Sonntag, 23. Dezember 2012

Predigt am 23. Dezember 2012 (4. Sonntag im Advent)

Dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden zu ihm sandten Priester und Leviten von Jerusalem, dass sie ihn fragten: »Wer bist du?« Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: »Ich bin nicht der  Christus.« Und sie fragten ihn: »Was dann? Bist du Elia?« Er sprach: »Ich bin’s nicht.« »Bist du der Prophet?« Und er antwortete: »Nein.« Da sprachen sie zu ihm: »Wer bist du dann? dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst?« Er sprach: »›Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!‹, wie der Prophet Jesaja gesagt hat (Jesaja 40,3).«
Und sie waren von den Pharisäern abgesandt, und sie fragten ihn und sprachen zu ihm: »Warum taufst du denn, wenn du nicht der Christus bist noch Elia noch der Prophet?« Johannes antwortete ihnen und sprach: »Ich taufe mit Wasser; aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt. Der wird nach mir kommen, und ich bin nicht wert, dass ich seine Schuhriemen löse.« Das geschah in Betanien jenseits des Jordans, wo Johannes taufte.
Johannes 1, 19-28

Liebe Schwestern und Brüder,

so vor zehn Jahren war das Wort Casting noch ein Spezialbegriff aus der Filmbranche. Ich hätte wahrscheinlich erst mal nachdenken oder nachschauen müssen, was das eigentlich ist, ein Casting. Inzwischen können wir uns nicht mehr retten vor Casting-Shows: Superstars, Supertalente, Topmodels, Meisterköche … – es wird gecastet, was das Zeug hält …

Dabei ist die Sache viel älter. Man sucht für eine bestimmte Rolle, eine bestimmte Aufgabe einen geeigneten Kandidaten. So lesen wir im Alten Testament, wie Samuel loszieht, um den künftigen König von Israel zu casten. Er kommt zu den Söhnen Isais, auch Jesse genannt – ihr wisst: von Jesse kam die Art –, findet auch einen nach dem andern beeindruckend, muss sich aber vom großen Chef der Jury bei jedem sagen lassen: Nein, ungeeignet. Bis dann das Jüngelchen David vom Schafehüten noch herbeigeholt wird, und der ist es dann. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, der HERR aber sieht das Herz an (1. Samuel 16, 7). – Es ist letztlich Gott, der seine Leute castet, keine irdische Jury von Fachleuten – die dürfen nur ein bisschen mitmachen – wie Samuel. Und Gott fragt auch nicht das Publikum. Am Ende entscheidet der große Chef selber.

Was unser Predigttext erzählt, ist auch eine Art Casting: Judäa sucht den Super-Messias. Denn, so sagen sie, das ist jetzt dran, wir brauchen einen Messias, einen neuen König David. Einen Retter in schwierigen Zeiten. Und jetzt haben sie einen möglichen Kandidaten gefunden: Da unten am Jordan, da ist einer, der predigt, dass das Reich Gottes nahe ist – das passt –, und dass die Leute Buße tun sollen – super! – und er lässt die Leute ins Wasser steigen und untertauchen, als Zeichen, dass ihr Leben neu werden soll – gute Show! Wenn das nichts ist! – Und er selber ist ausgefallen genug, um als Superstar, Verzeihung Messias, durchzugehen: Kleidet sich in Tierfelle und ernährt sich von wildem Honig und Heuschrecken. Ist doch cool, hat ein bisschen was von Dschungelcamp!

Man schickt ein kleines Team runter an den Jordan, und sie beginnen ihn auszufragen, wollen seine Story hören, ob man da was draus machen kann: Wer bist du? Der Messias bin ich nicht, wenn ihr das meint, sagt Johannes. Und damit haben sie schon fast verloren: Der spielt nicht mit. Der will nicht den Messias machen. Wo doch jeder gerne Superstar wäre. Vielleicht ist er aber schlau genug, um zu wissen, dass das nicht gut gehen kann: Messias, zu diesen Zeiten, zwischen römischer Besatzungsmacht, jüdischem Mini-König, sadduzäischer Religionsbehörde und verschiedenen judäischen Volksbefreiungsfronten, das wäre geradezu ein Himmelfahrtskommando.

Aber es gäbe ja immerhin noch Nebenrollen im apokalyptischen Fahrplan, so wie man ihn sich aus den alten biblischen Schriften zusammengereimt hat: Elia zum Beispiel; der sollte auch noch kommen, ehe der große und schreckliche Tag des HERRN kommt (Maleachi 3, 23). – Aber Johannes will auch nicht der Elia sein: Ich bin’s nicht.

Dann wenigstens der Prophet – nach langen Jahrhunderten sollte doch mal wieder ein Prophet auftreten; das wäre doch auch ganz chic. Aber Johannes sagt: Nein.

Sie lassen nicht locker. Zu interessant ist ihnen dieser Typ: Irgendjemand besonderes musst du doch sein! Was sagst du denn von dir selber? – Und Johannes antwortet mit einem alten Prophetenwort: Ich bin die Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! – Predigttext letzte Woche! – Das war die Stimme gegen unsere Vergänglichkeit, unsere Sinnlosigkeit und unsere Trostlosigkeit: Bereitet dem Herrn den Weg, denn siehe, der Herr kommt gewaltig.

