Sonntag, 17. Juli 2011

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Sonntag, dem 17. Juli 2011

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

wofür leben wir? Was macht das Leben lebenswert? Was sind echte Lebenswerte? – Diesen Fragen bin ich mit Ihnen in den vergangenen Tagen nachgegangen. Gesundheit, Geld, Familie, Umwelt, Leben – das waren meine Themen. Man könnte die Reihe noch eine Weile fortsetzen: Heimat, Glück, Toleranz standen noch auf meiner Liste. Ich habe mich zum Abschluss der Reihe für einen anderen Wert entschieden: Freiheit.

Denn Freiheit steht auf meiner persönlichen Werteskala ganz weit oben.

Wahrscheinlich hängt das auch mit meiner Biographie zusammen. Ich bin in dem Teil Deutschlands aufgewachsen, wo die Freiheit des einzelnen nichts galt und der gesellschaftliche Zwang alles war. Damit konnte man leben, so lange man sich angepasst hat. Wenn man aber eine andere als die offizielle Meinung vertrat, weil man z. B. wie ich als Christ andere Überzeugungen hatte, oder wenn man einen Lebensstil pflegte, der dem Staat nicht passte, wenn man mit einem eigenen Geschäft Geld verdienen wollte, oder wenn man einfach auf Reisen gehen wollte in westliche Richtung, dann stieß man schnell an harte Grenzen.

“Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit”, hieß es unter Berufung auf einen großen Philosophen, aber was notwendig war, das bestimmten andere.

Ich bin unendlich dankbar, das ich seit über zwanzig Jahren in einem Teil der Welt lebe, wo ich frei bin, zu tun und zu lassen, was ich will, zu denken und zu glauben, was ich für richtig halte, zu sagen und zu schreiben, was mir wichtig erscheint.

Zur Freiheit gehört auch, Fehler machen zu dürfen oder scheitern zu können. Nicht jeder verbringt sein Leben sinnvoll, nicht jeder hat Erfolg, nicht jeder kommt auf kluge und richtige Gedanken. Aber niemand schreibt mir vor, wie ich zu leben habe. Ich habe es für mich selber entschieden. Und: Ich habe es selber zu verantworten. Das gehört nämlich unbedingt zur Freiheit dazu: Ich bin für mein Leben selber verantwortlich. Kein Staat und keine Kirche kann mir das abnehmen.

Gott hat den Menschen frei geschaffen. Er zwingt ihn nicht. Auch nicht zu seinem Glück. Er möchte, dass der Mensch sein Leben in Freiheit gestaltet, so dass es lebenswert ist.


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Samstag, 16. Juli 2011

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Samstag, dem 16. Juli 2011

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

wenn wir von Lebenswerten reden, dann ist der Gedanke nahe liegend: Hat das Leben nicht einen Wert an sich? Ist das nicht die Hauptsache für uns: Einfach Leben?

Wir tun fast alles, um unser Leben zu bewahren, um am Leben zu bleiben. Es gibt nichts Bedrohlicheres als das Lebensbedrohliche, als die Bedrohung unseres Lebens.

Und das gilt nicht nur für unser eigenes Leben. Es ist selbstverständlich, dass wir uns auch für das Leben anderer einsetzen. Mancher wird zum Lebensretter, nicht weil er von Natur aus ein besonderer Held ist, sondern weil es in unserer Natur liegt, dass wir unserem Mitmenschen, auch dem fremden Mitmenschen das Leben bewahren wollen.

Ja, das Leben hat einen Wert an sich, es ist wertvoll in sich selber. Wir nennen diesen Wert des menschlichen Lebens auch Menschenwürde.

Um so mehr beunruhigt es mich, wenn immer mehr Menschen sagen: Ein Leben unter bestimmten schwierigen Bedingungen sei nicht mehr lebenswert oder nicht mehr menschenwürdig: ein Leben mit unheilbaren Schmerzen, ein Leben an medizinischen Apparaten z.B. Menschen unter solchen Lebensbedingungen dürfte man zum Sterben verhelfen, sagen manche. – Ich frage mich: Gibt es das wirklich – lebensunwertes Leben?

