Sonntag, 4. Juni 2017

Predigt am 4. Juni 2017 (Pfingstsonntag)

Jesus sprach zu seinen Jüngern: „Jetzt gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: ,Wo gehst du hin?‘ Doch weil ich dies zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer. Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben; über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er nimmt es von dem Meinen und wird es euch verkündigen.“
Johannes 16, 5-15

Liebe Schwestern und Brüder,
„Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“
Was für ein Satz!
Heute, hier, wo ich zum letzten Mal mit euch Gottesdienst feiere.
Bzw. zum letzten Mal hier vorn stehe und euch predige und das Abendmahl austeile; zwei Sonntage kommen ja noch, wo wir als einfache Gottesdienstbesucher hier sein werden.
Aber dann gehen wir weg.
Wirklich.
Und ein großer, wichtiger und schöner Abschnitt unseres Lebens geht zu Ende.
Und ein Abschnitt in der Geschichte dieser Gemeinde geht auch zu Ende.
„Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“
Das sagt Jesus.
Aber wenn sogar er das sagen kann, wenn es für seine Jünger gut ist, dass er weggeht, warum sollte es dann nicht sein, dass es auch für euch gut ist, dass ich weggehe?
*
Da sitzen sie mit ihm zusammen an diesem traurigen Abend.
Abschied liegt in der Luft.
Und keiner traut sich, die wichtigen Fragen zu stellen:
Wo gehst du hin?
Wie geht es weiter?
Was sollen wir tun?
Und weil sie nicht fragen, antwortet er.
Hält Abschiedsreden.
Sagt Dinge, die sie nicht verstehen.
Jedenfalls jetzt noch nicht verstehen.
Und sagt: „Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“
„Es ist gut für euch, dass ich weggehe.
Denn wenn ich weggehe, kann ein anderer kommen.
Ich mache ihm Platz.“
Der andere, das ist Gottes Geist.
Der Tröster, der Helfer, der Beistand, wie Jesus ihn nennt.
Ich kann nicht mehr für euch da sein.
Aber er wird für euch da sein:
viel besser, als ich es kann.“
Das ist Jesus:
Er nimmt sich zurück.
Er macht sich klein.
Erst hat er sich klein gemacht und ist Mensch geworden.
Jetzt macht er sich klein und sagt:
„Es geht auch ohne mich.
Es geht sogar besser, wenn ich nicht mehr da bin.“
Jesus macht sich klein, um Gott groß zu machen:
Auf ihn kommt es an.
Jesus macht sich klein, um uns Menschen groß zu machen:
„Was ich getan habe, das könnt ihr auch:
wenn Gottes Geist bei euch ist.“
Jesus macht sich klein, damit Gott und Mensch ganz groß zusammenkommen: durch den Heiligen Geist.
Damit wir ganz im Sinne Gottes, ganz in seinem Geist leben.
Jesus hatte seine Zeit:
Drei Jahre vielleicht, in denen er umherzog, von Gott und seinem Reich redete, Menschen heil machte an Leib und Seele und ein paar Männer und Frauen zu seinen Jüngern machte.
Dann war er weg:
Karfreitag, Ostern, Himmelfahrt.
Was wäre geworden, wenn Jesus geblieben wäre und irgendwann im gesegneten Alter gestorben wäre?
Nein: „Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“
Als Jesus weg war, kam der Heilige Geist.
Nach Karfreitag, Ostern und Himmelfahrt wurde Pfingsten.
Aus seiner winzigen Anhängerschaft wurde die weltumspannende Kirche.
Dank dem Heiligen Geist!
*
Was ist so großartig an Gottes Geist?
Jesus sagt:
„Wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun.“
Der Heilige Geist ist ein Augen-Öffner.
Weil wir ja Jesus eigentlich nicht mehr sehen.
Er ist ja weggegangen.
Aber im Geist sehen wir ihn trotzdem.
So wie er war: als Mensch unter Menschen.
So wie er ist: sitzend zur Rechten Gottes.
