Sonntag, 20. Dezember 2015

Predigt am 20. Dezember 2015 (4. Sonntag im Advent)

Der Apostel Paulus schreibt:
Freuet euch in dem Herrn allewege,
und abermals sage ich: Freuet euch!
Eure Güte lasst kundsein allen Menschen!
Der Herr ist nahe!
Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. (Philipper 4, 4-7)
*
Paulus sitzt im Gefängnis.
Untersuchungshaft.
Der Prozess steht bevor; wie er ausgehen wird ist völlig offen.
Im schlimmsten Fall droht ein Todesurteil.
Paulus sitzt im Gefängnis.
Hinter dicken Wänden.
Durch die schmalen Fensterschlitze sieht er den blauen Himmel, hört er am Morgen die Vögel und am Abend die Zikaden.
Aber dort hinaus, wo die Luft frisch und das Leben frei ist, dort hinaus kommt er nicht.
Die Türen sind verschlossen.
So ist das im Gefängnis.
Einmal in der Woche darf er Besuch empfangen.
Dann kommt Timotheus zu ihm; sein treuer Freund und Mitarbeiter.
Er erzählt ihm, was draußen geschieht:
Wie sie in der kleinen christlichen Gemeinde für ihn beten.
Und wie sie die Botschaft von Christus trotzdem weitersagen – obwohl das so gefährlich ist.
Aber jetzt, 
sagen sie, wo Paulus im Gefängnis ist, jetzt gerade!
Paulus sitzt im Gefängnis und freut sich.
Nicht, dass er in diesem dunklen Verlies sitzen muss.
Nicht, dass das Todesurteil droht.
(Obwohl: Manchmal ist er auch ein bisschen müde, und endlich ganz beim Herrn zu sein, das wäre auch nicht schlecht!)
Paulus freut sich, dass das Wort Christi läuft und dass seine Gefangenschaft sogar noch dazu beiträgt, dass es läuft.
Paulus freut sich, dass so viele an ihn denken und für ihn beten.
Er freut sich auch über gute Nachrichten aus der Ferne.
Da läuft es auch gut: bei den Glaubensgeschwistern in Philippi; die
sind ihm sowieso von allen die liebsten. Und er freut sich, dass Timotheus ihm Papyrus und Tinte mitbringen darf.
Paulus sitzt im Gefängnis und schreibt einen Brief an seine Glaubensgeschwister in Philippi.
Einen Freudenbrief:
Ich freue mich, schreibt er.
Ich werde mich auch weiterhin freuen, schreibt er.
Freut euch mit mir!, schreibt er.
Freut euch in dem Herrn!
Freuet euch in dem Herrn allewege,
und abermals sage ich: Freuet euch!
Der Herr ist nahe.
*
Du verwandelst meine Trauer in Freude.
Du verwandelst meine Ängste in Mut.
Du verwandelst meine Sorge in Zuversicht.
Guter Gott! Du verwandelst mich.
Das haben wir manchmal gesungen. Sogar schon mal getanzt - zu Ostern.
Trauer verwandelt sich in Freude.
Ängste in Mut.
Sorge in Zuversicht.
Weil der Herr nahe ist.
*
Maria ist schwanger.
Sie weiß nicht, wie und von wem.
Alles ist so verwirrend.
Ihr Verlobter war’s nicht.
Wird er sie verlassen?
Wird er sie verklagen?
Ein Engel war zu ihr gekommen; aber wem konnte man das erzählen, wer sollte das glauben?
Und dieses Gefühl: Jetzt wächst da ein richtiges, lebendiges Kind in mir heran.
In ein paar Monaten werde ich es im Arm halten.
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass ich mit Puppen gespielt habe.
Wie kann ich dem gewachsen sein?
Wie kann ich ihm eine gute Mutter sein.
Alles ist so verwirrend.
Sieh, Elisabeth, deine Verwandte ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist schon im sechsten Monat, dabei hat man doch gesagt, sie wäre unfruchtbar. Bei Gott ist nichts unmöglich.
Das hatte der Engel gesagt.
Wenn es einen Menschen gibt, mit dem sie jetzt über alles reden kann, dann ist es Elisabeth.
Und so geht sie übers Gebirge:
Verwirrt.
Fragend.
Sorgend.
Zweifelnd.
Hoffend.
Dann trifft sie auf Elisabeth.
Sie muss gar nichts sagen.
Die Ältere weiß schon, was sie eigentlich nicht wissen kann:
Dass auch Maria ein Kind erwartet.
Dass das mit Gott zu tun hat.
Und dass da eine innere Verbindung ist – zwischen ihrem und Marias Kind:
Als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe.
Und selig bist du, die du geglaubt hast!
Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.
Maria ist schwanger und freut sich.
Alles bleibt ungewiss.
Ob ihr Verlobter bei ihr bleiben wird.
Ob sie das alles schaffen wird und ob sie eine gute Mutter sein wird.
Aber jetzt kann sie sich freuen.
Sie weiß: Der Herr ist nahe.
Maria singt:
Meine Seele erhebt den Herrn,
und mein Geist freut sich Gottes meines Heilandes.
*
Du verwandelst meine Trauer in Freude.
Du verwandelst meine Ängste in Mut.
Du verwandelst meine Sorge in Zuversicht.
Guter Gott! Du verwandelst mich.
Trauer verwandelt sich in Freude.
Ängste in Mut.
Sorge in Zuversicht.
Weil der Herr nahe ist.
*
Eine Freundin erzählt immer wieder von ihren syrischen Flüchtlingen.
(Im Internet. In Facebook.)
Die wohnen seit einigen Wochen in ihrer ausgebauten Pfarrscheune.
Sie erzählt, wie der 19-Jährige vor der Tür sitzt, dort wo das WLAN gut ist.
Klagende arabische Musik kommt aus dem Handy.
Er sitzt wie versteinert.
Fast nicht ansprechbar.
„Traurige Musik.“ –
„Ja, traurig.“
„Es geht dir nicht gut.“ –
Nicht gut. Syrien. Ali nicht gut. Alles nicht gut. Mama krank. Schwester krank. Papa kein Geld. Großes Problem.“
Ali hat keine Nachrichten von seiner Familie.
Vielleicht sind sie tot.
Wie kann eine deutsche Pfarrerin den 19-jährigen Syrer trösten?
Einmal geht sie mit den drei Jungs in die Kirche.
Sie wollen das gerne:
„Ich brauche Kirche. Kannst du mir zeigen beten?“
In der Kirche leuchtet nur der große Adventsstern.
Sie sitzen an der Orgel und hören auf die einzelnen Töne, die sie mit dem Finger anschlagen.
Dann gehen sie hinunter zum Altar.
Ein Weihnachtsaltar.
Sie erzählen über die Bilder. Mit wenig Deutsch und Englisch.Und über die Kirche:
Wie man sich bewegt.
Wie man sich hinsetzt.
Wie man betet.
Die Pfarrerin holt eine Sandschale für die Kerzen.
„Syria“ schreibt sie in den Sand.
Und dann beten sie.
Für alles, was ihnen auf dem Herzen liegt:
Mutter, Vater, Geschwister.
Freunde.
Syrien.
Die Pfarrerin sagt „Amen“.
Und Freude ist auf ihrem Gesicht:
„Amen“ – Das verstehen sie.
Wenn Bettina von ihren syrischen Flüchtlingen erzählt, dann spüre ich darin: Der Herr ist nahe!
*

Der Apostel Paulus schreibt:
Freuet euch in dem Herrn allewege,
und abermals sage ich: Freuet euch!
Eure Güte lasst kundsein allen Menschen!
Der Herr ist nahe!
Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen