Sonntag, 24. August 2014

Predigt am 24. August 2014 (10. Sonntag nach Trinitatis)

Ich will euch, liebe Brüder, dieses Geheimnis, nicht verhehlen, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet:
Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, so lange bis die Fülle der Heiden zum Heil gelangt ist;
und so wird ganz Israel gerettet werden,
wie geschrieben steht:
„Es wird kommen aus Zion der Erlöser, der abwenden wird alle Gottlosigkeit von Jakob. Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.“
Im Blick auf das Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen;
aber im Blick auf die Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen.
Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen.
Denn wie ihr zuvor Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams, so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden, wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlange.
Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Unghorsam, damit er sich aller erbarme.
Römer 11, 25-32


Liebe Schwestern und Brüder,
All inclusive. – Viele, die als Urlauber hier sind, haben all inclusive gebucht – alles eingeschlossen. Essen und Trinken frei den ganzen Tag. Nichts mehr draufzahlen. Sich um nichts mehr kümmern. Ziemlich einfach, ziemlich gut.
All inclusive. – Das macht alle gleich. An der Hotelbar und am Pool gibt es keine Unterschiede. Was einer sonst im Leben tut oder darstellt, ist egal. All inclusive –  das heißt nicht nur: Alles eingeschlossen, sondern auch: Alle eingeschlossen.
Alle – außer denen, die nicht gebucht haben. Wer nur Halbpension hat, ist ausgeschlossen von der freien Getränkebar. Er zahlt drauf, extra – exklusiv.
Manche schließen sich auch bewusst selber aus. Sie wollen was Besseres sein als nur Null-acht-fünfzehn-all-inclusive-Gäste. Sie wollen den Unterschied: den besseren Service, die Distinktion, das Besondere: Nicht all inclusive, sondern all exclusive.
*
Wie ist das mit dem Himmelreich? Mit Gott? Mit dem ewigen Leben? – Ist das all inclusive oder all exclusive? Kommen alle rein? Sind sie alle gleich? Oder ist das Gottesreich ein exklusiver Klub?
*
Die Bibel erzählt uns die Geschichte von Gottes auserwähltem Volk. Gott liebt es, Gott bevorzugt es: Israel. Die Juden.
Auserwählt: Ein exklusiver Klub – bis heute. Du kannst nicht einfach beitreten, dazugehören. Entweder du bist als Jude geboren oder du hast es sehr, sehr schwer, einer zu werden.
Du kannst auch nicht einfach austreten, wenn du einer bist. Mancher fühlte sich schon lange als Deutscher und als Christ, damals in den 30-er Jahren, aber der Ahnenpass bewies es: Jude. Und dann gehörtest du eben doch zu den Auserwählten – nicht für den Himmel, sondern für die Hölle. Von Auschwitz. Oder Theresienstadt.
Und noch heute bist du einfach der Jude, wirst vielleicht wieder geschlagen und bespuckt – vorgeblich wegen der Politik eines Staates im Nahen Osten, aber im Grunde genommen doch nur weil du Jude bist, weil du zu Gottes auserwähltem Volk gehörst. Weil du was Besonderes bist und die anderen dich dafür hassen.
Exklusiv auserwählt zum Leiden, Hassobjekt der ganzen Welt seit biblischen Zeiten. Wie bitter!
*
Die Bibel erzählt uns auch die Anfänge der Geschichte der Christenheit. Ihre Botschaft war nicht exklusiv, sondern inklusiv.
Die Ausgeschlossenen sollen mit eingeschlossen sein. Die Kranken. Die Aussätzigen. Die Gottlosen. Die Sünder. Die Heiden.
Die sich schon immer exklusiv auserwählt wussten, taten sich schwer damit. Du kannst nicht einfach Gottes Volk beitreten – mit einer einfachen Taufe und einem Glaubensbekenntnis, sagten sie. Entweder du bist als Jude geboren und lebst als Jude oder du musst draußen bleiben. Ausgeschlossen – exkludiert.
