Sonntag, 16. Februar 2014

Predigt am 16. Februar 2014 (Sonntag Septuagesimä)

Was sollen wir nun hierzu sagen? Ist denn Gott ungerecht? Das sei ferne!
Denn er spricht zu Mose (2.Mose 33,19): »Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.«
 So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.
 Denn die Schrift sagt zum Pharao (2.Mose 9,16): »Eben dazu habe ich dich erweckt, damit ich an dir meine Macht erweise und damit mein Name auf der ganzen Erde verkündigt werde.« 
So erbarmt er sich nun, wessen er will, und verstockt, wen er will. 
Nun sagst du zu mir: Warum beschuldigt er uns dann noch? Wer kann seinem Willen widerstehen?
 Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich so? 
Hat nicht ein Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen?
 Da Gott seinen Zorn erzeigen und seine Macht kundtun wollte, hat er mit großer Geduld ertragen die Gefäße des Zorns, die zum Verderben bestimmt waren,
 damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit kundtue an den Gefäßen der Barmherzigkeit, die er zuvor bereitet hatte zur Herrlichkeit. 
Dazu hat er uns berufen, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Heiden.
Römer 9, 14-24

Was sollen wir nun hierzu sagen? – Ja, was sollen wir dazu sagen? Es verschlägt einem die Sprache, es fehlen einem die Worte.
Gott ist gerecht, heißt es. Und deshalb macht er, was er will. Erbarmt sich, wessen er will; verstockt, wen er will. So sieht sie aus, Gottes Gerechtigkeit. – Was sollen wir dazu sagen? Es verschlägt einem die Sprache.
Gott erweist seine Barmherzigkeit, heißt es. Aber nur denen, die er zuvor erwählt hat. Den anderen erzeigt er seinen Zorn. So sieht sie aus, Gottes Barmherzigkeit. – Was sollen wir dazu sagen? Es fehlen einem die Worte.
Geht es nicht nur darum, Gottes Allmacht zu behaupten, und die zeigt sich dann in reiner Willkür? Gott macht, was er will, und wir Menschen haben keine Chance gegen ihn?

Liebe Schwestern und Brüder, ich will das nicht sprachlos hinnehmen. Ich will es verstehen. Ich will es nachbuchstabieren. Und ich will mich mit euch in kleinen Texten diesem großen Text annähern.

I.
Ich bin nicht schuld. Ich war’s nicht. Ich habe das nicht gewollt. Ich bin nun mal ein bisschen ungeschickt. Ein Pechvogel. Ich habe halt so eine Veranlagung. Sie wissen schon, die Gene. Und in meiner Kindheit – da ist einiges schief gelaufen; das kann man nie wieder gutmachen. Und in der Schule – immer das Schwarze Schaf. Kinder können so unbarmherzig sein. – Und Erwachsene erst. Eigentlich bin ich immer nur das Opfer gewesen. Ich kann nichts dafür. Ich bin nicht schuld.
Wer ist dann schuld? – Gott?
Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst?

II.
Schwarzer Peter. – Wir ziehen wechselseitig Karten, manche passen zueinander, die können wir ablegen. Aber eine ist immer zu viel – der Schwarze Peter. Wer den am Ende in der Hand hat, hat verloren.
Wenn du mit Gott Schwarzer Peter spielen willst, dann steht der Verlierer von vornherein fest. Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? – Gott hat immer Recht, und du hast immer Unrecht. Wenn Gott es ist, der die Karten mischt und dir in die Karten guckt, dann bist du es, der den Schwarzen Peter hat – immer.
Aber musst du das wirklich: Gott herausfordern, um ihm den Schwarzen Peter zuzuschieben? Musst du wirklich ein Spiel spielen, das du nicht gewinnen kannst?
Es sei denn: Gott lässt dich gewinnen…

III.
So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen. – Was wäre das für ein Motto für die Olympischen Spiele? Da kämpft einer um Hundertstelsekunden auf Skiern, auf Schlittschuhen, im Bob; und am Ende erfährt er: Wir entscheiden heute mal nicht danach, wer am schnellsten war. Sondern…  vielleicht, wer bisher noch am wenigsten gewonnen hat, der ist jetzt mal dran, der kriegt die Goldmedaille. – Was für Spiele wären das, wenn wir zuvor nicht wüssten, nach welchen Regeln der Sieger gekürt wird? – Wäre das gerecht? Nein? Und wäre es barmherzig?
Beim Sport gilt noch der Maßstab der Leistungsgerechtigkeit: Wer viel leistet, soll auch viel bekommen. Wer wenig leistet, guckt in die Röhre. In unserer Gesellschaft verschiebt sich dieser Maßstab – hin zu einer Verteilungsgerechtigkeit: Spitzengehälter sollen gedeckelt werden. Mehr als soundsoviel tausend Euro im Monat braucht keiner zum Leben, dekretieren die, die weniger haben. Und auf der anderen Seite: So und so viel braucht jeder mindestens zum Leben: Mindestlohn, bedingungsloses Grundeinkommen usw. stehen für diese neue Form von Gerechtigkeit nach dem Motto: Jedem nach seinen Bedürfnissen. – Fragt sich nur, was dann aus der Motivation zu Spitzenleistungen wird, und woher dann kommt, was da verteilt werden soll… – Irgendwie scheint die Botschaft des Evangeliums im vulgär-sozialistischen Verständnis angekommen zu sein: Jeder kriegt, was er zum Leben braucht, egal, was er dafür tut. – Sieht Gottes Gerechtigkeit so aus?
Jedenfalls ist sie eines nicht: Leistungsgerechtigkeit. Ich kann mir bei Gott keine Goldmedaillen verdienen. Und keinen Fensterplatz im Himmel.

