Liebe Schwestern und Brüder,
Menschen entdecken
den Glanz Gottes in der Welt. Das ist das Thema von Epiphanias,
diesem Festtag nach Weihnachten, der für uns kaum noch eine
besondere Rolle spielt.
Menschen entdecken
den Glanz Gottes in der Welt. Dazu haben wir beispielhaft die
Weihnachtsgeschichte nach Matthäus gehört, die von den
geheimnisvollen Magiern aus dem Osten erzählt, aus denen dann in der
kirchlichen Überlieferung Heilige drei Könige geworden sind. Dass
sie wirklich Könige waren, ist zu bezweifeln. Und ob es wirklich
drei waren, wissen wir auch nicht. Aber das ist auch nicht so
wichtig. Wichtig ist, dass sie Gottes Glanz in der Welt entdeckt
haben. Zuerst, indem ihnen der Glanz eines Sternes so bedeutungsvoll
wurde, dass sie sich deswegen auf den Weg in ein fernes Land machten.
Dann, indem ihnen Gottes Wort zum Wegweiser nach Bethlehem wurde.
Danach, als ihr Stern über dem Geburtsort Jesu ihnen bestätigte,
was Gottes Wort gesagt hatte, und schließlich, als sie das Kind und
seine Mutter fanden. Vor diesem Kind
fielen sie nieder, sie beteten es an, sie schenkten ihm, was ihnen am
wertvollsten war, weil sie genau dort Gottes Glanz entdeckt hatten,
inmitten der Welt.
In diesem Kind war
Gott selber als Mensch unter den Menschen erschienen. Wie man das
herausbekommt, dass da Gott ist, wie man Gottes Glanz sieht in den
Augen eines neugeborenen Kindes, wie man ergriffen und verwandelt
wird durch ihn, durch Jesus Christus, das ist ein Geheimnis.
Um dieses
Geheimnis, das Weihnachtsgeheimnis Gottes, darum geht es auch dem
Apostel Paulus, wenn er im Brief an die Kolosser, Kapitel 1,
schreibt:
Ich freue mich
in den Leiden, die ich für euch leide, und erstatte an meinem
Fleisch, was an den Leiden Christi noch fehlt, für seinen Leib, das
ist die Gemeinde. Ihr Diener bin ich geworden durch das Amt, das Gott
mir gegeben hat, dass ich euch sein Wort reichlich predigen soll,
nämlich das Geheimnis, das verborgen war seit ewigen Zeiten und
Geschlechtern, nun aber ist es offenbart seinen Heiligen, denen Gott
kundtun wollte, was der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses unter
den Heiden ist, nämlich Christus in euch, die Hoffnung der
Herrlichkeit. Den verkündigen wir und ermahnen alle Menschen und
lehren alle Menschen in aller Weisheit, damit wir einen jeden
Menschen in Christus vollkommen machen. Dafür mühe ich mich auch ab
und ringe in der Kraft dessen, der in mir mächtig ist.
Kolosser 1, 24-29
Das Geheimnis
Gottes, es war verborgen und ist
offenbart worden, sagt der Apostel. Es ist also nicht mehr verborgen.
Es kann entdeckt werden: Gottes Glanz in der Welt. – So wie die
Magier aus dem Osten es entdeckt haben. So wie die Hirten von
Bethlehem es entdeckt haben. So wie es die Jünger und Apostel Jesu
entdeckt haben, die an ihn geglaubt haben und ihm nachgefolgt sind.
So wie der Apostel Paulus es entdeckt hat, als er von Gottes Glanz
überwältigt und verwandelt wurde: vom Saulus zum Paulus.
So wie wir es entdeckt haben, die wir, trotz allem, was dagegen
spricht, an Gottes Geschichte, an Gottes Gegenwart, an Gottes Zukunft
glauben: für uns und für unsere Welt. Irgendwo in unserem Leben ist
dieser Glanz auch erschienen.
