Sonntag, 3. Februar 2013

Predigt am 3. Februar 2013 (Sonntag Sexagesimä)

Suchet den HERRN, solange er zu finden ist; ruft ihn an, solange er nahe ist. Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter von seinen Gedanken und bekehre sich zum HERRN, so wird er sich seiner erbarmen, und zu unsrem Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung.
Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.
Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.
Jesaja 55, 6-11


Liebe Schwestern und Brüder,

„Sucht mich!“, sagt Gott. „Sucht mich! Ich bin ganz in der Nähe. Es ist ganz leicht mich zu finden.“


Ja, spielen wir denn Verstecken? Spielt Gott mit uns Verstecken? Ist ganz in der Nähe und will von uns doch gesucht werden? Kann er sich nicht einfach zeigen, so wie er ist? Braucht er, brauchen wir das Versteckspiel? Und könnte er es uns nicht überhaupt einfacher machen, ihn zu finden?


Warum glauben denn so viele von uns nicht an ihn? Und es werden immer mehr, die nicht glauben. Die haben das Versteckspiel satt: Warum sollen wir denn nach einem Gott suchen, der sich vor uns versteckt? Vielleicht ist das doch nur ein großer Bluff, ein Betrug, eine Täuschung: Da ist gar keiner. Da steckt gar nichts, gar niemand dahinter, wo wir suchen.

Aber wie soll sich Gott denn bitteschön zeigen, so dass wir ihn wirklich und eindeutig erkennen? Habt ihr euch das mal überlegt?


Ich glaube, Gott hat ein echtes Problem mit uns. Zeigt er sich als Rauch- und Feuersäule, dann sagen die Menschen: „Oh ein Vulkanausbruch oder ein Großbrand!“ Kommt er mit seinem geflügelten Thronwagen, wie der Prophet Hesekiel ihn gesehen hat, dann sagen die Menschen: „Oh ein Raumschiff von Außerirdischen!“ Zeigt er sich als alter Mann mit Rauschebart, so wie wir ihn uns vielleicht als Kinder vorgestellt haben, dann sagen wir: „Oh, der Weihnachtsmann!“ Zeigt sich Gott in einer Vision, dann erklären wir die zur Halluzination und schicken den Betreffenden zum Psycho-Doktor. Und zeigt sich Gott so, wie er an sich selber ist, dann kommen wir um, weil wir das nicht ertragen können. – Gott hat also wirklich ein Problem damit, sich uns so zu zeigen, dass wir ihn erkennen.


Darum geht er einen Umweg. Darum macht er eben dieses Versteckspiel mit uns. Er ist ganz nahe, aber er ist immer irgendwo dahinter versteckt. Hinter den Dingen, hinter den Worten, hinter den Menschen.


Manchmal merken wir es: Da steckt doch was dahinter! Und manchmal ist es Gott, der dahintersteckt.


Wir staunen über die Welt, in der wir leben: Wie schön sie ist, wie sinnvoll eingerichtet sie ist: Regen und Schnee fallen. Pflanzen wachsen. Tiere und Menschen haben Nahrung. Sie leben. Sie haben das Leben von anderen empfangen, die vor ihnen waren. Sie geben das Leben weiter an andere, die nach ihnen kommen. Woher ist es gekommen, das Leben? Welchen Sinn hat es? Wie kommt es, dass wir es erkennen und bestaunen können, aber doch nicht seinen Sinn begreifen? – Da steckt doch was dahinter! Gott? – Gott! Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet (Psalm 104,24). So steht’s geschrieben.


Wir staunen über die Worte, mit denen wir kommunizieren: Wie erstaunlich, dass wir uns Zeichen geben können, die wir verstehen. Dass wir uns differenziert ausdrücken können, nicht nur Gegenstände benennen, sondern Gefühle, Beziehungen, abstrakte Zusammenhänge. Dass wir auch die Sprache der Natur entschlüsseln können und der Natur das Sprechen beibringen: Wir lesen den genetischen Code und wir lassen Maschinen in Computersprache miteinander kommunizieren. Und dann hat da unsere menschliche Sprache dieses erstaunliche Wort: Gott. Woher kommt der Geist, der Sinn hinter den Worten, die Fähigkeit, Sinn und Bedeutung zu verschlüsseln und zu entschlüsseln, und die Möglichkeit, von Gott zu denken und zu sprechen? Von ihm selber, von Gott? – Von Gott! Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort (Joh 1,1). So steht’s geschrieben.


Wir staunen über uns Menschen. Wir sind ein Teil der Welt und der Natur, und doch stehen wir der Natur und der Welt gegenüber als geistige Wesen. Wir greifen ein in den Lauf der Natur, zu unserem Nutzen, manchmal auch zu unserem Schaden. Wir gestalten uns eine künstliche Welt, in der wir doch viel mehr zu Hause sind als in der natürlichen Welt der Steppe oder des Urwalds, der Berge oder der Wüste. Wir geben unserem Leben einen Sinn. Wir gestalten unsere Gemeinschaft. Wir sind fähig, Kunst und Musik zu schaffen und zu genießen und dazu unendlich viele wunderbare, nützliche und schöne Dinge. Und wir sind umgekehrt in der Lage, brutaler und kulturloser als jedes andere Lebewesen das alles zu zerstören, unsere menschliche Gemeinschaft und uns selber. Wir haben uns ein Leben geschaffen, das weit über den biologischen Sinn der Fortpflanzung hinausgeht. Und dann wissen wir oft genug mit diesem unserem Leben gar nichts Sinnvolles mehr anzufangen. – Was sind wir für wundersame Wesen? Woher kommen wir? Wozu sind wir auf der Welt? Was steckt dahinter? – Gott? – Gott! Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn (Gen 1,27). So steht’s geschrieben.


Gott, der so himmelweit größer ist als wir Menschen und alles, was wir kennen, der ist doch nicht fern. Er lässt sich finden. Immer gleich ganz kurz dahinter, hinter dem, was wir kennen. Wir müssen nur einen Gedanken weiter denken. Nur ein klein wenig genauer hinschauen und einen kleinen Schritt auf ihn zu gehen.
„Sucht mich!“, sagt er.


Und dann kommt er uns so nahe, wie er nur kann. Wenn wir Menschen von uns aus den Schritt zum Himmel, zu Gottes Himmel, nicht gehen können, dann macht er den Schritt vom Himmel auf die Erde.


Er zeigt sich in dieser Welt. Hinter den Wundern der Schöpfung, hinter dem Unerklärlichen, hinter den Zufällen und Führungen deines Lebens, da steckt er dahinter.


Und er kommt als das Wort in diese Welt. Er spricht hörbar und verständlich zu den Menschen, in ihrer, in unserer Sprache. Vor allem in den Worten dieses Buches, der Bibel, hat er sich ausgesprochen, spricht er bis heute Menschen an. Leider ist es nicht mehr populär, Gott in der Heiligen Schrift zu suchen. Viele gehen lieber in den Wald, in die Berge oder ans Meer, um Gott zu finden. Gewiss, auch in seiner Schöpfung ist er zu finden. Aber deutlicher spricht er sich aus in klaren Worten. Und wenn diese Worte Menschen erreichen und ihr Leben verändern, zum Guten verändern, da steckt er dahinter.


Aber weil das alles noch nicht klar und deutlich genug ist, kommt Gott schließlich als Mensch in diese Welt. Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit (Joh 1,14). Gott wird wie wir. Gott wird Mensch: Wie wir und doch ganz anders. – Das ist Jesus Christus: Wie wir, unser Menschenbruder. Und doch ganz anders: Der vollkommene Mensch, nach Gottes Bild.


Wer den entscheidenden Schritt auf ihn zu macht, wer sich auf ihn einlässt, der findet Gott. Für den ist klar: Hinter diesem Menschenleben von der ärmlichen Geburt über seine unerhörten Worte und Taten bis hin zu seinem schmachvollen Tod und seiner glorreichen Auferstehung, dahinter steckt Gott. Das ist Gottes Geschichte mit dem Menschen.

Und wer ihn findet, in seinen Taten, in seinen Worten, in seinem Sohn Jesus Christus, der weiß, was dahintersteckt. Der hat den Sinn gefunden, den Schlüssel zum Leben. Der ist verändert und begeistert.


„Sucht mich!“, sagt Gott, und das sagt er, weil er wirklich ganz nahe ist. Ganz nahe in seinem Wort, ganz nahe in seinem Sakrament, ganz nahe in seiner Kirche. Sucht ihn! Es ist ganz heiß.



Predigtlied:

Sucht Gott, denn er ist euch ganz nah,
er lässt sich finden, wenn ihr euch zu ihm kehrt,
weil er euch liebt und euer Rufen erhört,
darum ist er für euch da.

So viel der Himmel höher ist
als diese Erde und was wir von ihr sehn,
so wenig wir Gottes Gedanken verstehn,
so gut ist, was er beschließt.

So wie der Schnee vom Himmel fällt,
so wie der Regen trocknen Boden durchtränkt,
so wie die Erde Brot und Leben uns schenkt,
so segnet Gott unsre Welt.

Sein Wort geht aus in alle Welt,
wo Jesus Christus spricht, da ist es ganz nah,
wo wir es hörn und tun, da ist sein Geist da,
da tut Gott, was ihm gefällt.


(c) Roland Herrig 2013

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