IV.
Meine Großmutter hatte noch alle Tassen im Schrank – weil sie nie benutzt wurden, außer einmal im Jahr, wenn ihre Geburtstagstafel gedeckt wurde. Das waren die guten Tassen, die ganz guten mit den blauen Schwertern unten drauf. – Gefäße zu ehrenvollem Gebrauch. Nur dass dieser ehrenvolle Gebrauch sehr selten war.
Meine Großmutter hatte noch ein anderes Porzellangefäß; das wurde täglich benutzt, und es stand nicht im Schrank, sondern unterm Bett. – Ein Gefäß zu nicht ehrenvollem Gebrauch. Aber notwendig, denn die Toilette war außerhalb der Wohnung.
Hat nicht ein Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen?
Du kannst es dir nicht aussuchen, ob du Nachttopf oder Sammeltasse bist. Aber einen Sinn hat dein Dasein so oder so; und was letztlich nützlicher ist, sei dahingestellt. Vielleicht bist du ja aber keins von beiden, sondern der Kaffeepott mit dem lustigen Smiley, der jeden Tag auf dem Schreibtisch steht. Die Welt braucht unterschiedliche Töpfe. Auch dich!

V.
Bin ich etwa ein Gefäß des Zorns?
Zorn ist Ausdruck von Liebe.
Mir liegt so viel an dir; darum bin ich sauer auf dich! Du bist mir so nahe, und darum konntest du mich so verletzen. Das macht mich zornig. Das sollst du spüren, das musst du wissen! Das darf nie wieder geschehen! Ich bin so enttäuscht, so wütend; ich könnte dich… Aber ich liebe dich!
Wärst du mir gleichgültig, dann wäre ich nicht zornig. Dann wäre ich ganz gelassen. Mach doch was du willst, ohne mich! Mir doch egal! – Aber du bist mir nicht gleichgültig! Du bist mir wertvoll, unendlich!
Und darum ertrage ich dich. Darum habe ich immer wieder Geduld mit dir. Darum lasse ich dich nicht ins Verderben laufen. Darum lasse ich dich überhaupt nicht. Mein Zorn hat ein Ende, aber meine Liebe nicht.
Du bist ein Gefäß meiner Liebe.

VI.
Gott ändert die Spielregeln. Weil er es kann. Weil er allmächtig ist. Und barmherzig.
Gott mischt die Karten neu. Er teilt aus. Nicht jeder bekommt dasselbe Blatt. Aber den Schwarzen Peter, den gibt er sich selbst.
Du bist nicht schuld. Ich nehme die Schuld auf mich. Du bist frei.

Ist das gerecht?
Ist das barmherzig?
Ich glaube, ja.
Ja, ich glaube.


VII. (Predigtlied)

1. Warum sollt ich mich denn grämen?
Hab ich doch Christus noch,
wer will mir den nehmen?
Wer will mir den Himmel rauben,
den mir schon Gottes Sohn
beigelegt im Glauben?

2. Nackend lag ich auf dem Boden,
da ich kam, da ich nahm
meinen ersten Odem;
nackend werd ich auch hinziehen,
wenn ich werd von der Erd
als ein Schatten fliehen.

3. Gut und Blut, Leib, Seel und Leben
ist nicht mein, Gott allein
ist es, der’s gegeben.
Will er’s wieder zu sich kehren,
nehm er’s hin; ich will ihn
dennoch fröhlich ehren.

4. Schickt er mir ein Kreuz zu tragen,
dringt herein Angst und Pein,
sollt ich drum verzagen?
Der es schickt, der wird es wenden;
er weiß wohl, wie er soll
all mein Unglück enden.

11. Herr, mein Hirt, Brunn aller Freuden,
du bist mein, ich bin dein,
niemand kann uns scheiden.
Ich bin dein, weil du dein Leben
und dein Blut mir zugut
in den Tod gegeben;

12. du bist mein, weil ich dich fasse
und dich nicht, o mein Licht,
aus dem Herzen lasse.
Lass mich, lass mich hingelangen,
da du mich und ich dich
leiblich werd umfangen.


Text: Paul Gerhardt 1653

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