Ich bin eine rufende Stimme, weiter nichts!

Ihr Lieben, mich beeindruckt dieser Johannes. Er hat einfach keinen Bock auf Messias oder Prophet. Er will kein Star werden, er macht sich nicht abhängig von der Meinung irgendwelcher Juroren oder Zuschauer, ihn interessieren keine Einschaltquoten; er will nichts werden, was er nicht schon ist, er zieht einfach sein Ding durch. – Bzw. Gottes Ding.

Wer bist du? – Wie würdest du dich darstellen, wenn eine Castingagentur bei dir anfragen würde? Wenn die gerne eine Sendung mit dir machen würden, wenigstens ein Interview oder so? – Du würdest doch bestimmt ausführlich erzählen, wer du bist, was du machst, was du kannst, wie toll du bist. Hier und da ein bisschen übertreiben, dich in einem guten Licht darstellen. – Habe ich ja letztes Jahr auch so gemacht, als die vom Fernsehen da waren: Was für eine tolle Gemeinde wir hier sind, vor allem aber was für klasse Arbeit wir hier machen und was für ein super Pfarrer ich bin. – Das wollen wir ja gerne, uns gut darstellen. Und natürlich wirklich auch gute Arbeit machen. – Trotzdem: Eigentlich wäre das das Entscheidende gewesen: die Stimme eines Predigers in der Wüste sein, weiter nichts, Gottes Stimme. Das ist mehr als genug. Den Rest könnt ihr vergessen.

Johannes sagt: Ich bin’s nicht, ein anderer ist es, der Messias, der Christus.

Eine der größten Gefahren für uns Christen und Kirchenleute ist unsere Eitelkeit: dass wir uns etwas darauf einbilden, was wir verkündigen, wie wir leben, wen wir erreichen, wen wir alles kennen, kurz: wie großartig wir sind. – Nö, wir sind nicht großartig, und wenn dann von Gott und für Gott. Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, sagt Paulus (1. Korinther 15, 10). Wir verkündigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn, sagt auch Paulus (2. Korinther 4, 5).

Und genau so ist es mit Johannes. Er verkündigt Jesus Christus, spricht von ihm: zunächst in Ankündigungen, dass nach ihm, Johannes, einer käme, der schon vor ihm war und über ihm ist (Johannes 1, 15). Dann macht er ihn allen bekannt, die ihn kennen wollen: Das ist er! Das ist Gottes Lamm! Das ist Gottes Sohn! (Johannes 1, 29. 34. 36) – Und prompt wenden sich einige von ihm ab und Jesus zu (Johannes 1, 37).

Einer der selber gerne ein Star wäre, den würde es grämen, wenn ein anderer käme und ihm die Fans wegnähme. Nicht so Johannes. Er ist sich selber nicht wichtig. Ihm ist es nur wichtig, Gottes Stimme zu sein, die auf Jesus Christus hinweist.

Übrigens, es ist kurios: Dem Casting-Team sagt Johannes: Der richtige Messias, der ist schon hier, steht neben euch in der Menge. Aber sie begreifen es gar nicht, sie sind auf den Falschen fixiert, und ziehen unverrichteter Dinge wieder ab. Es ist wie schon damals bei Samuel: Sie sehen nur, was vor Augen ist. Sie sehen nicht das Herz, und sie sehen nicht mit dem Herzen. Denn nicht sie können sich ihren Messias erwählen, sondern Gott hat sich seinen Messias schon lange erwählt. Sie aber hören nicht auf Gottes Stimme, die da in der Wüste ruft und die ihnen den wahren Retter zeigen könnte. Erst als sie wieder weg sind, sagt Johannes ganz deutlich: Das ist er!

So kann es ihm gehen, dem Rufer in der Wüste. Man hört ihn, aber man hört ihm nicht zu. Man versteht ihn nicht. Und verpasst das Beste. – Ihn soll das nicht berühren. Er hat ja seine Legitimation nicht von denen, die ihn zum Star heraufjubeln oder wieder hinunterbuhen. Er hat seinen Auftrag von Gott. Und der hängt nicht an Erfolg oder Misserfolg. Immerhin, es gibt ja auch welche, die ihn hören.

Und von der anderen Seite betrachtet: Wir können auch das Beste verpassen, weil wir das Spektakuläre suchen, die Show, die Stars, den Glamour. Vielleicht laufen wir dabei am wahren Messias, an Jesus Christus vorbei. Es könnte ja sein, er ist sehr unauffällig schon lange an unserer Seite, und wir bekommen es gar nicht mit. – Das wäre schade!

Weihnachten könnte uns lehren auf den ganz unscheinbar nahen Gottessohn zu achten. Er ist nämlich nicht der polternde Weihnachtsmann, nicht der Marktschreier und Geschenkeverkäufer, nicht der Weihnachtsshowmaster, keiner von den Heiligen Drei Königen und auch kein Glitzerengel, er ist das Kind im dunklen Stall, an dem die allermeisten vorbeilaufen. Nur die, die auf Gottes Stimme achten, die finden ihn. Und die ihn finden, die finden Gott.


Hörfassung

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