Sonntag, 26. Juni 2016

Predigt am 26. Juni 2016 (Taufpredigt)

Gott spricht: „Ich werde einen Engel schicken, der dir vorausgeht. Er soll dich auf dem Weg schützen und dich an den Ort bringen, den ich bestimmt habe.“
2. Mose/Exodus 23, 20

Sie sind unterwegs durch Wüste und dürres Land.
Durch Sanddünen.
Über Steine und Geröll.
Wo Schlangen und Skorpione lauern.
Wo Tags die Sonne brennt
und es kalt ist in der Nacht.
Unterwegs mit Kind und Kegel.
Mit Alten und Jungen.
Mit dem wenigen, was sie haben, auf Eselsrücken oder auf dem eigenen Buckel.
Unterwegs seit Tagen, seit Wochen.
Und wann und wo sie ankommen werden, das wissen sie noch nicht.
Ein Land, wo Milch und Honig fließt, soll es sein.
Wo alle genug zum Leben haben.
Richtige Häuser mit Gärten und Weinbergen.
Felder und Weiden.
Da wollen sie hin.
Davon träumen sie.
Und davon sind sie noch weit entfernt.
Sie sind auf der Flucht.
Kommen aus einem Land, das eigentlich reich und fruchtbar ist, wo schon Milch und Honig fließen – nur nicht für sie.
Hebräische Arbeitssklaven auf dem Weg in die Freiheit.
Auf dem Weg durch die Wüste:
Aus Ägypten ins Gelobte Land.
Sie haben Halt gemacht im Sinai-Gebirge.
Dort an dem Berg, wo ihr Gott zu Hause ist.
Und Gott hat sich gezeigt: mit Feuer und Rauch.
Und hat geredet mit ihrem Anführer, Mose, persönlich, von Mann zu Mann.
Er hat mit ihnen einen Bundesvertrag geschlossen:
„Ich will euer Gott sein, ich will für euch da sein, ich will euch das Land geben, das ihr ersehnt.
Eine Heimat, wo ihr in Freiheit und Wohlstand leben könnt.
Das verspreche ich euch.
Und ihr versprecht mir, dass ihr euch nach meinen Geboten richtet.
Das Wichtigste ist, dass ihr keine anderen Götter habt außer mir.
Dass ihr euch keine Götterbilder macht.
Und dass ihr Gottes Namen nicht missbraucht.
Ihr sollt einen heiligen Tag in der Woche halten.
Und ihr sollt eure Eltern ehren.
Einander nicht töten und verletzen.
Nicht ehebrechen.
Nicht stehlen.
Keine falschen Zeugenaussagen machen.
Nicht begehren und an euch bringen, was anderen gehört.
Haltet euch daran, dann werde ich zu euch halten“, hat Gott gesagt.
Sie haben Halt gemacht bei Gott.
Sie haben einen Vertrag gemacht mit Gott.
Und dann sind sie weitergezogen.
Noch viele Tage und Wochen, am Ende waren es viele Jahre.
Durch Wüste und dürres Land.
Über Steine und Geröll.
Wie lang der Weg werden würde, das haben sie nicht geahnt.
Aber Gott hat ihnen ein Versprechen gegeben:
„Ich werde einen Engel schicken, der dir vorausgeht. Er soll dich auf dem Weg schützen und dich an den Ort bringen, den ich bestimmt habe.“
*
Einen Engel.
Die Theologen rätseln über diesen Engel.
Wir hören und lesen später nichts mehr von ihm.
(Naja, vielleicht doch: in der Geschichte von Bileam; aber die erzähle ich heute nicht.)
Aber eigentlich nicht.
Wir können nur indirekt feststellen:
Er muss da gewesen sein.
Denn sie waren beschützt auf dem langen Weg.
Und sie sind angekommen an dem Ort, den Gott bestimmt hat.
Wer war dieser Engel?
Und wo war er?
Engel sind Gottes Boten, Gottes Beauftragte.
Das können Menschen sein, wenn Gott sie schickt.
„Du bist ein Engel!“, sagen wir manchmal, wenn uns einer unerwartet hilft oder rettet.
Oder: „Dich hat der liebe Gott geschickt!“
Klar, dann war’s ein Engel, Gottes Bote.
Engel können auch unsichtbare Boten Gottes sein.
Mächtige Wesen, die in der geistigen Welt tun, was Gott will.
Wir ahnen sie, wenn wir vom Schutzengel sprechen.
Wenn er uns im letzten Moment das Lenkrad herumgerissen hat oder uns unverletzt aus dem kaputten Fahrzeug steigen lässt.
Und manchmal denke ich: Solche Schutzengel sind oft schon aktiv, wenn wir es gar nicht mitbekommen, wenn es nicht so knapp ausgeht, sondern wir einfach ruhig, sorglos und behütet unsere Wege fahren oder gehen.
Alles geht gut, weil sie da waren.
Unsichtbar und unmerklich:
Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar …,
so wie Dietrich Bonhoeffer es gedichtet hat.
Der Engel des Herrn, das ist in der Bibel oft auch Gott selber:
Wenn er sich den Menschen zeigt.
