Jeremia 9, 22-23
Liebe Schwestern und Brüder,
„Guck mal, was ich gemalt habe“, so
kommt die kleine Anna angelaufen, und möchte, dass die Oma oder der
Onkel das Bild anschaut und sie lobt. „Guck mal, was ich gebaut
habe“, sagt der kleine Paul und führt dem Papa sein Lego-Fahrzeug
vor. – „Toll!“, sagen wir und freuen uns, wie unsere Kinder
lernen, mit eigener Fantasie und eigenen Fähigkeiten etwas eigenes
zu erschaffen. Sie sind stolz auf sich, und wir sind stolz auf sie.
Wir wissen: Das selbst gemalte Bild oder das selbst gebaute Auto sind
erst ein Anfang. Sie werden noch mehr Gaben und Fähigkeiten
entwickeln und daraus etwas machen im Leben.
So wie wir. Wir kommen nur nicht mehr
ganz so offensichtlich und offensiv daher mit unserem „Guck mal,
was ich geschafft habe!“ Aber eigentlich sind wir schon stolz auf
unsere Leistungen, und wir möchten, dass das auch gesehen und
gewürdigt wird, was wir geschaffen und geschafft haben. Das müssen
gar nicht die großen Statussymbole sein – Haus, Auto und in
unserem Fall: Leben im sonnigen Süden. Es sind ja immer noch die
kleinen Dinge, wo wir es uns und anderen gern beweisen, wie toll wir
sind. Es freut uns doch, wenn der selbst gebackene Kuchen beim
Gemeindefest gelobt wird. Wenn wir beim Preisskat gut abschneiden.
Wenn wir eine gute Idee haben, sie umsetzen und dafür gelobt
werden...
Ich könnte auch konkret von mir
sprechen: Ich freue mich, wenn mir gesagt wird, dass die Predigt gut
war. Oder wie toll es ist, dass ich im Ernstfall auch noch Klavier
oder Orgel spielen kann.
Es ist normal, es ist menschlich: Wir
wollen etwas leisten, wir wollen uns etwas leisten, wir wollen gut
sein und es nach außen zeigen, und wir wollen dafür Lob und
Anerkennung haben.
Das ist für mich – heruntergebrochen
auf unsere normales Leben – das, was die Bibel mit Sich-Rühmen
meint: Stolz auf sich sein und
Anerkennung heischen. Das ganz normale „Guck mal, was ich bin! Guck
mal, was ich kann!“
Und
nun – wir haben es gehört, wir haben es geahnt: Es ist schlecht.
Es ist verkehrt. Wir sollen uns nicht rühmen. Wir sollen nicht stolz
sein. Wir sollen uns nichts einbilden auf das, was wir haben, und
das, was wir draufhaben: Ein Weiser rühme sich nicht
seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein
Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
Mir fällt ein Lied
unseres erzgebirgischen Heimatdichters Anton Günther ein: „Bild dr
nischt ei, bist ner a Mensch, kaast wetter nischt sei.“
Man kann es ja auch
von der anderen Seite her sehen: Leute, die ihre vermeintlichen oder
tatsächlichen Leistungen und Errungenschaften allzu stolz und
offensichtlich präsentieren, sind uns unangenehm: „Mein Haus! Mein
Auto! Meine Yacht! Meine Pferde!“ – Ein Klassiker unter den
Werbespots, weil er so schön mit dem eigentlich tabuisierten und
andererseits doch so beliebten Prahlen und Protzen spielt. Wir wollen
ja alle was vorzuweisen haben. Und doch ist es peinlich, wenn es zu
offensichtlich und offensiv passiert.
Vor allem, ist es
uns unangenehm, wenn ein anderer wirklich mehr vorzuweisen hat, als
wir selber. Dann setzen die Neidreflexe ein: „Boah! Der ist
eingebildet! Der hat doch nur Schwein gehabt! Oder ist Schwein
gewesen...“
Wir merken: Es ist
eine zweischneidige Sache mit dem Sich-Rühmen. Einerseits brauchen
wir es, dass wir etwas vorweisen können. Wir brauchen es, um
Anerkennung zu kriegen. Wir brauchen es für unser Selbstbewusstsein.
