste natürlich auch drauf achten, damit ich es nicht verpasse, wenn er bei mir anklingelt.

Jedenfalls hat er das versprochen: Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören.

Dienstag, 21. Oktober 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Dienstag, dem 21. Oktober 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

wann haben Sie das letzte Mal gebeichtet?

Ja, Sie haben richtig gehört, ich habe Sie nach der Beichte gefragt; und, ja, ich bin evangelischer Pfarrer.

Immer wieder treffe ich auf die Meinung, in der evangelischen Kirche gäbe es keine Beichte. Und immer wieder sage ich dann: Das stimmt nicht. – Was es in der evangelischen Kirche nicht mehr gibt, ist die Pflicht zur Beichte.

Wahrscheinlich ist das gut so, denn wir wissen oder ahnen, was für Schaden von Beichtstühlen ausgegangen ist: Machtmissbrauch und Manipulation, Angst und Verwirrung, Verletzungen der Seele statt Seelenheil.

Wie viele katholische Christen gehen seit Jahrzehnten nicht mehr zur Beichte, obwohl sie es müssten?

Ich habe doch nicht gesündigt; warum sollte ich zur Beichte gehen?, fragte mich eine kirchenkritische Katholikin?

Vielleicht weil du doch gesündigt hast? Weil kein Mensch frei ist von Schuld und Versagen, und weil es gut tut, im geschützten Raum über seine Schwächen zu sprechen und es verbindlich gesagt zu bekommen: Du bist trotzdem geliebt und angenommen – von Gott. Er vergibt dir. Er hilft dir gutzumachen, was schlecht ist. Er hilft dir, es das nächste Mal besser zu machen.

Das ist der gute Sinn der Beichte. Wenn sie frei und ohne Zwang angeboten wird.

Jedesmal, wenn ich als Seelsorger einem Menschen helfen durfte seine Schuld vor Gott auszusprechen und ich ihm Gottes Vergebung zusprechen durfte, war das für denjenigen eine bewegende und befreiende Erfahrung. Aus Tränen über eigene Schuld wurden Tränen der Erleichterung und Erlösung. So kann eine gute Beichte sein.

Im Psalm 32 berichtet einer, wie er das erlebt hat: Ich sprach: Ich will dem Herrn meine Übertretungen bekennen; da vergabst du mir die Schuld meiner Sünde.

Gott möchte, dass wir frei und unbelastet durchs Leben gehen. Dazu hilft manchmal auch eine Beichte – beim Pfarrer oder einem Christenmenschen des Vertrauens.

Wann haben Sie das letzte Mal gebeichtet?

Montag, 20. Oktober 2014

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Montag, dem 20. Oktober 2014

Guten Morgen, liebe Hörer,

Jesus sagt: “Selig seid ihr Armen, denn das Reich Gottes ist euer.”
Ich grüße Sie mit diesem Losungswort für den heutigen Tag.

“Selig seid ihr Armen!”

Wer ist eigentlich arm? – Wer über weniger als die Hälfte des Durschnittseinkommens verfügt? – Eine geniale Definition, denn so wird es immer Arme geben. Das hat Jesus übrigens auch gesagt: “Arme habt ihr allezeit bei euch.”

Oder ist in Wahrheit arm, wer weniger als 1 Euro pro Tag zum Leben hat? – Auch das eine Definition von Armut – eine etwas bessere vielleicht. Aber wer ist dann noch arm bei uns?
Oder aber hat Armut gar nicht nur mit Geld und Einkommen zu tun?

Es gibt viele Formen von Armut:

Kinderarmut – und ich frage mich: Ist damit gemeint, dass Kinder zu wenig zum Leben haben oder dass Menschen zu wenig Kinder haben?

Energiearmut – ein sehr junges Wort, und es bedeutet nicht, dass es zu wenig Energie gibt, sondern dass es Menschen gibt, die ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen können, weil die Energie zu teuer wird; auf der anderen Seite verdienen diejenigen daran, die eigene Häuser, Scheunen oder Land besitzen, um dort subventionierte Solarzellen zu installieren? – Umverteilung von Arm nach Reich im Namen der Ökologie. Irgendwas stimmt da nicht mehr.

Ich sehe Menschen, die obdachlos in unseren Straßen oder am Strand leben: Selbst gewollt oder selbst verschuldet? - Schwer zu sagen. Auf jeden Fall: arm.

Ich sehe Menschen, die an ihnen vorbeigehen, hilflos im wahrsten Sinne des Wortes: arm an Mitgefühl oder auch arm an Möglichkeiten, wirklich zu helfen.

Manchmal treffe ich Menschen, die sind arm im Glauben: “Ich kann nicht an Gott glauben”, sagen sie, “der hilft mir sowieso nicht”. – Auch das ist eine Form von Armut: Glaubensarmut. Und die nimmt mächtig zu.

Wenn Jesus sagt: “Selig seid ihr Armen”, dann sind nicht nur die anderen gemeint, sondern wahrscheinlich auch Sie und ich. In irgendeiner Hinsicht sind wir alle arm. Und vor Gott sowieso.
Selbst Martin Luther hat auf dem Sterbebett gesagt: “Wir sind Bettler, das ist wahr.”

Und Jesus sagt: “Macht nichts. Wenn ihr wisst, dass ihr arm seid - arm an Reichtum, Macht, Schönheit und Intelligenz, oder arm an Glauben, Hoffnung und Liebe, dann seid ihr wenigstens reich an Einsicht. Reich bei Gott. Glücklich seid ihr!”