Sonntag, 9. Februar 2014

Predigt am 9. Februar 2014 (Letzter Sonntag nach Epiphanias)

Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.
Um so fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen. Und das sollt ihr vor allem wissen, dass keine Weissagung in der Schrift eine Sache eigener Auslegung ist. Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem Heiligen Geist haben Menschen im Namen Gottes geredet.
2. Petrus 1, 16-21


Liebe Schwestern und Brüder,
nun ist der Weihnachtsstern im Haus der Begegnung auch verschwunden. Das Licht ist aus, wir gehn nach Haus…
So ist das: Immer wenn Gott ein Licht angezündet hat, ist es danach wieder dunkel geworden. Die Engel sind in den Himmel zurückgekehrt. Die Hirten sind an ihre Arbeit zurückgekehrt. Der Stern über Bethlehem ist verloschen. Die Könige sind in ihre Heimat zurückgekehrt. – Martin Luther hat sich mal gefragt, wieso alle so erstaunt waren, als Jesus 30 Jahre nach seiner Geburt öffentlich auftrat, dabei hätte doch die Botschaft der Hirten noch im Volk lebendig sein müssen. – War es nicht. Es war schon viel zu lange her, und es war nichts geschehen in der Zwischenzeit. Das Volk, das im Finstern wandelte, sah kein großes Licht.
Dann trat Jesus in Erscheinung. Wo er war, wurde es hell. Menschen wurden berührt und verwandelt von seinem Wort. Wurden geheilt an Leib und Seele. Folgten dem Licht, folgten Jesus. Und sie entdeckten es für sich. Andere sahen es mit eigenen Augen: Jesus im Lichtglanz Gottes, und sie hörten mit eigenen Ohren die Stimme vom Himmel: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. – Und dann ging das Licht wieder aus. Sie stiegen mit Jesus vom Berg hinunter. Sie gingen mit Jesus nach Jerusalem. Und dort wurde es nicht hell, sondern ganz dunkel. Eine große Finsternis kam über die Welt, als er starb. Das Licht der Welt war verloschen.
Dann kam Ostern. Da war es wieder, das Licht der Welt, heller als zuvor: Jesus lebte. Und der Glaube, die Hoffnung, die Liebe, die er gebracht hatte, sie lebten auf. Strahlten aus. Ergriffen seine Jünger, ergriffen immer mehr Menschen: in Jerusalem, im ganzen Heiligen Land und in der ganzen bekannten Welt.
Aber auch das Licht von Ostern ließ wieder nach, die Begeisterung wurde schwächer. Jesus hatte angekündigt, wiederzukommen, aber er blieb weg. Die Welt war nicht wirklich besser geworden, seitdem er gekommen war. Und die christlichen Gemeinden wuchsen nicht mehr – jedenfalls nicht mehr so schnell wie am Anfang. Wer dazu gehörte, hatte Nachteile, wurde diskriminiert, ja, es gab immer wieder Verfolgungen, wo Menschen gezwungen wurden, dem Glauben an Jesus abzuschwören und stattdessen dem Kaiser und den alten Göttern zu opfern; wenn nicht, dann mussten sie ins Gefängnis oder gar in den Tod gehen. Manche erlagen dem Druck; andere nicht. Manche sagten: So ein Opfer an die Götter, das ist doch nur äußerlich, und so ein Bekenntnis zu Jesus, das ist auch nur äußerlich, darauf kommt es doch gar nicht an; Hauptsache, wir wissen, dass das göttliche Licht in uns selber ist, ist doch egal, wie wir das nennen: Der göttliche Funke in mir – alles andere ist egal; diese Art zu denken war damals groß in Mode. Aber sie war irreführend, sie verdunkelte das wahre Licht, das eben nicht aus uns selber kommt, sondern das von Gott her hereinscheint in unser Leben. – Wie auch immer: Für die christlichen Gemeinden sah es ziemlich dunkel aus in dieser Zeit. Ob und wie es weiter gehen würde, ob das mit Jesus alles vielleicht doch nur ein Irrtum war, ein Gerücht, ein schönes Märchen, ein Irrlicht, dem man gefolgt war – das war die Frage.
Und da setzt sich einer hin und schreibt diesen Christen einen Brief. Er erinnert sie an die Anfänge, an die Grundlagen, an die Basics ihres Glaubens. Und er tut das, indem er sich selber in die Rolle eines Menschen versetzt, der ganz von Anfang an mit Jesus unterwegs war, in die Rolle jenes Mannes, der als erster ausgesprochen hatte, dass Jesus der Christus war, Gottes Sohn; der mit ihm auf dem Berg der Verklärung gewesen war, und dem Jesus nach seiner Auferstehung als erstes – jedenfalls als erstem Mann – erschienen war; der Geschichte geschrieben hatte, indem er den ersten echten Nichtjuden getauft hatte – Kornelius; wir haben neulich davon gehört –, der schließlich in Rom für seinen Glauben gestorben war: Er versetzt sich in die Rolle des Apostels Petrus. Und er schreibt aus der Sicht dieses allerersten Glaubenszeugen einen Brief hinein in ein neues Jahrhundert, einen Brief an ausgebrannte Christen, bei denen das Licht des Glaubens gerade auszugehen droht.