Und ich frage mich auch, wenn das Leben an sich selber so wertvoll ist: Wer gibt Menschen das Recht über das Leben eines anderen zu entscheiden, über das Leben eines Menschen etwa, der im Mutterleib heranwächst, um geboren zu werden, und der womöglich doch in der Gefahr schwebt, zuvor getötet zu werden?

Ich frage mich, warum das Wort “Lebensschützer”, das für Gegner von Abtreibung und Sterbehilfe gebraucht wird, in unserer Gesellschaft einen schlechteren Klang hat als etwa das Wort “Umweltschützer”. Ist der Mensch selber weniger schützenswert als seine Umwelt?

Ich bin der Meinung: Das Leben ist Gottes Gabe und Aufgabe an uns. Und niemand hat das Recht, sich oder anderen das Leben zu nehmen.


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Freitag, 15. Juli 2011

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Freitag, dem 15. Juli 2011

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

für ein lebenswertes Leben brauchen wir eine möglichst saubere und gesunde Umwelt. Das lernt heute jedes Kind im Kindergarten.

Umweltschutz war spätestens seit den 70-er Jahren ein großes Thema. Wenn die Luft in der Nähe der Chemiefabrik stank, wenn das Atmen in den Städten schwer wurde, wenn wir in unseren Flüssen nicht mehr baden und keine Fische mehr angeln konnten, wenn die Bäume im Gebirge kahl und abgestorben in den Himmel ragten, dann wussten wir, dass das nicht gut ist, dass wir auf diese Weise unsere Gesundheit, unsere Lebensqualität kaputt machen. Dass es so nicht einfach weitergehen konnte, war bald klar. Seitdem hat sich viel getan: Filtertechnik wurde in Schornsteine und Autos eingebaut. Es stinkt nicht mehr, nicht mal neben dem Chemiewerk und an viel befahrenen Straßen. In den meisten Flüssen kann man wieder baden und angeln. Und das Waldsterben ist Geschichte. Umweltschutz ist eine Erfolgsgeschichte.

Merkwürdigerweise wird das selten so wahrgenommen. Umweltschützer tun so, als wäre unser Leben auf der Erde gefährdet wie nie zuvor. Die Klimakatastrophe wird an die Wand gemalt, obwohl es bis heute zweifelhaft ist, ob der Mensch überhaupt einen merklichen Einfluss auf das Klima hat – immerhin hat sich das Klima schon immer gewandelt, und immerhin ist es seit ca. 12 Jahren nicht mehr wärmer geworden. Die Atomkatastrophe wird an die Wand gemalt, obwohl nicht mal der GAU von Fukushima auch nur ein Menschenleben gefordert hat.

Mein Eindruck ist, dass für manche der Umweltschutz eine geradezu religiöse Bedeutung bekommen hat. Unserer Umwelt geht es zwar eigentlich gut, aber wir müssen immer mehr tun, immer mehr investieren – auch Geld und Lebensqualität –, um nur ja unsere Umwelt zu schützen und zu bewahren.

Wer christlich klingen möchte, spricht dann auch gerne von der “Bewahrung der Schöpfung”. Ich frage mich: Übernehmen wir uns damit nicht ein bisschen? In der Bibel verspricht Gott, dass er seine Schöpfung bewahren will. Die ganze Welt retten, das schaffen wir nicht. Aber Gott. Das ist mein Glaube als Christ.

Fazit: Eine saubere und gesunde Umwelt ist gut und wertvoll. Dass wir es uns schlechter gehen lassen müssen, damit es der Umwelt besser geht, das glaube ich nicht.


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Donnerstag, 14. Juli 2011

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Donnerstag, dem 14. Juli 2011

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

bei Geburtstagen, vor allem bei runden Geburtstagen, manchmal auch bei Todesfällen kommt sie zusammen: die Familie. Eltern, Großeltern, Kinder, Enkel, Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen. Auch wenn wir zum Teil lange nichts voneinander gehört haben, wir spüren es bei solchen Feiern: Wir gehören zusammen. Wir kennen einander. Manche kennen sich auch allzu gut, so dass alte Konflikte leicht wieder aufflammen. Aber das ist nicht das Wichtigste. Wichtig ist: Wir sind Familie.

Ich staune über manche ausgedehnte Verwandtschaft, wo bei solchen Gelegenheiten leicht 60 oder 80 Leute zusammenkommen. Ich bedauere andere, die vielleicht als Einzelkinder von Einzelkindern aufgewachsen sind und die sich nicht mit Geschwistern, Onkeln und Cousinen treffen können.

