Montag, 30. Juni 2014

Predigt am 29. Juni 2014 (2. Sonntag nach Trinitatis)


Dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muss es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte! Täte ich’s aus eigenem Willen, so erhielte ich Lohn. Tue ich’s aber nicht aus eigenem Willen, so ist mir doch das Amt anvertraut. Was ist denn nun mein Lohn? Dass ich das Evangelium predige ohne Entgelt und von meinem Recht am Evangelium nicht Gebrauch mache.
Dennoch obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne. Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden – obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin –, damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne. Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden – obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi –, damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich auf alle Weise einige rette. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben.
1. Korinther 9, 16-23


Liebe Schwestern und Brüder,
als Berufschrist habe ich mich letzten Sonntag bezeichnet. Selbstironisch natürlich. Aber was ich damit gemeint habe ist schon klar, oder? – Ich muss ja fromm reden, weil ich Pastor bin. Es wird ja von mir erwartet, dass ich den lieben Gott und den Herrn Jesus im Munde führe. Ich muss ja besonders anständig und christlich leben, weil ich Pfarrer bin. Ich soll schließlich Vorbild für die anderen sein. Ich muss auch immer nett und freundlich zu allen sein, weil ich ja die Kirche repräsentiere. Dafür werde ich schließlich bezahlt. Das gehört gewissermaßen zu meiner Jobbeschreibung. Was bei den anderen, den Freizeitchristen, gern gesehen ist, aber letztlich doch ein Kann, das ist für mich ein Muss. Denn was es mit dem Glauben, mit dem Christsein, mit der Kirche auf sich hat, das macht sich an mir und meinen Schwestern und Brüdern im Amt fest. Ja, so wird das allgemein gesehen – Umfragen zeigen es: Kirche ist, wo ein Pfarrer ist.
Mit den Worten des Apostels: Dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muss es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte! – Ja sicher, wenn ich das Evangelium nicht predigte, dann würdet ihr euch bei der EKD beschweren. Und die Kirche würde mich über kurz oder lang aus ihrem Dienst entfernen, weil ich nicht mehr das täte, wofür ich angestellt bin und bezahlt werde. Ich muss es tun. – Schon allein deshalb, weil ich davon lebe. Auch wenn ich gerade keine Lust hätte, oder wenn mir nichts mehr einfallen würde, oder wenn ich Zweifel hätte, wenn mir der Glaube abhanden käme – ich muss es tun. Ich könnte es mir gar nicht leisten, das Evangelium nicht zu predigen. Es ist schließlich mein Lebensunterhalt.
Ist das gut? – Manchmal komme ich mir vor wie gekauft. Wie der Mietling im Gleichnis Jesu, der schlechte Hirte, der die Schafe nur für Bezahlung hütet. Manchmal spüre ich die Schere im Kopf, die mich dreimal überlegen lässt, ob ich mich kritisch zu dem einen oder anderen äußere, was meine Kirchenbehörde, mein Dienstherr, die EKD sagt und tut. Man ist ja auch zur Loaylität verpflichtet. Da wird man vorsichtig.
Bei Paulus ist es genau andersherum: Dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muss es tun, sagt er – aber er meint: gerade nicht für Lohn oder Gehalt, nicht im öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis zur Kirchenleitung in Jerusalem. Keiner bezahlt ihn, keiner kann ihm was vorschreiben. Allein einer hat ihn berufen und beauftragt: der Herr Jesus Christus persönlich. Der allein ist sein Dienstherr. – Jesus Christus war ihm persönlich in den Weg getreten, damals vor Damaskus. Und er hatte ihm persönlich deutlich gemacht, dass Paulus sein Bote, sein Werkzeug sein sollte. Und Paulus hatte niemanden weiter gefragt, sondern war einfach losgegangen und hatte begonnen, den Menschen von Jesus zu erzählen. Paulus weiß sich von Jesus Christus persönlich berufen und beauftragt. – Darum muss er. Darum kann er nicht anders. Darum können ihn die anderen mal. Darum legt er auch größten Wert darauf, dass er sich seinen Lebensunterhalt selber erarbeitet und nicht auf anderer Leute Bezahlung angewiesen ist. Das macht ihn frei, unabhängig und unbestechlich. Allein seinem Herrn verpflichtet.
Paulus ist der wahre Berufschrist. Christ aus Berufung. Da hat das Wort Beruf noch seinen ursprünglichen Sinn. Was er sonst noch tut, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen – er arbeitet in dem ehrenwerten Beruf eines Zeltmachers –, das ist nicht sein wahrer Beruf; es ist ein Job, den er tut, um den Rest der Zeit seiner wahren Berufung zu folgen, seinem wahren Beruf nachzugehen: Prediger des Evangeliums von Jesus.