Wer ist nun drin und wer ist draußen?
Ihr seid ausgeschlossen aus Gottes Volk, sagten die Juden zu den Christen.
Ihr schließt euch selber aus der Gemeinschaft mit Gott aus, sagten die Christen zu den Juden.
Und dann erlebten sie, wie Jerusalem einmal mehr zerstört und die Juden einmal mehr zerstreut wurden, und sie sagten: Da seht ihr es, das ist Gottes Strafe: Israel geht unter, denn das neue Gottesvolk, die wahren Auserwählten, das sind wir, wir Christen.
Schon der Apostel Paulus hatte sie verstockt genannt und geschrieben: Im Blick auf das Evangelium sind sie Feinde um euretwillen.
Und so hat man die verstockten Juden ausgeschlossen aus der Gemeinschaft des christlichen Abendlandes. Jahrhundertelang. Hat ihnen das Bürgerrecht und die meisten Berufe verwehrt, hat ihnen Gettos am Rande der Städte zugewiesen, hat sie immer wieder der Brunnenvergiftung und des Ritualmordes beschuldigt, hat von Zeit zu Zeit ihre Geschäfte und Synagogen angezündet, hat sie immer wieder bespuckt und geschlagen, vertrieben und getötet. Und selbst Luther hat auf seine alten Tage geschrieben, dass es Recht sei, so mit ihnen zu tun.
Dabei hatte der Apostel Paulus doch weiter geschrieben: Aber im Blick auf die Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen. Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen. Gottes auserwähltes und geliebtes Volk – das blieben sie, auch wenn sie keine Christen wurden. Das hatten sie wohl überlesen oder nicht verstanden, die Christen, die sich berechtigt fühlten, Juden auszuschließen und zu verfolgen.
Dass wir, die Heidenvölker, mit eingeschlossen sind in Gottes Erwählung und Berufung, das heißt eben nicht, dass andere ausgeschlossen sind. Auch wir sind nichts weiter als von Gott geliebte Sünder.
Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme. All inclusive.
*
Liebe Schwestern und  Brüder,
draußen vor dem Tor hängt der, den sie ausgeschlossenen haben. Man hat ihn herausgeführt aus der Stadt, aus der Gemeinschaft der Menschen. Man hat ihn geschlagen, bespuckt, gefoltert, gekreuzigt. Er hat denen nicht gepasst, die sich exklusiv für was Besseres hielten. Er hat den anderen nicht gepasst, die inklusiv alle gleich machen wollten in ihrem Imperium. So haben sie sich in die Hände gespielt – Juden und Heiden. So haben sie Gott ausgeschlossen aus ihrer Mitte. Und sich selber ausgeschlossen aus der Gemeinschaft mit Gott.
Aber Gott wollte sie alle eingeschließen in die Gemeinschaft mit ihm. Genau so.
Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.
Drinnen in unseren Kirchen hängt er am Kreuz. Haben wir ihn eingeschlossen in unsere Kirchen? Und damit ausgeschlossen von der Welt? Oder haben wir ihn eingeschlossen in unseren Glauben, in unsere Herzen? Sind wir bei ihm, der ausgeschlossen wurde, geschlagen, bespuckt, gefoltert und gekreuzigt ? Und bei denen, die noch heute ausgeschlossen werden, geschlagen, bespuckt, gefoltert und gekreuzigt? Oder sind wir bei denen, die selber immer noch ausschließen – sich selbst und andere –, die hassen, verfolgen, spucken und schlagen?
Gott hat alle eingeschlossen…, damit er sich aller erbarme.
*
Gottes Erbarmen ist allumfassend – all inclusive.
Das Himmelreich ist allumfassend: Alle sind eingeladen. Alle dürfen reinkommen. Die schon immer auserwählt waren und die Spätberufenen. Die Heiligen und die Sünder. Juden und Heiden.
Freilich – exklusive Suiten und Zimmer mit Meerblick gibt es da nicht bei Gott. Im Himmel ist einfach all inclusive. Für alle. Denn mehr als alles kann es nicht geben.

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