Das Familienbild hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Politische Parteien erklären: “Familie ist, wo Kinder sind”. Dann ist auch die alleinerziehende Mutter mit Kind Familie. Oder das schwule Paar mit Kind. Vielleicht sogar die Kindergartengruppe?

Inzwischen werden Schulbücher daraufhin durchgesehen, dass da nicht nur die klassische Familie mit zwei Elternteilen und Geschwistern vorkommt, sondern möglichst auch andere “Formen des Zusammenlebens”, wie man das leicht geschraubt ausdrückt.

Ich frage mich, ob das gut ist so. Auch wenn es das alles gibt, auch wenn das klassische Familienmodell nicht immer funktioniert, ist es nicht eigentlich doch immer noch das Beste? Hat nicht jedes Kind, ja jeder Mensch die Sehnsucht nach der heilen Familie, wo Eheleute beieinander bleiben, wo Eltern gemeinsam für ihre Kinder da sind? Was ist so verkehrt an heiler Welt?

Ich wünsche mir, dass es möglichst viele heile Familien gibt. Familien, in denen sich Kinder geborgen fühlen können. Familien, in denen man auch nach Jahrzehnten zusammensteht. Ich wünsche mir, dass wir so viel wie möglich dafür tun, damit wir das Miteinander auch durchhalten, für das wir uns einmal entschieden haben oder in das wir hineingeboren wurden: das Miteinander von Eheleuten, das Miteinander in der Familie. Denn eine heile Familie ist ein hoher Wert.

Vielleicht merken wir etwas davon beim nächsten Familientreffen.


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Mittwoch, 13. Juli 2011

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Mittwoch, dem 13. Juli 2011

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

“Lieber reich und gesund als arm und krank”. Da wird wohl jeder zustimmen. Neben der Gesundheit ist das Geld einer der wichtigsten Lebenswerte.

Sie werden jetzt erwarten, dass ich das kritisiere. Aber vorher möchte ich Ihnen auch sagen, warum Geld so eine tolle Sache ist.

Wenn wir von Werten reden, reden wir indirekt meistens auch über Geld. Was mir eine Sache wert ist, kann ich daran bemessen, wie viel Geld ich bereit bin, dafür auszugeben. Und da finde ich es, nebenbei gesagt, schon bemerkenswert, für wie viele Leute das Geld z.B. ein Argument ist, aus der Kirche auszutreten. Denen ist die Mitgliedschaft in der christlichen Kirche eben nicht mehr wert als die Euros, die sie an der Kirchensteuer sparen können.

Wie gesagt: Geld ist eine tolle Sache, denn Geld ist ein Maß meiner Möglichkeiten, und es gilt überall. Für Geld bekomme ich fast alles, denn jeder nimmt Geld, weil er für Geld auch wieder fast alles bekommt. Geld gibt mir Unabhängigkeit, Freiheit. Ich kann selber entscheiden, was ich damit tue: Ich kann mir etwas kaufen. Ich kann verreisen. Ich kann investieren. Ich kann spenden. Je mehr Geld mir zur Verfügung steht, um so größer ist meine Freiheit. Und das kann nicht schlecht sein.

Trotzdem hat das Geld einen schlechten Ruf. Jesus spricht vom “ungerechten Mammon”. Und er stellt uns vor die Alternative, ob wir Gott dienen wollen oder dem Mammon.

Geld wird – so verstehe ich das – zum Götzen, zum Gottesersatz, wenn wir das Geld um seiner selbst willen lieben. Dagobert Duck, der täglich im Geld badet und doch keinen Cent ausgeben mag, ist das Musterbeispiel für solche falsche Geldverehrung. Geld, das ich horte, das ich nur als Geld haben will, das zum Zweck an sich wird und nicht mehr nur ein Mittel ist, um mir damit etwas Lebensqualität, Lebenswert einzutauschen, das ist ein toter Götze. Wenn ich es nur behalten will und nicht ausgeben mag, dann macht es mich unfrei, dann werde ich sein Knecht.

Geld ist kein Lebenswert an sich. Aber es kann mir dabei helfen, dass mein Leben und auch das Leben anderer lebenswerter wird.