Was ist es, dieses Geheimnis Gottes? – Es ist genau das
Geheimnis von Weihnachten: Gott als Mensch unter den Menschen. Gott,
nicht mehr verborgen im Himmel, sondern verborgen im armen Stall.
Verborgen – aber zu entdecken.
Paulus beschreibt dieses Geheimnis mit anderen Worten: Christus in
euch. – Das klingt etwas mystisch. So, als müssten wir nur in
uns gehen, um dort Gott zu entdecken, Christus, von dem auch gesagt
wurde, er müsste nicht nur in Bethlehem, sondern auch in uns geboren
werden. – Wir sollten uns schon klar sein: Der Christus in uns kann
nur der sein, der in Bethlehem geboren wurde: Gott als Mensch unter
den Menschen. Aber eben auch: So nahe ist er uns, wie uns ein Mensch
nur sein kann, wie wir uns selber nur sein können.
Christus in
euch – das dürfen wir nicht
zu eng verstehen. Es heißt auch: Christus, mitten unter
euch – in der Gemeinde, wo
zwei oder drei … – ihr wisst
schon. Es heißt auch: Christus bei euch: Er ist nicht fern
einem jeden von uns. Es heißt
auch: Christus über dir, unter dir, vor dir, hinter dir, neben dir –
der segnende Christus.
Christus in
euch – das ist überall, wo
wir Gottes Glanz entdecken in der Welt.
Paulus
geht es darum, dass Menschen genau das können: Gottes Glanz
entdecken in der Welt. Christus in euch, der nahe Gott,
Gott als Mensch unter Menschen –
das soll kein Geheimnis bleiben für wenige Auserwählte; es soll ein
Geheimnis werden, das alle entdecken sollen, und das trotzdem ein
Geheimnis bleibt.
Ich möchte drei Dinge aus diesem Text entnehmen, die Gegenwart
Gottes bei den Menschen anzeigen:
Das erste: Gott
ist uns nahe, wo Menschen leidenschaftlich füreinander da sind.
Das
nennen wir auch Liebe. –
Leidenschaft ist da, wo ein Mensch für den anderen Leiden, also
Nachteile in Kauf nimmt. Wir erleben das manchmal, wo jemand sich
verliebt und dafür sehr viel, vielleicht seine ganze Lebensplanung
aufs Spiel setzt – oder seine bisherige Liebe samt Familie … Das
ist eine irrationale Leidenschaft, die eher nichts Gutes schafft.
Aber es gibt auch die Leidenschaft, die bewusst und überlegt
verzichtet, nachgibt, opfert. Zum Beispiel gerade da, wo es
andersherum ist, wo einer schwierig gewordenen Beziehung, wo einem
Menschen in Krankheit oder Versagen die Treue zu halten ist.
Solche Leidenschaft ist auch da, wo einer für seinen Glauben an
Jesus Christus Nachteile in Kauf nimmt. Wo er lieber zu seinem Herrn
steht, als bequem und sicher zu leben. – Uns sind solche
Situationen wahrscheinlich recht fern, weil Christsein in unserer
Situation nichts kostet (außer Kirchensteuer oder Gemeindebeitrag).
Aber ich denke an die Christen, die genau um ihres Glaubens willen
verfolgt werden und in Lebensgefahr schweben: in Nordkorea, in
Nigeria, in Ägypten oder im Sudan.
Paulus schreibt von seinem eigenen leidenschaftlichen Einsatz für
die Gemeinde. Er leidet für die Menschen, denen er das Geheimnis
Gottes bekannt machen möchte. Er leidet für den Herrn Jesus
Christus, den er bekannt machen möchte. Und er leidet mit dem Herrn
Jesus Christus, der Gottes Leidenschaft für uns Menschen erlitten
hat.
In dieser Leidenschaft, in dieser Liebe wird Gottes Nähe offenbar.