Bin ich ein Berufschrist, weil ich meine Brötchen bei der Kirche verdiene, oder bin ich ein Berufschrist, weil Christus mich berufen hat, das Evangelium zu verkündigen? – Das muss ich manchmal selber fragen.
Und dann denke ich zurück, wie alles angefangen hat. So mit 19, als ich so richtig begeistert war für den Glauben an Jesus, mich mit der Bibel beschäftigte, Mitarbeiter im Jugendkreis war usw., da sagten manche zu mir: Studier doch Theologie! Werde doch Pfarrer! – Nein, dazu brauche ich eine besondere Berufung, war ich damals schon überzeugt. Pfarrer ist kein Beruf wie jeder andere, sondern eine Berufung. Ich fühlte mich nicht berufen. Und Theologie als Notlösung, nur weil mir andere Studienplätze von den Kommunisten verwehrt wurden, das wollte ich schon gar nicht. – Irgendwann sagte mir ein Seelsorger, er habe den Eindruck, Gott wollte, dass ich Pfarrer werde. Ich sollte das für mich prüfen und Gott fragen… – Einige Wochen später habe ich mich für das Theologiestudium beworben; es war nicht klar, ob ich genommen würde; ich habe es in Gottes Hand gelegt; wenn er wollte, dass ich Pfarrer werden soll, dann bitte… Ja, und dann war ich genommen, und von da an wusste ich, dass ich dazu berufen war.
(Dass das mal heißen könnte, als EKD-Beamter auf einer sonnigen Insel zu sitzen, daran war damals noch nicht zu denken. Ich habe eher an verfallende Kirchen und Pfarrhäuser in einer kirchenfeindlichen Umgebung gedacht, und ich wusste wirklich noch nicht, wie ich dem allem gewachsen sein sollte. Dass Gott dann ganz andere Pläne hatte, und Aufgaben, für die ich mit meinen Gaben und Grenzen geeignet war, das hätte ich mir damals nicht vorstellen können.)
Es ist gut und wichtig für mich, dass ich das immer noch weiß, dass ich berufen bin, berufen, das Evangelium zu predigen. Nicht nur von einer Kirchenorganisation angestellt und bezahlt, sondern von Christus berufen und ihm verantwortlich.
Im übrigen hat mich die Kirche bei meiner Ordination genau darauf verpflichtet: auf das Evangelium von Jesus Christus. Und sie bezahlt mich nicht dafür, dass ich Kirchenleitungen nach dem Munde rede, sondern dass ich frei und unabhängig bin, mit meinen Gaben und Möglichkeiten das Evangelium von Jesus zu verkündigen.
Ja, so möchte ich Berufschrist sein: Frei und unabhängig aus der Berufung Jesu leben. Nicht einfach nur einen Job machen für ein paar Stunden am Tag oder  ein paar Jahre im Leben, sondern den Glauben leben und das Evangelium verkündigen, weil ich gar nicht anders kann, wenn Jesus mich verpflichtet.
Und was hat das nun mit euch zu tun, liebe Schwestern und Brüder? Ihr seid weder Pfarrer noch Apostel. Ihr könnt euch zurücklehnen und kritisch hinschauen, ob ich auch alles richtig mache. Ob ich das Evangelium richtig verkündige, ob ich die Kirche gut repräsentiere, ob ich glaubwürdig lebe. Ja, das dürft ihr und das sollt ihr auch!
Aber ich muss euch doch eines sagen: Auch ihr seid Berufschristen. Christen aus Berufung. Ihr seid berufen, euren Glauben zu leben nach bestem Wissen und Gewissen. Berufen das Evangelium zu verkündigen – nicht durch öffentliche Predigten, aber durch euer Leben, das anderen eine Predigt sein kann.
Ja, das Wort Beruf kommt von Berufung. Es hat in der Reformationszeit seine Bedeutung gewandelt. Bis dahin sprach man vom Beruf, wenn jemand sich in den Mönchsstand berufen fühlte oder ins Priesteramt. Auf diese besondere geistliche Berufung bildeten sich viele etwas ein. Sie hatten besondere Gelübde abgelegt, hatten als Priester eine besondere Weihe empfangen, und so waren sie auch etwas besonderes: von Gott berufen. – Martin Luther hat betont, dass jeder Mensch von Gott berufen ist: berufen, für seinen Nächsten da zu sein mit Worten und Taten, in Glauben und Liebe zu leben, so dass der Mitmensch etwas von Gottes Liebe mitbekommt, auch und gerade in der alltäglichen Arbeit. So mag der eine die Berufung haben, auf der Kanzel das Wort Gottes zu sagen. Und der andere hat die Berufung, Schuhe oder Kleidung herzustellen. Der eine mag die Berufung haben, für das Seelenheil der Menschen zu beten. Und der andere hat die Berufung, für die leibliche Gesundheit der Menschen zu sorgen. Jeder Beruf, dem wir nachgehen, jede Aufgabe, die wir wahrnehmen, jede Begegnung, der wir uns stellen, kann mehr sein als ein Job, den wir zu tun haben. Wir könne, wir sollen darin unsere Berufung, Gottes Berufung erkennen.

Mit deinen Gaben und Aufgaben bist auch du zu etwas Besonderem berufen. Du sollst deine Berufung entdecken und leben, in dem, was du zu tun hast, was deine Gaben und Aufgaben sind, was dir vor die Füße gelegt ist. Du sollst und darfst dich in allem, was du tust, dem Herrn Jesus Christus verpflichtet wissen und deinem Mitmenschen. Du bist berufen, ihm auf deine Weise das Evangelium zu verkündigen.

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