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Dienstag, 12. Juli 2011

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Dienstag, dem 12. Juli 2011


Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

“Ich wünsche Ihnen vor allem Gesundheit!” – Auf diesen Glückwunsch erhalten wir ziemlich zuverlässig die Antwort: “Ja, Gesundheit ist das wichtigste.” Gesundheit ist für uns alle ein sehr hohes Gut. Gesundheit hat einen hohen Wert. Für unsere Gesundheit tun wir viel, fast alles.

Als ich vor ein paar Wochen ernsthaft krank wurde, ließ mir jemand ein Buch zukommen mit dem schönen Titel “Gesund für immer”. Das heißt, schön fand ich diesen Titel von Anfang an nicht. Er hat mich abgestoßen, denn er nährt eine Illusion: die Illusion, es könnte ein Leben ohne Krankheit, ohne Schmerzen, ohne Leiden geben, ewige Gesundheit eben. Als könnte ich von mir aus jede Krankheit vermeiden allein durch gesundes Leben.

Gewiss, man kann einiges für seine Gesundheit tun, genauer gesagt: Man kann gewisse Krankheitsrisiken senken. Zum Beispiel dadurch, dass man nicht raucht, sich ausreichend bewegt und vernünftig ernährt.

Trotzdem gibt es keine Garantie auf Gesundheit. Wenn ich an mich denke, so wäre ich ohne gute Ärzte und ohne die Kenntnisse der modernen Medizin schon vier oder fünfmal gestorben.

Und trotzdem bin ich nicht der Meinung, dass Gesundheit das höchste Gut ist. Ich kenne Menschen, die im Rollstuhl sitzen, die an Parkinson leiden oder an anderen schweren, ja unheilbaren Krankheiten und die trotzdem ein lebenswertes Leben führen. Die nicht darauf fixiert sind, wie schlecht es ihnen geht, und dass ohne Gesundheit alles nichts ist, Menschen, die vielmehr Lebensfreude, Lebenslust ausstrahlen, weil Gesundheit für sie nicht alles ist.

Ja, Gesundheit ist ein hohes Gut. Das erkennen wir Christen auch daran, dass von Jesus so viele Krankenheilungen berichtet werden. Und dennoch: Jeder, der irgendwann von Krankheit geheilt wurde, jeder, auch wenn er noch so lange gesund gelebt hat, jeder muss irgendwann sterben.

Langes Leben in Gesundheit ist eben noch lange nicht ewiges Leben.

So gesehen: Wäre es nicht ratsamer, uns mehr Gedanken um das ewige Leben zu machen als um die immer währende Gesundheit? – Für mich ist Gesundheit wichtig, aber das höchste Gut ist sie nicht.


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Montag, 11. Juli 2011

Zündfunke (Rundfunkandacht) am Montag, dem 11. Juli 2011


Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer,

wofür leben Sie eigentlich? – Zugegeben, eine solche Frage am Montagmorgen ist eine ganz schöne Zumutung. Ich würde auch, ehrlich gesagt, von niemandem erwarten, dass er mir auf Anhieb sagen kann, was für ihn der Sinn des Lebens ist.

Aber ich vermute, jeder von uns hat bestimmte Ziele. Das können große Ziele sein, eine Karriere, ein Lebensplan. Das können kleine Ziele sein: das, was ich mir für den heutigen Tag vornehme. Dafür lebe ich: für die großen und kleinen Ziele, die ich erreichen möchte.

Und jeder hat bestimmte Werte, Lebenswerte. Ich meine damit das, was es mir wert ist, dass ich dafür lebe.
Ich möchte in dieser Woche mit Ihnen über verschiedene Lebenswerte nachdenken. Denn, so höre ich es immer wieder, das ist ja unsere Aufgabe als Kirche, Werte zu vermitteln.

Werte können sehr verschieden sein: Der Wert von Wertpapieren oder von Immobilien. Oder das hohe Gut Gesundheit, das mir viel wert ist. Liebe und Geborgenheit in der Familie. Oder meine persönliche Freiheit. Alles das können Lebenswerte sein.

Welche Werte sind die wahren Werte?

Ich musste an ein Gedicht von Eva Strittmatter denken. Es heißt auch: Werte.