Andererseits steht, wer sich rühmt, schnell bei den Angebern,
Großmäulern und Egomanen.
Aber schauen wir
genau hin. Die Bibel hat ja nicht prinzipiell was gegen das
Sich-Rühmen. Gerühmt muss werden, sagt auch der Apostel
Paulus im Neuen Testament (2. Korinther 12, 1). Es kommt nur darauf an, wessen sich
jemand rühmt. Weisheit, Stärke und Reichtum sollten es jedenfalls
nicht sein.
Denn: Ein Weiser,
der sich seiner Weisheit rühmt, ist gerade nicht weise. Wahre
Weisheit präsentiert sich nicht selber, sondern wird von anderen
entdeckt und erkannt.
Ein Starker, der
sich seiner Stärke rühmt, zeigt damit nicht unbedingt Stärke. Es
ist doch meistens besser, unterschätzt zu werden und dann
überraschend seine wahre Stärke auszuspielen, als umgekehrt erst
den starken Max herauszukehren und dann, wenn's drauf ankommt, doch
zu unterliegen.
Und ein Reicher,
der sich seines Reichtums rühmt, ist wahrscheinlich in geistiger
Hinsicht ziemlich arm. Denn Reichtum ist manchmal zwar durchaus
eigener Verdienst, aber kein Wert an sich. Entscheidend ist, ob man
es auch versteht, mit seinem Reichtum sich und andere glücklich zu
machen.
Also: Wer sich
rühmen will, der darf das durchaus tun. Es kommt nur darauf an,
wessen er sich rühmt. Und da fallen in der zweiten Hälfte
unseres kleinen Bibelabschnitts doch schöne Worte: Barmherzigkeit,
Recht und Gerechtigkeit.
Wie wäre das, wenn
wir uns dessen rühmen könnten, dass wir barmherzig sind,
rechtschaffen und gerecht? – Ich glaube, das ist heute eine sehr
beliebte Variante des „Guck mal, wie toll ich bin!“ Ich spende
für arme Kinder in der Dritten Welt oder engagiere mich für den
Tierschutz. Wenn ich eine Fernreise mache, zahle ich etwas dazu,
damit meine CO2-Emission durch neu angepflanzten Regenwald
ausgeglichen wird. Ich esse „bio“, weil das angeblich gesünder
und ökologischer ist. Ich bin gegen Castortransporte – obwohl das
Zeug nun mal da ist und gar nicht besser und sicherer transportiert
und gelagert werden kann. Ich respektiere andere Kulturen – auch
wenn die Angehörigen dieser Kulturen vor unserer Haustür ihre
Frauen unter Kopftüchern verstecken und ihre Kinder
zwangsverheiraten und etwas weiter weg christliche Kirchen anzünden.
Ich klatsche Beifall, wenn jemand vorschlägt, mit den Taliban zu
beten; und ich protestiere, wenn Bundeswehrangehörige in Afghanistan
für Freiheit und Sicherheit vor den Taliban ihr Leben riskieren. –
Ich könnte fortsetzen. Ihr merkt, ich rede von denen, die man gerne
als Gutmenschen bezeichnet, nicht weil sie besonders gut sind,
sondern weil sie sich besonders gut vorkommen. Weil sie sich
für die wahrhaft Barmherzigen, Rechtschaffenen und Gerechten halten
und dabei übersehen, dass die Dinge meistens ein klein wenig
komplizierter sind, als sie meinen.
Auch wer sich
seiner Barmherzigkeit, Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit rühmt,
rühmt sich verkehrt. Auch ihm geht es nur um das „Guck mal, wie
toll ich bin!“ Und wenn dann jemand kommt und sagt: „Ist gar
nicht so toll, was du da machst!“ – wenn er zum Beispiel sagt,
dass „bio“ nachweislich nicht gesünder ist – denn
biologische Gifte – Keime, Bakterien, Viren, Pilze – sind viel
häufiger und in höherem Maße krankmachend als chemische
Pflanzenschutzmittel – man denke nur an die hochinfektiösen
Bio-Sprossen im letzten Jahr –; wenn jemand so was sagt, dann wird
er von denen, die so gerne die Guten sein wollen, ganz schnell in die
böse Ecke gestellt. Denn das kratzt am Selbstbewusstsein, wenn man
gesagt kriegt, dass man gar nicht so toll ist, wie man gerne sein
möchte.