Das ist schwer zu erklären. Es bleibt ein Geheimnis. Aber es lässt
sich entdecken. – Und wer es entdeckt, der entdeckt im Leiden, im
Opfer, in der Hingabe auf einmal etwas vom Glanz Gottes in der Welt.
– Das ist das Geheimnis des Kreuzes.
Das zweite:
Gott ist uns nahe, wo Menschen Gottes Wort sagen und tun.
Gottes Wort reichlich predigen, will Paulus. Gottes Wort in
seiner Fülle verkündigen, so eine andere Übersetzung. Es
gehört zum Geheimnis Gottes unter uns Menschen, dass er in Worten zu
uns kommt. In den Worten Jesu. Und in den Worten derer, die die Worte
Jesu gehört haben und weiter sagen.
Wir neigen dazu, Worten nicht allzu große Bedeutung beizumessen.
Dabei sind es doch Worte, die das meiste in uns auslösen und
bewegen. Böses Worte können mehr verletzen als Schläge. Lügenworte
können unsere Ehre ruinieren. Aber gute Worte bauen uns auf, machen
uns froh, verändern unser Leben. Denk nur daran, was vielleicht die
Worte „Ich liebe dich“ in deinem Leben einmal ausgelöst und
verändert haben. Denk daran, welche Konsequenz die Worte „Ja, ich
will“ oder „Ja, mit Gottes Hilfe“ haben.
So wirken auch Gottes Worte in unserem Leben. Sie verändern unser
Denken, Fühlen, Handeln und Sein. Sie machen uns zu Gottes Kindern.
Sie machen uns froh und frei. Sie mahnen, sie trösten, sie stärken
uns. – Nicht immer, aber manchmal.
Manchmal sind es die großen Worte von der Kanzel. Manchmal sind es
die kleinen Worte im Gespräch. Und manchmal sind es sogar nur kleine
Gesten, die doch mehr sagen können als Worte: ein Händedruck, eine
Umarmung, ein Geschenk, ein Blick. – Und auf einmal ist darin etwas
von Gottes Glanz in der Welt. Ja, er ist da. Ja, alles es ist gut.
Und drittens:
Gott ist uns nahe, wo Menschen auf ihn hoffen.
Christus in euch, die Hoffnung der
Herrlichkeit, formuliert Paulus.
Herrlichkeit – das
ist ein anderes Wort für Gottes Glanz, von dem ich in dieser Predigt
immer wieder gesprochen habe.
Unter uns Menschen
kursiert die Hoffnung, dass bei Gott am letzten Ende alles gut sein
wird. Gott ist zu uns Menschen gekommen, um das, was schlecht ist,
gut zu machen: um zu heilen, um zu vergeben, um zu retten, um zu
versöhnen.
Vieles davon ist
noch im Modus der Hoffnung. Unser Leben ist noch nicht heil, sondern
von Tod und Krankheit gezeichnet. Bosheit und Bitterkeit verdunkeln
unsere Herzen und bedrohen unsere Gemeinschaft. Wir hoffen auf den
Himmel, aber wir sind noch auf der Erde.
Aber wir hoffen.
Wir resignieren nicht. Wir werden nicht zynisch und nihilistisch. Wir
halten daran fest, dass bei Gott alles gut werden wird.
Und wir
unterfüttern diese Hoffnung mit den Zeichen von Gottes Nähe: Wo in
guten und vollkommenen Momenten sein Glanz aufscheint. Wo in
schlichten Worten und Gesten seine Liebe lebt. Wo in Leid und Schmerz
der mitleidende Gott gefunden wird.
Menschen entdecken
den Glanz Gottes in der Welt: verborgen in Stall und Krippe,
verborgen in Kreuz und Grab. Verborgen in menschlichen Worten.
Verborgen in Zeichen der Hoffnung.
Lasst
uns miteinander diesen geheimnisvollen Glanz Gottes entdecken, und
lasst uns – beglänzt von seinem Lichte –
selber etwas von Gottes Glanz in diese Welt tragen.
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