Die guten Dinge des Lebens
sind alle kostenlos:
die Luft, das Wasser, die Liebe.
Wie machen wir das bloß,
das Leben für teuer zu halten,
wenn die Hauptsachen kostenlos sind?
Das kommt vom frühen Erkalten.
Wir genossen nur damals als Kind
die Luft nach ihrem Werte
und Wasser als Lebensgewinn,
und Liebe, die unbegehrte,
nahmen wir herzleicht hin.
Nur selten noch atmen wir richtig
und atmen die Zeit mit ein,
wir leben eilig und wichtig
und trinken statt Wasser Wein.
Und aus der Liebe machen
wir eine Pflicht und Last.

Und das Leben kommt dem zu teuer,
der es zu billig auffasst.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie für sich die lebenswerten Lebenswerte gefunden haben oder noch finden werden.

Montag, 4. Juli 2011

Predigt vom 3. Juli 2011 (2. Sonntag nach Trinitatis)

Gekürzte und überarbeitete Fassung einer Predigt von 2005

Jesus redete in Gleichnissen und sprach: Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. Und er sandte seine Knechte aus, die Gäste zur Hochzeit zu laden; doch sie wollten nicht kommen. Abermals sandte er andere Knechte aus und sprach: "Sagt den Gästen: 'Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit!'" Aber sie verachteten das und gingen weg, einer auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft. Einige aber ergriffen seine Knechte, verhöhnten und töteten sie. Da wurde der König zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an.
Dann sprach er zu seinen Knechten: "Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Gäste waren's nicht wert. Darum geht hinaus auf die Straßen und ladet zur Hochzeit ein, wen ihr findet." Und die Knechte gingen auf die Straßen hinaus und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute; und die Tische wurden alle voll.
Da ging der König hinein, sich die Gäste anzusehen, und sah da einen Menschen, der hatte kein hochzeitliches Gewand an, und sprach zu ihm: "Freund, wie bist du hier hereingekommen und hast doch kein hochzeitliches Gewand an?" Er aber verstummte. Da sprach der König zu seinen Dienern: "Bindet ihm die Hände und Füße und werft ihn in die Finsternis hinaus! Da wird Heulen und Zähneklappern sein." Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.
Matthäus 22, 1-14

Liebe Gemeinde,

Frohbotschaft oder Drohbotschaft. Gottes Einladung an alle, so weit nur Straßen führen, oder Gottes Gericht über die, die seine Einladung ausschlagen. Das große Hochzeitsfest des Königssohns Jesus Christus oder der Rausschmiss dessen, der nicht rein passt. Reich Gottes oder Heulen und Zähneklappern. Himmel oder Hölle. – Ein „schreckliches Evangelium“ fand Luther. Aber eben doch Evangelium.

Die Frohbotschaft: Viele sind berufen! – Die Drohbotschaft: Nur wenige sind auserwählt!

Der Vorwurf wird uns gerne gemacht: Die Kirche hätte aus der Frohbotschaft Jesu eine Drohbotschaft gemacht. Richtig ist – und das bekommen wir nicht wegdiskutiert –: Jesu Botschaft enthält auch die Drohung des Gerichts und des ewigen Verlorenseins. – Aber eben auch. Sie steht nicht für sich, diese Drohbotschaft. Das Eigentliche ist das Evangelium, ist die Frohbotschaft, das Reich Gottes, der Himmel, das ewige Leben.
Und: Es ist diese Frohbotschaft selbst, die sich für einige in eine Drohbotschaft verwandelt. Das ist, wie man so sagt, die andere Seite der Medaille.

Stell dir vor, es ist Reich Gottes, und keiner geht hin! Stell dir vor, der Himmel steht offen, und keiner will hinein!

Du bist eingeladen zu einer Hochzeitsfeier. Nicht irgendeiner Hochzeit, sondern der Hochzeit, der königlichen Hochzeit. So einer, wie sie erst vor ein paar Wochen in England oder gestern in Monaco zu erleben war. Zu so einer Hochzeit ist normalerweise nur eine auserwählte Schar von Prominenten und Ehrengästen eingeladen; die Öffentlichkeit wird durch Sperrgitter und Polizei abgeschirmt. Und nun, stell dir vor, bist du selber einer von den auserwählten Ehrengästen. Warum eigentlich? Womit hast du das verdient? – Du weißt es selber nicht.