Nein,
Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit sind auch nicht die Dinge,
deren wir uns rühmen sollen. Im guten Sinne sind das ja nichts als
Selbstverständlichkeiten.
Aber es steht ja
auch was anderes da, in unserem Bibelwort: Wer sich rühmen will,
der rühme sich, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR
bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden.
Statt „Guck mal,
wie toll ich bin!“ sollten wir also lieber sagen: „Guck mal, wen
ich Tolles kenne!“ Nämlich Gott!
Das ist ja auch gar
nicht so abwegig: Sich rühmen, stolz darauf sein, dass man jemanden
kennt. Man sonnt sich in dessen Ruhm. Meine Frau war zum Beispiel
stolz darauf, dass sie mit ihrem Schulchor mal beim Bundespräsidenten
eingeladen war – das war noch ein anderer, als der jetzt... Jemand
anderes ist stolz darauf, mal irgendeinem Star die Hand gedrückt zu
haben oder mit einem heutigen Politiker in die Schule gegangen zu
sein. Und manchmal können Beziehungen in höhere Kreise doch auch
sehr hilfreich und angenehm sein.
Nun geht es in der
Bibel aber nicht um irgendwelche Bekanntschaften oder Beziehungen,
sondern es geht um die allerhöchste Bekanntschaft, die wir haben
können, um die allerbeste Beziehung, die es nur geben kann. Es geht
nicht um die Bundeskanzlerin oder den US-Präsidenten oder den Papst.
Es geht um Gott. Es geht um unsere Beziehung zu Gott. Ihn kennen,
Gott kennen, den Schöpfer der Welt – das isses! Darauf können wir
wirklich stolz sein. Dessen sollen wir uns rühmen! Das ist doch
wirklich toll!
Wir, die wir so
stolz sind auf unsere kleinen irdischen Erfolge und Errungenschaften,
wir könnten und sollten viel mehr stolz sein, dass wir den ewigen
Gott kennen. Wir, die wir uns auf unsere moralischen Qualitäten
etwas einbilden, sollten viel mehr Gottes Qualitäten entdecken und
rühmen. Er ist es nämlich, der Barmherzigkeit, Recht und
Gerechtigkeit übt auf Erden. – Ich weiß, hier mögen sich
Fragen und Zweifel melden; über die müssen wir ein anderes Mal
reden. – Für heute möchte ich das festhalten: Gott ist der Höchste
und Beste, der Ewige und Vollkommene. Vor ihm verblasst alles andere.
Er allein ist rühmenswert. Und wenn wir schon meinen, wir müssten
uns selber rühmen, dann doch nur so, dass wir uns Gottes rühmen.
Denn es ist doch
so: Was immer ich bin, was immer ich kann, was immer ich vollbringe,
ich bin es von Gott her, ich kann es von Gott her, ich schaffe es von
Gott her. Er hat mich geschaffen und begabt. Und er gibt sich mir zu
erkennen. Ich kann und darf es wissen: Alles kommt mir von ihm her
zu. Und darum, wenn ich mich rühme, dann rühme ich mich Gottes.
Wenn ich stolz bin, dann darauf, dass Gott mich kennt und beschenkt –
und vor allem: mir die Anerkennung gibt, die ich mir so sehr wünsche.
Stolz darauf sein,
Gott zu kennen – so sollte es doch sein, oder? – Komisch, dass
wir uns so gerne unserer eigenen Qualitäten rühmen, dass wir so
gerne zeigen, was wir selber sind und haben, können und leisten,
aber gleichzeitig so leise und bescheiden werden, wenn es um unseren
Glauben geht, um unser Christsein! Andere wissen so viel von dir: Wo
du wohnst, mit wem du zusammenlebst, was du für ein Auto fährst, wo
du arbeitest oder gearbeitet hast, was deine Hobbys sind und wie du
politisch denkst. Wissen sie auch, dass du Christ bist, dass du an
Gott glaubst und ihn persönlich kennst? – Wenn nicht, dann lass es
sie wissen: „Guck mal, wen ich Tolles kenne!“ Darauf kannst du
doch wirklich stolz sein!
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