Er erinnert sie daran, wie hell es damals geworden war, als die ersten erkannten dass Jesus Gottes Sohn war. Er erinnert daran, wie ihr Glaube das Dunkel überstanden hatte – das Dunkel des Zweifels, des Versagens und des Todes – und wie er immer wieder neu entflammt war. Und er erinnert daran, dass sie entdeckt hatten, wie sich in Jesus die Verheißungen der alten biblischen Propheten erfüllten. Das ist die Grundlage: das, was wir mit Jesus erlebt, erfahren und geglaubt haben. Da hat sich Gott offenbart; das sollt auch ihr glauben. Da ist das Licht aufgegangen, das sollt auch ihr sehen.
Wir stehen hier sozusagen an der Wiege des Katholizismus (die Theologen sprechen hier auch vom Frühkatholizismus): die Autorität der Apostel, allen voran Petrus, und die lehramtliche Auslegung der Heiligen Schrift – das sind die Glaubensgrundlagen; sie garantieren den Fortbestand der Kirche.
Mit einer kleinen Akzentverschiebung stehen wir aber auch schon an der Wiege des Protestantismus: das ursprüngliche Zeugnis von Jesus Christus (solus Christus) und die Auslegung der Heiligen Schrift (sola scriptura) von Christus her und auf Christus hin – das sind die Glaubensgrundlagen; sie garantieren den Fortbestand des Glaubens.
Aktuell ist das allemal, auch 1900 Jahre später noch. Denn von dem Licht des Glauben ist ja nun auch gerade nicht mehr so viel zu sehen. Bei uns jedenfalls. Dass Jesus Christus wiederkommen könnte, wer glaubt das schon im Ernst? Wir leben keinen brennenden Glauben mehr, sondern eine wohltemperierte Religion. Wir misstrauen den Wundern. Hinter Begeisterung vermuten wir Schwärmerei und Fundamentalismus. Wir misstrauen den Möglichkeiten Gottes; lieber retten wir selber die Welt. Wir erleben, wie der Glaube unwichtig wird und langsam stirbt. Nicht wie Marx, Lenin und Ulbricht glaubten, dass die Religion im Sozialismus absterben würde – da wurde sie nur verfolgt –, sondern wohl eher so, dass sie in der kapitalistischen Wohlstandsgesellschaft überflüssig wird. Wenn wir hier auf Erden alles haben, was sollten wir uns dann noch vom Himmel erhoffen? Und wir haben auch unter uns eine Religiosität, die daran glaubt, dass der Mensch in sich selber das göttliche Licht hat, in allen möglichen Religionen Gott finden kann, aber Jesus Christus samt dem traditionellen Kirchenglauben nicht mehr braucht.
Wir leben in einer Welt, die sich rasend schnell verändert, und wir leben in einer Kirche, die mit diesen Veränderungen kaum mitkommt, ja sich gar nicht klar darüber ist, ob sie mitkommen soll und darf, ob sie am Alten festhalten soll oder doch lieber alles Alte über Bord werfen soll.
Die Kirche im angehenden zweiten Jahrhundert, an die der zweite Petrusbrief gerichtet war, hat letztlich am Alten festgehalten und sich genau dadurch erneuert. Sie stand nicht kurz vor ihrem Ende, sondern am Anfang einer großen Zukunft. Sie wusste es nur nicht. Sie fühlte sich gerade ausgebrannt und enttäuscht, von Zweifeln und Selbstzweifeln zerfressen – vielleicht ganz ähnlich wie wir heute. Und doch war sie innerlich stark und hatte Kraft ihren Weg zu finden und die Welt zu verändern.
Sie hatte diese Kraft deshalb, weil sie das getan hat, was der zweite Petrusbrief ihr ins Stammbuch geschrieben hat: Sie ist bei Jesus Christus geblieben. Sie hat sich an die Erfahrungen und Überlieferungen der ersten Generation gehalten. Sie hat sich an die Worte und Verheißungen der Bibel gehalten. Und sie hat dadurch immer wieder das Licht gesehen im Dunkel.
Wer sich an Jesus Christus hält, wer mit den Worten der Bibel lebt, der läuft nicht dem Zeitgeist hinterher, sondern ist der Zeit voraus. Was wie ein Rückblick aussieht, ist in Wahrheit ein Blick in die Zukunft.
Das war schon damals so auf dem heiligen Berg, als Jesus vor den Augen seiner Jünger verklärt wurde: Das war ein Blick in die Zukunft; so wird er auferstandene und wiederkommende Herr sein.
Im Moment sind wir in so einer Art Zwischenzustand, in einem Zwischenland zwischen dem Licht vom Anfang und dem Licht vom Ende. Zwischen dem Tag, der war, und dem Tag, der kommt. Aber dahin scheint das Licht von Jesus. Da, wo wir an ihn erinnern, von ihm erzählen, ihm begegnen als dem, der unter uns lebt. Da, wo wir den Verheißungen der Bibel trauen. Da geht Gottes Licht für uns an.
Wenn ihr euch in eurem Glauben leer und ausgebrannt fühlt, wenn ihr wenig Hoffnung für unsere Kirche verspürt, wenn sich Zweifel, Angst und Finsternis in euren Herzen breit machen, dann schaut dorthin, wo es einmal hell war und von woher es wieder hell wird: Schaut auf den Herrn Jesus Christus!

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