Folgst du dieser Einladung oder schlägst du sie aus?

Jesus erzählt von Leuten, die so eine Einladung ausschlagen. Sie haben Wichtigeres zu tun: Der eine geht auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft. Zu viel zu tun. Die Arbeit darf nicht liegen bleiben. Gerade jetzt muss das Feld bestellt werden. Gerade jetzt habe ich einen wichtigen Auftrag an Land ziehen können. Gerade jetzt muss ich die Termine einhalten. Wir können das fortsetzen: Gerade jetzt brauche ich mal Zeit für meine Familie. Gerade jetzt habe ich einen Urlaubsplatz. Gerade jetzt habe ich mal ein paar Stunden, die ich in meinem Hobbykeller verbringen kann … – Schade eigentlich, aber es gibt Wichtigeres als eine Hochzeitsfeier. – Komisch nur, dass das bei allen geladenen Gästen so ist. – Alle sagen sie ab.

Es könnte übrigens noch einen triftigen Grund geben, der Einladung nicht zu folgen: Vielleicht passt mir jemand Bestimmtes nicht, der auch mit eingeladen ist. Ihm möchte ich nicht begegnen; mit ihm möchte ich nicht am selben Tisch Platz nehmen müssen.

Stell dir vor, es ist Reich Gottes und keiner geht hin! Es gibt Wichtigeres als das Himmelreich.

So sieht sie aus, die Rückseite der Medaille. Gottes lädt ein, und keiner kommt. Aber wer nicht kommt, der darf sich dann nicht beschweren, dass er draußen bleibt. Viele sind berufen, und manche schließen sich selber aus.

So sind wir es selber, die aus der Frohbotschaft eine Drohbotschaft machen. Wenn wir uns nicht einladen lassen, dann sind wir irgendwann einfach ausgeladen, ausgeschlossen, haben das Nachsehen.

Gott lädt oft und immer wieder ein zu seinem himmlischen Fest. Seine Boten sind schon lange unterwegs in der Welt. Gott möchte nicht allein sein mit sich selbst. Gott in trauter Dreisamkeit – Vater, Sohn und Heiliger Geist – das ist nicht das Reich Gottes. Das ist nicht die Familienidylle, die Gott sich vorstellt. Er möchte, dass die Tische voll werden. Im Himmel ist Platz genug für alle.

Darum lädt er auch immer wieder ein. Dabei stößt er allzu oft auf die altbekannten Entschuldigungen. Und manchmal auch auf offene Ablehnung und Rebellion. – Wir haben die harten Sätze gehört über diejenigen, die die Knechte des Königs verhöhnt und getötet haben und denen der König in einem Rachefeldzug die Stadt anzündet. – Ja, das ist eine von den Aussagen in diesem Text, die ihn in unseren Ohren zu einem „schrecklichen Evangelium“ machen.

Vielleicht müssen wir auch berücksichtigen, woran Matthäus dachte, als er diese harten Worte aufschrieb: Dass Jesus von den Führern seines eigenen Volkes, Gottes Volkes, abgelehnt, verraten und den Römern zur Kreuzigung übergeben worden war. Dass die jungen christlichen Gemeinden keinen Platz in der jüdischen Gemeinschaft fanden. Dass sich offenbar wiederholte, was in der Geschichte Israels immer wieder geschehen war, dass Gottes Einladung ausgeschlagen worden war. Und dass wenig später, im Jahre 70 n. Chr. die Stadt Jerusalem durch die Römer dem Erdboden gleich gemacht wurde. – Es schien so, dass sich Israel vom Himmelreich ausgeschlossen hatte.

Und dann ergeht im Gleichnis eine neue Einladung: Die Boten des Königs gehen abermals hinaus, bis an die äußersten Enden der Straßen, so weit nur Wege führen, so weit es nur Menschen gibt, und laden sie zur Hochzeit ein: alle, Gute und Böse. – Wir denken an den Auftrag, den Jesus am Ende seines Wirkens auf Erden seinen Boten gegeben hat: Geht hin in alle Welt und macht zu Jüngern alle Völker (Mt 28,19). Gottes Einladung ergeht an alle Welt, an die, die vormals dem Reich Gottes fern waren. Und tatsächlich: Jetzt werden die Tische im Reich Gottes voll. Menschen aus allen Völkern der Welt kommen zu Gottes Fest.