Wenn er mit ihnen redet.
Wir können Gott ja nicht so sehen, wie er ist.
Und nicht so hören, wie er ist.
Aber er macht sich bemerkbar.
In einer Erscheinung.
In einer Stimme.
In einer Vision.
In einem Gedanken.
In den Worten der Bibel – oder der Predigt.
Das ist der Engel des Herrn.
Gott, wenn er sich uns zeigt.
Wenn wir etwas von ihm mitbekommen.
Wer war also dieser Engel, der die Israeliten auf dem Weg durch die Wüste beschützt hat?
Vielleicht war es der Mensch, den Gott beauftragt hat: Mose, der sein Volk nach Gottes Plan geführt hat.
Ja vielleicht, war er so etwas wie der Engel Gottes für sein Volk.
Aber wirklich beschützen und bewahren konnte er nicht;
er war auch nur ein Mensch.
Er konnte tun, was ein Mensch tut, der auf Gott hört und tut, was Gott ihm sagt.
Vielleicht, wahrscheinlich war es also eher ein unsichtbarer mächtiger Gottesengel, der im Hintergrund geführt und bewahrt und beschützt hat.
Der immer da war, wenn die weite Wüstenreise zu scheitern drohte.
Vielleicht war es auch das Wort Gottes, die Gebote, an die sie sich erinnerten, die sie auswendig lernten, an denen sie sich festhielten und die ihnen den Weg wiesen.
Und, ja klar:
Letzten Endes war es Gott selber.
Er hat sein Volk geführt.
Er hat sein Volk bewahrt.
Er hat zu seinem Volk geredet.
Er hat ihnen Gebote und Weisungen gegeben.
Manchmal hat er ihnen auch Steine in den Weg gelegt,
wenn es der falsche Weg war.
Manchmal hat er auch geschwiegen, weil sie sowieso nicht auf ihn gehört hätten.
Und dann war er doch immer wieder da.
Für sie da.
Und dann – irgendwann, nach Jahren – waren sie da.
Dort, wo sie hin wollten.
Dort, wo sie hin sollten.
Wo Heimat war und Freiheit.
Und Leben ohne Angst und Gefahr.
Der Ort, den Gott für sie bestimmt hatte.
*
So war das damals mit Gott und seinem Engel
Und so ist das immer mit Gott und seinen Engeln.
So soll es auch sein mit I.
und ihrem Engel, ihren Engeln.
Ja, den Engeln.
Es sind menschliche Engel, die Gott ihr geschickt hat.
Zuerst und vor allem ihre Mutter:
die sie versorgt und schützt und behütet,
sie an die Hand nimmt, wenn sie die ersten Schritte geht,
sie loslässt, wenn sie alleine laufen kann,
und sie doch immer wieder an die Hand und in den Arm nehmen wird, auch wenn sie größer und selbstständiger sein wird.
Ihre Verwandten und ihre Freunde werden ihr immer mal wieder Engel sein.
Und ihre Tante, ihre Patin.
Patin sein bedeutet:
Du hast den Auftrag für dein Patenkind ein Engel zu sein.
Darauf zu achten, dass es behütet und beschützt aufwächst.
Ihr zu zeigen, dass sie geliebt ist.
Und für sie zu beten, dass Gott selber das Gute tut, was wir nicht für sie tun können.
Mit der Taufe haben wir I. in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen.
Da sollen wir alle uns gegenseitig Engel sein: Gottes Boten, die auf Gott hören und aufeinander achtgeben.
Und selbstverständlich sind da auch unsichtbare Engel, Gotteskräfte, die für I. da sein sollen.
Sie bewahren an Leib und Seele.
Sie schützen, wo wir als Menschen nicht mehr beschützen können.
Sie führen, wenn sie ihre eigenen Wege gehen will, nicht mehr die, die wir für sie ausgewählt haben.
Sie an die Orte im Leben bringen, die Gott für sie bestimmt hat.
Letzten Endes macht sich Gott in der Taufe selber für sie verantwortlich.
Wir mögen unseren Teil der Verantwortung beitragen.
Das Entscheidende muss Gott tun.
*
Wir sind unterwegs:
ein neugeborenes und jetzt auch neugetauftes Kind mit seiner Mutter und seinen Angehörigen,
ältere und lebenserfahrenere Inselbewohner und Christen,
Wanderer zwischen verschiedenen Welten.
Wir sind unterwegs: manchmal über Geröll und Stein,
manchmal auf leicht befahrbaren und doch gefährlichen Autobahnen.
Manchmal durch Wüsten und dürres Land.
Manchmal unzufrieden und manchmal dankbar.

Wir sind unterwegs.
Und wir haben Gottes Worte und Gottes Gebote.
Wir haben seine Engel vor uns und um uns.
Und wir haben ein Ziel:
den Ort, den Gott uns bestimmt hat –
das Gelobte Land.

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