Wir sehen ihn geistig.
Und dieses geistige Sehen, das nennen wir Glauben.
Wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde:
Über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben.
Interessant, was Jesus unter Sünde versteht: nicht glauben.
Sünde ist nicht, wenn ich etwas Verbotenes tue.
Sünde ist, wenn ich nicht glaube.
Gottes Geist lässt mich glauben.
Wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht.
Interessant auch, was Jesus unter Gerechtigkeit versteht: dass er zum Vater geht.
Das hat nichts zu tun mit der Gerechtigkeit, die
wir so gerne für uns einfordern: dass wir ja nicht zu kurz kommen, dass wir ja nicht zu wenig Geld oder Bewunderung oder Verständnis bekommen (das wäre ja ungerecht). Die Gerechtigkeit, für die der Geist uns öffnet, ist: dass Jesus bei Gott ist, dass er der Herr ist, dass er an erster Stelle steht. Da geht es nicht um uns, sondern um ihn. Und ihm geht es um alle, nicht nur um mich. Die Gerechtigkeit, die von Gott kommt, ist das Gegenteil von Selbstgerechtigkeit. Nicht der eigene neidische Blick soll uns bestimmen, sondern sein Blick von oben, sein Blick, der nicht nur mich, sondern alle und alles im Blick hat. Gottes Geist macht mich gerecht.
Wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.
Und auch das ist interessant, was Jesus unter Gericht versteht.
Nicht, dass Menschen einander richten, sich beurteilen oder verurteilen.
Auch nicht dass Gott uns Menschen beurteilt oder verurteilt.
Sondern dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.
Also schon verurteilt.
Der Fürst dieser Welt, / wie saur er sich stellt, / tut er uns doch nicht; / das macht, er ist gericht’: / ein Wörtlein kann ihn fällen.
– Ihr erinnert euch: Luther – Ein feste Burg ist unser Gott.
Der Fürst dieser Welt – das ist der Teufel.
Das ist die Macht des Bösen, die uns und die Welt in den Abgrund ziehen will.
Er ist schon verurteilt.
Entmachtet.
Dafür öffnet uns der Heilige Geist die Augen.
Das ist so wichtig: Weil es gegen den Augenschein ist.
Die Welt scheint ja des Teufels zu sein.
Oberflächlich besehen.
In Wahrheit ist sie schon gerettet.
Gottes Geist erlöst mich von dem Bösen.
*
Und das alles, weil Jesus weggegangen ist.
Er hat Platz gemacht für den Geist.
Er hat Platz gemacht für den Geist des Glaubens – damit die Sünde der Gottlosigkeit uns nicht beherrscht.
Er hat Platz gemacht für den Geist der Gerechtigkeit – damit die Selbstgerechtigkeit uns nicht beherrscht.
Er hat Platz gemacht für den Geist des Gerichts – damit das Böse uns nicht beherrscht und der Teufel nicht das letzte Wort behält.
Jesus ist weggegangen.
Und es war gut.
Denn es ist der Glaube gekommen.
Und die Gerechtigkeit Gottes.
Und das Gericht über das Böse.
Jesus ist weggegangen.
Und der Geist der Wahrheit ist gekommen.
Und die Gemeinschaft der Gläubigen ist gekommen, die Kirche – Zeichen dafür, dass die Welt nicht des Teufels ist.
Und das Reich Gottes wird kommen.
*

„Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“
Ob das auch so ist, wenn ich weggehe?
Natürlich nicht so; ich bin ja nicht Jesus.
Und der Geist ist ja schon zu uns gekommen.
Aber klar ist ja, dass der Heilige Geist sich nicht an bestimmte Personen bindet.
Er weht, wo er will.
Und er hat so viele Werkzeuge, wie er braucht.
Wo etwas zu Ende geht, beginnt etwas Neues.
Ich gehe weg.
Andere werden kommen.
Gottes Geist wird bleiben.

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