Ich möchte zur Vorsicht mahnen. Es könnte so klingen, als dürften die Christen aus aller Welt sich jetzt als die Auserwählten fühlen und könnten die Juden als die Verworfenen betrachteten: die haben Gottes Einladung abgelehnt, die haben Gottes Sohn getötet, die sind Feinde des Evangeliums, denen darf man die Stadt anzünden. Schlimme Folgen hatte diese Interpretation: von plündernden Kreuzfahrerheeren über Pogrome und brennende Synagogen bis hin zur industriellen Vernichtung der Juden. Und weiter bis zum neuen Antisemitismus, der sich als Kritik am Staat Israel ausgibt. Christlicher Antijudaismus hat leider einen großen Anteil an dieser Geschichte tödlichen Hasses. Und dieses unser Gleichnis hat daran mitgewirkt.

Wir sollten uns heute hüten, diese Anwendung auf das alte Gottesvolk mitzuvollziehen. Es geht nicht darum, wer das ist, der verworfen und ausgeschlossen vom Reich Gottes ist. Es geht darum, dass wir auf uns selber achten, dass wir Gottes Einladung nicht verpassen. Denn das ist die eigentliche Frage: Sind wir drin, oder sind wir draußen, wenn Gottes Fest beginnt?

Liebe Gemeinde, noch einen Haken hat diese Gleichnisgeschichte für uns: Da ist die Rede von einem Hochzeitsgast, der schon dabei ist beim Fest und dann doch wieder rausfliegt, weil er nicht die richtige Hochzeitskleidung trägt. Und wir fragen uns: Wie kann das sein? Da werden Leute unvorbereitet von den Straßen eingeladen und dann werden sie getadelt, nein rausgeschmissen, wenn sie nicht das Richtige anhaben? – Wird die Einladung an Gute und Böse hier nicht konterkariert?

Kann sein, das Bild vom Hochzeitskleid ist nicht so ganz stimmig. Im biblischen Zusammenhang stehen die neuen Kleider, die weißen Kleider für das neue Leben der Christen: für das Leben aus der Taufe. Christen sind erkennbar neue Menschen, bekleidet mit Glauben, Hoffnung und Liebe. – Die Erfahrung zu allen Zeiten aber ist: Nicht alle, die der Einladung in die Gemeinde Jesu gefolgt sind, sind wirkliche Christen, die aus der Taufe leben und Glauben, Hoffnung und Liebe ausstrahlen. Zugehörigkeit zur Kirche ist noch keine Heilsgarantie. Jesus macht das z. B. auch deutlich mit dem Gleichnis vom Unkraut, das mitten zwischen dem Weizen wächst (Matthäus 13, 24-30). Und er macht es deutlich, wenn er sagt: Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel (Matthäus 7, 21). – Eigentlich aber müsste uns schon die Einladung ins Reich Gottes und die Gemeinschaft an den Tischen des Herrn so verändern, dass wir nicht in unseren alten Kleidern losgehen können. Jeder würde doch alles daran setzen, etwas Passendes anzuziehen zu finden, und wenn er es sich borgen müsste. Einfach so loszugehen in Alltagsklamotten, das wäre eine Beleidigung für die Gastgeber.

Manche Ausleger haben darauf hingewiesen, dass es damals zu einer königlichen Hochzeitseinladung dazugehört hat, den Festgästen auch entsprechende Hochzeitskleidung zur Verfügung zu stellen. Wir können unsere alten Kleider, unser Leben, das nur bestimmt ist vom Alltag und von den Sorgen ums tägliche Leben, unser Leben, bei dem wir uns immer wieder dreckig machen, ablegen und neue Hochzeitskleider anziehen. Oder unsere alten Kleider zur Reinigung bei Jesus abgeben. Keiner muss dreckig und zerlumpt ins Reich Gottes kommen. Ja, es sind Gute und Böse eingeladen, Gerechte und Sünder. Aber die Sünder müssen keine Sünder bleiben und die Bösen sollen nicht böse bleiben. Das ist die Vorderseite der Medaille, die Frohbotschaft.

Viele sind berufen. Wir sind berufen. Du bist berufen. Und du bist auch auserwählt, wenn du dich nicht selber der Einladung Gottes verschließt. Amen.